Ein paar Schritte über den Fluss und der Wohlstandsnorden steht offen. |
Es anders machen als der grausame Vorgänger wollte er, ein liebevoller Präsident sein für die gesamte Welt, versöhnend und verzeihend wie Tom Kirkman aus der Fantasie-Serie "Designated Survivor", der keine Parteien kennt, sondern nur richtige und falsche Entscheidungen. Joe Biden kam ins Amt, beladen mit einem bis zu den Sternen ragenden Sack aus Erwartungen, so viele und so unterschiedliche, dass selbst ein leistungsfähiger Mann im Vollbesitz seiner körperlichen und geistigen Kräfte Mühe gehabt hätte, in alle auseinanderstrebenden Richtungen zugleich zu marschieren.
Das Tor in den Wohlstandsnorden
Die russlandfreundliche Politik von Donald Trump beenden, der dem Kreml zuletzt immer wieder die gelbe Karte gezeigt hatte, heißt, härter vorgehen und auch wieder nicht. Das seit Walter Steinmeiers "Hassprediger"-Bemerkung zerrüttete Verhältnis zu Europa flicken, heißt die Untergebenen als Partner zu betrachten, ihnen zugleich aber zu zeigen, wo der Hammer hängt. Und den Mauerbau an der Grenze zu Mexiko muss er beenden, aber selbstverständlich verhindern, dass die gesamte Südgrenze der Vereinigten Staaten zu einem einzigen riesigen Tor in den Wohlstandsnorden wird.
Mit Trumps Abgang verschwanden nicht nur das Böse aus den deutschen Medien, es verschwanden auch sämtliche Probleme der USA. Dass Biden die Schuldenpolitik seines Vorgängers noch einmal auf ein ganz neues Niveau hob, dass er dem identitären Amerika Sondergesetze zur verstärkten Gruppenbildung zu schenken bereit ist und dass er wie Trump entschlossen scheint, den deutschen Sonderweg der deutsch-russischen Pipeline Nord Stream II mit allen Mitteln zu verhindern, taucht nur gelegentlich noch in den Medien auf. Schmallippig werden ihm Trumps Impferfolge zugeschrieben. Darüberhinaus aber existieren die Vereinigten Staaten für deutsche Zeitungen, Zeitschriften, Nachrichtenseiten und Fernsehsender kaum noch.
Komplizierte Verhältnisse
Zu viel Erklärungszwang, zu komplizierte Verhältnisse. Wer soll auch verstehen, dass Bidens Versprechen, Trumps große Mauer an der Grenze zu Mexiko nicht weiterzubauen, südlich von Laredo ankommt wie eine Einladung. Kaum ausgesprochen, machten sich die, die von Donald Trump Drohung, sie dürften sowieso nicht bleiben, abgeschreckt worden waren, auf den Weg nach Norden, nun im Glauben, Joe Biden werden sie mit offenen Armen empfangen. Denkbar wäre das, denn der neue Präsident wirkt zuweilen wirklich, als wisse er nicht recht, wen er gerade begrüßt.
Doch in den Grenz-Countys gilt der neue Aufschwung der illegalen Einwanderung dennoch als "Biden-Grenzkrise". Von einer dramatischen Lage an der Südgrenze ist die Rede, nachdem allein im vergangenen Monat mehr als 172.000 Menschen ohne gültige Papiere festgenommen wurden und sich die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen unter ihnen verdoppelt hat. Die Zahl ist so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr. Die einen schickt Biden zurück, die anderen lässt er bleiben, getrennt von den Eltern, die vielleicht später werden nachkommen werden dürfen.
Extralegale Maßnahmen
Der neue liberale Kurs ähnelt dem der deutschen Kanzlerin vor fünf Jahren. Einerseits nett sein und ein einladendes Gesicht machen, ein "Lasset die Kindlein zu mir kommen!" auf den Lippen. Dazu gern die kritisieren, die einem noch größeren Ärger ersparen. Und andererseits verzweifelt versuchen, die selbst verursachte Krise durch extralegale Maßnahmen fern der Heimat vorbeugend beizulegen. Vor zwei Wochen schon hatte Biden angekündigt, dass seine multiethnische Vizepräsident Kamala Harris den neuen Migrantenstrom an der Grenze stoppen solle, indem sie von Deutschlands Flüchtlingsstromverhinderungsvertrag mit der Türkei abschreibt.
An die Stelle von Trumps unfreundlicher Mauer aus Beton und Stahl träte diesem Plan zufolge eine unsichtbare Weiterreisesperre, die schon in El Salvador, Guatemala und Honduras greift. Dort bereits sollen Flüchtende, Geflüchtete und Aufderfluchtbefindliche aufgehalten und an der Weiterreise gehindert werden, um den Druck auf die Regierung von Joe Biden nicht weiter ansteigen zu lassen. Zumindest in Deutschland konnte die Schuldfrage für die vertrackte Situation inzwischen schon vorbeugend und ein für alle mal abschließend beantwortet werden: Verantwortlich ist Donald Trump, der seine versprochene große Grenzmauer nie fertiggebaut habe.
Dummerweise haben die Gründerväter das Menschengrundrecht auf grundloses Asyl nicht in die US-Verfassung geschrieben.
AntwortenLöschenEine Schlagzeile, auf die selbst tagesschau.de neidisch sein dürfte:
Biden must finish the border wall, or the next Trump will
(Biden muss die Mauer fertigstellen, oder der nächste Trump wird es tun)
Das kracht und hakt an so vielen Enden, dass man es gar nicht weiter analysieren muss.
https://www.afr.com/world/north-america/biden-must-finish-the-border-wall-or-the-next-trump-will-20210406-p57gvi
OT Klonovsky zum aktuellen Stand des europäischen Fußballs.
AntwortenLöschenDa paßt nicht ein Milligramm Ergänzung zu. Die Zustandsbeschreibung ist rundum vollständig und macht glücklich.
https://www.klonovsky.de/2021/04/europa-in-einem-bild/