|
Nach einer aktuellen Analyse kam Corona nicht aus China, sondern von der AfD.
|
Zuletzt durfte man etwas Hoffnung schöpfen. Einen Moment lang traf es die Richtigen, da drunten in
Sachsen, einem Gebiet falscher Vorstellungen, dem niemand etwas Böses wünscht, dessen Schicksal aber doch hier und da Erinnerungen an die "
klammheimliche Freude" aufkommen ließ, die in der alten Bundesrepublik einst für unheimliche Aufregung gesorgt hatte. Die Hoffnung darauf, dass eine neue Corona-Mutante nun aber weit genug entwickelt ist, um ausschließlich schlechte Menschen üblen Sinns zu treffen, ließ sich nicht lange aufrechterhalten. Wie so viele Mythen, die das erste Seuchenjahr hervorbrachte, um sie wenig später wieder zu verschlingen.
Schneller als das Virus
Die älteren Überlebenden erinnern sich noch, wie es war, als der
"Spiegel" gekonnt professionellen Trost spendete, damals, im Januar 2020, als
Umwelthetzer sich mit falschen Greta-Zöpfen gegen den Klimaumbau auflehnten und in Thüringen der Nazimob bis in die Staatskanzlei marschierte. Die
spitzesten Federn und fingerfertigsten Propagandisten wurden aufgeboten, die Menschen draußen im Lande zu beruhigen: "Schneller als sich das Coronavirus 2019-nCoV selbst verbreitet, verbreitet sich die Angst davor in den Medien", prangerte das Nachrichtenmagazin an, dem
Vorwissen bekanntermaßen noch nie Bedingung war, zu urteilen.
Auch hier war die Lage klar, spätestens seit der Feind die Hügel gegenüber bezogen hatte. Von dort schrie er dunkle Warnungen vor der Weltpest, vor Millionen Toten, vor einer Pandemie und dem Untergang. Man müsse nur nach China sehen, ganze Städte abgeriegelt, Millionen Menschen in Hausarrest. Da drohe doch etwas Großes und es komme schon!
Als es Drosten noch nicht gab
Aber selbstverständlich nicht. Man schrieb Januar 2020, wie gesagt, es gab keinen Christian Drosten und keine offiziell von der WHO ausgerufene Pandemie. Wer also schrie, dass das Coronavirus 2019-nCoV ist nicht nur ein Krankheitserreger sei, sondern "weltweites Gesellschaftsereignis neuen Typs: der globale Angststurm", der stand auf sicherem Grund, der wusste es nicht, aber ganz genau, der legte die Pulsfühlhand genau dorthin, wo Gefahr drohte: Es war die schnelle Verbreitung von Inhalten im Netz, ironischerweise "viral" genannt, die uralte Regungen irrationaler Furcht mit hoher Geschwindigkeit zu globalen Panikwellen aufbliesen.
Angst und Schrecken und Sascha Lobo waren schon immer ein gutes Gespann. In seinem heute leider weitgehend vergessen Aufsatz zu Corona als Bedrohung, die aus "digitalsozialen Interaktionen" und "social-media-getriebenen Mechanismen" kommt, um eine "Massenangst" zu erzeugen, die vollkommen grundlos ist, setzte der "Blogger, Buchautor, Journalist und Werbetexter" (Lobo) Maßstäbe. Wo Ruhe erste Bürgerpflicht ist, muss Angst, dieses evolutionäre Gefahrenwerkzeug, das die Sinne schärft und Menschen handlungsfähig macht, sinnlos sein.
Fluchtreflex und Atemmaske
Das Individuum braucht weder Fluchtreflex noch Atemmaske, es braucht keinen Toilettenpapiervorrat und Notkasten voller Bier, falls die Supermärkte schließen. Es hat seine Regierung, seine staatlichen Behörden, seine Gesundheitsämter und seine Beruhigungsmedien. Sie alle kümmern sich um unmittelbare Bedrohungen, kümmern sie sich nicht, wie anfangs bei Corona. handelt es sich folglich nicht um solchem, sondern "um eine Angstprojektion" (Lobo).
Die ist das Ergebnis von Verbildungen, die gerade vom "Spiegel" schon länger beobachtet wurde. Energiewende, Flüchtlingszustrom, Genderreform - immer waren die Menschen außerhalb des Spiegel-Hochhauses "schlecht darin, Gefahren und Wahrscheinlichkeiten realistisch einzuschätzen". Lieber als darauf zu vertrauen, dass die EU, die Bundesregierung und die in ihrem Auftrag mit der Vermittlung des nötigen Wissen betrauten Medien, die Lage im Griff haben, tendieren sie zu Fluchtreflex und irrationaler Vorsorge. Ein angstmachender Anlass werde zum globalen Angststurm werden, analysierte Sascha Lobo als einer der letzten Rationalisten angesichts des herannahenden Seuchensturms, "wenn das Gefühl der Gleichzeitigkeit entsteht: Ich bin genau jetzt Teil eines weltweiten Geschehens."
