Freitag, 31. Juli 2020

Goldgrube Desinformation: "Fake News gegen Fakten"

Gensings Eingreifen steht noch aus: Hier verkündet die SPD, schon gegen den Faschismus gekämpft zu haben, als es ihn noch gar nicht gab.

Er ist Deutschlands führender Faktenfinder, einer der Start-Up-Unternehmer, die Antifaschismus und Internetschreiberei zu einem funktionierenden Geschäftsmodell amalgamierten. Jahrelang schlug sich Patrick Gensing in den radikalen Randbereichen des bürgerlichen Lebens herum, inzwischen aber ist er als Chef der öffentlich-rechtlichen Faktenchecker-Division der ARD ein anerkanntes Mitglied des mentalen Überbaus der Gesellschaft. Wie aber schafft man es, ein "verwaistes Feld" (Gensing) wie das der Nazi-Bedrohung aufzutun? Und über Jahre mehr und mehr Richtung Mitte zu erweitern, dass es heute zuweilen scheint, als könne die Gesellschaft unter dem Ansturm rechter Trolle, populistischer Hetzer und russischer Falschnachrichtenfabriken jeden Augenblick zusammenbrechen?

In seinem Buch "Fake News gegen Fakten" hat Patrick Gensing aufgeschrieben, wie es ihm gelungen ist, Desinformation zu einer Goldgrube zu machen. Ausschlaggebend für den Erfolg war dabei, schreibt Gensing, die Idee, den rechten Popanz als reale Alltagsgefahr zu deuten. Nach dem Vorbild der rechten Zwergenpartei NPD, die zuvor über Jahre hinweg eine um sie selbst kreisende Verbotsdiskussion auf eine Weise genährt hatte, dass der gesamte Lebenszweck der Mini-Formation nur noch in der Möglichkeit bestand, verboten oder nicht verboten zu werden, implementierten Patrick Gensing und andere emsige Aufklärer über imaginäre Gefahren ein framing in der Gesellschaft, nachdem in Europa und auch in Deutschland  eine "ideologische Propagandaschlacht" (Gensing) tobe, die als Endkampf zwischen den Kräften des Guten und denen des Bösen anzusehen sei.

Auf der einen Seite stünden dabei öffentlich-rechtliche Sender, Antifaschisten, Politiker der Regierungsparteien sowie von Linker und Grünen, die EU, Emmanuel Macron, WHO, UNO und weitere internationale Organisationen. Auf der anderen hingegen wirke eine unheilige Gefährdung aus Trumps, Gaulands, Orbans, Erdogans, Bolsonaros, AfD, französischen Faschisten, italienischen Populisten, Umweltfeinden, Sachsen und Ewiggestrigen Gleichberechtigungsverweigerern und Rassisten darauf hin, die Welt wieder so zu gestalten, wie sie vor dem 1. oder im 2. Weltkrieg gewesen war.

Statt von Kanonen, Panzern und Gewehren gehe die "Gefährdung unserer Demokratie" diesmal durch Desinformation und Fake News aus und sie sei "größer als je zuvor", schreibt Patrick Gensing. Das belegen auch neue Twitter-Zahlen von der Sperrungsfront: so wurden zuletzt innerhalb eines halben  Jahres rund 44.000 Tweets und Nutzer wegen offenkundiger Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben gesperrt. Das entspricht einem Anteil von 0.000048 an allen Tweets oder der Menge an Tweets, die binnen eines Zeitraums von neun Minuten insgesamt von Nutzern gesendet werden.

Eine Flut, die darauf abzielt, "die Gräben in einer polarisierten und fragmentierten Gesellschaft zu vertiefen, Glaubwürdigkeit zu zerstören und Konflikte anzuheizen", wie Gensing analysiert, der seit 2017 das Projekt "ARD-Faktenfinder" leitet und Fake News damit als einer der ersten Deutschen zu seinem Hauptberuf gemacht hat. Seine Autobiografie „Fake News gegen Fakten“ erklärt das Phänomen, wie es ihm gelang, minimalste mutmaßliche Hetzvorfälle etwa bei der täglich milliardenfach genutzten Suchmaschine Google zu einer akuten Bedrohung des gesellschaftlichen Zusammenhalts umzudefinieren, in all seinen Facetten: Wie man Fake News erfindet, wie man Meinungen als falsch definiert und warum es immer eine Option ist, mit Rabulistik unpassende Tatsachen umzudeuten.

