Der Anstieg der "Maßnahmen" ist historisch einmalig. |
Wenn es ums Regieren geht, sind sie immer in der Nähe, die "Maßnahmen", die als Allheilmittel gegen jedes Zipperlein gelten. Nicht erst seit Corona, aber seitdem erst recht, ist die "Maßnahme" das, was als nächstes kommt. Mit Maßnahmen wird eingedämmt und für Impfungen gesorgt, Maßanhmen erleichtern armen Familien das Überleben und reicheren die Arbeit im Homeoffice. Maßnahmen schränken ein und sie dämmen, Maßnahmen werden beschlossen und exekutiert, wer gegen Maßnahmen verstößt, der muss ein Bußgeld zahlen, denn die Maßnahme ist der Marschtakt der Zeit, eines Zeitalters, in dem Gegängeltwerden der Wunsch ganzer Generationen ist.
Alltagserscheinung Maßnahme
Was im rechtlichen Sinne viele Jahrzehnte lang ein einseitiges hoheitliches Handeln des Staates meinte, der einfach mal machte, statt immer nur langwierig herumzufragen, ob er das denn auch dürfe, verwandelte sich schon mit dem Beginn des großen Klimakampfes in eine Alltagserscheinung. Wurden Staaten bis dahin mit allgemeinverbindlichen Rechtsnormen regiert, eröffnete die "Maßnahme" die Möglichkeit, mit voluntaristische Lösungen für den Einzelfall zu propagieren.
Was den Schröder-Jahren die "Reform" war, wurde unter Angela Merkel die "Maßnahme". Wo immer ein Problem sich zeigte, wurde nun nicht mehr reformiert, sondern Maßnahme ergriffen. Politiker, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatten, "das Zusammenleben in unserer Gesellschaft zu regeln" (SPD), taten das mit Hingabe und ganz im Sinne von Bertold Brechts großen Lehrstück "Die Maßnahme": In der Rolle der vier Agitatoren, die vor dem Kontrollgericht der Partei die Tötung eines eifrigen, aber irregeleiteten jungen Genossen verteidigen, treten Herren in seriösen Anzügen und Damen im verwegenen Kostüm, die ganz genau begründen können, warum diese oder jene Maßnahme gerade jetzt absolut unerlässlich ist, um Viren einzudämmen, das Klima für 2070 festzuzurren oder die Wahrheit als allgemeingültig durchzusetzen.
Ein Hauch Kommandokommunismus
Gegen "Maßnahmen" ist kein Kraut gewachsen. Maßnahmen spielen Situationen vor, wie sie sein könnten, gäbe es den Kommandokommunismus noch, in dem extreme Maßnahmen für eine straffe Marschordnung sorgten. Widerspruch ist möglich, aber Erfolg kann er nicht haben, weil die Maßnahme als solche Ruder und Steuerblatt allen Regierens ist. Eine kluge Maßnahme Angela Merkels war es vor diesem Hintergrund, die 16 Jahre im Kanzleramt zu nutzen, Richter ans Bundesverfassungsgericht zu entsenden, die wissen, dass Maßnahmen vielleicht nicht ganz verfassunsgemäß sein mögen. Dessenungeachtet aber wichtig, um das Staatsboot "auf Sicht" (Jens Spahn) zu steuern.
Wer nicht hören will, muss bei Brecht fühlen, er wird Gegenstand einer Maßnahme, die sich allerdings zumeist noch darauf beschränkt, den bürgerlichen Tod anzuweisen. Wer zweifelt oder gegen Maßnahmen hetzt, zynische Bemerkungen macht oder jammert, der zweifelt an, dass jede Maßnahme gehalten sein kann, eine notwendige Corona- oder Klima-Revolution zu befördern, selbst wenn sie moralische Grundsätze oder auch mal Grundrechte verletzen mag.
Hilfe von der Bundesworthülsenfabrik
Das Ziel ist der Weg und die Zeit ist der Freund all derer, die an Maßnahmen glauben, an "Aufholpakete", "Benzingipfel", "Kontaktsperren", "Rettungsschirme", "Energiewenden", "Schuldenbremsen", "Eindämmungsverordnungen" und "Wachstumspakte" und wie die von der Bundesworthülsenfabrik in Berlin (BWHF) verbal aufgerüsteten "Maßnahmen" sonst noch heißen, die Armut, Erderwärmung, Ausbeutung, Ungerechtigkeit, Finanzprobleme und Unterdrückung wirksam bekämpfen.
Noch fehlt es hier und da an der Einsicht, die auch Brechts jungem Genossen im Drama von 1930 fehlte. Heribert Prantl, bis zu seiner Emeritierung ein glühender Anhänger der Machtnahme durch Maßnahmen, beklagt seit seiner Verwandlung in einen Maßnahmenskeptiker zunehmend lauter die Abkehr von Recht und Gesetz und die Hinwendung zur "Maßnahme" als Ausnahmeregel für den Notstand. Je öfter Maßnahme- oder Einzelfallgesetze vorgeblich ausnahmsweise nicht allgemeine Tatbestände, sondern nur einen oder wenige Einzelfälle regeln (Art. 19 Abs. 1 GG), desto weniger bleibt übrig von der Regel und desto normaler wird die Ausnahme, die nun immer erklärt wird, wenn sie das Handeln erleichtert.
