Sonntag, 28. Februar 2021

Comeback nach 30 Jahren: Kommunismus, jetzt sofort!

Wissler und Hennig-Wellsow stehen für ein klares Ziel: Nicht mehr Kuchen, sondern die ganze Bäckerei.


Sie sind jung, sie sind weiblich und sie machen keinen Hehl aus ihren Absichten: Mit der Wahl von Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow bekennt sich die Linkspartei erstmals seit ihrer Namensänderung von SED zu "SED-PDS" wieder klipp und klar zum Kommunismus als gesellschaftspolitischem Ziel. Kein Herumgerede mehr über "Sozialismus", "soziale Gerechtigkeit" und Chancengleichheit, keine Ausflüchte, es könnte dabei bleiben, dass nur die Superreichen mit Hass und Häme überzogen werden, um die gesellschaftliche Spaltung zum eigenen Nutzen zu vertiefen und zu verbreitern. Jetzt geht es um alles, jetzt geht es um die Regierungsbeteiligung, um die Macht und den Generalangriff auf die Grundlagen der freiheitlichen Gesellschaft.  

Mittelalte weiße Bildungsbürgerkinder

Mit Wissler und Hennig-Wellsow, zwei eher bräsig und begrenzt gefährlich wirkenden mittelalten weißen Bildungsbürgerlinken aus Hessen und Mecklenburg, die Erziehungswissenschaften und Politologie studiert haben und so viel Diversität versprühen wie eine deutsche Kartoffel-Nationalmannschaft, übernehmen zwei Chefinnen die nunmehr als "Linkspartei" firmierende SED, die noch keinen einzigen Tag in ihren 43 und 38 Jahre währenden Leben gearbeitet haben. Wissler wie Hennig-Wellsow entstammen derselben neuen deutschen Nomenklatur wie Kevin Kühnert, Aydan Özoguz, Juliane Seifert und Florian Pronold und Sawsan Chebli, sie gleichen den Manuela Schwesig,  Lars Klingbeil und Carsten Schneider der anderen Parteien wie ein Ei: Nachwuchskader aus der Asiette der Parteibrutanstalt, die schon vor dem Abitur in die Partei eingetreten sind, während des Studiums dann für einen Abgeordnetseienden arbeiten, ehe sie selbst in leitende Parteiämter aufrücken.

Für den kommenden Kommunismus sind das gute Nachrichten. Die neue Generation der Funktionäre ist jung genug, den letzten Versuch der Errichtung einer gerechten Gesellschaft der Gleichheit aller nur noch als Kind erlebt zu haben. Unbeleckt von den Opfern, die das Menschenexperiment mit Millionen gefordert hat, kämpfen sie heute für einen neuen Versuch: Es war nicht alles schlecht, da sind sich Linke aus der Linkspartei und Realos bei der SPD, die Grünen und der Merkel-Flügel der CDU weitgehend einig.

Anschlussfähige Enteignungsideen

Wer hier noch Unterschiede finden will, muss zur Lupe greifen. Kevin Kühnerts Enteignungsfantasien, nach denen „jeder maximal den Wohnraum besitzen sollte, in dem er selbst wohnt“ und alles, "was unser Leben bestimmt, in der Hand der Gesellschaft sein" muss,  würde Wissler zweifellos unterschreiben, denn sie lehnt den Kapitalismus als „unmenschliches, grausames System“ ab und strebt eine "klassenlose Gesellschaft" an. Ihre neue Spitzengenossin Hennig-Wellsow nennt es "das Martyrium des Kapitalismus", abzuschaffen nach Ansicht von Wissler erklärtermaßen nicht friedlich über Parlamente oder Regierungen, sondern, das ist Tradition, durch eine Revolution.

Achselzuckend nimmt die liberale Restgesellschaft die Kampfansage hin, die Drohung geht bei Gleichgesinnten als Zeichen dafür durch, dass die beiden Klassenkämpferinnen "die Linke einen und nach vorne bringen". Linksliberale Medien feiern mit, die staatlich finanzierte "Tagesschau"  konstatiert neblig, die beiden wollten "gesellschaftliche Veränderung". Gemeint ist nach allem, was Janine Wissler vor ihrer Wahl - wie in ihrer Partei jahrzehntelang gute Übung ohne Gegenkandidaten - verkündet hat, "das System aus den Angeln zu heben" und die "Macht- und Eigentumsverhältnisse zu verändern" (Wissler). Auch in ihrer Bewerbungsrede versprach sie einen „Systemwechsels“ - weg vom parlamentarischen System, weg von der Marktwirtschaft, weg von einer Gesellschaft freier Entscheidungen des Einzelnen. Hin zu Kollektivismus, Gleichmacherei von oben, Planwirtschaft und Enteignung..

Beste Aussichten also für die Generation Parteiarbeiter, die nun auch die Linke übernommen hat. In einem Moment höchster Not, denn die durch den Anschluss der westdeutschen Lafontaine-Linken kurzzeitig gestärkte Partei - immer noch rechts- und vermögensidentisch mit der Ende April 1946 im Berliner Admiralspalast gegründeten SED - steckt in einer tiefgreifenden und langanhaltenden Krise. Die Wahlergebnisse bröckeln schon seit Jahren, die Linke ist drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung nur in zehn Landesparlamenten vertreten, davon liegen nur vier in Westdeutschland, davon wiederum sind drei kleine, bedeutungslose Länder. Regierungsverantwortung trägt die SED, die vor 31 Jahren noch ganz Ostdeutschland regierte,  nur in Thüringen - und selbst dort ist sie auf die wohlwollende Duldung der CDU angewiesen, die nur so lange sicher ist, wie die deren Bundesspitze lieber mit ganz links als mit rechts paktiert.

Der kommunistische Karren im demoskopischen Dreck

Wissler und Hennig-Wellsow, bundesweit vollkommen unbekannt und im Talkshowgeschäft völlig unerfahren, müssen den kommunistischen Karren nun aus dem demoskopischen Dreck ziehen. Weil die Linke dem Schwenk vom Klassenkampf zur Klimaschlacht verpasst hat und die Grünen auf dieser Strecke weit davongezogen sind, bleibt nur die Verschärfung der Klassengegensätze, das Beschwören des letzten Gefechts und die unverhohlene Drohung, die Gesellschaft „grundsätzlich zu verändern“. Janine Wissler, eingeschriebene Anhängerin der weltrevolutionären Ideen Leo Trotzkis, hat in ihrer Antrittsrede keine Zweifel daran gelassen, wohin die Reise gehen soll: "Es geht nicht nur um ein größeres Stück vom Kuchen. Es geht ums Ganze, es geht um die Bäckerei."

Samstag, 27. Februar 2021

HFC: Auf der Felge ins Ziel

Ein Führungstreffer wie aus dem Nichts: Boyd macht das 1:0 nach einer Nietfeld-Ecke.

Immer nur ein Punkt oder aber nicht mal einer wie zuletzt im Auswärtsspiel gegen Meppen - ein Jahr nach der Übernahme des Traineramtes durch Florian Schnorrenberg war der Hallesche FC zum Start in den zweiten Corona-Winter wieder in die Situation gerutscht, die den Klub von der Saale um den Jahreswechsel 2019/2020 in akute Abstiegsgefahr gebracht hatte. Die Stürmer trafen nicht mehr oder doch jedenfalls nur noch selten. Und die Abwehr ließ immer wieder einfache Gegentore zu. Der einzige Unterschied zu den letzten Tagen der Ära Ziegner war die Stimmung: Statt Weltuntergang vorauszuahnen, ließen die endlose Serie von Unentschieden weiterhin die Möglichkeit der Vermutung zu, nach einem Befreiungsschlag könne sich alles zum Besseren wenden.

Wann aber, wenn nicht im Heimspiel gegen den VfB Lübeck, einen Verein, gegen den die Rotweißen schon unter Sven Köhler in der Regionalliga gespielt hatten, damals noch mit Spielen wie Pavel David, Markus Müller, Thomas Neubert, Adli Lachleb und Ronny Hebestreit. Leichter als damals aber ist es heute auch nicht, zumindest nachdem die ersten fünf Minuten überstanden sind. Die hatten die Gastgeber noch im Griff gehabt, danach aber kehrt das spielerische Elend der letzten Wochen mit Macht zurück und hebt sein hässliches Haupt. Das anfangs konsequente Pressing verwandelt sich in ein symbolisches Anlaufen, das bruchstückhafte Kombinationsspiel versandet ganz.

Entscheidungsspiel gegen den Tabellenletzten

Es spielt der Gast, herzlich eingeladen von einem passiven HFC, der diesmal mit Menig in der Abwehr und dafür mit Landgraf im Mittelfeld versucht, nicht wieder in eine Konterfalle zu laufen. Das gelingt, denn wer nicht selbst spielt, kann im Vorwärtsgang keinen Ball verlieren. Weil aber auch Lübeck, angereist als Tabellenletzter mit einer Erfolgsstatistik, die nicht mit der Lupe, sondern mit dem Mikroskop gesucht werden muss, im Grunde genommen nichts Brauchbares zustandebekommt, erinnert das Geschehen auf dem ackerähnlichen Rasen des früheren Kurt-Wabbel-Stadions eher an eine wilde Schlacht im Freizeitfußball als an Dritte Liga.

Fehler, Missverständnisse und gute Ideen, die die Mitspieler unangenehm überraschen, prägen das Bild. Ein weiteres Remis deutet sich an - bis Jonas Nietfeld in der 43. Minute zur ersten Ecke des HFC stiefelt. Normalerweise bedeutet das keine Gefahr für die Torleute gegnerischer Mannschaften, denn die kurze Phase in der Vorsaison, als es gerade Ecken und Freistöße waren, die dem HFC die Ligazugehörigkeit retteten, ist schon seit Monaten vorüber. Dem Kapitän aber, vom Stürmer umgeschult zum defensiven Mittelfeldmann, gelingt das Erstaunliche: Nietfeld bananenflankt den Ball zielgenau auf den Kopf von Terrence Boyd. Und der lenkt ihn ins lange Eck, ohne hinzuschauen.

