Dienstag, 21. Juli 2020

Am rettenden EUfer: Zahltag für DEUtschland

Es war eine Rettung Europas vor der Auflösung, ein weiterer Versuch, Staaten, "deren Lebensweise nicht mehr so richtig zusammenpasst" (Die Zeit) mit Hilfe von viel, mehr und noch mehr Geld zu einer Gemeinschaft zusammenzubinden, die der Welt Vorbild und nachahmenswertes Beispiel ist. In Europa, als das sich die EU regelmäßig begreift, gehen die demokratischen Uhren langsamer, Haushalte werden stets gleich für sieben Jahre geplant und verabschiedet, weil schon die Gründerväter ahnten, das kürzere Intervalle zu einer dauernden Blockade durch permanenten Streit führen würden.

Jetzt aber kam zum Streit um die durch den Austritt der jahrelang zuschießenden Briten ohnehin bedrohte normale Finanzierung der immer weiter ausufernden sogenannten Gemeinschaftsaufgaben auch noch die große Corona-Krise, die die EU-Volkswirtschaften härter getroffen hat als die irgendeiner anderen Weltregion. Nicht Rettung wurde ausgerufen, sondern gleich der "Wiederaufbau", die Phase also nach dem Krieg, nach Zusammenbruch, Hunger und Ruinen.

Nach den Zahlen wird Deutschland Italien und Spanien retten.
Angela Merkel und Emmanuel Macron wussten schon im Mai, dass wenigstens ein Moment der Einigkeit in einer Gemeinschaft, die im Grunde genommen vom ersten Tag an nur von Geld, mehr Geld und noch viel mehr Geld zusammengehalten wird, ohne eine neue Dimension von Alarmismus nicht zu haben sein wird. Sich selbst zu retten ist für EU-Europa seit Jahren der Normalbetrieb, immer müssen "Pakete" geschnürt und "Rettungsschirme" verteilt, Zinsen bei Null gehalten und beständig anwachsende Summen aus einer beständig weiter in der Zukunft liegenden Zeit der Rechnungslegung abgebucht werden, um die 27 auseinanderstrebenden Krisengebiete beisammenzuhalten: Der Osten populistisch, der Süden jugendarbeitslos, der Norden eigensüchtig und auf Sonderwegen, die Mitte moralisch überlegen und hervorragend regiert, aber militärisch zu schwach, um Abtrünnige in die Kolonne zu zwingen.

So muss es Geld tun. DEUtschland, nicht nur geografisch Europas Mitte, sondern auch schriftbildlich ein Staat, der sich die EU einverleibt zu haben scheint, steht im Mittelpunkt der dramatischen Ereignisse, die wie Theaterstück inszeniert werden. Hier die bösen Vier, die sich allem verweigern, was uns lieb und teuer ist. Dort die wacker kämpfenden Eingreiftruppen der Vernunft, die wissen, wenn Deutschland Italien kein Geld gibt, dann hat Italien natürlich kein  Geld, um deutsche Waren zu kaufen. Und somit Deutschland bald kein Geld mehr, gut zu wirtschaften.

"Europa wird erpresst" heißt es da in den Schlagzeilen, die nach Angriffen von außen klingen, aber meinen, dass die, die da nicht meinen, was Merkel und Macron meinen, schon gar nicht mehr Europa sind. Kompromisslos geht gar nichts, höchstens ein "Chaos-Gipfel" (Die Welt), der die verschiedenen Vertreter der gemeinsamen Werte um Milliarden und Abermilliarden wie auf dem Teppichbasar schachern sieht, sie beim "auf den Tisch hauen" (Spiegel) beobachtet und traurig konstatiert, das alles sei irgendwie "ein einziges Desaster" (FAZ). Nicht einmal der Versuch klingt noch ernstgemeint, das "Format" (n-tv) der Trefferei für den Dissens verantwortlich zu machen.

Nein, es ist schon irgendwie schlimmer. Nach vier Tagen sind die Teppichhändler allenfalls noch guten Mutes, am Ende irgendetwas etwas zusammenzubinden, was bei den wohlwollenden Medien irgendwie als Lösung mit Wumms oder wenigstens Wümmschen durchgeht. Eins rauf mit Kredit, eins runter mit Zuschuss, ein bisschen Strecken im Zeitrahmen und eine Sahne aus Pomp und Pathos obendrüber, gern auch was mit "Rechtsstaatlichkeit", die sonst offenbar nicht zu haben ist. Polen, von Corona weitgehend verschont, aber wichtig für die Mehrheit, bekommt einen gesunden Schluck aus der Pulle, auch Ungarn ist die Blockadehaltung früh abgekauft worden.

