Sonntag, 14. März 2021

Wer, wenn nicht sie: 16 Jahre sind einfach noch nicht lange genug

Im Augenblick noch wenig seriös, aber letztlich alternativlos: Nur Angela Merkel kann den Scherbenhaufen der Corona-Zeit wieder zusammenfegen.

Alles hat seine Zeit. Und wenn diese Zeit noch nicht rum ist, wenn es noch Aufgaben zu erledigen, noch Zeit von der Uhr zu nehmen gilt, dann geht etwas trotzdem weiter, auch wenn so mancher wünscht, es wäre vorbei. Bundestrainer Joachim Löw, liebevoll Jogi genannt, hat eben ein Beispiel gegeben: Seit der letzten Weltmeisterschaft schon spaziert der frühere Mannschaftsmacher und Titelgewinner on air, wie der Amerikaner sagt. Aus Comics ist das Bild bekannt, der Abgrund liegt hinten, der Spaziergänger hat den point of no return überschritten. Aber er geht noch, aufrecht, auf Luft, die Brust herausgereckt, sein Glaube hält ihn dort oben, wo nichts ist außer ihm allein.

Eine persönliche Betrachtung des Kampfes um die Kanzlerschaft von PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl.

Svenja Prantl schreibt exklusiv für PPQ.li

Angela Merkel kann ein Lied davon singen. Im Winter 2018 hatte sie Hitler eingeholt, bei der Länge der Amtszeit. Im Winter 2019 ihr bestes Jahr als Bundeskanzlerin vier Jahre hinter sich, jenes 2015, als sie die Welt rettete und dennoch wiedergewählt wurde. Seitdem mühte sie sich nicht mehr sehr, sie tauchte öffentlich eigentlich nicht mehr auf, sie regierte über Youtube und "verwaltete mehr als dass sie gestaltete", wie es kürzlich beim teilstaatlichen Nachrichtenportal T-Online hieß, was tief blicken lässt in den Abgrund einer Amtsperiode, die ohne jeden Respekt endet. Merkel geize mit neuen Ideen, bremse Nachwuchskräfte aus, granteln die Kommentatoren. Im Berliner Regierungsviertel sei von "Dornröschenschlaf" die Rede.

Was für ein hässliches und falsches Bild. Denn was aussieht, als verbarrikadiere sich die Regierungschefin in der Stunde, in den Monaten der höchsten Not in ihrem Kanzleramt wie hinter hohen Hecken, bedeutet vielleicht auch nur, dass Angela Merkel noch einmal Anlauf nimmt. Bekanntermaßen vermag sie Unheil nicht nur vorauszusehen, sie denkt Dinge auch von Ende her - und ein Ende, das wird angesichts der Diadochenkämpfe im Parteivolk deutlich, kann und darf es jetzt eigentlich noch nicht geben.

16 Jahre sind nicht genug, wer weiß das besser als die CDU, die mit Helmut Kohl 16 Jahre und 25 Tage von Erfolg zu Erfolg eilte, ehe Gerhard Schröder kam und mit ihm bittere Jahre der Opposition. Beim Klimaschutz sind die Ziele von 2030 noch nicht safe und die von 2050 noch lange nicht ausreichend hart formuliert. Der Energieausstieg ist bisher nur eine Energiewende hin zu französischem Atomstrom. Die Digitalisierung läuft noch viel zu analog, Europa ist noch kein Bundesstaat, die Fluchturachen sind nicht bekmäft und Afghanistan ist nicht demokratisch. Selbst bei Corona, das hierzulande im Großen und Ganzen super gelaufen ist, bleiben noch kleine Nacharbeiten zu erledigen: Das Impfangebot für alle. Der Impfpass. Die Rückgabe der Bürgerrechte als Privilegien für alle, die fleißig mitgemacht haben.

Wer, wenn nicht sie könnte das wuppen? Das muss selbst T-Online loben: Wie Merkel mit Ausbruch der Seuche "zu neuem Leben erwacht" sei. Aller paar Wochen war sie anfangs im Fernsehen zu sehen, dann auch noch Europas Ratspräsidentschaft. Das größte Rettungspaket aller Zeiten. Die Erfindung von Inzidenz und R-Wert. Niemandem vertrauen die Bürgerinnen und Bürger wie ihr, der gelernten Physikerin, die die zweite Welle kommen sah wie Löw das Unheil vor Moskau.