Nicht verdient, aber glücklich

Nicht verdient, aber glücklich, diese Halbzeitführung. Die Schnorrenbergs Männern überdies Mut zu machen scheint. Mit Beginn der zweiten Hälfte schnüren sie Lübeck wieder ein, mehrfach liegt das 2:0 in der Luft, ohne letztlich zu fallen. Dazu muss erst wieder Nietfeld ran: In der 51. Minute tritt der 27-Jährige seine zweite Ecke, wieder von links, wieder genau auf den Kopf eines Mitspielers. Stipe Vucur verlängert. Und am langen Pfosten steht Julian Derstroff, der das Leder ins Tor lenkt.

2:0, nun doch verdient, denn Lübeck  zwingt HFC-Torwart Kai Eisele kaum einmal zum eingreifen. Wer aber glaubt, dass der HFC die in der letzten halben Stunde überaus anfälligen Grünschwarzen nun an die Wand spielen wird, um das fürchterliche eigene Torverhältnis aufzuhübschen, irrt. Selbst mit dem sicheren Vorsprung im Rücken klappt kaum etwas. Die Bälle verspringen, die Mitspieler sind nicht dort, wo der Passgeber sie wähnt, ein organisiertes Offensivspiel gelingt allenfalls über zwei, drei Stationen. Danach gurkt dort unten wieder eine Hobbyelf.

Geschenk für die Gäste

Die auch noch großzügige Geschenke verteilt. Es ist Nietfelds vierte Ecke, die die bis dahin ratlos einer klaren Auswärtsniederlage entgegensehenden Lübecker wieder ins Spiel bringt. Wieder gut getreten, diesmal aber ohne krönenden Abschluss, fliegt der abgewehrte Ball weit nach linksaußen, wo Vucur mit hochgerecktem Bein beim Versuch scheitert, den Konter frühzeitig zu unterbinden. Vor Eislele ist alles noch in Offensivformation, der Keeper selbst versucht, sein Tor zugleich links, Mitte und rechts abzudecken. Ramaj findet die Lücke und schießt von Eisele aus gesehen ins kurze Eck.

Es ist die 71. Minute und mit Blick auf die Uhr erheben sich die Gespenster all der Spiele, die zuletzt nicht gewonnen werden konnten. Schnorrenberg wechselt nun, was er wechseln kann, aber der kurze flow von vor dem 2:0 will nicht wiederkehren. Der HFC hat spürbar Angst vor dem nächsten Remis, die Gäste dagegen spielen wie im Pokal Alles oder Nichts. Das Zuschauen tut weh, je länger es dauert, desto mehr. Harte Fußballarbeit ist das, Überlebenskampf ohne Bewerbung um einen Schönheitspreis. Bis zum Ende der vierten Nachspielminute rumpelt und schleift das Geschehen im leeren Stadion dem erlösenden Schlusspfiff entgegen, eine Fahrt auf der Felge, die ihre Spannung allein aus dem Umstand bezieht, dass beide Mannschaften jederzeit in der Lage sind, den Fehler zu machen, der die Entscheidung bringt.

Er passiert nicht, und so liegen sich schließlich die Rotweißen in den Armen, überglücklich, nach einem langen Monat endlich wieder einmal drei Punkte geholt zu haben. Drei Punkte gegen den Abstieg, denn wer in Halle derzeit wirklich noch das Wort von der 2. Liga in den Mund nimmt, der kann die aktuelle Mannschaft nicht spielen gesehen haben.

Zitate zur Zeit: Jetzt scheint keine Sonne mehr

Ihr alle habt euch jahrelang in meinen Erfolgen gesonnt! Der große Friedenspräsident und sein umwerfendes Team. 

Aber jetzt scheint keine Sonne mehr, und wenn uns nicht sehr schnell etwas sehr Gutes einfällt, dann beginnt für die meisten hier demnächst die Eiszeit. 

Also, lasst euch verdammt noch mal etwas einfallen!

Martin J. Kreiter, "Der Falke - Im Visier des Bösen"

EU bald mit noch mehr Symbolik: Aufbruch zum Impfpass

Der digitale EU-Impfausweis wird viel moderner aussehen, aber dieselbe Funktion haben.

Es hat sie in allen Krisen gegeben, in allen Kriegen und Sondersituationen. Entfernt sich das Leben durch äußere Umstände vom Normalzustand, entsteht umgehend eine ganze Kultur an Sonderausweisen. Kein Zutritt ohne, nicht jedenfalls zu diesem Gebäude, in diesen Stadtteil, diese Stadt, dieses Land, diese Staatengemeinschaft. Die Geschichte kennt zahllose Beispiele für Papiere, die in Russland propusk und im englischsprachigen Raum special pass heißen. Die Deutschen regelten in ihrer Geschichte den lebensrettenden Zugang zu Bunkern im Fall von Bombenangriffen und sogar die Möglichkeit, das eigene Haus im Grenzgebiet zu besuchen, mit Hilfe solcher Betretungsberechtigungsscheine - Ruhe und Ordnung, vom ersten Tag der großen Corona-Krise an Hauptsorge der Regierung, lassen sich so vorabgeregelt und abgestuft sicherstellen.  

Schwerfällig in  schwerer See

Nun hat sich in der Pandemie mehr und deutlicher noch zu erkennen gegeben, dass die  kreuzfahrtschiffhafte Konstruktion der Europäischen Union bei stiller See und Sonnenschein zwar niemanden weiter stört, beim ersten Sturm aber Menschenleben kostet. Ein-, zwei- oder dreimal nicht aufgepasst, schon impfen alle anderen schneller und außer einer Überdosis Manipulation und  der Zusicherung, es werde aber immerhin für einen sehr, sehr guten Zweck gestorben, bleibt nicht viel an Trost. Die symbolisch errichteten Impfzentren, als Fackeln der Hoffnung geplant, stehen weitgehend leer. Das detailverliebt geplante und elektronisch aufgesetzte menschenverachtende System zur Erbettelung von Impfterminen sorgt nicht für Zuversicht, sondern für Unmut, den selbst wirre Lockerungspläne und Erleichterungsmatrixen kaum noch im Zaum zum halten vermögen.

Was aber wäre die EU, was wäre Deutschland, könnten die Beraterstäbe und Worthülsendreher nicht sofort mit der nächsten hochsymbolischen gemeinsamen europäischen Lösung aus der Dauerpanne helfen. Diesmal wird ein Impfpass versprochen, ein Sonderausweis für jedermann, der sich den "Pieks" (Bundesregierung) abholt. Mit Impfpass wird der Besuch von Kneipen, Theatern, Konzerten und Fußballstadien wieder möglich, Impfpassinhaber dürfen reisen und ins Freibad gehen, im Restaurant essen und in Hamburg auch wieder ohne Maske joggen. 

Liebevolle Beschreibung als "holpriger Impfstart"

Aussichten, die den "holprigen Impfstart", wie es die "Welt" im Versuch nennt, ein komplettes Debakel trotzig als Teilerfolg zu verkaufen, vergessen lassen sollen. Keine fünf Prozent der Deutschen sind geimpft, nach zwei Monaten - bei diesem Tempo der größten Impfkampagne der Menschheitsgeschichte wird es bis Herbst 2022 dauern, bis wenigstens die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger Antrag auf Ausstellung eines Impfpasses stellen könnte. Aber in Zeiten, in denen selbst eingeschworene Realitätsleugner die Nerven zu verlieren scheinen, ist jede Symbolhandlung gut genug, die angeschlossenen Sendeanstalten zu beschäftigen und damit auch zu besänftigen.

Der Impfpass würde genau die Zwei-Klassen-Gesellschaft begründen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel bisher strikt und entschieden ausgeschlossen hat, doch das schrumpft zur Petitesse. Dann hat sie das eben gesagt. Und jetzt sagt sie eben was anderes. Die Leute reden so viel. Und am Ende stimmt es immer alles nicht. Ist doch auch egal. Schließlich war es ein EU-Sondergipfel, der den Beschluss gefasst hat. Da kannst du als Deutschland gar nichts mehr machen. Dich nur freuen, denn der neue Sonderpass wird zwar "ein nationaler digitale Impfausweis" (Tagesschau) sein, aber "europaweit gelten". Wenn man sich auch noch nicht einigen konnte, wofür eigentlich. 

Langsam, aber richtig teuer

Dass die EU-Kommission "in den kommenden drei Monaten für die technischen Voraussetzungen sorgen" wird, das digitale Papier in allen 27 verbliebenen Mitgliedsländern einzuführen, nährt den Verdacht, dass das alles ohnehin nicht ernst gemeint ist. Legendär ist heute schon der EU-Wiederaufbauplan für Europa, den Ursula von der Leyen vor knapp einem Jahr vorgestellt hatte. Im August 2020 hatte das von 750 Milliarden auf eine Billion Euro aufgeblasene Paket feierlich den schönen Namen "Next Generation EU" erhalten. Im Dezember war endlich Einigkeit über die Verteilung der Billion erzielt worden. Anfang Februar schließlich segnete das EU-Parlament die fantastrilliardische Rettungsmaßnahme ab. Und wenn nun auch noch alle 27 Staaten zustimmen, kann noch vor der Bundestagswahl angekündigt werden, dass Geld schon bald fließen wird.

Freitag, 26. Februar 2021

Energiesicherheit: Deutscher Ausstieg mit Atomstrom

Deutschland setzt auch künftig auf Atomstrom.

Das hätte auch schiefgehen können. Auch fast zehn Jahre nach dem deutschen Beschluss zum rigorosen Energieausstieg hatte die Bundesregierung noch kaum Erfolge beim Aufbau speichernder Netze und windkraftgetriebener Fahrzeuge vorzuweisen. Stattdessen sorgten die Ausstiegskosten zuletzt für so viel Unmut, dass der Bundeswirtschaftsminister selbst ankündigen musste, dass künftig nicht mehr stromverbrauchende Steuerbürger*innen sondern ausschließlich steuerzahlende Stromverbraucher die Kosten für den weltweit vielbeachteten deutschen Fantasiestrompreis übernehmen würden. Dadurch profitiere das Klima weiterhin von der - dann abgeschafften - Erneuerbare-Energien-Umlage. Ohne dass die beschwerliche Strecke, die bis zum Ausstieg auch aus Kohle, Öl und Gas noch zurückzulegen ist, direkt auf den Zähler schlägt.