Dass es die Bittsteller und Hilfsbedürftigen selbst sind, die ihren Rettern diktieren, wie sie bitte gerettet werden möchten, scheint Medien und Öffentlichkeit vollkommen normal. Ebenso die Behauptung, für "Angela Merkel geht es um viel", während es doch für ihre Steuerbürger nur um diese oder jene paar hundert Milliarden mehr oder weniger geht. Als Charles Michel, einst mit 38 Jahren jüngster belgischer Regierungschef und vier Jahre später jüngster jemals zurückgetretener belgischer Regierungschef, jetzt als Präsident des Europäischen Rats ernsthaft den dringenden Wunsch verkündete, man möge sich doch einigen, "damit die Financial Times und andere Zeitungen morgen titeln, dass die EU erfolgreich eine 'mission impossible' erfüllt hat", verstörte das niemanden,.

Selbstverständlich ist das alles für die Galerie. Selbstverständlich soll es vor allem nach etwas aussehen. Selbstverständlich ist das Drehbuch mit den "Stunden hektischer Krisendiplomatie" (FAZ, 2010) aus dem "Endspiel um den Euro" (Handelsblatt) bekannt und die "Rettungspakete", "Milliardenzuschüsse" und "Konjunktur- und Investitionsprogramme" erinnern an frühere beeindruckende Ansagen und fabelhafte Versprechungen, die der Staub der Zeit seitdem gnädig überdeckt hat. 

Am gloriosen Ende steht diesmal eine "erste Einigung" (DPA), die alle Fragen offen lässt, außer der einen, dass es nicht mehr um 500 Milliarden geht, die niemand hat, sondern um 390 oder was, plus minus, gegenrechnet drei, Kontra, Re und Bock, Rabatt runter, was immer es kostet. Es zählt doch keiner nach! Also egal, woher das Geld kommt, wer und ob er es zurückzahlt. Egal auch, wer es verteilt. An wen und wofür? Wer kontrolliert, was damit passiert? Oder besser nicht? Muss der Empfänger gar "rechtsstaatliche EU-Standards " (FAZ) einhalten? Oder spielt Klimaschutz eine Rolle?

Klar ist, dass "Europas Schulden demnächst eine deutsche Unterschrift tragen" hat Gilbert Cette, Wirtschaftsprofessor an der Universität Aix-Marseille und Vordenker des französischen Präsidenten Emmanuel Macron festgestellt. Das Problem des Sozialismus sei, "dass Dir irgendwann das Geld anderer Menschen ausgeht”, soll Margaret Thatcher einmal gesagt haben. Das Problem der EU träte vermutlich zutage, wenn das Geld der Deutschen alle ist.

9 Kommentare:

  1. >> Es zählt doch keiner nach!

    Doch, doch. Der Spahn hat zählen lassen.
    -----
    https://www.deutschlandfunk.de/kontraste-7-300-mit-corona-hilfen-bezahlte-intensivbetten.1939.de.html?drn:news_id=1151984

    7.300 mit Corona-Hilfen bezahlte Intensivbetten für Krankenhäuser nicht auffindbar

    Im sogenannten DIVI-Intensivregister sind demnach aktuell rund 32.500 Intensivbetten ausgewiesen. Auf Grund der ausgezahlten Steuergelder müssten es allerdings knapp 40.000 Betten sein - also rund 7.300 Betten mehr. Insgesamt entspricht das einer nicht aufgeklärten Fördersumme von rund 360 Millionen Euro.

    AntwortenLöschen
  2. peanuts! alles mit weniger als zehn stellen ist kleingeld, da gibt es immer schwund, aber das geld ist ja nicht weg, das hat dann nur jemand anders und der kauf auch brot, ein elektroauto oder mietet einen strandkorb in der region

    AntwortenLöschen
  3. "Es zählt doch keiner nach"

    Auch von mir ein doch, doch. Alle außer uns zählen sehr wohl nach. Die die Hand aufhalten zählen genau was sie bekommen. Von völlig utopischen Summen haben sie sich jetzt auf fast völlig utopische Summen runterhandeln lassen.