Merkel allein hätte die Sache in den Griff bekommen. Doch in der Kakophonie der Anwärter auf die Thronfolge konnte sie nicht mehr steuern, wie sie wollte. Zum Maskenversagen kam das Grenzversagen, darauf stapelte sich das Impfversagen und schließlich auch noch das Testversagen, gewürzt mit nicht ausgezahlten Staatshilfen, Bazooka-Wumms ohne Knall, Querleugner auf den Straßen, Impfdränglern und - in der aktuellen Phase - einem Ansturm von mutigen Medienmachern, die das alles schon lange schreiben wollte, aber im Namen der Volksgesundheit darauf verzichtet haben.

Dass diejenigen jetzt aus der Deckung kommen, muss Angela Merkel Angst machen. Bei Helmut Kohl, den sie stürzte, hat die Hamburgerin aus Ostdeutschland gesehen, wie schnell ein Andenken verheert wird, ist das Ruder erstmal aus der Hand. Kohl ist heute eine Unperson der deutschen Geschichte, aus dem Bild gelöscht wie Lenins und Stalins Mitkämpfer aus den Fotografien der russischen Revolution.

Eine furchterregende Vorstellung für Angela Merkel, die ihre letzten Monate im Amt damit verbringen muss, zu hoffen, dass die Pandemie endet, ehe die Fluchtrate ihrer früherer Anhänger zu einer exponentiellen Kurve wird. Geschieht das und geschieht das nicht, wäre sie die Beste, den scherbenhaufen zusammenzukehren: Merkels Zeit im Amt hätte erwiesen, dass nicht nur die acht Jahre, die Barack Obama  vergönnt waren, nicht ausreichen, die Welt oder auch nur ein Land grundlegend zu verändern, sondern auch die 16, die sie bisher hatte.

Da muss noch etwas kommen, denn so will niemand gehen. Das ist Angela Merkels Problem, und nach dem politischen Höhenflug im ersten Corona-Jahr weiß sie, wie es geht. Gelingt es ihr, die endlose Kette der "Fehler im vermasselten Corona-Krisenmanagement" (T-Online) bis zum Spätsommer vergessen zu machen - durch Massenimpfungen und massive Stützungszahlungen - ist die Kanzlerin ein ernstzunehmender Gegner für den SPD-Hoffungsträger Olaf Scholz, der im Augenblick noch plant, Laschet, Habeck, Barbock, Söder und Henning Wellsow mit Mindestlohn und Elektrifizierung des ganzen Landes links zu überholen.

Steht Merkel weiter an der Spitze, im bunten Blazer ihr eigenes Denkmal wie weiland Bismarck, gibt den Takt vor, Föderalismus hin oder her. Sie allein hat, das zeigt ein Blick über die unter ihrer Kanzlerschaft ausgedörrte politische Landschaft, die Energie und die Autorität, in einer historischen Krise die widerstreitenden politischen Lager zu vereinen, der Bürokratie Beine zu machen und Europa weiter voranzubringen.

15 Kommentare:

  1. Das kann gut sein. Laschet jedenfalls wird heute abend nach den ersten Trendmeldungen verbrannt. sein.

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  2. Merkel hatte Energie? Das ist mir in den ganzen 16 Jahren gar nicht aufgefallen. Ich hatte vielmehr den Eindruck, dass sie im Kanzleramt wartet, bis die richtige Lösung öffentlich ausdiskutiert wurde und dann öffentlich erzählt, dass sie das ganz genau so sieht.

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  3. Bismarck und Merkel in einem Atemzug? Wirklich? Aber nur im Rahmen der Erzählung " Anfang und Ende" und "Aufstieg und Fall".

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  4. Svenja ist wieder da, ich habe sie vermisst. Ein neues Foto wäre schön.

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  5. @anonymer Lüstling

    Neue Fotos gibt es nur noch bei onlyfans gegen Aufpreis und Überwachung durch die Jugendmedienschutzanstaltwachmannschaftsbehörde.