Pelletts aus eigenen Anbau

Wie aber ein Land am Laufen halten, das allen Prognosen zufolge auch in fünf, zehn und 15 Jahren noch Restenergie nutzen müssen wird? Können Grüne Physik, Windradvoodoo, die Abdeckung früherer landwirtschaftlicher Flächen mit Solarpanelen, Pellets aus eigenem Anbau und intelligentes Lademanagement wirklich ersetzen, was im Moment noch durch die Leitungen vagabundiert, eingespeist gerade in den dunklen, kalten Tagen des Klimawinters aus vorsintflutlichen Kern- und Kohlekraftwerken? 

Es war lange ungewiss, so ungewiss sogar, dass im Vertrauen darauf, dass sich zu gegebener Zeit sicher irgendeine Art von Lösung finden werde, gar nicht mehr darüber gesprochen wurde. Der deutsche Energiekonsens, ein zerbrechliches Gebilde aus Sehnsucht, Hoffnung und irrationalem Glauben, verließ sich auf Pläne, die ausschließlich aus Zielen bestanden, die in Papieren niedergeschrieben worden waren, von denen schon wenige Wochen nach ihrer Verabschiedung nicht mehr weiter die Rede war.  Irgendwie und irgendwann würden Straßen die Kraftwerke ersetzen, neue Kunsthochschulen das Land beheizen und neue Professuren zur Erforschung des Lebens ohne Kohle, Öl und Gas die Stromversorgung sicherstellen.

Ausstiegsunwillige Rückständler

Und schließlich sind da ja auch noch die Nachbarn, weitgehend ausstiegsunwillige Rückständler, die die Zeichen der Zeit noch nicht erkennen können, weil es ihnen an der sozialen und klimatischen Intelligenz fehlt der Deutschen 2.0 auszeichnet. Sie heizen mit Kohle, betreiben Kernkraftwerke und übertreiben es damit soweit, dass Deutschland immer öfter einspringen muss, um überproduzierten Klimastrom abzunehmen. Eine stille, aber zutiefst europäische Zusammenarbeit: Die einen steigen demonstrativ aus, die anderen lassen laufen, länger nun sogar. Frankreich etwa hat nun beschlossen, aus dem deutschen Atomkraftausstieg auszusteigen. Und die gesetzliche Laufzeit seiner Alt-Reaktoren aus den 80er Jahren von 40 auf 50 Jahre zu erhöhen.

Bis mindestens 2030 ist damit auch das Schreckgespenst der deutschen Dunkelflaute verjagt, mit dem Energiezweifler und Angstmacher immer wieder gegen den Energieausstieg gehetzt hatten. Nachdem die französische Atomaufsicht Autorité de sûreté nucléaire angewiesen hat, dass die nach Bauplänen aus den 60er und 70er Jahren errichteten 32 Meiler - 13 von ihnen das Höchstalter von 40 Jahren bereits überschritten - repariert werden müssen, dann aber weiterlaufen dürfen, ist auch die deutsche Ausstiegsenergieversorgung perspektivisch sicher.

Flucht nach vorn: Wie die deutschen Medien ihre Regierung im Stich lassen

Entsetzen, Erschrecken, blanker Schock, Verblüffung und sogar Angst - als treue Zuschauer*innen der beliebtesten deutschen Nachrichtensendung "Tagesschau" gestern auf die Internetseite der staatlich finanzierten Sendung schauten, erwartete sie ein böses Erwachen. "Impfdesaster mit Ansage" titelte die Redaktion, auf die in im bisherigen Verlauf der Corona-Pandemie immer Verlass gewesen war. Die "Tagesschau" vermittelte vom ersten Tag an stets getreulich, wie richtig alle Maßnahmen der Regierung waren, wie alternativlos und gut die Schritte von Gesundheitsminister, Kanzlerin und Ministerpräsidenten im Kampf gegen die Krise und wie glücklich die Einwohner Deutschlands sein konnten, den Weltuntergang hier und nicht irgendwo anders erleben zu dürfen.  

Die "Tagesschau" und die Triumph-Trompeten

Noch Mitte Februar, als selbst EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen fast schon versucht war, die größte EU-Impfkampagne aller Zeiten als nicht ganz so durchschlagenden Erfolg zu bezeichnen, blies die "Tagesschau" noch die Triumph-Trompeten und wies Skeptiker, Zweifler und Kritiker harsch in die Schranken: Deutschland sei überhaupt nicht Letzter und Langsamster bei den Impfungen, wie im Netz kursierende fake news behaupteten. Richtig sei vielmehr, dass das Land bei den Impfungen pro Kopf weit vor Bangladesch liege und insgesamt weit mehr Menschen geimpft habe als Gibraltar.  

Ein Leistungsnachweis des Gemeinsinnfunks, der trotz zuletzt nicht weiter erhöhter Zahlungen beweist, wie gut er immer noch nach unter vermitteln kann, wie gut die Beschlüsse sind, die oben gefällt wurden. Doch mit dem 25. Februar 2021 scheint diese Ära der gedeihlichen Zusammenarbeit von Exekutive und Übermittlungsbeauftragten beendet. Erstmals wendet sich die wichtigste Redaktion des größten Staatswohlsenders gegen vermeintliche Missstände des erfolgreichen deutschen Corona-Managements - ein besorgniserregendes Zeichen, denn die "Tagesschau" ist mit ihrem plötzlichen Verrat an der gemeinsamen Seuchenstrategie von Bundesregierung, Ministerpräsidenten, Parlamenten und deutschen Medien nicht allein. 

Ein plötzliches Umkippen in Unwillen

Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung, die "Welt", die FAZ, sogar der bisher immer tapfer für Angela Merkel und Jens Spahn kämpfende "Spiegel" - überall ist ein plötzliches Umkippen in Unwillen mit der irrlichternden Regierungstaktik im Umgang mit der Pandemie zu sehen. Wo Kritiker der stets zu spät getroffenen Regierungsentscheidungen zu Maskentragen, Grenzschließungen und Impfstoffbestellung bisher verlässlich als Leugner, Leerdenker und rechtsextremistische Feinde unserer Ordnung gebrandmarkt worden waren, zielen die Kanonen auf einmal nicht mehr auf die Spatzen. Sondern in Richtung der deutschen und europäischen Institutionen, denen Deutschland und die EU es verdanken, dass das alte Europa weltweit am schwersten von der Pandemie getroffen wurde.

Ein spätes Erwachen, denn obwohl die EU weit mehr Todesopfer zählt als selbst die USA, deren Tote in deutschen Medien laut betrauert werden, standen die deutschen Leitmedien von wenigen Ausnahmen abgesehen gegen alle Fakten, gegen jede Erkenntnis und trotz besseren Wissens in Treue fest zur wendungsreichen und sprunghaften Eindämmungspolitik. Mochte auch gelogen werden wie bei den Masken, mochten Infektionen monatelang importiert werden, mochte die teuerste Corona-Warnapp der Welt sich als untauglich erweisen und jedermann schnell klar geworden sein, dass niemand bei Bund und Ländern in der Lage ist, einen Blick auf erfolgreiche Corona-Strategien anderer Länder zu werfen - deutsche Medien taten es. Am liebsten, indem sie jeweils dort hinschauten, wo es noch schlechter lief. Um dann zu loben, wie gut es Deutschland hat.

Auf einmal überall Versagen

Erst mit dem Versagen bei der Impfstoffbestellung der EU, das zugleich die Unfähigkeit Deutschlands zeigte, eine auch nur halbwegs erfolgreiche Verteilung des wenigen vorhandenen Impfstoffes zu organisieren, scheinen selbst die treuesten Propagandisten des Heile-Welt-Journalismus nun die Nerven zu verlieren. Plötzlich wird überall geschimpft und kritisiert, selbst das SPD-nahe Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), seit zwölf Monaten eine stete Quelle verlässlicher Regierungspropaganda, lässt ein Großkollektiv seiner Edelfedern dreist "Die 10 größten Fehler der deutschen Corona-Politik" auflisten - damit andeutend, dass es noch viele, viele mehr gebe. Etwa bei der EU, der der im politischen Berlin als "Reichsnachrichtendienst" verspottete RND einen zornigen Beitrag mit dem Titel "Europa in der Corona-Krise: Zu zaghaft, zu langsam, zu eigensinnig" widmet.

Schlimm. Gleich zwei Fehlerartikel an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Zwei mehr als in den 365 Tagen zuvor. Doch wie schlimm muss es erst um den moralischen Zustand von Redaktionen bestellt sein, die 500 Tote am Tag brauchen, ehe sie beginnen, nicht mehr nur zu fragen, wie fantastisch und toll das wieder alles gelaufen ist und was da faul ist im Staate Dänemark, in den USA und Brasilien. Sondern auch direkt vor der Haustür? Natürlich bedurfte es erst einer Freigabe durch die Kanzlerin, die Mitte Februar selbst von "Fehlern" gesprochen hatte und damit wohl die Schleusen öffnete, durch die nun schlagartig ganze Batterien umgedrehter Kanonen gezogen werden.

Donnerstag, 25. Februar 2021

Mit dem Pfund wuchern: Ist das nun die Strafe für den Brexit?

Das Ende einer Weltwährung: Das Pfund wird teurer, der Euro fällt.

Der Untergang war eingepreist. Als die Briten für einen Austritt aus der EU stimmten, begann nicht nur ein großes Klagelied auf dem Kontinent, sondern auch der Niedergang der britischen Währung.  bald würde auf der Insel nicht nur Gemüse fehlen, sondern auch Geld. Nachdem eine kleine, aber von Putin und Boris Johnson radikalisierte Mehrheit der Briten sich gegen ein gemeinsames Haus Europa und für den Umzug in eine Einliegerwohnung entschieden hatten, warnten deutsche Politiker und Medien mit Nachdruck vor den Schrecken des Separatismus: Großbritannien würde verarmen, niemand würde mehr hinfahren, die britischen Intellektuellen, Findigen und Reichen würden fliehen, das Pfund alle Bedeutung verlieren.

