Er ist der Mann der Kanzlerin, die ihr Feld bestellt, wie das in der deutschen Politik üblich ist. Traditionell wird bei Hofe bestimmt, wer wem nachfolgt. Wohlverhalten und die Bereitschaft, bis zur eigenen Regentschaft bedingungslos zu folgen, sind Grundvoraussetzungen für eine Karriere, die hoch und höher führt. Verstöße werden in den Sphären der Spitzenpolitik schneller sanktioniert als Versagen - Thomas de Maiziere, über Jahre ein treuer Gefolgsmann Angela Merkels, weiß davon ebenso zu berichten wie Norbert Röttgen, der im Schatten den mächtigsten Frau der Welt segelte, bis sie ihm den Mast kürzte.
Offene Rechnungen
Auch Friedrich Merz hat seine Rechnung mit Angela Merkel noch offen, denn der gefühlte Kanzler in spe wurde 2004 von der Frau, die er stets unterschätzt hatte, aus seinem Amt als Fraktionsvorsitzender von CDU und CSU entfernt, ehe er überhaupt dazu kam, einen Aufstand anzuzetteln. Als Merkel ihr eigenesd Ende verkündete, tauchte Merz wieder auf, getrieben vielleicht immer noch vom Gedanken, es besser zu können. Womöglich aber auch von dem, immer noch stark genug zu sein um die Pläne der scheidenden Domina der Union zumindest ein wenig durchkreuzen zu können.
Eine Gefahr, die auch die auf Merkel eingeschworene Chefetage der CDU zu sehen scheint. Nachdem die unglücklich und zunehmend auch unsichtbar agierende Annegret Kramp-Karrenbauer, nach Merkel ursprünglichen Plänen eigentlich die nächste Kanzlerin, in der Thüringen-Krise hatte ihren Hut nehmen müssen, gilt die Nachfolgeentscheidung beim Parteivorsitz als Schicksalsfrage der Union: Mit Laschet weiter nach links oder mit Merz zurück nach rechts? Oder gar mit Röttgen ganz ins Aus?
Was wäre das Experiment?
Die letzte Volkspartei, nach mehr als sieben Jahrzehnten Bundesrepublik identisch mit dem Staat, will keine Experimente wagen. Weiß aber nicht, was eigentlich das Experiment wäre: Merz, der den Führungswillen eines alten weißen Mannes auszustrahlen versucht? Oder Laschet, der Mann mit der verrutschten Maske, der im Frühjahr als "gefährlicher Lockerungspopulist" brillierte, inzwischen eine Corona-Performance zwischen Bolsonaro und dem Spanier Sanchez vorzuweisen hat und als Graant dafür gilt, den 17 zusehends lähmenden Merkeljahren weitere gleicher Art folgen zu lassen?
Ein ungleiches Duell, allerdings seitenverkehrt. Schien Friedrich Merz anfangs der Pandemie noch auf verlorenem Posten zu kämpfen, weil sein Konkurrent als Deichgraf und Flutbekämpfer Punkte würde machen können, spülte Armin Laschets unübersehbares Versagen den zwangsläufig untätigen und damit an allen Entwicklungen unschuldigen Merz in der Beliebtheit bei der Parteibasis unaufhaltsam nach oben.
Die platzenden Pläne der Kanzlerin
Das aber bedeutet Gefahr für die Pläne der Kanzlerin, die Armin Laschet als ihren Erben sieht. Der windelweich wirkende Aachener, der vom Stadtrat über den Bundestag, das Europa-Parlament und den Landtag schon auf allen Feldern gedient hat, die einem Parteisoldaten zur Verfügung stehen, verfügt über die große Gabe, unbedarft zu wirken, während er tückisch durch die Hinterzimmer regiert. Diesmal aber musste er gar nicht groß an Strippen ziehen, um die für Anfang Dezember festgelegte Wahl des neuen Parteivorsitzenden verschieben zu lassen. Alle wollten das so.
Bei der feierlichen Verkündigung der Entscheidung war die Dankbarkeit des CDU-Vorstandes für Corona förmlich mit Händen zu greifen: In dieser Situation, wo der Berliner Bundesliga-Verein Union Berlin nur 4.500 Zuschauer in sein Stadion lassen darf, ist es der größten deutschen Partei selbstverständlich vollkommen unmöglich, einen Parteitag mit 1.000 Teilnehmern zu organisieren. Jeder versteht das, nur Friedrich Merz nicht. der spät noch einmal berufene neue Parteivorsitzende sieht „beachtliche Teile des Partei-Establishments“ gegen sich, unterschätzt damit aber offenbar die Situation.
