Das Versprechen war vollmundig, das Versprechen war vermutlich sogar ernst gemeint. Als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn kurz vor Weihnachten klagte, es mit den europäischen Partnern sei nicht abgesprochen gewesen, dass die 101 Jahre alte Edith Kwoizalla aus Halberstadt schon am Samstag geimpft worden sei, weil doch der Sonntag als Starttermin für die gesamte Europäische Impfgemeinschaft festgezurrt worden war, verband der CDU-Hoffnungsträger mit der harschen Kritik am Sololauf in Dunkeldeutschland auch eine Zusicherung. Jetzt gehe es los, jetzt werde Deutschland "durchgeimpft" (DPA).
Und in der Tat: einen Tag später startete die größte Impfkampagne aller Zeiten bundesweit, zumindest in den Medien. Auf allen Kanälen wurde gespritzt, Rentner hier, Senioren da, dazwischen mal eine dankbare Schwester und ein tapferer Chefarzt. Die Bilder glichen sich, die Botschaft war unübersehbar. Glaubt an die rettende Kraft aus der Ampulle. Hilfe ist nahe. Bald ist der Alptraum vorüber.
Unsichtbar auf der Impfweltkarte
Die Zwischenbilanz nach einem Monat aber fällt nun nur umso erschütternder aus. Zwei Prozent der Bevölkerung sind geimpft, das ist ein Prozent mehr als vor zwei Wochen - das Tempo der "Durchimpfung" hat seitdem nicht nur nicht zugelegt, es hat sogar nachgelassen. Auf der Impfweltkarte ist Deutschland mittlerweile nicht mehr auszumachen, weil der hiesige Impfstrich an der Null-Linie klebt.
Die Gründe für dieses "Totalversagen" (Nordkurier) wären schnell aufgezählt. Deutschland, im Herbst noch gefühlter Pandemieweltmeister, hatte seine kommode Corona-Lage genutzt, um die eigene Veranwortung für die Impfstoffbestellung mit einer großzügigen Geste an die EU-Kommission weiterzugeben. Der gute Ruf war wichtiger als die gute Vorbereitung auf die Impfungen. Der EU aber ging es vor allem um Politik: Wer deutschen Impfstoff bestellt, muss auch französischen bestellen. Und weil Großbritannien nicht mehr Teil der Gemeinschaft ist, muss man sich bei der Zulassung eines Vakzins, das dort bereits zugelassen ist, demonstrativ Zeit lassen, um zu zeigen, wie verantwortungslos der Brite und der Trumpamerikaner mit der Gesundheit der ihm ausgelieferten Impflinge spielt.
Längere Prüfung, selbes Ergebnis
Mit vier Wochen und drei Millionen Geimpften Verspätung wurde der erste Impfstoff in der EU zugelassen, mit sechs Wochen und 150.000 zusätzlichen Toten Verspätung der zweite. Der dritte - es ist der inzwischen bekannteste von AstraZeneca - wartet noch immer auf grünes Licht der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), die nach Angaben von Jens Spahn immer viel genauer prüft als alle anderen. Ehe sie stets zum selben Ergebnis kommt.
Dass nun ausgerechnet um einen Impfstoff, der in der EU überhaupt nicht zugelassen ist, ein demonstrativer "Krieg" um Schuld und Unschuld ausgebrochen ist, passt zum Gesamtbild einer Gemeinschaft, der es kaum noch gelingt, ihre an allen Ecken aufklaffenden Defizite zu bemänteln. Aber unübertroffen ist, Schuldige zu finden: Plötzlich ist der Hersteller eines Vakzins, das weder eine Zulassung hat noch zur "Verimpfung" (Spahn) zur Verfügung steht, nach Bekundungen aller Verantwortungsträger verantwortlich dafür, das Europa langsam impft und Deutschland in vielen Regionen gerade gar nicht mehr.
War die Empörung noch gewaltig, als Russland im Sommer 2020 begann, Menschen mit seinem "Sputnik V"-Impfstoff zu immunisieren, weil der noch gar nicht zugelassen war, würde EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heute am liebsten sofort alle 440 Millionen Rest-EUropäer mit dem - nicht zugelassenen - AstraZeneca-Vakzin spitzen.
