Ein Hoffnungsträger, der im Moment als Schwarzer Peter aushilft: Jens Spahn. |
Der Deichgraf der Seuche
Denn ganz im Gegenteil zu dem ,was der Gesundheitsminister leistete, wurde Jens Spahn in den folgenden Monaten medial zum Deichgrafen der Seuche ausgerufen. Ein Mann, der nichts zustande brachte, der Fehleinschätzung an Fehleinschätzung reihte, falsche Parolen ausgab und falsche Schwerpunkte setzte. Dafür aber in höchsten Tönen geliebt wurde. Was auch immer Spahn zu spät anfasste, wo auch immer er luschig durchgehen ließ, was zu neuen Infektionen und tausenden Toten führte, die Hymnen, die sie ihm sangen, klangen in höchsten Tönen.
Niemanden schien zu stören, dass Deutschland nach einem Jahr immer noch nichts über Verbreitungswege wusste, dass die Krankheit selbst ein schwarzes Loch war, dass die Gesundheitsämter so schwach blieben, wie sie zu Beginn gewesen waren, und dass selbst der vierte Impfstoff noch anderswo schneller zugelassen wurde. Beim Impfstoff von AstraZeneca ging Deutschland einen Sonderweg, abseits der Vorgaben der EU, und das mit Erfolg: Der einzige Impfstoff, der in halbwegs zählbaren Größenordnungen vorhanden war, galt dank der politischen Vorsicht schnell als Ladenhüter. Und Jens Spahn schaffte es ganz an die Spitze der für viel Geld ausgedachten Beliebtheitshitparade der Berufspolitik. Ein Kronprinz, das war klar, der kommende Kanzler für 2025.
In Ungnade bei den Medien, die ihn bewunderten, fiel Spahn spät. Obwohl er fake news verbreitet, Abstands- und Maskenregeln erst verbal und dann auch persönlich missachtet hatte und selbst nach einem Jahr weder Test- noch Impfstrategie vorweisen konnte, bedurfte es dazu der Entmachtung durch die Bundeskanzlerin. Die zog Spahns Ankündigung von kostenlosen Tests eigenhändig und öffentlich zurück, um draußen im Lande klar zu stellen, dass der Nachwuchskader im Kabinett ab sofort hauptamtlich als Schwarzer Peter und Prügelknabe arbeitet.
Nachbau des Berliner Flughafens aus Impfstoff
Was schiefgeht, und in Deutschland geht derzeit kaum etwas nicht schief, ist sein Verschulden. Dass nicht genug Impfstoffe da sind, weil die Kanzlerin im letzten Sommer verhinderte, dass Spahn genug bestellte, liegt an Spahn. Dass das, was zu wenig vorhanden ist, mit einer Langsamkeit verteilt wird, die an den Versuch einer künstlerischen Nachstellung des Baus des Berliner Flughafens erinnert, verbocken nicht die Ministerpräsidenten, die lieber Vorräte anlegen als die Bevölkerung zu impfen. Sondern der Gesundheitsminister, dessen Dienstkalender an die Öffentlichkeit durchgesteckt wurde, um den Druck der Kritik auf Kanzleramt und EU-Chefin zu minimieren.
Das war dringend notwendig geworden, nachdem der Versuch von EU-Chefin Ursula von der Leyen, die Impfstoffhersteller wegen deren gieriger Preispolitik ans Kreuz zu nageln, ebenso gescheitert war wie eine Medienoffensive der Kanzlerin, die nach Monaten nahezu kompletter Unsichtbarkeit außerhalb von Kanzleramt, Bundespressekonferenz und EU-Bühne in einer Serie von hektischen Interviews klarstellte, dass 70.000 Tote doch eigentlich ganz gut sind und Deutschland auch darauf stolz sein dürfe, mit drei Millionen Bürgern bereits 15 Prozent der im selben Zeitraum geimpften Briten vakziniert zu haben. Die USA impfen inzwischen an einem einzigen Sonntag nahezu so viele Menschen wie Deutschland in den neun Wochen seit Weihnachten.
Die Einschätzung der Deutschen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel die Corona-Krise hervorragend manage, liegt nur noch bei 43 Prozent, dies sind 14 Prozentpunkte weniger als noch im April 2020. Nicht viel anders sieht die Beurteilung für Markus Söder aus, dem nur noch 40 Prozent zutrauen, alles richtig zu mache - nach 53 Prozent im April 2020). Der Wumms-Minister Olaf Scholz, immerhin Kanzlerkandidat der SPD, erreicht jämmerliche 21 Prozent, auf knapp mehr kommt Jens Spahn mit 28 Prozent.
