Donnerstag, 13. August 2020

Erich Honecker: Anstrengend, aber schön - so erlebte ich den Tag des Mauerbaus


Der Mauerbau in Berlin im Jahre 1961 ist immer noch von zahlreichen Rätseln umgeben. Hat Ulbricht vorher gelogen, als er sagte, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu bauen? Lügen sich Historiker die Lage zurecht? Schreibt der Sieger Geschichte? Welche Rolle spielte Moskau?

PPQ hat in einem Koffer, der auf einem Dachboden in der Nähe des Ostbahnhofes in Berlin gefunden wurde und später über abenteuerliche Wege in die USA geriet, Aufzeichnungen des ehemaligen DDR-Staats- und Parteichefs Erich Honecker gefunden, die endgültige Auskunft geben. Honecker, damals noch ein vergleichsweise junger Funktionär, war am 13. August 1961 als Bauleiter an der Mauer eingesetzt. Er führte die Einsatzgruppen, dirigierte die Bauarbeiter, Maurer und Handwerker und hielt Kontakt mit der höchsten Staatsspitze, die gespannt darauf wartete, wie der Westen auf die Abriegelung reagieren würde.

Da Honecker die Notizen nur für seine eigenen Belange anfertigte, weil er plante, später ein Autobiografie über sich schreiben zu lassen, dürfen sie als unverfälscht gelten.


PPQ dokumentiert das Papier in voller Länge im Rahmen der zeitgeschichtlichen Serie Doku Deutschland.


Es ging dann ganz schnell. Als Genosse Ulbricht im Juni mitteilte, dass wir niemals eine Mauer bauen würden, war das unsere feste Überzeugung. Doch vom 3. bis zum 5. August 1961 fand dann in Moskau eine Beratung der Ersten Sekretäre der Zentralkomitees der kommunistischen und Arbeiterparteien der Staaten des Warschauer Vertrages statt, der auch Vertreter von Bruderparteien aus anderen sozialistischen Ländern Asiens beiwohnten. Im Einvernehmen mit der KPdSU schlugen wir dort vor, die Grenzen der DDR gegenüber Berlin-West und der BRD unter die zwischen souveränen Staaten übliche Kontrolle zu nehmen. Das ist kein exotischer Wunsch, sondern unser Recht, sagten wir. Diesem Vorschlag stimmte die Moskauer Beratung einmütig zu.

Meine Rolle bei der Umsetzung der Aufgabe war zentral. Vom Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates der DDR, meinem Genossen Walter Ulbricht, wurde mir die Vorbereitung und Durchführung der hierfür erforderlichen Aktion übertragen. Die notwendigen Maßnahmen und die Entwürfe der Einsatzbefehle für die Nationale Volksarmee, die Organe des Ministeriums für Staatssicherheit und des Ministeriums des Innern, für die Bereitschaftspolizei, die Volkspolizei und die Kampfgruppen der Arbeiterklasse sowie die Anweisungen für die zentralen staatlichen Institutionen, für das Verkehrswesen, das Bauwesen und andere wirtschaftsleitende Organe wurden ausgearbeitet. Ich prüfte die Vorschläge meines Stabes mehrfach gründlich, ehe ich Genossen Walter die Papiere vorlegte, der sich von Moskau bestätigen ließ.

Später konnten wir befriedigt feststellen, dass wir nichts Wesentliches unberücksichtigt gelassen hatten. Zur unmittelbaren Leitung der Operation richtete ich meinen Stab dann im Berliner Polizeipräsidium ein. Von dort aus stand ich in ständiger Verbindung mit den Kommandeuren und Stäben der bewaffneten Kräfte, den Bezirksleitungen unserer Partei in Berlin, Frankfurt an der Oder und Potsdam, den zentralen Staatsorganen, dem Berliner Magistrat und den Räten der Bezirke Frankfurt an der Oder und Potsdam.

Nichts anbrennen lassen


Am 11. August 1961 erklärte die Volkskammer der DDR unseren Feinden und Gegnern dann offiziell, dass eine ernste Gefahr für den Frieden in Europa besteht. Dass aus diesem Bekenntnis niemand schlau werden würde, wussten wir. Es gehörte ebenso zum Plan wie die Beauftragung des Ministerrates der DDR, alle Maßnahmen vorzubereiten und durchzuführen, die zur Sicherung des Friedens notwendig sind. Daraufhin fasste der Ministerrat, formal die Landesregierung, am folgenden Tage den Beschluss, die noch offene Grenze zwischen dem sozialistischen und dem kapitalistischen Europa unter zuverlässige Kontrolle zu nehmen.

Als ich am Nachmittag des 12. August 1961 zum Döllnsee fuhr, sah ich beiderseits der Straßen, dass sich die wackeren Motorisierten Schützenverbände unserer Volksarmee schon in ihren Bereitstellungsräumen befanden. Um 16 Uhr unterzeichnete der Vorsitzende des Nationalen Verteidigungsrates der DDR, mein guter Genosse Walter Ulbricht, die von uns vorbereiteten Befehle für die Sicherungsmaßnahmen an der Staatsgrenze der DDR zu Berlin-West und zur BRD. Am späten Abend, eine Stunde vor Beginn der Operation, trat der von mir geleitete Stab im Berliner Polizeipräsidium zusammen.Wir atmeten Geschichte. Und wir schrieben selbst welche.