Gefahr Hyperemotionalisierung
Es ist doch aber nur ein Gefühl, denn von Corona war in Deutschland noch gar nichts zu sehen. So wie das Bundesgesundheitsministerum einige Wochen später
vor sich selbst und seinen in die Welt geblasenen Falschbehauptungen warnen wird, warnt Sascha Lobo hier vor der "Hyperemotionalisierung", die der anhaltende, hochemotionale Alarmzustand sein wird, in den das wenig später gegründete informelle Corona-Kabinett das Land ab Herbst versetzen wird. "Dabei werden der Grad der Betroffenheit und die Gefahr selbst übertrieben", arbeitet Lobo heraus und er verweist dabei auf die "Ökonomie der Hyperemotionalisierung", die kollektive Erregungszustände monetarisierbar macht: Jeder Klick auf eine Katastrophenmeldung hilft wirtschaften, jeder Penny hilft, die Pandemie zu überstehen.
Lobo zeigt sich in seinem vermeintlich analytischen Text als Meister der Autosuggestion. Wer es schafft, die mentalen Reaktionen auf einen herannahenden Feind unbekannter Kraft und Macht zu rationalisieren und die Angst vor dem womöglich anstehenden Massensterben als größtes Problem darzustellen, verfügt über eine fast perfekte Angstabwehr.
Lobo selbst schreibt "Es handelt sich um Irrationalität im Gewand des aufgeklärten Realismus, denn eine neue, noch unverstandene Gefahr lässt sich selten sinnvoll mit bekannten und deshalb leichter bekämpfbaren Gefahren vergleichen." Dass die Johns Hopkins University damals schon ihre
Corona-Weltkarte ins Netz gestellt hatte, erscheint wie eine zusätzliche Bedrohung: "Von der Farbgebung (schwarz-rot) bis zur Entscheidung, auf der Weltkarte die 3.500 Fälle in Hubei (China) etwa so groß darzustellen wie Nord- und Südkorea zusammengenommen, schreit die Website: Alarm!"
Falscher Alarm
Falscher Alarm, wenn Sascha Lobo zu glauben gewesen wäre. Es wird noch fast Jahr dauern, bis sich ein EU-Gipfel darauf einigt, besonders betroffene Gebiete auf dem am härtesten betroffenen Kontinent EU nicht mehr mit Rot, sondern mit Dunkelrot zu markieren - eine Entscheidung im Sog der Hyperemotionalisierung, die im Januar 2020 vermieden werden sollte, im Januar 2021 aber dringend gebraucht wird, um die seit Monaten anhaltenden Eindämmungsmaßnahmen zu begründen.
Der Angststurm, der drohte, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu zerstören, das Vertrauen in das gute und rechtmäßige Handeln der Regierenden zu untergraben und die irrationale Sehnsucht nach radikalen Schutzmaßnahmen wie im totalitären Chinas weckte, mutierte über Monate vom gefürchteten Werkzeug der Feinde der der offenen Gesellschaft zum wichtigsten Handwerkszeug des Durchregierens. Auf dem "perfekten Nährboden für Instrumentalisierung" wuchs die kollektive Angst, die erst Corona-Kabinette, Maskenpflicht, Corona-Leine und Ausgangssperren möglich machte.
Das gut vorbereitete Land
Verschwörungsmythen standen auch hier Anfang eines umfassenden Vertrauensverlustes, Verschwörungsmythen wie etwa die, dass gegen die "neuartige Lungenkrankheit" keine
Maske helfe, Deutschland aber "gut vorbereitet" sei. So offensichtlich das nicht stimmte, wurde es doch "behauptet und rasch verbreitet" (Bundesgesundheitsminiterium), vermischt mit seriösen Informationen, Vermutungen und tendenziösen Grafiken. Jeden Abend die aktuelle Corona-Zahl, jeden Abend uneingeordnete Inzidenzzahlen und R-Werte - was während der frühen Phase der Pandemie noch unvorstellbar war, erhöhte und erhielt später, als nicht mehr Beruhigung und Leugnung auf der Agenda standen, sondern
"shock & awe" (George W. Bush) durch fortwährende Wiederholung und Bündelung das kollektive Erregungslevel.
Eine perfekte Ablenkung, denn der ständige Nachrichtenfluss der globalisierten, digital vernetzten Welt vermittelt eine Atemlosigkeit, die Verständnis dafür schafft, dass ganz oben gelogen werden muss macht. Niemand glaubte dem Bundesgesundheitsminister vor einem Jahr wirklich, dass das Tragen von Masken nichts nütze. Alle wussten, dass der Mann das nur sagte, weil jede andere Aussage die Frage provoziert hätte, wo denn die von ihm für einen solchen Fall bevorrateten Masken seien. Ebenso ist jeder sicher, dass die Befristung des derzeitigen lock down genauso verlässlich ist wie die Befristung des Wellenreiter-Lockdown im November oder die des "Nunaberrichtigknallhart"-Lockdown im Dezember.
Abschied von Oma und Opa
Die Macht der Gewöhnung aber hilft akzeptieren, dass die Bedrohung dies alles verlangt, den Abschied von Oma und Opa, die Schließung der Geschäfte, die Reiseverbote und das Vermummungsgebot. Die Nation tanzt am Nasenring, "zum guten Teil unabhängig von der realen Gefahr", wie Lobo vor einem Jahr so falsch attestierte, dass es heute komplett richtig ist. Galten die Bemühungen der Politik anfangs noch der Vermeidung einer
Überforderung des Gesundheitssystems, gelten sie jetzt erklärtermaßen dem Ziel, die Gefahr der Möglichkeit einer Überforderung des Gesundheitssystems zu verhindern. Und bis kurz vor der Bundestagswahl im Herbst wieder Normalität herzustellen, auf dass die Dankbarkeit der Wählerinnen und Wähler am 26. September das Kreuz an der richtigen Stelle mache.