Kein Leben außerhalb der EU

Vier Jahre lang versuchten die Profis an der Spitze der EU alles, um die britischen Freunde vor dem Schlimmsten zu bewahren. Die EU, von der Überzeugung regiert, dass es außerhalb ihrer Grenzen kein menschliches Leben geben kann, siegte letztlich wie immer nach Punkten: Die Großgemeinschaft bekam nach den Buchstaben des Austrittsvertrages ein paar Sprotten und Heringe. Die Aussteiger aber bekamen die Souveränität über ihre Angelegenheiten zurück.  

Als die Pandemie begann, war klar, wie groß der Fehler war. Boris Johnson, selbst bald infiziert und von Brüssel und Berlin aus betrachtet fast so gut wie tot, erwies sich als vollkommen unfähig, die Seuche so souverän zu handeln wie das Emmanuel Macron, Angela Merkel, Ursula von der Leyen und die wechselnden italienischen Ministerpräsidenten schafften. Die Wirtschaft ging in die Knie, die Lkws stauten sich und der britische Impfstoffnationalismus mochte, verglichen mit der EU, jede Woche sieben oder gar zehntausend Menschenleben retten. Aber wer will schon in Großbritannien leben, wenn er in der EU sterben kann?

Der ausgefallene Weltuntergang

Nur Spekulanten, Börsenzocker und Impfstoffprofiteure. Während der Brexit als Weltuntergang langsam komplett aus allen Medien verschwand, erstand ausgerechnet das von den Politikern der Euro-Staaten bereits für alle Zeiten entsorgte britische Pfund wieder auf. Im Vergleich zum Dollar erreichte die britische Währung mit knapp unter 1,43 Dollar gerade ein Drei-Jahres-Hoch. Auch wer mit Euro  Pfund kaufen will, muss mit 1,16 Euro mehr bezahlen als vor einem halben Jahr. Und sogar sehr viel  mehr als nach dem Referendum 2016, als das Pfund für unter 1,10 Euro zu haben war.

Strohfeuer? Oder doch die vielbeschworene Strafe für den Austritt? Waren Beobachter bisher davon ausgegangen, dass Deutschland bereit sei, sie zu zahlen, um die Wertegemeinschaft um jeden Preis zusammenzuhalten, frohlocken die Briten nach dem Komplettversagen der EU bei der Beschaffung und Verteilung von Impfstoffen gegen Corona noch im Nachhinein über ihren Austrittsbeschluss. Der Brexit selbst ist Geschichte, selbst engagiertesten Medienhäusern keinen Tropfen Tinte mehr wert.   

Das britische Pfund aber profitiert von der erfolgreichen britischen Impfkampagne und der damit absehbaren Rückkehr zur Normalität - ein Kontrastprogramm zum fortschreitenden Verfall in EU-Europa, das gerade pünktlich zum Jahrgedächtnis des Pandemiestarts beschlossen hat, auf einem EU-Gipfel die "Maßnahmen gegen Pandemie besser abzustimmen" (Deutsche Welle).

Impftermine: Ein menschenverachtendes System

Die Hochrisikogruppe der Alten und Älteren darf seit Monaten darum betteln, am Leben gehalten zu werden.

Sie haben den Krieg als Kinder überlebt, den goldenen Westen aufgebaut oder aber unter der blutigen Knute der Kommunisten für ihre Brüder und Schwesterinnen jenseits der Grenze die Reparationen an Russland mitbezahlt. Endlich wieder vereint, waren sie es, die das Europa der Klima-Enkel und Enkelinnen entwarfen und errichteten, freitags schulfrei, im Sommer auf die Balearen, überall dasselbe Geld und für alle genug davon, dass niemand frieren musste. 

Strafe für die Aufbaugeneration


Dann kam die Pandemie, der Volkswille manifestierte sich, zuerst die zu schützen, die das alles möglich gemacht hatten, den Wohlstand und die grenzenlose Solidarität, die Impfstoffentwicklung durch hochkapitalisierte und auf Rendite geeichte Privatfirmen und die Energiewende, die zumindest den klügeren deutschen Zahnärzten durch stabile Ausschüttungen der Sonne die Privatinsolvenz wegen ausbleibender Patienten ersparte. Die Alten zuerst beim Impfen und digitale Termine für die, den Bildschirm manchmal kaum noch erkennen können, das war die Parole.

Schnell war die Kassenärztliche Vereinigung, eine der führendsten deutschen High-Tech-Institutionen, dabei, eine Internetseite zu programmieren. Es war womöglich die erste, die jemals ein Arzt gestaltet hatte, denn abgesehen von den Kinderkrankheiten der ersten Monate, als die Seite überlastet zusammenbrach oder einfach so nicht zu erreichen war, ist sie zu einem wunderbaren Aushängeschild von Corona-Deutschland geworden: Umständlich, irrsinnig, widersprüchlich und 23 von 24 Stunden am Tag unbenutzbar, markiert impfterminservice.de zweifellos den Höhe- und Tiefpunkt dessen, was die früher so viel beneidete Nation der Ingenieure, Techniker und Buchhalter in diesen Tagen auszeichnet.
 

Kein Fehler im System

 

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och es ist kein Fehler im System, der hinter dem Aufbau der Bundesanmeldeseite steht, sondern die bittere Konsequenz eines Staatswesens, das seine Bürgerinnen und Bürger als zuallererst als Bittsteller begreift, denen bei Wohlverhalten "Privilegien" (Merkel) gewährt werden können. Impfterminservice.de führt das Prinzip zur Perfektion: Um die vorgeschriebene Prüfung der eigenen Impfberechtigung absolvieren zu dürfen, müssen impfwillige Senioren zuallererst einen Augenblick abpassen, an dem in ihrer Region Impfdosen vorrätig sind. Dann, und nur dann, gelangen sie auf eine Seite, die verrät, welche Voraussetzungen der Impfwillige mitbringen muss, um eine staatliche Impfberechtigung zu erhalten.
 
Dort sind nun weitere Prüfungen zu bestehen, Gegner zu besiegen und  Schikanen zu überwinden, um ins nächste Level vorzudringen: Impfwillige, die impfberechtigt sind, erhalten einen Code. Der muss binnen einer kurzen Frist in ein Kästchen eingetragen werden. Ist das gelungen, wird ein zweiter Code zugesendet, der nun  in den inneren Bereich des Endgegners führt. Der kann nur besiegt werden, wenn es gelingt, binnen von neun Minuten eine Anzahl von Fragen zu beantworten, mit denen die Impfbehörde nicht nur den körperlichen, sondern auch den geistigen Grundzustand des Impfbettlers feststellen will.

Ohne Zugang zu einem Rechner oder einem Smartphone keine bestandene Prüfung und kein Termin, nicht diese Woche, nicht nächste, nicht nächsten Monat und nicht nächstes Jahr. Während sich in den Tiefkühllagern die Impfstofflieferungen stauen, stauen sich vor den Rechnern und an der Hotline Rentnerinnen und Rentner, die um Impfung flehen. Meist vergebens, denn das die hochkomplizierte Machtmechanik zeigt ihre Verachtung für die, die auf sie angewiesen sind, mit kalter Ablehnung: "Zur Zeit sind in Ihrer Region keine Impftermine verfügbar", heißt es kurz und bündig, obwohl von bisher gelieferten 8,5 Millionen Impfdosen derzeit mehr als drei Millionen unberührt in Regierungskühlschränken stehen.
 

Die Machtfrage ist geklärt

 
Die Zeit läuft der größten Impfkampagne aller Zeiten davon. Doch die Machtfrage ist geklärt. Wer in Deutschland geimpft werden will, muss erst einmal einem Prozess unterwerfen, der ihn vom souveränen Bürger in einen Bittsteller bei Hofe verwandelt. Bis zu 50 Mal, so hat die FAZ gezählt, sind Hochbetragte und ihre in der Not helfenden Familien im Durchschnitt gezwungen, sich vor der Impfterminseite in den virtuellen Staub zu werfen, ehe es ihnen gelingt, einen Termin zu erhalten. Wer dazu nicht bereit ist, auf den wartet zumindest nach den Vorhersagen der besten Epidemologen Deutschlands, unausweichlich der Tod durch die umsichgreifende Mutante. 

Bewusst eingebaute Engstelle


Die sichtlich absichtlich eingebaute Engstelle im Impfsystem diszipliniert, sie unterwirft und reguliert. Schon heute müssten täglich 525.000 Impfdosen verabreicht werden, um bis zu Angela Merkels mystischem Datum "Ende des Sommers" 70 Prozent der Bevölkerung zu impfen. Die meisten Impfungen gelangen allerdings bisher am 12. Februar und der Bestwert lag bei bescheidenen 157.000. Bundesweit gähnen die gewaltigen Impfzentren leer. Doch je rarer die Ware, desto begehrter, deshalb auch die künstliche Verknappung und die Vergabe der Vakzine als behördlicher Gnadenbeweis an Menschen, die sich auf dem Weg der Bewerbung als würdig erwiesen haben.
 
Wenigstens der Nachschub an Erklärungen für das Geschehen, das jeden einzelnen weiteren Tag zwischen 400 und 1.000 Menschen das Leben kostet, versiegt nicht: Israel impft schneller, weil weniger Datenschutz. Bahrein impft schneller, weil Despotischer. Die Seychellen impfen schneller, weil viel kleiner. Die USA impfen schneller, weil viel, viel größer. Die USA impfen auch schneller, weil Biden. Großbritannien dagegen impft schneller, weil impfstoffnationalistischer. Und Marokko schneller weil nicht so demokratisch.

Mittwoch, 24. Februar 2021

Pandemiejoker aus Oberzier: Seuchenkrustenbraten mit Lockerungsschaum

Ein Mammutprogramm, das sich Karl Lauterbach zumutet, um ab Herbst Gesundheitsminister zu werden.

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s ist so schnell gedacht und so leicht ausgesprochen, aber so schwer gemacht. Eine Pandemie, das weiß Deutschland nach einem Jahr genau, besteht aus langsam, aber beständig steigenden Zahlen an Infizierten und Toten, aber nicht aus Statistiken von Erkrankten, die es nie gab und nie geben wird. Also nicht die Erkrankten, sondern die Statistiken. Jedenfalls kommt sie daher als bunte Vielfalt an Meinungsgewirr über Inzidenzen und Mutanten, shutdowns und lockdowns und Ansteckungsquellen und Pflegeheimtests und hot spots und Händewaschen. Jeder meint etwas, jeder etwas anderes. PPQ - in Zeiten vor dem "Krieg gegen das Virus" (Macron) gestartet unter dem Motto "Wir sprechen verschiedene Sprachen - meinen aber etwas völlig anderes" ist heute überall.

