Ohne Maske unter Fremden,im Kontakt mit acht Menschen: Stephan Weil. |
Sie stehen auf Podesten, spazieren durch ungelüftete Räume, halten ohne Mundschutz Reden und sprechen in eilfertig hingehaltene Mikrophone, ohne Mindestabstände zu beachten. Jeden Abend sind sie zu sehen, die Frauen und Männer, die vor aller Augen nahezu alle Corona-Regeln ignorieren. Statt auf Abstand, Vorsicht und lieber ein Händewaschen mehr setzen sie auf "enthemmtes Infektions-Happening, aus dem Ruder gelaufen" (FAZ), Hauptsache, die Fernsehsender werden mit frischen Bildern gefüttert, die Tatkraft simulieren.
Wer aber sind diese "Feinde des freiheitlichen Staates" (FAZ), deren "verantwortungslose Politik" (FAZ) einen "Schaden für die Allgemeinheit" (FAZ) heraufbeschwört, weil sie "asozial und unsolidarisch" zugleich erscheint? Nicht nur der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, der bei einem Besuch in einem hochsensiblen Impfzentrum wie selbstverständlich seine Maske abnahm, gehört dazu. Nein, auch der Bundespräsident, die Bundeskanzlerin und eine nahezu endlose Liste von Bundes- wie Landespolitikerinnen gehört dazu. Sie predigen Homeoffice für alle und tapern selbst täglich in ihre Büros. Sie fordern Anstand und Kontaktvermeidung und nehmen selbst traurigste Vorwände zum Anlass für persönliche Treffen. Als gäbe es keine Pandemie, reisen sie quer durch die Republik, um ihre üblichen Einweihungen zu vollziehen, Bänder durchzuschneiden und sich als Deichgrafen zu empfehlen.
Strenge Regeln für alle außer mich
Strengere Regeln gelten für alle, nicht aber für die Aktiven im Showgeschäft mit der Politik, so scheint es. Wie ihre Kolleginnen und Kollegen von der leichten Muse, agieren die Frontschweine der Talkshow-Republik inmitten der pandemischen Lage von nationalem Ausmaß nicht nur rücksichtslos gegenüber dem eigenen gesundheitlichen Schicksal, sondern auch gegenüber dem der Mitglieder ihres Hausstandes und der Gesamtgesellschaft.
Während überall eingesehen wird, dass Begegnungsverbote und Käfighaltung im eigenen Wohnbereich zumindest über Nacht die letzten Patronen sind, die das Virus nach 157 Tagen Lockdown vielleicht doch noch ausschalten könnten, benehmen sich die Vorbilder der Nation wie norwegische Regierungschefinnen: Jeder Verantwortungsträger fungiert als seine eigene Bilderfabrik. Um voranzukommen, heißt es vorkommen in den Medien, heißt es auftreten statt Auftrittsangebote mit Hinweis auf die Notwendigkeit der Einschränkung von Kontakten abzusagen.
Dachschaden über dem Kopf
Ohne Maske, ohne Abstand, ganz so wie beim CDU-Parteitag, begeben sich die Gesichter der Corona-Krise tagtäglich auf Betteltour um Glauben, Vertrauen und ein großherzigen Darüberhinwegschauen, dass ihr Wanderzirkus durch die Fernsehstudios, Impfzentren und fremde Länder allem widerspricht, was sie bei ihren Auftritten von allen fordern: Daheimbleiben. Kontakte vermeiden. Abstand halten.
#wirbliebenzuhause. Die Hände und Unterarme wie ein schützendes Dach über dem Dez. Die zum inneren Kreis der Pandemie-Bühne gehören, tun das Gegenteil. Sie drehen Filme, sie talken, sie influenzen in der Gruppe, sie sprechen Drehbücher von Scholz&Friends und halten körperlich Termine in der Bundespressekonferenz ab, die ebenso gut als Online-Event stattfinden könnten. Und die Polizei unternimmt nichts.
Der Preis aber ist heiß. Der Showmaster Günther Jauch, der eben noch geschworen hatte, zu Hause zu bleiben, hat sich mit Corona infiziert und muss deshalb, das wird die Bundesregierung freuen, seinen Auftritt in der nächsten TV-Show zum Thema "Wir bleiben zu Hause" absagen. Bessere Werbung für das Verbleiben im schützenden eigenen Heim gibt es nicht. Allerdings kann der Politiker eben nicht existieren, wenn es nicht von außen zu sehen ist. Als Karawane ziehen sie deshalb durchs Land, vom Impfzentrum in die nächste Talkshow, in die nächste Schule oder auch mal ein Maskenlager.
Wanderzirkus im Maskenlager
Die pandemische Lage als Wanderzirkus von Abgeordneten, Bürgermeistern, Virologen, Epidemiologen, Intensivmedizinern und Journalisten, man macht sich ein "Bild vom Fortgang der Impfungen" (MAZ) und hofft auf Bilder, die von einem gemacht werden und um die Welt gehen. Die Opfer dieser Praxis sind längst Legion, sie belegen die epidemische Gefahr, die Trotz Maske und Abstand und regelmäßigem Händewaschen vom unkontrollierten Herumreisen von Welterklärern, Politikern und der übrigen Fernsehprominenz ausgeht. Schicksale mahnen, Konsequenzen aber sind auch im nächsten Eindämmungspaket nicht geplant: Auch die geplante Bundesbremse sieht zwar eine Beschränkung täglich erlaubter Kontakte auf eine Person pro Bürger vor.
Bislang aber kein Talkshow-Verbot und keine Pflicht auf ausschließlich virtuelle Diskussionsrunden im Fernsehen vor.
Die feinen Herrschaften sind erfahrungsgemäss die Ersten, welche bei Gefahr sich verdünnisieren. Dass sich der Miniprä ins Impfzentrum wagt, ins Reich des Virus, zeigt das ganze Theater auf. Es ist ein beruhigendes Indiz, alles heisse Luft. Demgegenüber steht die Schleifung des Rechtstaats und das Ausgrenzen der Widerständler. Medizinische Apartheid.
AntwortenLöschen"Verloren gegangen ist der Getreue aus dem Land, und da ist kein Rechtschaffener unter den Menschen: Sie alle lauern auf Bluttaten, sie jagen jeder seinen Bruder mit dem Netz.
Auf das Böse sind beide Hände aus, um es gut auszuführen. Der Oberste fordert, und der Richter richtet gegen Entgelt, und der Große entscheidet nach der Gier seiner eigenen Seele, und sie flechten es ineinander. Der Beste unter ihnen ist wie ein Dornstrauch, der Rechtschaffenste unter ihnen wie eine Dornhecke. Aber der Tag deiner Wächter kommt, deine Heimsuchung. Dann wird ihre Verwirrung da sein." (Bibel, Micha 7,2-4)
Ein wenig Ostalgie für die ganz harten:
AntwortenLöschenIn der DDR gab es zur Getreide-Enterzeit regelmäßig todernst gemeinte TV-Berichte über den Fortschritt der Einbringung der Feldfrucht. Die Impfberichterstattung erinnert den Kommentator an diese Form Journalismus, mit dem Unterschied, dass es mit dem Ernten real meistens ganz gut lief.
"Der Staat bestraft die Verbrechen gegen das keimende Leben, aber die Verbrechen gegen das erwachsene Leben, die er selbst begeht, bestraft er nicht." Franz werfel
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