    "Wir werden uns darum kümmern“: Tobias Schmid, Direktor der Landesmedienanstalt NRW

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  6. @Arminius

    LAschet hatte seine Chance. Er hätte nur die Aufhebung aller Restriktionen für NRW anweisen müssen.

    So viel Kanzler hätte der gar nicht machen können, wie ihm die Wählerstimmen zufliegen täten. Sich wird er heute gegrillt. Das macht aber nichts. Er kann warten, denn alles geht seinen kapitalistischen Gang.

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  7. DauerelektionMärz 14, 2021

    Unser schwarmintelligentes Kindervolk bekommt garantiert Panik, falls ihre angehimmelte Muttikönigin nicht auch weiterhin auf dem Michelthron sitzt und ihnen allerlei naive Einschlafmärchen erzählt.

    Mit Vernunft ist diesem emotionsgesteuerten Piefke-Herdenvieh nicht beizukommen. Die hecheln nur von einem Konsumkick, von einer Befriedigung zur nächsten. Die sind alle quasi Junkies auf der hysterischen Suche nach dem nächsten Schuss mit bunten Tagträumen, die nach dem Abklingen aber ratzfatz in Horrorfilme mit seelenlosen Zombiekannibalen umschlagen. Und darum geht der ganze grenzdebile Narrenzirkus vermutlich weiter, bis unsere Sonne sich an ihrem Ende aufbläht und alles Menschenwerk in höllischer Glut verschlingt.

    Könnte man Idioten erklären, dass sie welche sind, wären sie keine.

    Gegen Versuche der Massenaufklärung erlebte Sisyphos eine Art Freizeitvergnügen.

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  8. https://www.phoenix.de/sendungen/gespraeche/bilder-der-geschichte/rassismus-a-2027585.html

    Buntmensch und wdr Moderatorin Dr. Bokassa Mundstool agitiert gegen den weißen Mann - unwidersprochen - jetzt darf jeder Buntling den weißen Mann angreifen - beleidigen .

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  9. Laschet kommt nachher ins Merkel rehab camp

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  10. Er hätte nur die Aufhebung aller Restriktionen ...

    Naja. Dann hätte ihm der dickste Panzerwagen nichts genützt. Oder: In den letzten Jahren sind Thrombembolien auch sehr in Mode gekommen.

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  11. Unser schwarmintelligentes Kindervolk bekommt garantiert Panik, falls ihre angehimmelte Muttikönigin nicht auch weiterhin auf dem Michelthron sitzt und ihnen allerlei naive Einschlafmärchen erzählt. ----

    Ferkel "erzählt" auch nur das, was ihre Ohrenbläser (Pabblickriläschenmännidscher) ihr nahelegen, zu erzählen.
    Wobei ich den, der ihr die Phrase "Die schon länger hier Lebenden" untergejubelt hat, sehr gern mal unter vier Augen sprechen würde.
    Auch haben wir eben k e i n Monopol an kollektiver Blödheit, obwohl es, zugegeben, so zu sein scheint.
    Dabei kann ich selbst für Schweden, Verwandte von mir für Engeland sprechen.

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  12. >Wobei ich den, der ihr die Phrase "Die schon länger hier Lebenden" untergejubelt hat, sehr
    >gern mal unter vier Augen sprechen würde.

    https://www.achgut.com/artikel/die_unheimliche_ansage_der_angela_merkel

    Merkel, authentisch, Nov 2016 bei A. Will

    i.A.
    Reichsamt für Faktenkorrektur


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  13. Merkel, authentisch, ----

    Wenn das wirklich oginohl (Schreibweise Werner Brösel) sein sollte, dann muß ich an Soldan-Heppe denken ...

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  14. Diese Phrase ist noch grausamer wahrzunehmen als von Karl Kraus (wenn ich mich recht entsinne) zitiert: "Die Industrie ist bereits ausgekämmt." Ging um weiteren Soldatennachschub ...

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  15. @anonym mit Sodlan-Heppe

    Tja, früher. Früher endeten Hexen auf dem Scheiterhaufen, heute nicht mal mehr auf dem Scheiternhaufen.

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