Sie starteten als Bürgerrechtspartei, waren gegen die Volkszählung, gegen die Allmacht des Staates, dagegen, dass Geheimdienste und Polizei auf die Daten der Bürger zugreifen können und für ein Datenschutz als Selbstverteidigungsrecht des Menschen gegen eine kapitalistische Spionageindustrie, in deren Mühlen sich individuelle Geheimnisse, Vorlieben und Schwächen gnadenlos vermarktet werden. Dann aber schnupperten die grünen am Moschus der Macht. Die in den 80er Jahren entstandene Bürgerrechtstradition der Grünen verblasste, die paar Bürgerrechtler aus der DDR, die übernommen worden waren, alterten aus den Führungsgremien und mit dem ungeliebten Namenszusatz "Bündnis 90" verschwand auch die Reserviertheit einem Staatsverständnis gegenüber, das bei SPD, AfD, Linkspartei und Union tiefe Wurzeln geschlagen hat.
Der Bürger ist für den Staat da
Dort herrscht der Glaube vor, der Bürger sei für den Staat da, denn schließlich erwarte der Bürger, dass der Staat ihm das Leben schön mache. Im Gegenzug für diese politische Dienstleistung müsse er dulden, dass der staatlichen Institutionen über ihn wissen, was es zu wissen gibt. Anständige Menschen hätten schließlich nichts zu verbergen!
Die Grünen hatten diesbezüglich Skrupel, denn in ihren jungen Jahren waren sie es, unter der Lupe der Ämter, Verfassungsschützer, der Polizei und Staatsschützer lagen. Der unendlichen Gier der Staaten nach Daten stand die grüne Partei ebenso skeptisch gegenüber wie der Digitalisierung. Wo immer eine neue Möglichkeit für Behörden aufschien, sich eines neuen Datenbestandes zu bemächtigen oder gar einen ganz neuen Bestand zu erschaffen, nörgelten die Grünen, sie sprachen von Missbrauch und Übergriffigkeit, die eines Tages außer Kontrolle geraten werde.
Traditionsbruch mit der Geschichte
Der Traditionsbruch mit der grünen Geschichte geschah unmerklich, irgendwann zwischen der Entscheidung, mit Annalena Baerbock und Robert Habeck zwei ausgewiesen staatsgläubige Figuren zu Parteichefs zu machen, und der, diesmal mit allen Mitteln um eine Regierungsbeteiligung zu kämpfen. Im neuen, in den Medien nach kursorischem Durchblättern als weitgehend wegweisend gefeierten Wahlprogramm ist es das neue Staatsgrün, das den Ton diktiert: Eine neue Ära, ein neuer Aufbruch, ein Neuaufbau Deutschland, Gerechtigkeit, Solidarität und Klimaschutz und Dritte Welt und alles für alle, bezahlt von keinem.
Ein vielbeachteter Durchbruch zur Regierungsfähigkeit, der diesmal nicht an einem Veggieday wird scheitern müssen, weil die ernsten Griffe in die Taschen der Bürgerseienden unter einem dicken Finish aus Wohlfühlparolen verborgen liegen. Nur dort, wo die Profileser aus den Großraumbüros nicht hinkommen, wird dann doch Klartext gesprochen. "Ein starker, demokratischer Rechtsstaat kann gleichzeitig Sicherheit gewährleisten und Freiheit bewahren", wird dort versprochen, ehe die Rede davon ist, dass Grüne für eine "rationale Sicherheits- und Kriminalpolitik" stehe, "die konkrete Gefahren anlassbezogen und zielgerichtet abwehrt, statt die Bevölkerung mit pauschaler Massenüberwachung unter Generalverdacht zu stellen."
Die grüne Datenpolizei
Und wie das geht, wissen sie in der Parteizentrale am Platz vor dem Neuen Tor in Berlin auch. "Statt pauschaler, anlassloser Vorratsdatenspeicherung und genereller Backdoors für Sicherheitsbehörden oder Staatstrojaner für Geheimdienste wollen wir es der Polizei ermöglichen, technische Geräte anhand einer rechtsstaatlich ausgestalteten Quellen-TKÜ zielgerichtet zu infiltrieren."
Ein kleiner Schritt für die Partei, eine große Freude für die Wähler, denn frühere Fälle des Missbrauchs zeigen, dass einmal vorhandene Daten Sicherheitsbehörden stets so lange in Versuchung führen,
sie illegal zu nutzen, bis sie generell auch jenseits dessen, was Gesetze einst versprachen, verwendet
werden dürfen. Die grüne Republik ab Herbst wird ein Otto-Schily-Land sein, kein Petra-Kelly-Land, sie wird Bürgerrechte nach ihrem Nutzwert für den Staat definieren und Grundrechte gewähren, wo sie nicht bei der Amtsführung stören.