Donnerstag, 16. Juli 2020

Apple-Urteil: Die Ohnmacht der Kommissare


Wäre es nach den deutschen Leitmedien gegangen,  war nur noch eine Frage zu beantworten: "Wer bekommt das zusätzliche Geld?", bibberte die "Süddeutsche Zeitung" vor vier Jahren, als die EU-Kommission mal wieder einen ihrer Testballons hatte steigen lassen, um sich zusätzliche Kompetenzen anzueignen. Damals ging es um Steuern, genauer gesagt um die Steuererhebung eines Mitgliedsstaates. Die geht Brüssel eigentlich nichts an, denn auch EU-Mitgliedsstaaten haben die  Steuerhoheit über ihr Staatsgebiet, sie legen die Höhe der Steuern fest, entscheiden, wann und ob sie  eingetrieben werden und wer womöglich einen Nachlass bekommt.

Die Sucht nach mehr Zuständigkeit


Die EU hat keine Entscheidungsbefugnis, in die Steuergestaltung der Einzelstaaten einzugreifen. Was die Kommissare jedoch noch nie gestört hat. Personal, das ohnehin bezahlt wird, will auch beschäftigt werden. Um das Rauchen in Gaststätten zu unterbinden, das formal gar nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fällt, gingen die EU-Kommission damals einfach einen Umweg – auch in verqualmten Gaststätten arbeiten schließlich Barkeeper und Kellner, die der EU-Arbeitsschutzrichtlinie unterliegen. Und um Irland zu zwingen, mehr Steuern von Apple einzutreiben, erklärte die EU die von Dublin gewährten Steuernachlässe einfach zu unzulässigen Beihilfen. Für die das Brüsseler Kommissariat natürlich zuständig ist.

Sechs Jahre stand die Milliardenforderung im Raum, die die deutsche Presse jubeln ließ: "Damit erreicht der Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung ein bisher unbekanntes Niveau", applaudierte die SZ. "Die EU-Kommission verdonnert den US-Konzern jetzt zu einer Nachzahlung von 13 Milliarden Euro", teilte der "Spiegel" freudig erregt mit. Bald würde es überall Geld regnen, von Amazon und Google, von TikTok, Twitter und all den anderen Internetkonzernen, von denen der dynamischste Wirtschaftsraum der Welt, der die EU einstmals hatte werden sollen, keinen einzigen hervorgebracht hat. Der Versuch der Kompetenzausweitung, der hinter dem Manöver der damals noch vom großen Steuervermeider Jean-Claude Juncker geführt wurde, spielte keine Rolle. Es war doch für einen guten Zweck!

Es war doch für einen guten Zweck!



Nun aber ist alles ganz anders gekommen. Der Glaube daran, dass die EU-Kommission schon immer irgendwie richtig liegen wird, einzig, weil sie eben die EU-Kommission ist, wird von einem Urteil des  EU-Gerichts in Luxemburg in den Grundfesten erschüttert: Die Richter erklärten eine Forderung der  Kommission an Irland, nach der die Regierung in Dublin rückwirkend 13 Milliarden Euro Steuern von Apple nachfordern sollte, für unrechtmäßig. 

Die EU-Kommission habe dem irischen Staat keinen Verstoß gegen das Beihilfenverbot der europäischen Verträge nachweisen können, so die Richter, Apples Argumentation, dass die Erträge, auf die das Unternehmen nach Ansicht der EU in Irland hätte Steuern zahlen sollen, gar nicht dort anfielen, sondern in den Vereinigten Staaten, sei korrekt. Nach vier Jahren Streit steht die EU-Kommission blamiert da: Nach Angaben des Gerichts konnten die Prozessvertreter der Kommission weder belegen, dass die von den beiden irischen Apple-Töchtern erzielten Gewinne in Irland angefallen waren, noch, dass Apple-Produkte wie das iPhone und dem iPad in Irland entwickelt worden seien.

Schäuble war auch dafür


Sind sie ja auch nicht - und selbst der EU-Kommission dürfte das von Anfang an bekannt gewesen sein. Doch gute, proeuropäische Schlagzeilen wie "EU verdonnert Apple zu Milliardenzahlung" (Tagesspiegel), "EU verdonnert Apple zu Steuerrückzahlung" (Weser-Kurier) oder "Schäuble begrüßt EU-Entscheid zu Apple" sind das Prozessrisiko allemal wert.

Wenn sogar Schäuble! Der sich mit unversteuerten Großbeträgen wahrlich auskennt! Erst der miese Richterspruch aus Straßburg mach die Aktenzeichen T-778/16 und T-892/16 nun zu einer veritablen europäischen Blamage. Zum Glück ist gleichzeitig in Thüringen, einem trotz Linksregierung unter Rechtsverdacht stehenden Krisengebiet, ein Urteil über ein verfassungswidriges Gesetz gefallen, mit dem Linke, Grüne und SPD eine von Geschlechtergesichtspunkten diktierte Kandidatenauswahl für Wahllisten hatten vorschreiben wollen. Entsprechend klein sind die Schlagzeilen zum gescheiterten Versuch, den Mitgliedsstaaten künftig direkt aus der Zentrale vorzuschreiben, wen sie wie hoch besteuern müssen.

Dann eben morgen


Wenn  nicht heute, dann eben morgen. Oder übermorgen. "Vorerst" knirscht der "Spiegel", komme Apple um Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro herum. Vorerst! Eine Institution wie die EU hat jede Menge Zeit und alles Geld der Erde, um eine so knallharte und überdeutliche Gerichtsentscheidung nicht hinnehmen zu müssen. Vier Jahre hat es bis zum Richterspruch von gestern gedauert, in der nächsten Runde vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) könnte es noch schneller gehen. Und auch wenn sich die deutschen Medien geeinigt haben, darauf nirgends zu sprechen zu kommen: Mit Apple wird auch der Prozess vor der nächsten Instanz im Grunde genommen nichts zu tun haben.

Zwar hat auch der US-Konzern gegen das EU-Verdikt geklagt. Doch eigentlich streiten sich Brüssel und Dublin - eines von derzeit 1.500 Verfahren, bei denen Europa-Zentrale und nationale Niederlassungen derzeit im Streit liegen.


4 Kommentare:

  1. Also kann der Fabrikbesitzer bei Apple weiter lachend auf einem Berg Geld sitzen, das er sich vom kleinen Mann angeeignet hat, statt es den achtzigtausend kompetenten Händen* in Brüssel zu überlassen.

    *EU Kommission und EU Parlament kommen zusammen auf knapp 40000 Planstellen

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  2. @anonym. "angeeignet" sagt schon alles, dafür wurrde von Apple eine Leistung erbracht. Es scheint für Sie sind kostenkloste Apple Produkte offenbar gerecht.

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  3. @FDomenicus

    Sie beanstanden also das von mir verwendete Marxistenklischee der Aneignung des Mehrwerts, aber nicht das 19.-Jh.-Klassenkampfklischee des Fabrikbesitzers? Hätte ich schreiben sollen 'sitzt auf dem Berg Geld mit einer riesigen Zigarre und hält sich den feisten Unternehmerbauch vor Lachen'?

    P.S. die Fabrik steht in China

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  4. es sind nur knapp 33.000 mitarbeiter in der kommission und ein paar tausend im parlament, aber die summe von 40.000 täuscht, denn mehr als 7.000 haben nur, wie man bei tönnies sagt, "werkverträge", die sind freiberuflich als vertragsarbeiter bestallt, zu unmöglichen konditionen, wie man hört

    aber das wird ja nun zum glück verboten

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