Wer für uns ist, ist für Laschet
Denn die Medienreaktionen auf die "auf unbestimmte Zeit" terminierte erneute Vertagung der Vorsitzendenwahl besteht nicht etwa aus unmäßigen Staunen darüber, dass die CDU bereit ist, mit den Offenbarungseid zu leisten, dass man unfähig ist, unter Pandemiebedingungen wenigstens rudimentär regulär weiterzuregieren. Nein, 95 Prozent aller Texte zum Thema behandeln Merz' Reaktion mit hocherfreuter Häme: Hahaha, der beschwert sich! Hahaha, und so einer will regieren! der "Sauerland-_Trump" (FAZ) säht doch nur "Zwietracht und Zweifel" (n-tv).
Das ist es doch gut, dass wir alle für Laschet sind.
Der bietet sich gleichzeitig als merkelmäßige Alternative an. "Der Machtmenschliche" nennen ihn zwei "ihm wohlgesonnene Journalisten" (SZ) in einem Buch, das wohl als ein Bewerbungsschreiben für die Dezemberveranstaltung gedacht war. Immerhin ehrlich: Schon der Titel der Biografie klingt so vielversprechend wie Laschet aussieht. Im Moment rangiert die Nueerscheinung auf Platz 74.203 in der Amazon-Bestsellerliste.
Friedrich Merz' Wahlkampfwerk "Neue Zeit. Neue Verantwortung: Demokratie und Soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert" erscheint erst kommende Woche. Belegt aber immerhin Platz 8.581.
Merz sät Zwietracht und Zweifel? Dieser Halunke, fort mit Zwietracht und Zweifel! Wem es hier nicht gefällt, der kann gehen!
AntwortenLöschenHubertus Volmer 'ist Teamleiter Politik bei ntv.de' und sagt Merz und den hier Lebenden, warum die Union Union heißt:
Zur CDU passt dieses Vorgehen so gar nicht. Die Partei heißt nicht umsonst Union. Sie versteht sich als Sammelbecken, als innerparteiliche Koalition mit eingebauter Konsensfindung, und sie war damit meist sehr erfolgreich.
Nur die CDU? Nein, 'wir' (A. Merkel) waren damit 'meist sehr erfolgreich'!
Der Teamleiter Politik bei ntv.de sagt der meist sehr erfolgreichen CDU, wie sie sich versteht. Das gehört so Wort für Wort in die Statuten! Treffer, so besiegt man Zwietrachtsäer mit politischer Sprachtheorie, denn Union heißt Einheit, eine Unionspartei ist eine Einheitspartei, das hätte Merz schon bei seinem Parteieintritt 1972 unter Rainer Barzel sehen können. Jetzt kommt er an und heult herum.
"Das aber bedeutet Gefahr für die Pläne der Kanzlerin, die Armin Laschet als ihren Erben sieht."
AntwortenLöschenWoran machen Sie das genau fest? Wenn Laschet der Kanzlerin nachfolgen soll, dann sollte sie diesen inzwischen doch ein paar Stiche mehr machen lassen und ihn auch öffentlich als Nachfolger aufbauen. Irgendeinen medienwirksamen bundesdeutschen Posten, müsste er als Hilfestellung doch auch noch zugewiesen bekommen. Notfalls irgendeinen nagelneuen Frühstücksdirektorposten aus dem Hut zaubern. So lange ist die Wahl ja nicht mehr hin. Davon merke ich aber derzeit überhaupt nichts.
Die Haltung von Frau Merkel fühlt sich für mich mehr nach "wenn ich Deutschland nicht mehr führen kann, dann ist es mir komplett egal, was nach mir kommt" an. Nach mir die Sintflut, ein Nachfolger ist da nicht vorgesehen. So wie das ganze Problem in der CDU verschleppt wird und bei diesen Umfragewerten könnte ich mir derzeit auch vorstellen, das sie selbst noch einmal antritt.
