Montag, 21. Dezember 2020

Digitalisierung: Strafsteuer für Internet-Einkäufer

Die neue Sondersteuer für Intershopper wird die Anziehungskraft der  deutschen Innenstädte weiter erhöhen.

Zweimal lockdown, dazu Maskenpflicht und Zugangszählung für die als besonders ansteckungsanfällig erkannten großen Einkaufszentren, Supermärkte und kleinen Einzelhandelsgeschäfte: Neben allem anderen entfaltene Corona auch als Förderprogramm für den Internethandel eine faszinierende Wirkung. Marktführer Amazon, aber sogar die wenigen kleinen deutschen Nachahmer wie Zalando und Otto berichteten von zweistelligen Zuwachsraten, Zustelldienste wie das Staatsunternehmen Deutsche Post und die teilstaatliche DHL profitierten massiv, zahlreiche Fluggesellschaften überlebten die Pandemie überhaupt nur, weil der freie Grenzverkehr für Pakete nie beeinträchtigt wurde.

Der Feind im Netz

Die Folgen aber wiegen schwer. Obwohl die Insolvenzpflicht für Pleitefirmen seit beinahe einem Jahr ausgesetzt ist, sind hunderttausende Unternehmen nach mehreren Monaten regierungsamtlich verordneter Betriebsferien faktisch zahlungsunfähig. Millionen Kunden hingegen haben in den Krisenmonaten gelernt, dass der Einkauf im Internet keineswegs dazu führt, dass russische Hacker im Handumdrehen alle Konten leerräumen, Darknet-Gangster Erpressermails schicken und billige chinesische Elektrogeräte mit schönen alten deutschen Markennamen wie "Braun" oder "Grundig" Haus und Hof in Brand setzen.

Die Uhr steht auf fünf nach zwölf. Deutschland, das Land des Bahnhofsbuchhandels, in dem die legendäre Konkurrenzsimulation der beiden Media-Saturn-Töchter "Media-Markt" und "Saturn" für eine Illusion von Wettbewerb im Bereich Haushaltselektronik sorgt, hat sich binnen weniger Monate aus einem Reich der Barzahler und Abholer in das durchdigitalisierte Lieferdienstland verwandelt, von dem in der Politik die Rede war, seit Helmut Kohl die "Datenautobahn" erfand und Angela Merkel anno 2005 die schnelle Digitalisierung zum Staatsziel ausrief. 

So war das aber nicht gedacht mit dem "höheren Tempo" (Merkel) bei der Digitalisierung. Denn unverkennbar bleibt hier jemand auf der Strecke, weil Bürger*innen und Bürgerseiende trotz der hervorragend Versorgung mit Hilfsmitteln jeden Euro nur einmal ausgeben können. Der im Netz gekaufte LCD-Fernseher bekommt trotz "rekordniedriger" (DPA) Zinsen nicht zwingend ein Zwei- oder Drittgerät, das im stationären Handel angeschafft wird. Ebenso geht es dem Kaffeeautomaten, dem neuen Paar Sneaker und der neuen Sitz- und Liegelandschaft für die gute Stube.

Regulierende Sondersteuer

Es ist also höchste Zeit für regulierende Eingriffe, die die durch die erwünsche, geförderte und endlich erreiche Digitalisierung bedrohte alte Einkaufswelt der Tante-Emma-Läden, possierlichen kleinen Handy-Shops und Buchläden voller Bestseller-Stapel wiederherstellt. Die CDU, unter ihrem heute schon weitgehend vergessenen Vorsitzenden Heinz Ehrhard eine Partei, die unentwegt "Marktkräfte entfesseln" wollte, ist alarmiert und auf dem Weg, mit den bewährten Rezepten aus den Trinkhalm-Kriegen und den heute schon legendären Schlachten gegen die Todestüten gegen den in dieser Wucht doch unerwarteten Einbruch der Zukunft einzuschreiten.