Es helfe oft, vor dem Problem, dass die vorliegenden Zahlen zur Verbreitung von Fake News  selbst nach Einführung der erweiterten Meinungsfreiheitsschutzgesetz keinerlei gesamtgesellschaftliche Bedrohung signalisieren, einfach die Augen zu verschließen. Auf dieser Grundlage sei es dann möglich, etwas gegen eine Gefahr zu tun, die für die Mehrheit der Internetnutzer weder existiere noch deren Handeln in irgendeiner Weise beeinflussen könne, da sie Hetze, Hass und Zweifel selbst bei intensiver Nutzung von sozialen Netzwerken kaum begegnen.

PPQ-Fazit: Dieses Buch ist unentbehrlich für jeden politisch Interessierten und schafft die Basis für eine dringend nötige gesellschaftliche Debatte.

8 Kommentare:

  1. Das Faschoblatt Tagesspiegel hat seinerzeit versucht, die Verdienste der SPD mit einem Fake-Faktencheck zu entwerten:
    https://www.tagesspiegel.de/politik/seit-156-jahren-keinen-fussbreit-dem-faschismus-thueringen-kritik-der-spd-spitze-geht-nach-hinten-los/25524504.html

    Die haben übersehen, dass wir ohne die SPD seit 156 Jahren ununterbrochen Faschismus gehabt hätten. Go home, Tagesspiegel.

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  2. Steinhoefel @Steinhoefel

    Ich gehe gleich zu einer Gerichtsverhandlung. Vorher hole ich mir auf der Geschäftsstelle des Landgerichts noch schnell eine einstweilige Verfügung ab, die erlassen wurde, weil die "Faktenfinder" von @tagesschau sich beim Faktenfinden vertan haben.

    https://twitter.com/Steinhoefel/status/1289107072274116609
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    Das kann ich kaum glauben, daß der Gensing schludert und schlampt, auf daß sich die Antennen gen Osten ausrichten.

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  3. >> 7berjer 31. Juli 2020 at 14:45 ... ...
    Kann es sein, daß der Signore Paragone BrüSSel_istan <<

    Je nun, OT:

    So, wie gewisse Trottel meinen, vor's au'slautende S gehöre ein Apostroph, denn das wäre vornehm, gebildet und weltmännisch, so meinen noch sehr viel mehr Trottel, zu jeder mehr oder minder prodeutschen Äußerung gebühre gleichzeitig ein wohlfeiler Eselstritt gegen den NS, dessen unbedingter Verehrer ich, bis zur Verg ... bis zum Erbrechen wiederholt gesagt, NICHT bin. ER hieß übrigens auch nicht Schicklgruber.
    Das Gerstenmaier-Zitat von 1975 einmal beiseite ...

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  4. Carl GustafJuli 31, 2020

    Der Gradmesser für solche Leute wie Reschke, Kahane, Restle, Gensing und Co. ist für mich die schöne alte Lebensweisheit: Nur was ich selber denk und tu, das trau' ich auch dem anderen zu".

    Und mich beruhigt die aus dem Untergang der DDR gemachte Erfahrung, dass man mit Unsinn erzählen nicht dauerhaft Geschäft machen kann.

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  5. @ Carl Gustaf: Da liegst du nicht ganz richtig. Der Untergang der Zone ward andererseits beschlossen. Und Unappetitlinge wie diese ausgemergelte Kahane werden - möglicherweise - ewig sein. Es sei denn ...

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  6. >> nicht die mama 31. Juli 2020 at 11:45
    Es ist und bleibt mir ein Rätsel, wie man die Ermordung von rund sechs Millionen Menschen verharmlosen können soll. <<


    Da es das sogenannte Internet gibt, müßte es aber nicht unbedingt ein Rätsel BLEIBEN.
    G_tt, haben manche eine lange Leitung.

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  7. Heute, Samstag 01.08.2020 ,raus zur Demo nach Berlin!

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  8. Von seinen Waffen/gehe weg der Mann/keinen Fußbreit im freien Felde ...

    Edda

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