Was schert uns die Zulassung
Jens Spahn wäre auf jeden Fall an ihrer Seite. Der deutsche Gesundheitsminister, der Anfang Januar noch beteuerte, die EU habe "mehr als genug Impfstoff bestellt", ehe er Mitte des Monats auf "genug" korrigierte, schert sich auch nicht mehr um formale Zulassungen. Hatte der CDU-Mann noch im letzten Sommer die Erwartung geäußert, dass das Corona-Medikament Remdesivir "nach einer Zulassung von in ausreichendem Maße für Europa zur Verfügung stehen" werde, hat er den monoklonalen Antikörper der US-Firma Regeneron nun einfach bestellt, ohne dass eine Zulassung zur Verabreichung in der EU vorliegt.
So schnell verfallen die Sitten. So schnell werden Menschenexperimente nicht nur denkbar, sondern Realität, wenn es darum geht, den Kopf aus der Schlinge drohender Verantwortungzuweisung zu ziehen. Not kennt kein Gebot und Anstand sowieso nicht. Ursula von der Leyen wettert also überdie angebliche Weigerung eines Impfstoffherstellers, einen Impfstoff an die EU zu liefern, den die EU noch überhaupt nicht zuglassen hat. Und Jens Spahn, der eben noch so skeptisch und besorgt auf Russlands Sputnik-Start schaute, weil das ja alles „nicht hinreichend erprobt" sei, was da gespritzt werden, umgeht nun die EMA, um sich dafür feiern zu lassen, dass Deutschland das als "Trump-Medikament" bekanntgewordene Remdesivir "als erstes Land in der EU einsetzt" (Tagesspiegel). Und das, wo doch noch im Herbst nachdrücklich vor der Anwendung nicht zugelassener Medikamente gewarnt worden war.
Beim Trump-Trunk handelte es sich um ein Präparat mit zwei monoklonalen Antikörpern. Mehr hilft mehr.
AntwortenLöschenRemdesivir wäre ein anderes Thema. So wie Cortison ein noch anderes Thema wäre.
Die Bundesregierung hat den Kauf der Antikörperpräparate von Eli Lilly ("Bamlavimab") und Regeneron ("Casirivimab" und "Imdevimab") beschlossen. Bei beiden handelt es sich um Medikamente, die sogenannte Monoklonale Antikörper (MAB) enthalten. Das sind künstlich hergestellte Antikörper, wie sie eigentlich auch vom menschlichen Immunsystem hergestellt werden, die an das Spike-Protein des Sara-Coronavirus-2 binden und so den Schlüssel blockieren sollen, mit dem es in die menschlichen Zellen eindringt.
Lustig ist ja schon die Prozentangabe 2%, wenn zur Durchimpfung 200% nötig sind (außer beim Impfstoff von Johnson & Johnson, aber der ist ja auch noch nicht zugelassen).
AntwortenLöschen... und wenn man dann noch bedenkt, dass Israel pro Tag jene ca. 2% impft, für die hier ein guter Monat nötig war ...
Ob 1 % oder 2 % ist doch Wurscht. Selbst wenn Fräulein Spahn 2% der Bürger*Innen und außen pro Monat durchimpft, ist er die nächsten 48 Monate damit beschäftigt, den Rest zu versorgen. Bis dahin haben wir schon so viele Mutanten, daß der Impfstoff eh nicht mehr wirkt.
AntwortenLöschenWirkt der Impfstoff überhaupt? Und wenn ja, wogegen?
AntwortenLöschen>Und wenn ja, wogegen?
AntwortenLöschenGegen freche Fragen.
OT
AntwortenLöschenDer Kommentar um 13.00 auf PIPI im Strang zu Schabracke Knoblauch sei hiermit wärmstens empfohlen.
@ Anmerkung:
AntwortenLöschenHumor hat (((Wolf Biermann))) durchaus, siehe Stasi-Ballade.
Seit seiner Befürwortung der Bombardierung Serbiens hat er allerdings bei mir verkackt.