Schluss mit lustig: Das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite ermächtigt den Bundestag, den Ausnahmezustand auszurufen. |
Dass es um die wirklich großen, wichtigen Entscheidungen geht, ist immer klar, wenn inmitten der allgemeinen Aufregung um dies und das und alles ein schwarzes Loch aus nahezu kompletter medialer Ignoranz klafft. Wie Regen aus einem wolkenlosen Himmel pladdern dann auf einmal Gesetze auf den Rechtsstaat herunter, die in Friedenszeiten für Monate die öffentliche Debatte bestimmt und diese ausufernde Diskussion bestimmt nicht überlebt hätten.
Macht auf die Tür und hoch das Tor
So aber, wenn gerade Fußball-WM ist, Weltuntergang oder globale Pandemie, lässt sich ganz leicht durchsetzen, was noch Jahre oder Wochen zuvor für absolut ausgeschlossen erklärt worden war. Die EU eine Schuldengemeinschaft? Niemals! Geschlossene Grenzen im Schengen-Raum? Niemals! Eine Einschränkung von Grundrechten auf der Basis einer freihändigen Verordnung des Bundesgesundheitsministers? Aber doch nicht in Deutschland, einem, wenn nicht gar dem letzten Rechtsstaat überhaupt!
Es hat beachtliche sieben Monate und zwei Lockdowns gedauert, bis der in der Unsichtbarkeit verschwundene Bundestag zum ersten Mal erkennen ließ, dass er beteiligt werden möchte am Durchregieren des neuen Corona-Kabinettes, von dem im Grundgesetz noch gar keine Rede war. Die Gnade wurde gewährt. Die Kanzlerin, seit Ausbruch der Seuche eine mehr oder weniger vollkommen virtuelle Person, deren einziger öffentlicher Auftritt in einem Supermarkt-Besuch gegen Hamsterkäufe bestand, stand persönlich "Rede und Antwort" (DPA) im Parlament und erklärte, warum und weswegen alles so beschlossen, absolut alternativlos und damit vollkommen richtig sei.
Der Bundestag als Mitmach-Parlament
Aber gegen das Murren der Parlamentarier, die schon die kommenden Bundestagswahl im Blick haben, soll auch geholfen werden. Mit der dritten Fassung des "Bevölkerungsschutzgesetzes" wird der Bundestag quasi wieder zum Mitmach-Parlament: Wie schon beim ersten und beim zweiten "Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" wird das Hohe Haus in Kürze dem "weiterentwickelten Rahmen für den Bevölkerungsschutz" (Bundesregierung) zustimmen und Deutschland damit wieder ein Stück seuchensicherer machen.
Es wird ein wahrer Triumph der Exekutive über die Grundrechte, die die Bundesregierung bisher auf Basis von Verordnungen zum Gesundheitsschutz ausgesetzt hatte. Diese „Maßnahmen sind angemessen, geeignet und erforderlich“", hatte die scheidende Kanzlerin mehrfach betont, aber zugleich müsse "jeder Eingriff in die Grundrechte gut begründet und erklärt werden" und "zeitlich befristet" sein.
Befristung unbefristet, Kriterien unbekannt
An welchen Zeitraum gedacht war, blieb damals noch unerwähnt. Nun aber gibt das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite erste Hinweise auf die längerfristige Planung: Nach dem beschlossenen Entwurf von CDU, CSU und SPD kann der Bundestag künftig eine "Gefährdung durch neuartige schwerwiegende übertragbare Krankheiten" ausrufen und der Bundesgesundheitsminister dann dauerhaft ohne Zustimmung des Bundesrats Verordnungen erlassen, mit denen Grundrechte aller Art eingeschränkt oder komplett suspendiert werden.
Woran eine "epidemische Lage von nationaler Tragweite" genau zu erkennen ist, wird nicht definiert. Irgendwie wenn es schlimm aussieht. Wenn es bedrohlich zu werden droht. Oder wie Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff in seiner unnachahmlichen Art gestanden hat: Eine Notlage im Gesundheitssystem ist, wenn es gilt "eine Notlage im Gesundheitssystem zu verhindern." Und das mit aller Macht: Neben dem Recht, über "bundeseinheitliche Schutzmaßnahmen" die Reisefreiheit aufzuheben und selbst die im Inland grundgesetzliche garantierte Freizügigkeit im Bundesgebiet unbefristet zu verbieten, werden auch die Grundrechte der Freiheit der Person, der Versammlungsfreiheit und der Unverletzlichkeit der Wohnung zur vorsorglichen Abschaltung freigegeben.
Erforderliches ist erforderlich
Als Begründung reicht es aus, zu behaupten, dies sei zum Schutz der Bevölkerung erforderlich. Der Bundestag soll diese abändern und aufheben können, nach welchen Kriterien er das zu tun hat, steht allerdings ebenso wenig fest wie die Grundlagen für die Ausrufung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite bestimmt sind. "Die einzige Voraussetzung ist ein Beschluss des Deutschen Bundestages", hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages herausgefunden, "weitere materielle Voraussetzungen bestehen nach dem Gesetzeswortlaut nicht, auch der Gesetzesbegründung sind keine konkreten Kriterien zur Definition des Begriffs zu entnehmen".