Das Gesicht der Krise

Aber nicht nur PPQ, als PPQ.li mittlerweile ins sichere Litauen migriert. Auch Karl Lauterbach ist ein Gesicht der Krise, ein emsiger Erklärer des Zusammenbruchs, den auch der hässliche Hass derer, die ihn hassen, nicht davon abhalten kann, das aus wissenschaftlicher Sicht auszusprechen, was der kleine Mann auf der Straße insgeheim denkt, aber nie in einer Talkshow sagen dürfte, weil er am Pförtner nicht vorbeigekommen ist. 

Karl Lauterbach hat dieses Problem nicht. Seit die große Krise ausbrach, ist der SPD-Hinterbänkler Bank um Bank nach vorn gerutscht in der deutschen Fernsehpolitik. Vor einem Jahr noch verurteilt, dem Postenschacher selbst in seiner eigenen kleinen Partei tatenlos zuschauen zu müssen, weil die Mitgliedschaft in nicht als Vorsitzenden hatte haben wollen, ist Lauterbach heute der inoffzielle Corona-Minister des Landes. Ohne Abstand und ohne Maske wohnt der 58-Jährige seit einem Jahr in Fernsehstudios, Zeitungsredaktionen, Flugzeugen und Fernzügen. 

Deutschlands führendster Corona-Kopf

Lauterbach mahnt und er erinnert, er empfiehlt und warnt, er gibt wertvolle Hinweise und sehr gute Ratschläge. Aus dem Sozialdemokraten, der ehedem ein Christdemokrat gewesen war und sich noch im letzten Jahr mit Fragen der europäischen Bürgerversicherung, Zusatzssteuern für SUVs, der Wasserstoffproduktion und mit der Hetze gegen Flüchtlinge beschäftigte, wurde binnen weniger Woche Deutschlands führendster Kopf im Kampf gegen Corona.

Seitdem ist Lauterbach jeden einzelnen Tag unterwegs, er hat eine Mission, die er eisern verfolgt. Die Tourplan der zurückliegenden Monate zeigt einen längeren Urlaub im Juli und einen im Oktober,die fürchterlichen Monate der Lockerungen, in denen die Nachfrage nach Kassandra erst langsam wieder ansteigen musste. Zuletzt aber war Karl Lauterbach wieder voll im Geschäft, kein Fernsehabend ohne ihn, kein Frühstückskaffee ohne seine bahnbrechenden Erwägungen. Zuletzt wollte er sogar selbst impfen und geimpft werden. Alles auf eine Karte. Und drei rauf mit Mappe in der Impfreihenfolge.

Klabautermann der Corona-Krise

Das Vorhaben scheiterte am Hass derer, die nicht hören wollen. Zum Schweigen bringen aber können die Hetzer und Zweifler, Leugner und Verweigerer den Klabautermann der Corona-Krise nicht. "Wenn möglichst viele schnell 1. Dosis Impfung bekämen würde Zahl der Neuinfektionen sinken" hat der Epidemologe ehrenhalber gerade herausbekommen und so eilig in die Weltnetze verklappt, dass keine Zeit für Kommata blieb. Die Zeit drängt. Lauterbach hat die Lösung. "Die beste Strategie gegen die Dritte Welle", ein Phänomen, das der "Mutante" (Lauterbach) zu verdanken ist und dem Karl Lauterbach alle Engagegments des zurückliegenden halben Jahres zu verdanken hat, sei "daher Änderung der Impfordnung und Schieben der 2. Dosis".

Das perfide Albion arbeitet so seit Wochen, es impft auch schneller als ein gemaltes Schiff auf einem gemalten Meer fährt. dass nun eine mächtige Stimme wie die Lauterbachs nach dem englischen Patienten ruft, zeigt ein Ausmaß an Verzweiflung im politischen Berlin, das mit Händen zu greifen, aber in keiner Illner-Sendung mehr zu diskutieren ist. 

Es geht ums nackte Überleben einer ganzen politischen Klasse, der schwant, dass Geduld und Duldsamkeit der Wählerinnen und Wähler eines Tages vielleicht doch ein Ende  haben konnten. Noch stimmen die Umfragewerte, noch finden sich Gemeinsinnsender und Institute, die Befragungen vorlegen, wonach die Leute willig sind, bis zum Endsieg durchzuhalten und sei es auch, dass eine Verdunklungspflicht dazukäme wie beim letzten Mal. 

Mohrrübenschaum aus Lockerungen

Aber die Zweifel. Ist diese Treue wirklich fest? Muss Folgsamkeit nicht belohnt werden? Die "schnelle Erstimpfung als Pandemiejoker", vorgeschlagen von Karl Lauterbach, der darauf hinarbeitet, der nächsten Bundesregierung als Gesundheitsminister angehören zu dürfen, wird als Seuchenkrustenbraten gereicht mit einem Mohrrübenschaum aus versprochenen "Lockerungen", gefasst in Stufenpläne und Freiheitsmatrixen, die den potemkinschen Impfzentren gleichen wie Nachbauten aus Papier. 

Es ist ein Zeitspiel im Rennen gegen die versiegende Geduld,  ein Wettlauf zwischen Folgsamkeit und der Fähigkeit der Lauterbachs, Merkels, Haseloffs, Söders und Laschets, ihre Wildwasserfahrt zwischen härteren Maßnahmen und schnellen Lockerungen, zwischen Angst vor der fürchterlichen Mutante und Angst vor der zunehmenden Verweigerung als einzig vernünftige Strategie gegen die Seuche zu verkaufen. Der Ausgang ist unentschieden, doch die Unruhe wächst.

Die verschwiegene halbe Million: Keine Träne für die Toten der EU

Schreckliche Bilder aus den USA, die 500.000 Corona-Opfer beklagen. Der Tag, als in der EU der 500.000. Mensch an Corona starb, liegt schon länger zurück, blieb aber unbetrauert.

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erade eben ist es soweit gewesen. Und natürlich wurde das Fest gefeiert wie es fiel: Die USA überschritten die Marke von 500.000 Corona-Toten und obwohl es dem neuen europanahen Präsidenten Joe Biden vom ersten Tag seines Amtsantrittes an gelungen war, durch eine Maskenpflicht und ein Telefonat mit Angela Merkel dafür zu sorgen, dass Amerikas Corona-Lage nicht mehr das drängendste Problem der deutschen Medien ist, ploppte in diesem Fall noch einmal vergleichendes Entsetzen auf. Eine halbe Million Tote seit Beginn der Pandemie. 500.000 Amerikaner, die nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben sind. Trumps Tote.Folge einer Politik, die auf Beschuldigungen gegen China als Allheilmittel setzte. Unterschätzung. Unfähigkeit. Wie gut, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser und liebe Gemeinsinnsenderzuschauende nicht dort wohnen!

Der USA-Luxemburg-Vergleich

Nicht erwähnt wurde diesmal jedoch der Satz mit den absoluten Zahlen. Vom ersten Monat der Pandemie an war der als Nachsatz unerlässlich, wenn deutsche Großmedien die Lage in Luxemburg, Tschechien oder auch in Deutschland mit der in Übersee verglichen. Immer gab es dort mehr Infizierte. Mehr Tote. Mehr sogar als sonst irgendwo auf der Welt. Wenigstens in jenen ominösen "absoluten Zahlen", die es leicht machten, selbst die zeitweise apokalyptische Lage in Belgien als vergleichsweise lustig darzustellen. Dort waren nur um die 20.000 Menschen gestorben. In den USA mit Stand heute 25 Mal soviel.

Beckmesser mögen einwenden, dass die Bevölkerung der USA auch 30 mal so groß ist wie die Belgiens. Doch Zahlen interessieren in Europa, soweit es die EU umfasst, vom ersten Tag der Corona-Pandemie eigentlich nur soweit, dass sie in R-Werte, Inzidenzen und fantasievolle Impfkurven verwandelt wurden, mit deren Hilfe sich Maßnahmen jeder Art begründen ließen: Beim selben Inzidenzwert, bei dem die Bundesliga mit einem Spielverbot belegt wurde, durfte sie später weiterspielen. Und als die Schulen im November für einen gesundmachenden lockdown schlossen, lagen Ansteckungs- und Todeszahlen genauso hoch wie an dem Tag, an dem die Schülerinnen und Schüler wieder in die Klassenräume einrücken durften.

Die kluge Vermeidung von EU-Statistiken

Zahlen nur bei Gelegenheit und am besten die der anderen, nach diesem Motto arbeitete die EU in der Corona-Krise das gesamte erste Jahr lang ohne Sicht. Während europäische Medien von Grauen geschüttelt das Erreichen jedes Hunderttausenderwertes von Toten in den USA gruselnd weitermeldete, blieben dergleichen Meldungen für die EU dank der weitsichtig und taktisch klug ausgerichteten Statistik-Politik Europas aus. 

Sowohl das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) als auch die europäische Generaldirektion für Statistik Eurostat vermieden es peinlich genau, irgendwelche Corona-Statistiken zu EU-Europa zu erstellen. Alle Informationen, die die ECDC sammelte und verbreitete, bezogen sich auf deren Mitgliedsstaaten, darunter auch Norwegen, anfangs noch Großbritannien. Ausschließlich EU-bezogene Statistiken gab und gibt es nicht. Nachfragen dazu, warum das so gehandhabt wird, beantwortet weder die eine Institution noch die andere.

Der Vorteil des Unwissens

Wer wissen will, wer vorn liegt im Rennen, dessen Zwischenstände die "Tagesschau" jeweils nur meldet, wenn die USA einen neuen Rekord aufstellen und "Joe Biden um 500.000 Tote trauert" (Der Spiegel), muss - für deutsche Medien - Unerhörtes tun. Selbst rechnen. Und er kommt zu wahrhaft erschütternden Erkenntnissen: Als die USA die halbe Million Corona-Toter zu beklagen hatten, war die EU über diesen Punkt längst hinweg. Schon in der zweiten Februarwoche war die Zahl der Pandemieopfer auf 515.000 gestiegen - höher als die Zahl in den USA, die erst zwei Wochen später bei 500.000 ankamen.