Der Durchschnitt ist ein guter Platz
Ergebnis vor allem der Impfkampagne, die als großes Versprechen begann und derzeit nur eine einzige Enttäuschung ist. Deutschland liegt mit seiner Impfquote ziemlich genau im EU-Durchschnitt und dass ist eigentlich ein hervorragender Platz, um bei den Nachbarn nicht unabsichtlich Neid oder Furcht zu schüren. Deutschland, über Jahrzehnte hinweg als monströse Effizienzmaschine bewundert, zeigt sich der Welt in der Pandemie in neuer Gestalt: Ein Häufchen Unglück, das beständig über seine eigenen Füße stolpert, dafür nun aber immerhin jemanden verantwortlich machen kann. Jens Spahn, das Gesicht der Pandemie, vom Körperbau breit genug, damit die Kanzlerin dahinter verschwindet und Ursula von der Leyen sowieso.
Wo gehobelt wird, da fällt der Spahn, aber eben auch nur sinnbildlich, denn im besten Deutschland aller Zeiten, indem wir gut und gerne leben, soweit wir nicht gestorben sind, ist die Rücktrittskultur früherer Tage zuallererst abgeschafft worden. Kein Vergehen, kein Versagen mehr, das heute noch mit persönlichen Konsequenzen verantwortet werden muss. Keine Peinlichkeit, die nicht vorab angekündigt und auf dem Weg des Selbstfreispruchs verziehen wurde.
Euphorisierte Kreuze auf dem Wahlzettel
Auch Jens Spahn wird den kleinen Knick im Liebesentzug überleben und weitermachen. Aus den Kartenhäusern, aus denen sowohl die Union als auch die Bundesregierung in dieser späten Phase der Ära Merkel bestehen, lässt sich kein Blatt ziehen, ohne die ohnehin fragile Gesamtkonstruktion in Mitleidenschaft zu ziehen. Was da noch steht, steht aus Gewohnheit, die da amtieren, tun es, weil kein anderer da ist. Alle Hoffnung und alle Zuversicht speisen sich aus dem festen Glauben, dass bis zur Bundestagswahl ein Impfsturm durch die Lande fegen und anschließend ein immunisiertes Wahlvolk euphorisiert Kreuze aus Dankbarkeit machen wird.
Gelingt es bis "Ende des Sommers" (Merkel), eine solche Stimmung zu erzeugen, darf auch Jens Spahn weiter mitmachen. Gelingt es nicht, wird er der Spahn sein, der beim Hobeln fällt.
Bald sind Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Ich bitte alle Leser, die in diesen schönen Ländern leben, einmal kurz darüber nachzudenken, wo man denn sein Kreuzchen machen könnte, damit die Pandemiemaßnahmen vielleicht irgendwann einmal ein Ende finden mögen.
AntwortenLöschenCorona hin und Vaterlandsrettung her, nichts hassen Politiker mehr als Wahlniederlagen.
Jeder könnte also seinen Part tun, das wenigstens ein Hobelspahn fällt und jemand einmal ein klitzekleines bisschen Verantwortung für diesen ganzen Wahnsinn übernehmen muss.
Sie brauchen dabei auch kein schlechtes Gewissen zu haben. Alle die evtl. vielleicht einmal
wegen des komplett vergurkten Corona-Managements zurücktreten werden müssen, werden sicherlich weich fallen. Versprochen. Sonst würden die schwarzen Peter ja nicht zurücktreten.
Diesemal kann es Berlin (Merkel) nicht auf die Länder schieben, und die die Länder nicht auf Berlin. Das ganze Bund-Länder-Zentralkommitee hat abgenickt.
AntwortenLöschennichts hassen Politiker mehr als Wahlniederlagen ...
AntwortenLöschenOhne Jux jetzt: Da wäre ich gar nicht so sicher. Und nicht nur deswegen, weil sie dank einer Pension in obszöner Höhe sehr weich fallen, wenn sie überhaupt fallen.
Man hat dann auch dem einfältigen Volk wieder einmal untergejubelt, es könne etwas bewirken, es könne "Denkzettel" verteilen. Die spielen mehrfach über Bande.
Wer seine vermeintliche Macht falsch einschätzt, den rafft eine Thrombembolie hinweg, oder, es werden bei ihm Knabenakte gefunden.
(Tucholsky: Weiträumig ist das Feld der Liebe, Der liebt die Knaben, jener schätzt die Hiebe, und der ist nur von Zöpfen enchantiert ...)
OT
AntwortenLöschenFür die Kenner des Rittergutes -
>> Monika
1. März 2021 10:40
@ Laurenz aus dem noblen Taunus
Was ist denn Ihre Sache und Ihr Anliegen ? Primitives Heidengequatsche ? <<
Zu Padua hauste einst ein Weib, bös von Seele, doch gut von Leib. Als die den frommen Pater sah, empfand sie ein großes Verlangen, auch ihn mal in ihre Netze zu fangen ...
... ...
Ich kenne doch so manchen Frommen - so was ist mir noch nicht vorgekommen!
>> Vielfaltspinsel 1. März 2021 at 18:53
AntwortenLöschenWenn eine Kriegspartei ihrem Feind erheblichen Schaden zufügt, kann von deren Versagen ja nun wirklich nicht die Rede sein. <<
Ein Pfund Nackend, bitte - Hä? Ach Sie meinen ein Pfund Nacken! - Ebend.