Ausgehend von der Hoffnung, dass der deutsche Gesundheitsminister immer ein ganz netter, mitfühlender und gemeinwohlorientierter Mann sein möge, dem jeder Gedanke an eine Gesundheitsdiktatur fern liegt, stellt das neue Seuchengesetz die Entscheidung über die Beurteilung der Lage dem jeweiligen Amtsinhaber anheim. Der kann sich dann Kriterien suchen: Wenn 35 von 100.000 Menschen infiziert sind. Oder 50. Oder 100. Oder einer. Notlage ist, wenn es gilt, die Notlage zu verhindern. Befristet ist alles bis eine Sekunde vor dem St. Nimmerleins-Tag. Angemessen jede Maßnahme, die auf den Beschluss des Bundestages folgt, die nicht konkret zu fassende epidemische Lage von nationaler Tragweite anzunehmen.
Bild:
AntwortenLöschen'So geht Führung'
'In einer solchen Krise braucht es eine starke Hand, die politische Lager eint und klare Ansagen macht.'
Genau, scheiß auf Demokratie und Pluralismus, mein Reden seit Jahren.
P.S. Wann wurde eigentlich die AfD aufgelöst? Habe ich irgendwie nicht mitbekommen.
klare kante! klare führung! früher führerprinzip!
AntwortenLöschenEs gab mal für ein kurzes Zeitfenster in der Geschichte die Idee, wie die Leute zusammen leben könnten, so selbstbestimmt im Rechtsstaat usw. Aber wenn das keiner (mehr) will... #Böckenförde Diktum
AntwortenLöschenDauerhafte Freundschaft. Relotius Nf. sind sich für keine Lüge zu schade. Wenn es der Sache dient, ist alles erlaubt.
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Kanzlerin Merkel kennt den künftigen US-Präsidenten gut
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Aha. Wer wird denn zukünftig Präsident?
Da fragt man sich schon insgeheim ein wenig, warum die letzten Rechtsstaatsfanatiker bei der Seuchenbekämpfung so darauf gepocht haben, das auch das Parlament unbedingt mit eingebunden werden muss. Jetzt wurde es eingebunden und was kommt dabei heraus? Auch nichts anderes als die Vortänzer vorher im kleinen Zimmer beschlossen haben. Das Außerkraftsetzen unserer Grundrechte hat jetzt nur noch ein hübsches Demokratiemäntelchen bekommen.
AntwortenLöschenWer sich von unserem Hohen Haus bei jeglichem Thema noch eine Korrekturfunktion erhofft, ist doch auf dem komplett falschen Dampfer unterwegs. Seit die kleinen Zirkel der Parteiführungen de facto als Einzige bestimmen, wer in den Bundestag einzieht und wer garantiert nicht, haben die den Laden fest in der Hand. Es wurden und werden nur noch Leute nominiert die über Jahre hinweg bewiesen haben, das sie richtig abstimmen und bei denen das Parlament auf Grund der Qualifikation garantiert die einzige Karrieremöglichkeit ist. Da spurt jeder und hebt sein Händchen gleichzeitig mit der Kanzlerin.
Die möglichen Abweichler in den Qualitätsparteien kann man an einer Hand abzählen. Und dieses Häuflein wird nach der nächsten Wahl sicher auch noch verschwinden. Auf die AfD und ihre Anhänger als ausgestoßene Parias muss man auf Grund der geringen Stärke keinerlei Rücksicht nehmen. Notfalls macht die Antifa bei besonders Uneinsichtigen gerne noch
einen Hausbesuch.
Die ohnehin linkslastigen und nie sehr widerspenstigen deutschen Medien hat man über großzügige finanzielle Hilfen im Sack. Bei den verbliebenen widerspenstigen Medien hilft Big Tech bei der Ruhigstellung. Die Verfassungsgerichte bekommt man mit der richtigen Besetzung neuer Stellen, siehe oben, auch so langsam in den Griff. Auf Grund der hochgejubelten Pandemie fühlt man sich jetzt schon stark genug auch die Axt an die
Grundrechte der Bevölkerung zu legen. Das Ganze kommt dabei noch so fürsorglich und mütterlich schützend rüber, das sich kein Wiederstand im großen Maßstab bei den schon länger hier Lebenden dagegen formiert.
Wenn das nicht das perfekte Drehbuch für eine schleichende Machtübernahme ist. Ob das in diesem Maßstab geplant war oder ob jede Demokratie der Massen zwangsläufig über kurz oder lang in diese Richtung laufen muss, ist dabei nicht wirklich wichtig. Da hätte die DDR noch einiges von uns lernen können. So smart kann man das auch aufziehen.
Sicher war die Bonner Republik nie perfekt. Trotzdem waren wir damit, im Vergleich mit allen anderen Möglichkeiten, sehr gut bedient gewesen. Jetzt übernimmt leider wieder die Autokratie das Ruder. Wir gehen keinen guten Zeiten entgegen.
An unseren mitlesenden Rechtschreibfreak. Gerade gelesen: "Wiederstand". Mea Culpa. Kommt nicht wieder vor. Der Zeitdruck, sie wissen schon.
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