Die Toten der EU bleiben unbetrauert

Welche Meisterschaft im Informationsmanagement aber verrät es, dass der EU-Todestrauertag für die halbe Millionen unerwähnt vorüberstrich! Wie fürsorglich gelenkt und zielgerichtet wird in der Fortschrittgemeinschaft der noch 27 EU-Staaten mit den 428 deutsche Zeitungsvollredaktionen, 72 Gemeinsinnsendern, 1.800 Nachrichtenwebsites und 921 people magazins gearbeitet, so dass die zwar mit Joe Biden um die fernen amerikanischen Corona-Toten trauern. Aber kollektiv und schweigend akzeptieren, dass die Corona-Opfer der EU überhaupt nicht thematisiert werden? Wo doch sonst "Deutsche unter den Opfern" als feststehender Ruf zu den Waffen in  allen Schreibmaschinengewehrstellungen der Republik gilt?

Doch so traurig die deutschen Medien über die vielen, vielen Toten in den USA sind, so still schweigen sie über die Toten der EU. Nicht einmal der Umstand, dass weder Ursula von der Leyen noch Angela Merkel, nicht Emmanuel Macron und auch nicht der Bundesdauertrauerbeauftragte Frank Steinmeier jemals eine Träne zerdrückt haben, als 100.000, 200.000, 300.000, 400.000 und vor kurzen eben die 500.000 Opfer erreicht wurden, scheint von Belang. Fremdes Leid ist deutschen Medien viel näher, denn fremdes Leid lässt das Publikum in der Illusion weiterleben, es sei doch gut, dass man nicht dort lebt, wo es so schlimm ist.


Dienstag, 23. Februar 2021

EU handelt: Neue Energieeffizienzverordnung für EU-Verordnungen

Aus Alt mach Neu: Die neue Reform der Kennzeichnung der Nachhaltigkeit von EU-Verordnungen kommt überall gut an.

Noch immer ist der große europäische Traum vom einheitlichen Energiesparladegerät für alle alle Anschlüsse nicht in Kraft getreten, doch immerhin bleibt die EU in eigener Sache kein Versprechen schuldig. Mit einer Neuordnung der Energieeffizienzlabel für EU-Verordnungen und Richtlinien der Gemeinschaft zielt die Kommission in Brüssel jetzt auf eine bessere Aussagekraft für den Energieverbrauch, der bei der Ausgestaltung, den Beratungen, den finalen Entwürfen und der Verabschiedung sowie der Umsetzung in das nationale Recht der derzeit noch 27 Mitgliedsstaaten anfällt. Dafür wurde die bisher geltende Energieeffizienzindex-Skala grundlegend überarbeitet.  

 "Supersparsame Markierung"

Statt wie seit der letzten Kennzeichnungsreform üblich in sieben Kennzeichnungsgruppen von A++ für "supersparsame Verordnung" bis hinunter zum ungeliebten E für nachzubearbeitende Verordnung sollen Richtlinien und Verordnungen, die in allen Mitgliedsstaaten gelten, sich künftig wieder wie ursprünglich vorgesehen in die Klassen A bis G einordnen lassen. A steht dabei für die begehrte Klasse "supersparsam", G als letzte Kategorie markiert das gefürchtete Prädikat "geradeso".

Notwendig geworden war die erneute Reform, weil Umfragen ergeben hatten, dass die rund 400 Millionen Unionsbürger mit der 2011 neu organisierten Skala - damals kamen offiziell drei Klassen hinzu und sechs andere fielen weg - kaum etwas anfangen konnten. Verordnungen, die mit A+++ gekennzeichnet waren, weil sie schnell und unbürokratisch hatten beschlossen werden können, fanden kaum größeren Zuspruch als Richtlinien der EU-Klasse A+, weil der Unterschied kaum bekannt war. Zudem hatte schon seit Jahren keine Verordnung mehr in die Energieeffizienzklasse D und E eingeordnet werden müssen, da durch die Kommission und das EU-Parlament durchweg schnelle, transparente und damit energiesparende Verordnungen und Richtlinien erlassen worden waren.

Neuer Ordnungsrahmen

Weil D und E also kaum mehr mehr vertreten waren, nur noch einige Alt-Verordnungen, die kaum beachtet wurden, trugen diese Kennzeichnung, ließ sich für Bürgerinnen und Bürger nur selten absehen, ob eine aktuell als geltendes nationales Recht zu beachtende Brüsseler Anweisung wirklich umweltverträglich, energiesparend und nachhaltig gestaltet worden war. Darunter litt die Akzeptanz der einheitlichen Leitung und Führung des Kontinentes gerade in Corona-Zeiten.

Angesichts der Anzahl von Verordnungen, Richtlinien und Durchführungsbeschlüssen, die Europa produziert, gilt eine bessere Auszeichnung der allgemein höheren Energieeffizienz der sogenannten Rechtsakte aber als Erfolgsgeheimnis der auch schon mit dem Friedensnobelpreis geehrten Union. Allein im vergangenen Jahr gelang es Europäischem Rat, Europäischem Parlament und EU-Kommission trotz der viel beklagten EU-Bürokratie, insgesamt mehr als 1.200 wegweisende und verbindliche Beschlüsse zu fassen, auf die Bürgerinnen und Bürger bereits sehnlichst warteten. Corona hatte hier vieles erschwert und verlangsamt, denn 2019, im letzten Jahr vor der Pandemie, waren sogar 1.500 Rechtsakte gelungen - vier an jedem Tag des Jahres, fast sieben sogar an jedem Arbeitstag. 

Energieverträgliche Markierungen

Um künftig jedoch mehr Luft nach oben zu den begehrten energieverträglichen Markierungen aus dem sogenannten grünen Bereich zu haben, hat die EU die Neuskalierung des Energieeffizienzindex für Verordnungen (EU-EEIfVO) so gefasst, dass demnächst alle regulär und mit normaler Rasanz verordneten Rechtsakte vom Europäischen Amt für die Klassifizierung von Verordnungen (EUAfKVO) automatisch die beiden obersten Klassen A und B sortiert und entsprechend ausgezeichnet werden. Das soll das Grundvertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die europäischen Institutionen weiter stärken. Vor allem nach dem von Kommissionschefin Ursula von der Leyen öffentlich gemachten solidarischen Impfdebakel, das vielerorts noch immer noch verstanden wird, gilt das als wichtige und vertrauensbildende Maßnahme.

Wählerinnen und Wähler sind damit nicht mehr gezwungen, sich an Verordnungen zu halten, deren Entstehung nicht nachhaltig war oder sich sogar energieineffizienten Verhandlungsprozessen über Jahre hinweg verdankt. Natürlich erhofft sich die EU, dass der jährliche Energieverbrauch, der in den EU-Institutionen anfällt, die mit der Schaffung so vieler umfassender Regelwerke beschäftigt sind, der Markierung nacheilt. 

Energiebedarf soll nacheilen

Planmäßig soll der prognostizierte Energiebedarf von Rat, Kommission, Trilog, Brüsseler Beraterfirmen und beratenden Kanzleien bis 2030 voraussichtlich auf dann nur 13 TWh/Jahr fallen. Bereits ab dem 1. März ist die neue Skalierung gültig, der die Mitgliedsstaaten noch zustimmen müssen, damit entsprechende neue Label gedruckt und kennzeichnungspflichtige Gesetzblätter unionsweit umgelabelt werden können. Nationale Gesetze werden bis voraussichtlich 2024 neu eingeordnet. Bei Regelungen der Länder gilt eine Übergangsfrist bis 2026, weil die begehrten neuen A-Plus-Klassen vorerst nur EU-Akten vorbehalten sind, die mit erneuerbaren Energien durchberaten worden. 

Perspektivisch soll dann in jeder Kategorie regelmäßig nachgeschärft werden, aber nur etwa alle zehn Jahre und ohne erneute Umbenennung. Bis dahin steht nun in der nächsten Zeit einige Arbeit ins Haus: Ämter und Behörden überall auf dem Kontinent müssen umetikettieren, neu ausschildern und ihre Verordnungsdatenbanken auf den neuesten Stand bringen.

Mit Impfkurven lügen: Ein Besuch in der Meisterwerkstatt für Manipulation

Auf unabhängigen Grafiken ist die deutsche flatline beim Impfen kaum zu erkennen. Im ZDF-Morgenmagazin hingegen strebt sie losgelöst von der Wirklichkeit steil in ermutigende Höhen.

Wer mit Zahlen, Grafiken oder gar mit Toten und Infizierten lügen will, und wer will das nicht!, hat einige grundsätzliche Regeln zu beachten, um nicht sofort als Lügner, Fälscher und Blender aufzufliegen. Einerseits ist es möglich, Zahlen ohne jeden Bezug zu präsentieren. Statt Werte aufwendig in einen Kontext zu stellen und sie damit einzuordnen, bevorzugen es Kenner, sie einfach mit dem Zusatz "weniger als" oder "mehr als" zu versehen. Bei Grafiken hingegen lassen sich zeichnerisch Wertungen setzen, die mit den abgebildeten Werten nichts zu tun haben, wie das "Morgenmagazin" des ZDF derzeit in einer bemerkenswerten Leervorführung zeigt. 

Eine echte Leervorführung  

Wie immer in diesen Tagen des propagandistischen Abwehrkampfes gegen den wachsenden Corona-Unmut in Teilen der Bevölkerung geht es um Hoffnungszeichen, Gute-Laune-Fernsehen und Muntermacherkurven. Als Fortsetzung der Dezember-Serie "Tausende toller Impfzentren bereit zum Piks" und der Januar-Fortsetzung "Jetzt geht es ganz groß mit dem Impfen los" ist nun die grafische Deutung des "Desasters" (Spiegel) auf Gemeinnsinnsenderart dran. Dazu präsentiert das ZDF eine Grafik, die auf verstörende Kontextualisierung ebenso verzichtet wie auf die Einbeziehung irgendeiner Art von Maßstab. Stattdessen zeigt die Impfkurve (oben rechts) einfach nur eine Linie, die mutmachend von links unten (keine Impfungen) nach rechts oben stürmt: 4,7 Millionen Impfungen!  

