Sonntag, 14. März 2021

EU-Impfpass: Welcher Impfstoff erlaubt mir was?

Oma zuerst, das war noch einfach. Wenn im April, im Mai oder Juli der Neustart zum Massenimpfen ausgerufen werden wird, stehen aber auch wieder ethische Fragen auf der Agenda.

Sie kommt ganz allmählich in Gang, die größte Impfkampagne zumindest der europäischen Geschichte. Zwar um inzwischen fünf Monate zeitversetzt zu Großbritannien und den USA, verspricht die Durchimpfung der EUropäer dennoch ein Ende der Pandemie irgendwann in der zweiten Jahreshälfte, womöglich schon vor Weihnachten, ein Ende der Eindämmungsmaßnahmen und die Rückkehr zum normalen Leben. Impfpass statt Mobilitätsbeschränkungen, Schnelltests statt Einkaufsverbot, Maskenpflicht statt Corona-Leine - die neue Normalität wird vermutlich eine ganze Reihe von Neuheiten mitbringen, an die sich Bürgerinnen und Bürger erst werden gewöhnen müssen.

Welcher Impfstoff erlaubt was?

Eine ganz wichtige Frage dabei ist die nach den ganz individuellen Möglichkeiten und Genehmigungen, die Menschen haben werden - je nachdem, mit welchem Impfstoff ihre Immunisierung stattgefunden hat. Nachdem die europäische Arzneimittelbehörde EMA zwei Wochen nach den USA mit dem Vakzin von Johnson&Johnson einen vierten Impfstoff für die Verabreichung an EU-Bürgerinnen und Bürger zugelassen hat, wächst bei vielen die Ungewissheit. Welchen soll ich nehmen? Was bringt mir am meisten? Was rät mein Hausarzt? Und darf ich überhaupt aussuchen?

Bislang nein. In der organisatorisch recht simplen ersten Phase der Impfung von Hochbetagten und Gefährdeten war die Sache noch einfach. Die Alten bekamen Biontech und Moderna, die Jüngeren AstraZeneca,das von deutschen Aufsichtsbehörden glücklicherweise nicht für Ältere empfohlen worden war. Seitdem Deutschland allerdings seinen europäischen Sonderweg verlassen hat und AstraZeneca für alle Altersgruppen zulässt, zeichnet sich ab, wie viel Unsicherheit im Zuge der Ausweitung der Impfkampagne noch entstehen wird.

Da sind plötzlich Paare, die wegen ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Hochrisikogruppen nicht nur an verschiedenen Tagen, sondern auch mit verschiedenen Wirkstoffen geimpft worden sind. Können wir noch gemeinsame Kinder haben, fragen sie besorgt? Oder die Hausgemeinschaft, die bisher friedlich und freundlich miteinander lebte, jetzt aber droht, in vier Fraktionen zu zerfallen: Moderna, Biontech, AZ und JJ. Was passiert, wenn die so verschieden Immunisierten ohne Maske miteinander sprechen? Vertragen sich die Spikemoleküle? 

Einmal oder zweimal piksen?

Klar ist, dass der Corona-Impfstoff des US-Pharmakonzerns Johnson & Johnson nur nur einmal verabreicht werden muss und damit doppelt so wirksam ist wie die Konkurrenzprädikate. Deren Stärke liegt in der notwendigen starken Kühlung, die die drei bislang in der EU zugelassenen Impfstoff frisch hält, bis winzige Fetttröpfchen die Bauanleitung für einen Bestandteil des Covid-19-Erregers in die Körperzellen transportieren, so dass dort ein Virusprotein entstehen kann, gegen das der Körper seine Immunantwort entwickelt.

Wer aber nun die traditionell mit Hilfe eines menschlichen Schnupfenvirus wie bei Johnson & Johnson angefertigten Vakzine bekommen hat - wie reagiert der auf Menschen, die mit Biontech/Pfizer und Moderna geimpft sind? Und umgekehrt? Im künftigen Europäischen Impfpass (EIP), der im Zuge der EU-Offensive zur digitalen Souveränität gerade vom US-Konzern IBM entwickelt wird, ist genau vermerkt, wer genetisches Material eines Oberflächenproteins erhalten, mit dem der Erreger Sars-CoV-2 an menschliche Zellen andockt, oder wer mit mRNA-Impfstoffen immunisiert wurde, bei denen das „m” für messenger (Bote) steht und „RNA” für Ribonukleinsäure. 