Seit der Coronakrise liegt sowieso eher Söder als Laschet auf einer Linie mit der Kanzlerin. Wie diese ist auch er bereit für seinen Machtzuwachs absolut alles zu tun. Für die Kanzlerschaft ist dieser bereit die komplette deutsche Wirtschaft über die Klinge springen zu lassen. Da haben die Konkurrenten doch noch ein paar Gewissenbisse. Vielleicht sieht sie ja in diesem verwandten Geist derzeit eher ihren Nachfolger.
Wer weiß, wir werden sehen. Einen wahren Richtungswechsel erwarte ich von keinem der möglichen Kandidaten. Am Schluss stehen doch alle für weiter so, der eine ein wenig mehr, der andere ein klein wenig weniger.
Ach, Jodel, das ist alles müßiges Sinnen.
AntwortenLöschenWas die vorhaben, das haben sie auch recht deutlich und nicht nur einmal angekündigt.
Politik, Wahlen, angebliche taktische Erwägungen - es ist alles eitel Affenkomödie.
https://www.tagesschau.de/inland/merkel-besuch-laschet-101.html
AntwortenLöschendas sind schon signale, subtil, aber deutlich.
natürlich wollte sie akk, aber die war ja dann schnell heillos überfordert
sie selbst macht das nicht nochmal, sie hat doch sichtlich jetzt schon keinen bock mehr.
ergänzend noch: ich glaube, du hast insofern recht, dass der laschet und der söder die kanzlersache dann unter sich ausmachen.
AntwortenLöschenwer dann sagen kann, er ist der bessere deichgraf gewesen, der darf
als Blackrockheuschrecke passt Merz gut zur cdu - wozu also Wahlen - das irritiert doch nur unschlüssige MenschInnen in der Union
AntwortenLöschen@ Anonym
AntwortenLöschenWie ich geschrieben habe, ist es wohl egal, wer Merkel nachfolgen wird. Da bin ich ganz bei ihnen. Trotzdem bringe ich noch nicht fertig, mich komplett in meine geistige Datsche zurückzuziehen und alles hinzunehmen. Irgendwo glimmt noch ein irrationaler Funke der denkt: "Das darf doch alles nicht wahr sein. Jetzt muss das Ruder aber herumgerissen werden". Doch dann wird man wieder eines besseren belehrt und nichts oder das total falsche geschieht.
Sich aufzuregen und im Sarkasmus zu suhlen ist aber für meine Lebensqualität immer noch zuträglicher als in komplette Agonie zu verfallen. Besser müßig Sinnen, als an Desinteresse und Langeweile zu Grunde zu gehen.
@ppq
Der Link funktioniert leider nicht. Was ich bei der Tagesschau finde ist ein Besuch von Mitte August. Jetzt haben wir Ende Oktober. Wenn das die Inthronisierung eines Nachfolgers sein soll, dann ist es aber schon super subtil. Zumal sie ja vorher genauso Söder einen
Besuch auf dessen Schlösschen gewährt hat.
Das sie keinen Bock mehr hat, würde ich so nicht sagen. Worauf sie absolut nicht steht ist das öde Tagesgeschäft oder Kontakt mit der Bevölkerung. Da sieht sie keiner mehr. Das war aber noch nie ihr Steckenpferd. Die Drecksarbeit durften schon immer die Anderen erledigen. Sie selber sieht sich wohl eher als über den Dingen schwebende Gottkanzlerin. So wollte schon immer Macht um der Macht willen und nie um etwas konkretes zu bewegen. Von dieser Macht zu lassen ist unendlich schwer. Als Aussenseitertip würde ich sie daher immer noch im Auge behalten, zumal ein offiziell abgesegneter Nachfolger noch immer nicht gekürt ist.
Wer der bessere Deichgraf ist, das ist auch so eine Frage. Wer entscheidet das und nach welchen Kriterien? Die Corona-Regeln in Söderland waren von Anfang an immer schärfer als im restlichen Buntland. Wie zum Trotz färben sich auch in Bayern immer mehr Kreise in schönstes Dunkelrot. Offensichtlich bringen die Entscheidungen von Herrn Söder nicht so viel wie versprochen. Trotzdem wird er als der Bescheidwisser und Oberhäuptling bei allen Corona-Entscheidungen präsentiert. Wie kommt dieses Missverhältnis zustande? Entscheidet das am Schluss Merkel oder die Presse?