Deutschland immunisiert sich, so die Botschaft, die Bundesregierung hat alles im Griff, denn im "Großen und Ganzen ist nichts schiefgelaufen" (Angela Merkel). Bei der Ausgestaltung der Impfgrafik orientiert sich der zweite Gemeinsinnsender eng an den Illustrationen der Infizierten- und Todeskurven, mit denen die Bundesregierung seit beinahe einem Jahr ihre Eindämmungsmaßnahmen begründet. Auch hier streben alle Linien - naturgemäß - immer nur nach oben, auch hier orakeln Fernsehansager und Zeitungsredakteure fortlaufend von "weiter gestiegenen" Zahlen, als sei irgendwann anzunehmen gewesen, dass die Gesamtzahl der Toten oder aber auch die der Corona-Infizierten eines schönen Tages wieder sinken werde, weil Verstorbene sich erholen und Corona-Angesteckte es nicht mehr gewesen sind. 

Ziel ist die Verbreitung von Hoffnung

Die Macht der großen Zahlen und die Kraft der beunruhigenden Grafiken sollten natürlich bei der Eindämmung helfen, indem sie Beunruhigung erzeugen. Im Fall der Impfgrafik des ZDF, die andersfarbig, aber inhaltlich ähnlich auch in allen anderen Gemeinsinnsender verwendet wird, geht es hingegen um die Verbreitung von Hoffnung und Zuversicht. Während Deutschland so langsam impft wie der wuchtige Wirtschaftsminister Peter Altmeier zu Medienzwecken Fahrrad fährt, stürmt die ZDF-Impfkurve gerade zu steil in den Himmel.

So gut ist Deutschland wirklich. So toll sieht es aus, wenn Journalisten ihre beruflichen Verpflichtungen beiseite lassen und sich in bedingungslose Gehilfen staatlicher Propaganda verwandeln. Wie aus dem Lehrbuch des klassischen Demagogiefaches "Lügen mit der Wahrheit" verzichtet die ZDF-Impfgrafik auf jede Einordnung und jeden Anhaltspunkt, der für Vergleichbarkeit sorgen könnte. In dem mit geradezu goebbelscher Missachtung des gesunden Menschenverstandes angefertigten Bild ist jede gerade erreichte Zahl an Impfungen in der rechten oberen Bildecke zu finden, sie bildet quasi das Maß von 100 Prozent, erreicht also tagtäglich das absolute Optimum dessen, was irgendwer erwarten könnte.

Diese Kurve steigt garantiert

Zudem steigt die Kurve immer in einem ermutigendem 45 Grad-Winkel: Von links unten wird das 16:9-Bildformat nahezu vollkommen unabhängig vom gerade anliegenden aktuellen Impftempo halbierend geteilt. Dieses sogenannte "Ansteilen" wird in der Medienpsychologie immer dort verwendet, wo eingeordnete Rohdaten allein nicht ausreichen, Zweifel an Regierungserfolgen auszuräumen. Wäre es überhaupt möglich, noch langsamer zu impfen als das Deutschland mit seinen binnen acht Wochen erreichten 3,8 Prozent tut, müsste das ZDF sein Grafikformat durch eine Verbreiterung des ornamentalen Virusbereiches links außen nur leicht anpassen - etwa auf 12:9 - und schon gliche die neue Kurve durch ermutigende Steilheit den Rückschlag wieder aus.

Es muss nicht einmal wirklich viel geimpft werden, um wirklich herausragend gute Grafiken zum Impfgeschehen zeigen zu können. Wo die deutsche Impfkurve in unabhängigen Grafiken etwa bei Our World in Data allenfalls mit der Lupe zu entdecken ist, verwandelt der Gemeinsinnsender das frustrierende Geschehen - oder besser Nichtgeschehen - mit ein paar Strichen am Grafiktabelett in beste deutsche Propagandaarbeit. Sehet her, es steigt!, ruft die so fantasiereich manipulierte Impfkurve den Deutschen beim Morgenkaffee zu. Alles wird gut und die Regierung ist es schon!

Verachtung des gesunden Menschenverstandes

Mit der Wirklichkeit hat das noch weniger zu tun als das übrige Nachrichtenangebot, das gegenwärtig von Phantomdiskussionen darüber bestimmt wird, ob Lehrer oder wer auch immer "früher" geimpft und Geimpfte schneller wieder in Kneipen, Bars und Konzerte gelassen werden sollen. Das "Schneller", auf das erfahrene Gemeinsinn-Gauckler wie Dunja Hayali dabei Bezug nehmen, wird selbstverständlich nie auch nur in groben Zügen definiert. Die Vermeidung von Maßstäben und Vergleichen und der Verzicht auf den Hinweis, dass "3,179 Millionen" (ZDF) viel sind, eingepasst in eine Y-Achse, die bis zu 83 Millionen reicht, aber kaum der Rede wert, verrät die Absicht: Nicht Information ist das Ziel, sondern Informationsverdünnung, Reflexerzeugung und Manipulation.

Zu schädlich wäre die Botschaft, dass das bisherige Tempo der nationalen Immunisierung mit 3,8 Prozent Geimpften nach zwei Monaten tatsächlich die Vermutung nahelegt, das es noch mehr als zwei Jahre dauern wird, bis die ZDF-Grafik aus sachlichen und faktischen berechtigt wäre, zu zeigen, was sie heute nur suggerieren will.


Montag, 22. Februar 2021

Originelle Mathematik: Rechnen gegen Rassismus

 Alternative Mathematik, die vom gewünschten Ergebnis her rechnet, lässt zielgenaue Aussagen zu.

Es war natürlich ein gefundenes Fressen für rechte Hetzer, Hasser und Zweifler an allem, als jetzt aus dem US-Bundesstaat Oregon Überlegungen laut wurden, bei Rechenaufgaben sollen künftig nicht mehr die Lösung einer Gleichung als richtig anzuerkennen, sondern mehrere Antworten gelten zu lassen, und seien sie auch falsch. Sofort waren die üblichen Entrüsteten auf den Bäumen: 2 plus 2 müsse vier bleiben, zehn mal zehn 100 und überhaupt solle wenigstens die Mathematik verschont bleiben von Gleichstellungsexperimenten, mit denen seit längerer Zeit schon tiefgreifende Veränderungen in anderen Fachgebieten bewirkt werden.  

Von der Fantasiesprache zur Originellen Mathematik

Seit Fernsehmoderatoren in einer selbstausgedachten Fantasiesprache voller Innen und Löcher sprechen und Politiker sich bemühen, Gleichberechtigung durch  betonte Atempausen mitten im Satz voranzubringen, tut sich ein Abgrund auf zwischen den solargetriebenen Wohnburgen des Bionadeadels in den besseren Vierteln und den öl- und gasbeheizten Vorstädten, in denen das Gesinde mit "Shoppingqueen" und Bundesliga versucht, im permanenten Wertewirbel den Kopf oben zu behalten. Erschrecken herrscht dort, wo bisher vermutet wurde, wenigstens die Arithmetik sei doch eine exakte Wissenschaft, als die Nachricht eintraf, dass Oregon, als "eine linksliberale, progressive Hochburg" bezeichnet, ein Trainingsprogramm für Lehrer gestartet habe, das „Rassismus in der Mathematik abzubauen“  und die „weiße Kultur der Überlegenheit“ aus den Klassenzimmern verbannen solle. Mit Hilfe einer „Ethnomathematik“, die jeder Hautfarbe ihre eigene Messlatte auflege, ganz nach dem Motto der frühen Kommunisten: Jedem nach seinen Fähigkeiten.

Richtig und Falsch neu berechnet

Denn so unterschiedlich die ausfallen, so unterschiedlich müssen die Anforderungen an Richtig und Falsch aussehen. Was für den einen ein Berg, ist dem anderen ein Hügel, was dem einen ein Formelgewirr, leuchtet anderen nach ein paar Wochen intensiven Übens doch ein. Die Mathematik ist hier ein scharfes und eben auch rassistisches Schwert: Korrespondenten berichten, dass Schüler aus Minderheiten,  allen voran Schwarze und Latinos, im US-Schulsystem bei Prüfungen im Mathematik-Unterricht statistisch gesehen deutlich schlechter abschnitten als Weiße. Von Asiaten ist nicht die Rede, aber dennoch sei "der Glaube, dass es neutrale Antworten gibt, allein schon ein Charakterzug weißer Überlegenheit“, heißt es in dem Schriftwerk, das die "weiße Überlegenheit" nicht in Abführungsstriche setzt, was allein schon ein Charakterzug weißer Überlegenheit ist.

Immerhin aber sehen die Verfasser sich durch ihre weiße Überlegenheit verpflichtet und in der Lage, dem statistisch gesehen rassisch unterlegenen Minderheitenmathematiker eine helfende Hand zu reichen. Wenn Schüler und Pauseinnnen mit rassisch unterschiedlichen Voraussetzungen zur Lösung von Gleichungen im Unterricht erscheinen, dann sei schon als rassistisch anzusehen, wenn ein Lehrer seine Schüler alle gleichermaßen auffordere, die Schritte zur Lösung einer Rechenaufgabe und damit sein Verständnis für mathematische Prinzipien aufzuzeigen.

Wie 100-Meter-Lauf und Schach

Denn manchem liege so etwas, anderen aber nicht, ein genetische Sache vielleicht wie der 100-Meter-Lauf und Schach. Genetisch weniger Talentierte, die derzeit noch für falsche Antworten bestraft werden müssen, fallen durch schlechte Noten noch weiter zurück, sie werden entmutigt und gehen der Mathematik so unter Umständen gänzlich verloren. Der volkswirtschaftliche Schaden ist gigantisch, gerade mit Blick auf den Nachwuchsmangel bei Ingenieuren, Brückenkonstrukteuren, Architekten, Raum- und Luftfahrspezialisten, aber auch Heizungsmonteuren, Schlossern und Servicetechnikern für Solaranlagen.