Wer darf wieder ins Freibad?

Unterschiede, die Tür und Tor öffnen könnten für eine neue Art des Impfstoffrassismus. Denn was mit Freibadbesuchen? Mit Kino, Theater und Sport? Wie steht es mit der Sexualität? Mit Heiraten? Sind gemeinsame Kinder möglich? Darf man zusammen in einem Auto fahren, ohne Maske, ohne Abstand wie beim CDU-Parteitag? Oder deuten die bisher häufiger gelobten mRNA-Impfstoffe darauf hin, dass mit dem Impfpass eine Zwei- oder gar Vierklassen-Gesellschaft eingeführt wird? Offene Getränke in Bars und Kneipen nur für mRNA-Geimpfte, Johnson & Johnson & AstraZeneca-Geschützte dagegen nur Flaschenbier? Welche Länder werden ihre Grenzen nur für mRNA-Immunisierte öffnen? Und welche werden auf den Nachweis einer traditionellen Immunisierung bestehen?

Klar ist noch nichts, aber die von Medien verbreiteten Angaben zur Schutzwirkung zeigen heute schon ein hohes Maß an Verunsicherung. Von 70 Prozent Wirksamkeit bei Astrazeneca über 85 Prozent bei J&J bis zu 94 Prozent bei Moderna und sogar 95 Prozent bei Biontech reichen die Angaben, so dass potenzielle Impflinge verzweifelt darüber nachdenken, wofür sie sich entscheiden würden, wenn sie könnten. Es gibt Bedenken hier und Bedenken da, Bedenken, ob Familien sich mit verschiedenen oder besser mit demselben Impfstoff immunisieren lassen sollen, ob nur neutralisierende Antikörper in höheren Konzentrationen im Blut Freibadbesuche gestatten werden oder auch niedrigere.

Glücklicherweise hat die EU nicht nur von Anfang an ausreichend Impfstoff bestellt, sondern später auch noch einmal entschieden nachgelegt. Dadurch steht spätestens mit Beginn des kommenden Jahres genügend Vakzin zur Verfügung, alle Bürger*nnen mit allen Präparaten zu impfen, um so theoretisch ermittelbare volle Wirksamkeit von 344 Prozent zu erreichen. Auch gegen die zunächst in Großbritannien und Südafrika nachgewiesenen Varianten des Corona-Virus würden diese Nachimpfungen umfassend schützen.

4 Kommentare:

  1. Es steht zu befürchten, daß fürderhin ein bis zweimal im Jahr nachgeimpft werden "muß", einige Jahre lang, oder, mit Karl Moor, "bis die Ewigkeit grau wird ..."

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  2. Das walte Hugo. Irgendeine Grippeimpfung muß ja an Mann und Frau gebracht werden. Täte mich nicht wundern, wenn dann die Wirksamkeit auch bei so um die 30 bis 60% läge, je nachdem Lottogewinner, der richtig geraten hat, welche Mutation gerade von Mensch zu Mensch hüpft.

    Mal schauen, wer das Rennen der Winterinfektion macht, Flu oder Corona.

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  3. Nur: Die Grippeschutzimpfung nehme ich seit 1974 mit, und lebe noch. Dieses jetzt ist eine andere Nummer ...

    Was Ananas, vor so sechs-sieben Jahren war ich, als Ichtyophage, baß erstaunt, Vitamin D Mangel (gehabt) zu haben. Und trotz Vitamin C + Zink sowie kalt nachduschen zweimal im Jahr gniestghustgschnaubtgrotzt (Lied von die oiden Rittersleit) zu haben. Seitdem - Klopf auf Holz.

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  4. Ichthyophage, verwünscht. Theta (The-mesterferien) statt tav. Peinlich.

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