Vorgeschriebene April-Temperaturen
Mit dem Klima-Urteil, so Heribert Prantl, habe das Bundesverfassungsgericht zum Beispiel orientiert am Recht auf Freiheit von jungen Menschen geurteilt, denen diese Freiheit - vielleicht, womöglich, unter Umständen - in zehn, zwanzig oder 30 Jahren teilweise genommen werden wird, weil ein April wie in diesem Jahr, mit Temperaturen von fast drei Grad unter dem vorgeschriebenen langjährigen Mittel, dann kaum noch denkbar sind. Hier seien mehr "Maßnahmen", strenger, fester und detailreicher ausgearbeitet, nötig, um bis allerallerspätestens in 18 Monaten für alle Zeiten festgelegt zu wissen, wer wann in welchem Jahr noch wie viel heizen, essen, herumfahren und baden dürfe.
Bei den durch Kontakt-, Berufs- und Ausgehverboten akut eingeschränkten Freiheiten des Augenblicks dagegen, klagt Heribert Prantl, sei das Bundesverfassungsgericht eher weniger dringlich unterwegs. Ist nicht eilig, ist nur jetzt. Darüber lässt sich in der Hauptsache auch noch später reden, wenn die Maßnahme vielleicht schon aufgehoben sein wird, so dass sie insgesamt in einem viel milderen Licht abzuurteilen sein wird. Dringend ist ja auch den Karlsruher Richter nie alles, manches sogar gar nicht, vor allem, wenn es drängt.
Maßnahmen sind nie übertrieben
Bertold Brecht, dessen Lehrstück "Die Maßnahme" nicht verwechselt werden darf mit dem gleichnamigen Unterhaltungsfilm, beklagt in seinem Text, dass es doch übertrieben sei, einen jungen Genossen, der mal über das Ziel hinausschießt, gleich mit einer quasi tödlichen "Maßnahme" erziehen zu wollen. Dass er selbst seiner Hinrichtung zustimmt, weil er zur Einsicht gelangt, dass diese Maßnahme notwendig ist, mag aus heutiger Sicht bizarr und unmenschlich erscheinen. Doch Brecht lehrt: Nach der wenn auch schmerzlichen Maßnahme setzen die übriggebliebenen Genossen ihre Arbeit so erfolgreich fort, dass die Flamme der Revolution auch in China aufleuchtet.
Die Welt ist, eben dank der Maßnahme, ein Stückchen besser geworden - eine Einsicht, die Männer wie Heribert Prantl hierzulande viel eifriger verbreiten sollten.
Der Autor schreibt sich in die dunkle Ecke der Maßnahmen-Leugner. Das sind ja bekanntlich die Schlimmsten – die mit All inclusive.
AntwortenLöschenMeint hier eigentlich irgend jemand, dass auch nur ein einziger jener Massendeutschen, die derzeit zu 28% grün wählen und die Ökodiktatur damit legitimieren wollen, eure selbstbeweihräuchernd detailverliebten Mammutbeiträge liest, von verstehen mal ganz abgesehen?
AntwortenLöschenFür wen oder was gebt ihr euch also täglich so viel Fabuliermühe?
Das ist somit doch nur Beschäftigungstherapie für eine kleine Gruppe selbstverliebter Überflieger, die ihre extrem verkomplizierte Weltsicht auch als Poesie verstehen und darum gerne verblümt ausschmücken?
Bei euch scheint der Weg (des Schreibens) das Ziel, denn eine andere Fokussierung ist hier leider nicht festzustellen. Posten um des Posten willens, auch ohne Botschaft, wohin die Reise gehen soll.
So tun als ob. Das nenne ich eine wirklich geniale Maßnahme zur Betonierung des Status Quo.
ja. du scheinst ja sehr drunter leiden, dass dir niemand anweisungen gibt oder einen weg zeigt
AntwortenLöschenTrotz dieser Sinnlosigkeit, die Boomsday auf unpolitischen Blogs wie PPQ fassungslos zu lesen und verstehen versucht – Blogs, auf denen weiterhin unkritische Selbstverliebte ihre unverständliche Poesie zelebrieren, als würde es den Machtrausch des Spät-Merkelismus nicht geben; als wäre es nicht schon 5 vor Annalena -, trotz dieser grausamen Sinnlosigkeit auf solchen Seiten, trägt er sich ins Poesiealbum ein. So gab Boomsday zumindest heute diesem Blog etwas Sinn – weil Boomsday handelt und nicht labert.
AntwortenLöschendas hat mich auch frohgestimmt
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