Als Alternative schlagen die Wissenschaftler aus Oregon die Etablierung einer Mathematik vor, die nicht mehr vermeintlich „objektive Antworten" abfordere, sondern alternative Fakten ausdrücklich erlaubt. Lehrer werden deshalb ermuntert, Angehörigen von mathefernen Minderheiten zu erlauben, „mindestens zwei Antworten“ als Lösung zu präsentieren, von denen eine richtig sein könnte, anstatt sich auf ein einziges und damit korrektes Ergebnis zu konzentrieren. 2 + 2 wäre etwa nicht mehr automatisch 4, sondern - im Wahrheitsmuseum im brandenburgischen Wellendorf ist das bereits seit Jahren so nachzulesen - zugleich 22. 

Diese neue, sogenannte Originelle Mathematik lässt randomisierte Resultate zu, wenn der einreichende Schülerer selbst  denkt, dass sie richtig sein könnten. Das vermeidet die unweigerlich mit der Zurücksetzung des Rechnenden verbundene rassistische Diskriminierung in Fällen von vermeintlich "falschen Ergebnissen und öffnet der Gesellschaft den Weg zu einem höheren Verständnis arithmetischer Prozesse: Zahlen haben keine Rasse, ihre Verwendung als angeblich objektive Größe aber negiert die Verantwortung, die mathenahe Ethnien und Genotypen  stellvertretend für zahlenferne Schichten und Rassen beim Umgang mit Gleichungen und Formeln übernehmen müssen.

Vielfalt auch im Rechnen

Das Geschrei von Rechtsaußen, das prompt durch Deutschland dröhnte, als die ersten Nachrichten über die Originelle Mathematik aus Oregon kamen, zeigt schon, wer hier Angst um seine arithmetischen Privilegien hat. Und damit auch, wie wichtig es ist, von Schwarz und Weiß, Richtung und Falsch auch in der Wissenschaft endlich wegzukommen. Binär zu denken, ist etwas für Computer. Der Mensch ist in der Originellem Mathematik zu Hause. 2 und 2 kann vier sein, aber eben auch 22. Hundert mal Null ist null, aber hundertdreimal eben auch, was deutlich zeigt, dass unendlich viele Zahlenkombinationen zum selben Ergebnis führen können - und vice versa - andersherum. Vielfalt regiert auch im Rechnen. Höchste Zeit, das auch in deutschen Schulen konsequent umzusetzen.

Corona-Hotspot: Warum trifft es die Grünen-Hochburg?

Katastrophenalarm im Corona-Hotspot, das gutbürgerliche Flensburg kalt erwischt: Der Nachbar Dänemark schließt mehrere Grenzübergänge nach Deutschland, das als Hochrisikogebiet gilt. In Flensburg gehen mittlerweile fast alle Corona-Neuinfektionen auf die britische Mutante zurück. In der Stadt gilt eine Ausgangssperre, das Nachbarland Dänemark musste wegen der hochbelasteten Reguion in Deutschland zieht Konsequenzen ziehen und seine Grenzen schließen. Doch was ist da überhaupt los? Wieso liegt die Inzidenz im dunkeldeutschen Chemnitz bei nur 43, in Flensburg aber, wo die Grünen bei der Europawahl 2019 mehr als 37 Prozent der Stimmen holten, bei 175?

Analyse der Ausbreitung nach Parteifarben

Derzeit gibt es ausgerechnet in der als demokratisch und coronodiszipliniert geltenden Stadt in Schleswig-Holstein besonders viele Corona-Fälle. Daten zur Corona-Ausbreitung und zum Wahlverhalten legen nahe, dass sich das Virus derzeit besonders in Gebieten mit großer grüner Anhängerschaft verbreitet. Was dafür spricht – und was nicht. PPQ.li hatte bereits vor Monaten eine Europakarte veröffentlicht, auf der der Zusammenhang zwischen Ausbreitungsgeschehen und Google-Street-View-Abdeckung nachgewiesen wurde. Jetzt hat die PPQ-Datananalyseabteilung Data Scienceman die aktuellen Corona-Zahlen und die Wählerstimmen für die Grünen verglichen: Mit erstaunlichen Ergebnissen.

Die Übereinstimmung vieler besonders stark vom Virus betroffenen Regionen in Deutschland war offensichtlich. Auf den ersten Blick lag der Schluss nahe, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen den beiden Faktoren Wahlverhalten und Corona-Infektionszahlen geben könnte. Die Erklärung könnte darin liegen, dass die Grünen als einzige Partei neben CDU, SPD, FDP und Linkspartei ein ambivalentes Verhältnis zu den aktuellen Corona-Maßnahmen entwickelt haben. So gilt in der Parteiführung zwar alles als richtig, was die Corona-Kabinette in Bund und Ländern beschlossen haben. Doch die Anhänger der sogenannten Querdenker-Bewegung rekrutieren sich nach Erkenntnissen der Wochenschrift "Die Zeit" zu großen Teilen Parteimitgliedern und Sympathisanten der Grünen.

Diese Menschen lehnen die notwendigen Regeln ab und halten sie im privaten Bereich vermutlich auch  weniger streng ein als anständige Leute. Das könnte ein Faktor für eine höhere Ansteckungsrate in Flensburg, Oldenburg oder Wesermarsch sein. Mit der reinen Datenanalyse, die im PPQ-Labor mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) vorgenommen wurde, konnte eine Kausalität noch nicht endgültig nachgewiesen werden, doch Julien Trehpe vom Max-Franck-Institut für revolutionäre Anthropologie in Wiesehügel konnte in einer Analyse der Daten eine solche Korrelation feststellen - und zwar nicht nur für Schleswig-Holstein, sondern für andere Bundesländer. 

Geht das Virus nach Wohlstandsniveau?

Das Ergebnis sei so wissenschaftlich wie die Studie zum Virus-Ursprung aus Hamburg, aber zugleich so deutlich, dass man damit arbeiten könne, so Trehpe. Er sei selbst davon überrascht gewesen, wie klar sich Hochburgen der Parteien, deren Anhänger den Corona-Protest befeuern, in den Karten des RKI abbildeten. Es könne zwar auch andere Faktoren geben, die den Effekt erklären - etwa die Bevölkerungsstruktur, das Wohlstandsniveau, der Mangel an Einfamilienhäusern oder der Zustand des Gesundheitswesens. 

Noch ehe man diese Fragen weiter nachgehen und abschließend mit Ja beantworten werde, sei er aber überzeugt von einem Kausalzusammenhang: "Im Gegensatz zur Parteiführung, die ja versucht, das Corona-Thema zu einem Teil ihres Hauptthemas Klima zu machen", analysiert der Friedens- und Demokratieexperte, "rekrutiert sich die grüne Parteibasis immer noch zu Teilen aus einem Milieu der Wickelrockträger, Vollkornverehrer und Globuligläubigen". Diese Kreise leugnetne Corona weitgehend und umfassend. Ihnen gelte etwa Boris Palmer, der grüne Oberbürgermeister von Tübingen, wegen seiner erfolgreichen Corona-Politik als Verräter. "Wenn sich solche verblendete Anhänger von Ideen wie der einer weltweiter Herrschaft von Big Pharma dann entsprechend verhalten, ist das für das Virus wie ein Geschenk."

Alte, Gebildete und Verbeamtete im Visier

Sozialstrukturell erklären sich die aus den Elendsquartieren der Fleischfabrikarbeiter in die Wohlstandsviertel des Westens gewanderten hohen Ansteckungszahlen mit der dort lebenden relativ alten und relativ akademischen Bevölkerung. Das Durchschnittsalter eines Grünen-Wählers betrage zwar derzeit zwar nur 44 Jahre, das Durchschnittsalter der Querdenker, Hetzer, Zweifler und Hasse liege aber mit 47 Jahre nicht weit entfernt. "Das ist anschlussfähig", sagt Trehpe. Wie bei Grünen 37 Prozent hätten bei den Beschimpfern der Eindämmungsmaßnahmen 31 Prozent Abitur und 34 Prozent einen Studienabschluss.

Bei der letzten Bundestagswahl hatten nach Angaben der "Zeit" 21 Prozent die Grünen und 17 Prozent die Linke gewählt, doch das sind Durchschnittswerte, die in einzelnen Hochburgen weit höher liegen. Genau dort stellte die KI Anzeichen für eine Kongruenz fest: Entfremdet von den Institutionen des politischen Systems, den etablierten Medien und den alten Volksparteien, wandert die Zweifler-Bewegung von links nach rechts. Gegenmaßnahmen der Partei mit denen versucht wird, die Masse der Zweifler zum Verstummen zu bringen, kämen meist zu spät. So war es den Grünen in der Corona-Hochburg Flensburg erst nach einer bundesweit beachteten Anti-Corona-Rede des Parteimitgliedes David Claudio Siber gelungen, den Delinquenten auszuschließen.

Corona-Demos für drei Prozent verantwortlich

Erst kürzlich war bekannt geworden, dass Querdenken-Demos, die sich am stärksten aus der Anhänger- und Wählerschaft der Grünen speisten, zur Verbreitung des Virus beigetragen hatten. Nach einer Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim und der Berliner Humboldt-Universität waren zwei großen Kundgebungen in Leipzig und Berlin für einen Anstieg der Sieben-Tages-Inzidenz teils um den Wert von 40 verantwortlich. Das Forscherteam schätzt, dass bis zu  21.000 der in diesem Zeitraum gemeldeten 500.000 bis 700.000 Corona-Infektionen hätten verhindert werden können, wenn diese beiden großen „Querdenker“-Kundgebungen abgesagt worden wären.

Trotz der eindeutigen Fakten ist allerdings klar, dass nicht ganz allein die politische Ausrichtung der Einwohner das Infektionsgeschehen vor Ort bestimmt. Im Fall von Flensburg dürfte etwa auch die Nähe zum von der britischen Mutation B117 stark betroffenen Dänemark Einfluss auf die Infektionszahlen haben. Zudem hängt das Infektionsgeschehen von den vor Ort getroffenen Maßnahmen ab. Einfluss haben auch – gerade in kleineren, locker bevölkerten Regionen wie der Wesermarsch Superspreading-Events etwa bei Familienfeiern oder Ausbrüche in Pflegeheimen. Zudem kann die Altersstruktur der Bevölkerung das Infektionsgeschehen und die Belegung der Krankenhäuser bestimmen.