In der Darstellung der Politik, die immer auf der Suche nach Gegnern ist, gegen die sie einen symbolischen Titanenkampf führen kann, ist das soziale Netzwerk Facebook ein gefundenes Fressen. Der US-Konzern ist groß, er ist reich und weltweit bekannt, er ist beliebt, zugleich aber misstrauen ihm viele Menschen, weil sie ahnen, dass die Gelddruckmaschine des Mark Zuckerberg irgendwas mit ihren Daten macht, das sie selbst nicht wollen würden, wüssten sie es genauer.
Zugleich arbeitet Facebook im Internet, einem gespenstischen Reich des realen Lebens, den kaum ein Politiker oder Medienarbeiter verstanden hat. Facebook, Google, Twitter, in den Zeiten vor der Zeit von frühen Netzpolitikern als "Trallafitti" (Dieter Wiefelspütz) verspottet, entpuppten sich später als prima Punching-Ball. Nachdem es einer breiten Koalition aus Politik, aktivistischer Szene, Medien und Sicherheitsbehörden gelungen war, das öffentliche Bild der Netzwerke so zu zeichnen, dass sie als der Heimatort von Hetze und Hass wahrgenommen wurden, begann eine endlose Serie von Gesetzeserlassen, Überwachungsmaßnahmen, Gesetzesverschärfungen, der Verabschiedung neuer EU-Regeln und der Nachschärfung von Initiativen zumerweiterten Meinungsfreiheitsschutz.
Nicht-strafbare Rechtswidrigkeit
Erklärtes Ziel dabei war immer, strafbare Meinungsäußerungen, Gewaltaufrufe oder in sonstiger Weise gesetzwidrige Einträge zurückzudrängen. Weil der Begriff der Strafbarkeit dazu nicht ausreichte, wurde er durch den Begriff der "Rechtswidrigkeit" ersetzt - ein Facebook-Kommentar kann seitdem nicht strafbar, aber dennoch rechtswidrig sein, so dass der Staat und seine Behörden das Recht haben, gegen den Eintrag vorzugehen und - neuerdings - die Netzwerke zu verpflichten, den Urheber an die Strafverfolgungsbehörden zu melden.
Wie ehemals im Kampf gegen den rechten Popanz NPD, der nach Jahren eines symbolischen Bühnengefechtes aller staatlichen Institutionen vom Bundesverfassungsgericht zu dem politisch irrelevanten Gespenst erklärt wurde, das er sichtlich schon lange gewesen war, muss auch bei den Bemühungen, anhand der sozialen Netzwerke zu beweisen, dass man die Welt immer besser machen will, zuerst eine groteske Überhöhung her, um die Gefährdung, die man zu besiegen im Begriff ist, auch ja groß genug erscheinen zu lassen.
Im Fall von Facebook haben sich maßgebliche Akteure wie der inzwischen als Außenminister dienende Heiko Maas oder seine Nachfolgerin im Justizministerium, Christine Lambrecht, darauf geeinigt, Facebook auf eine Weise darstellen, die nahelegt, dass Nutzer dort nahezu sekündlich über Beleidigungen, Gewaltandrohungen, Hetze und Hassbotschaften stolpern. Durchweg haben die großen deutschen Medienhäuser dieses Bild verinnerlicht: Die Klügeren dort waren nicht klug genug, vor zehn Jahren in die großen US-Konkurrenten um Aufmerksamkeit zu investieren. Spät aber haben sie begriffen, dass man seine Umsätze auf dem selben Feld erzielt.
Zusammen hält man nun immer wieder Märchenstunde. Um Millionen Hetzaufrufe und Millionen Hassbotschaften geht es dann, das Internet erscheint wie ein kleines Zimmer, tapeziert mit allen Übeln der Welt. Und die selbsternannten Netzpolitiker leuchten auf wie die Retter in höchster Not: Würden sie nicht noch ein Gesetz verschärfen und noch eine Meinungsfreiheitsschutzregel obendraufpacken, noch eine Zensurbehörde ins Leben rufen und noch einen Bundesfaktencheck finanzieren, tät die Welt womöglich an bösen Gedanken ersticken.
Relationen kennt diese Darstellungsweise nicht, aber das gehört wie immer zur Strategie. Wenn deutsche Politiker und deutsche Medien mit Millionen und Milliarden hausieren gehen, dann tun sie das konsequent ohne Maßstab: Nur getrieben von der Macht der vermeintlich großen Zahl lässt sich eine Agenda durchsetzen, die Menschen entmündigt, ihre Meinungsfreiheit unter die Kuratel staatlicher Aufseher stellt und ein legitimes menschliches Gefühl wie den Hass als unerlaubte Emotion zu brandmarken versucht.
Fakten und Zahlen spielen dabei keine Rolle, denn sie machen die Fake News vom überbordenden Facebook-Hass im "toxischen Netzwerk" (Statista) Zweifel kaputt. Rund 50 Millionen nicht genauer definierte Einträge zu Hassrede, Gewalt und Terrorismus hat Facebook selbst im zweiten Quartal 2020 wegen Verstößen gegen die eigenen Gemeinschaftsregeln entfernt - 50 Millionen von insgesamt mehr als 30 Milliarden Einträgen, die im gleichen Zeitraum von Nutzern bei Facebook hinterlassen und geteilt wurden. Prozentual entspricht dass einem Anteil von 0,17 Prozent, ein normaler Facebook-Nutzer muss also etwa 600 Beiträge lesen, um einem einzigen Hasskommentar zu begegnen.
"50 Millionen von insgesamt mehr als drei Milliarden Einträgen, die im gleichen Zeitraum von Nutzern bei Facebook hinterlassen wurden. Prozentual entspricht dass einem Anteil von 0,17 Prozent"
AntwortenLöschenWirklich?
sobald die datenbasis wider stimmt. danke für den hinweis
AntwortenLöschenDanke übrigens für diesen Link zu Didi Würfelspitz, oder wie der heißt.
AntwortenLöschenInteressant und aufschlußreich.
Früher war mehr Lametta, wollte sagen, Kommentare.
Pipi geit all wedder, Kinnings:
AntwortenLöschen>> Der Weg, den die BDA-Kommission vorschlägt, führt lediglich in die noch maximalere Ausbeutung der Bevölkerungsmehrheit ... <<
@ Wolfgang Hübner: Geht gar nicht. Wer "optimal" oder "maximal" steigert, der frißt auch kleine Kinder.
>Früher war mehr Lametta, wollte sagen, Kommentare.
AntwortenLöschenDer Hass und die Hetze wurden zu den Hass- und Hetzplattformen outgesourcet. Deswegen ist der Artikel auch so notwendig.
https://discord.gg/hCXtfdg
AntwortenLöschenich mag Hetze
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