Sonntag, 30. August 2020

Auflösungserscheinungen: Missbrauch ohne Mindestabstand

Trotz vieler Mahnungen verstießen die Corona-Leugner hartnäckig gegen die Auflage, Abstand zu halten und symbolische Masken zu tragen.

Um 14.21 Uhr kam die vierte Warnung. "Ihre Versammlung ist aufgelöst", teilte ein Sprecher der  Berliner Polizei den Teilnehmern der Corona-Demonstration in Berlin mit: „Entfernen Sie sich vom Veranstaltungsort". Die Demonstranten hätten die Mindestabstände nicht eingehalten und keine Masken getragen. "Es besteht keine andere Möglichkeit, als die Versammlung aufzulösen“, hieß es in einer Durchsage an die Demonstrationsteilnehmer. Zuvor waren Teilnehmer unter demonstrativen Verstößen gegen das Vermummungsgebot mit Fahnen und Pappschildern aufmarschiert, auf denen zum Teil "Angst macht krank" oder "Reschke ist schuld" stand.

PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl lässt den abenteuerlichen Tag am Brandenburger Tor Revue passieren.

Vor der Kreml-Kamera von RT wurde beleidigende Parolen gezeigt.
Ja, sie sind da. Hundert, vielleicht dreihundert Unentwegte, störrisch, bockig, uneinsichtig. Auch als die Polizei dem Seuchenspuk ein Ende macht, zeigt kaum einer Einsicht. Zaghafte Rufe wie "Wir sind das Volk" erschallen, ein Sitzstreik versuche, weiterhin gegen die notwendigen Maßnahmen zum Seuchenschutz mobil zu machen. Dann beginnen Beamte der Berliner Polizei, die Teilnehmer einzeln abzuführen, gefilmt von anderen Demonstrationsteilnehmern, die mit bunten Haaren, Deutschlandfahnen, Warnweste, mitgebrachten Kindern und sommerlich-legerer Kleidung versuchen, ihre Zugehörigkeit zur Naziszene zu verbergen.

Provozierend versuchen einige sogar, mit Parolen wie "ich bin ein freier Mensch, ich darf hier stehen" Gewaltaktionen der Polizei herauszufordern. Die Beamten jedoch bleiben zurückhaltend, allenfalls mit leichter körperlicher Gewalt beruhigen sie die Lage.

Deutschlands Corona-Problem


Das Ende einer Auseinandersetzung, die Deutschland zur fast eine Woche lang beschäftigt hatte, weil alles vom Ausgang abhing. Obwohl die Bundesregierung gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten bei einer gemeinsamen Sitzung mit großer Sorgfalt erneut die exakt passenden Corona-Maßnahmen beschlossen hatte, hielten die Organisatoren an ihrer Absicht, gegen die erfolgreiche Corona-Politik von Bund und Ländern zu protestieren. Ein Demoverbot scheiterte. Auch ein zweiter Versuch, Ordnungsmaßnahmen nach Infektionsrecht über das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu stellen, mochten die angerufenen Richter nicht positiv bescheiden.

In höchster Not hatte die Polizei die Demonstranten dann vor Ort aufgefordert, einen sogenannten Mund-Nase-Schutz zu tragen, weil die Menschenmenge außer Stande oder unwillig schien, die Mindestabstände einzuhalten, obgleich Altenheime und Privathaushalte nachgewiesenermaßen als häufigste Ansteckungsorte gelten.

Ein renitenter Rentner (unten) bedrängt einen Einsatzbeamten.

Missbraucht von Leugnern


Unter den Teilnehmern waren einige wenige Bürger, die die Einschränkung der Grundrechte durch die Pandemiemaßnahmen missverstanden haben, missbraucht aber wurden sie von den aufmarschierten Coronaleugnern, Impfgegnern, Verschwörungstheoretikern, Menschen mit Dreadlocksn, Trommelgruppen, Rechtsextremen, Reichsbürgern, grünen Stadträten, rechter Esoterikern, identitären Wutbürgern, Rechtsradikalen, Virusleugnern, Russlandfreunden, SUV-Fahrern, Maskenmuffeln, Merkelrausrufern, AfD- und NPD-Fans, Ausländerfeinden, Klimaleugnern und GEZ-Boykotteuren. Von "Menschen, die das als Familienausflug betrachten - Händchen haltend und politisch nicht wirklich auffällig", berichtete die "Tagesschau", verdächtig auch "Menschen mit Rucksäcken - wahrscheinlich von außerhalb angereist, aus der ganzen Bundesrepublik".

Nur kein zweiter Kosovo


Die Polizei musste eingreifen, um keinen zweiten Kosovo zu riskieren. Richtig wie alles, was seit Ende Februar in Deutschland getan, beschlossen, verworfen und verschärft wurde, war aber zuvor auch die Zulassung der Demonstration durch die Justiz. "Im Sinne der demokratischen Grundwerte unseres Landes bleibt es richtig, die Demonstrations- und Meinungsfreiheit als wichtigen Grundwert zu schützen", schreibt Swen Thissen in der Illustrierten "Stern", "und die gilt auch für Menschen mit noch so kruden Weltanschauungen."

Zumindest, bis es ernst wird und Corona-Leugner ihre Chance für jedermann klar ersichtlich vertun, zu zeigen, dass sie in der Lage sind, ihren Protest gegen die Corona-Maßnahmen unter Beachtung der Corona-Maßnahmen und mit einem klaren Hygienekonzept auf die Straße zu bringen. Wer seine demokratischen Rechte aber missbraucht, der verwirkt sie zurecht. Der kann nur noch aufgefordert werden, nun endlich Nachhilfe zu nehmen, um sich beim nächsten Mal vielleicht als würdig zu erweisen.

4 Kommentare:

  1. Der Link zum Abstimmungsergebnis im Bundestag über das Verwirken der Grundrechte bei deren Mißbrauch kann noch ein "h" am Anfang vertragen. Dann kann der Browser das Konvolut vollautomatisch abholen.

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  2. "Wer seine demokratischen Rechte aber missbraucht, der verwirkt sie zurecht. Der kann nur noch aufgefordert werden, ..."

    ... dieses Land zu verlassen.

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  3. @Volker

    https://www.michael-klonovsky.de/acta-diurna/item/1425-24-august-2020

    Klonovsky hat das Wesentliche dazu ans Licht der Internetwelt gezerrt.

    Der Historiker Egon Flaig hat den Anfang gemacht: "Wer den Staatsbürgern das Angebot macht, ihren Staat zu verlassen, spielt mit dem Bürgerrecht; er spricht Staatsbürgern, die 'nicht einverstanden sind', das Recht ab, Bürger unserer Republik zu sein. ..."

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