Als Sondersteuer - wie immer "Abgabe" genannt - soll künftig ein Innenstadt-Soli die Menschen vom Einkauf im Internet abhalten und sie zurücktreiben in die traditionellen Geschäfte. Offiziell als "Paketabgabe für Onlinehändler" bezeichnet, richtet die Höhe der neuen Möglichkeit für Konsumenten, sich an der "Stärkung eines vielfältigen Einzelhandels in lebendigen Innenstädten" zu beteiligen, nach dem Bestellwert. Je höher, desto mehr Innenstadtsoli wird fällig, eine Stellschraube, die es zweifellos ermöglichen würde, Deutschland bei ausreichend konsequenter Anwendung im zehnten Jahr nach dem nationalen Alleingang beim Abschied von Google Street View auch zu einem Land ohne Amazon zu machen. 

Gut für den stationären Einzelhandel. Aber auch schlecht für den stationären Einzelhandel. Sobald das Online-Geschäft genauso hinüber und pleite ist wie der traditionelle Verkauf von Waren und Gütern, werden von auch keine Überbrückungshilfen in die Vergangenheit mehr kommen.

7 Kommentare:

  1. Ich nehme an, dass ausländische shops die "Abgabe" nicht leisten müssen.
    Somit werden amazon.it, amazon.fr, amazon.co.uk oder gearbest.com die neues online-shopping stars.

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  2. Hase, Du bleibst hier ...Dezember 21, 2020

    Kommt die Abgabe, wird sie über die Logistikfirmen realisiert. Dann ist es egal, wo weltweit eingekauft wurde.

    Also, so würde ich es machen, wäre ich der staatliche Geldeinsammler.

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  3. natürlich werden sie die leisten müssen, auf die zielt doch das ganze. eigene onlineshops von höherer bedeutung hat deutschland, falls das noch nicht bemerkt worden ist, ja gar nicht zu bieten.

    das unternehmen ist eine art "lex amazon", daher doch auch der hinweis, ob es teurer werden würde für die kunden, läge dann in der hand der anbieter. amazon kann weitergeben oder die eigene marge kürzen.

    ich vermute mal, da bezos sowieso darauf zielt, irgendwann selbst auszuliefern, weil er die dort anfallenden gewinne natürlich auch gern selbst behalten möchte, würde eine solche abgabe am ende amazon am meisten nützen, weil die die höchste preismacht haben.

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  4. Ein 'Pakt' wie in 'Pakt für lebendige Innenstädte' wird normalerweise zwischen zwei oder mehr Parteien abgeschlossen. Der Innenstädte-Pakt wird von einer Seite erlassen, die Einzahler haben keine Mitsprache. So betrügerisch ist nicht mal der Teufel, bei dem man Entscheidungsfreiheit hat, ob man mit ihm einen Pakt schließen möchte.


    >Ludwig Wilhelm Erhard

    Ein großer Komiker!

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  5. Der 'Pakt' wird zwischen Bund, der die Kohle einzieht, und Kommunen geschlossen, die das Geld dringend brauchen, um Ausfälle bei Gewerbesteuern, Parkraumbewirtschaftung und Radarfallen zu kompensieren. Der Einzelhandel wird nichts davon haben, schon weil man nicht rechtssicher und trennscharf zwischen Innenstadt und Randbezirk bzw. zwischen einzelnen Branchen unterscheiden kann. Dass wir Einzahler nur alle paar Jahre gefragt werden und die entscheidenden Themen der kommenden Legislaturperiode oft noch nichtmal bekannt sind, liegt im Wesen einer repräsentativen Demokratie.

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  6. "Der Einzelhandel wird nichts davon haben"

    Doch. Doch. Irgendwie wird der Einzelhandel auch davon profitieren, wenn es noch mehr Versorgungspöstchen für Gleichstellungsbeauftragtinnen und Berufsantifaschisten gibt.

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