Eine starke Truppe


Anwesend bei mir im Stab, das soll die Historie einmal nicht vergessen, waren die Mitglieder des Politbüros des Zentralkomitees der SED Willi Stoph, der Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, und Paul Verner, die Mitglieder des Zentralkomitees der SED Heinz Hoffmann, unser Minister für Nationale Verteidigung, Erich Mielke, der Minister für Staatssicherheit, Karl Maron, unser Minister des Innern, und Erwin Kramer, Minister für Verkehrswesen, sowie Willi Seifert, Stellvertreter des Ministers des Innern, Fritz Eikemeier, Präsident der Volkspolizei Berlin, und Horst Ende, Leiter des Stabes des Ministeriums des Innern. Um Mitternacht wurde Alarm gegeben und die Aktion ausgelöst. Damit begann eine Operation, die an dem nun anbrechenden Tag, einem Sonntag, die Welt aufhorchen ließ.

Stunden, die anstrengend waren, aber schön. Gemäß den Einsatzbefehlen rückten die Verbände der Nationalen Volksarmee und die Bereitschaften der Volkspolizei in die ihnen zugewiesenen Abschnitte. Alles lief wie am berühmten Schnürchen. Auch die Kampfgruppen der Arbeiterklasse in Berlin und in den an Berlin-West grenzenden Bezirken Potsdam und Frankfurt an der Oder bezogen ihre festgelegten Einsatzpunkte. Unsere bewaffneten Kräfte, junge, kampfbereite Männer, die im Dienst unserer Sache förmlich aufblühten. erhielten von den in der DDR stationierten sowjetischen Streitkräften Unterstützung, deren Oberbefehl am 10. August 1961 Marschall der Sowjetunion I. S. Konew übernommen hatte.

Binnen weniger Stunden war unsere Staatsgrenze rings um Berlin-West zuverlässig geschützt. Ich hatte vorgeschlagen, direkt an der Grenze die politische und militärische Kampfkraft der Arbeiterklasse einzusetzen, das heißt Werktätige aus sozialistischen Betrieben in den Uniformen der Kampfgruppen als vorderste Linie zu stellen. Sie sollten mit Bereitschaften der Volkspolizei unmittelbar die Grenze zu Berlin-West sichern. Falls es notwendig werden sollte, hatten die Truppenteile und Verbände der Nationalen Volksarmee und die Organe des Ministeriums für Staatssicherheit sie aus der zweiten Staffel zu unterstützen. Nur bei einem etwaigen Eingreifen der NATO-Armeen sollten die in der DDR stationierten sowjetischen Streitkräfte in Aktion treten. Dann würde es Krieg geben. Aber wir waren gut vorbereitet.

Tolle Bewährungsprobe


Wie der Verlauf der Ereignisse bestätigte, bestanden die bewaffneten Kräfte der DDR ihre Bewährungsprobe hervorragend. Dennoch war dies keine rein militärische Operation. Vielmehr erforderten die Sicherungsmaßnahmen umfangreiche politische, ideologische, wirtschaftliche und organisatorische Aktivitäten. Wir hatten – ohne zunächst in aller Öffentlichkeit über konkrete Aufgaben sprechen zu können – die gesamte, damals von Paul Verner geleitete Berliner Parteiorganisation der SED mobilisiert, um den Menschen draußen im Lande noch besser zu erklären, warum wir das zu ihrem Besten tun. Innerhalb von Stunden war das Berliner Verkehrsnetz umzustellen und der Stadtbahn- und Untergrundbahn-Verkehr von und nach Berlin-West zu unterbrechen.

Das konnte nur gelingen, wenn die Werktätigen der Reichsbahn und der Berliner Verkehrsbetriebe im Vertrauen auf ihre Arbeiterpartei und Arbeiterregierung alle Anweisungen diszipliniert verwirklichten, und das taten sie. Obwohl Tausende Werktätige zum Schutz der Staatsgrenze aufgezogen oder als Agitatoren tätig waren, musste der 14. August 1961 in der Hauptstadt zu einem Montag mit guten Produktionsergebnissen werden. Die Stadt wollte versorgt sein wie gewohnt. Das Leben sollte so normal wie möglich weitergehen. Auch das gelang und schließlich begannen mit diesem Tag die Goldenen Jahre der DDR: Das Land konnte endlich  denen zur Heimat werden, die es als ihr Land begriffen so wie ich.

1 Kommentar:

  1. >> Die Waffe, eine Airgun von der Firma Diana, gibt es für ca. 300 Euro zu kaufen. Man braucht einen Waffenschein. Daneben steht die leere Waschmittelflasche, auf die die Studenten gefeuert hatten ... << Pipi halt.

    "Blah", das Tageblatt des Subhumanen. Waffenschein. Dat versök mal, min Jung.

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