    Auch die anderen Länder die Einbuttern sollen, zählen genau nach. Die lassen sich ihre Zustimmung durch einen bunten Strauß an Rabatten und diskret zu gewährenden Gefälligkeiten abkaufen.

    Die einzigen Deppen die natürlich wieder einmal absolut gar nichts für sich selbst rausgehandelt haben, sind selbstverständlich wir. Obwohl wir mit Abstand die höchste Summe einzahlen dürfen, sind hierzulande Politik und Presse sogar noch traurig darüber, das es auf Druck der etwas sparsameren Länder etwas weniger als geplant geworden ist. Der Blankoscheck ist wahrlich eine Erfindung aus Deutschland. Da macht uns keiner was vor.

    AntwortenLöschen
  4. Gerade lese ich die Schlagseite „EU einigt sich in Brüssel auf 750-Milliarden-Euro-Pakt – Merkel erleichtert“. Es wird allerdings nicht berichtet, wie es zu Merkels Erleichterung kam. Konferenzteilnehmer lassen jedoch durchblicken, daß Merkel an einer hartnäckigen Obstipation litt, weil die Menge des Geldes, das sie mit Freude ausscheiden wollte, die Kapazität ihres Spendierdarms überschritt. Erst nach einem operativen Eingriff durch Rutte, Kurz und co. mit einer Anpassung der Spendiermasse an das Fassungsvermögen des Ausscheidungsventils konnte sich Merkel schmerzlos erleichtern. Vorher mußten noch aus Mitgefühl Zurufe der Spanier, Italiener usw. wie „Merkel streck dich“ unterbunden werden, da sich Merkel im Angesicht aller unter Schmerzen anstrengte, die Aufforderung nachzukommen.

    AntwortenLöschen
  5. @jodel: also bitte! wenn es in deutschlöand "keiner" heißt, dann meint das natürlich kein deutscher. alle anderen sind doch nur staffage, die umstehen uns, damit wir in unserer eigenwahrnehmung der mittelpunkt sein können

    AntwortenLöschen
  6. @ppq
    Da handelt es sich ja wohl um offenen Rassismus. Laut dem offiziellen Mantra sind doch alle Erdenbürger absolut gleich wichtig und gleich viel wert. Sie unterstellen uns ja glatt so etwas wie eine nationale Perspektive. Das geht gar nicht. Mittelpunkte gehören umgehend verboten. Das diskriminiert doch nur die, die am Rand liegen.
    Alle sind absolut gleich, nur die einen Zahlen halt ein bisschen mehr. Darauf könnten wir uns wohl als Sprachregelung einigen.

    Ich würde sowieso vorschlagen, den nächsten sicher kommenden Rettungsgipfel abzusagen. Dieses Gezerre und die ganzen Nachtsitzungen, ganz zu schweigen vom "CO²-Verbrauch", sind doch total unnötig. Alle sagen beim nächsten mal einfach was sie gerne hätten und wir übernehmen das dann komplett aus unserer Kasse. Auf das läuft es doch sowieso hinaus und es wäre bequemer für alle Beteiligten.

    Aber ich weiß, ich weiß. Der Hades-Plan. Um diese Sache durchzuziehen braucht man aber schon Nerven aus Drahtseilen. Mancher schwache Kleingeist könnte langsam auf die Idee kommen, das all die schönen Milliärdchen für nichts und wieder nichts verpulvert werden. Kann man eigentlich aus den damaligen Abhörprotokollen rauslesen, bei welchem Schuldenstand der anderen wir anfangen können den Sack zuzumachen? Wenn wir jetzt schon anfangen müssen Geld zu verschenken damit die anderen bei der Stange bleiben, statt es wenigstens pro forma noch zu verleihen, müsste es doch eigentlich soweit sein.

    AntwortenLöschen
  7. eine sehr gute idee, aber nicht umsetzbar. das zahlende publikum verlangt drama, nachtsitzungen, geschacher, uneinsichtige böse buben, helden, die auf den tisch hauen und eine weise königin, die am ende eine einigung verkündet, die alle glücklich macht

    still vor sich hinregieren könnte jeder, aber diese große oper, das geht nur hier, das ist wie die passionsspiele, das gehört zum jahr dazu, das muss einfach, sonst fehlt was

    AntwortenLöschen
  8. Bayreuth fiel heuer aus. Da muß der Wagner auf anderer Bühne gegeben werden.

    AntwortenLöschen
  9. @ppq wie schön wäre es still vor sich hinzuregiern und so wenig wie möglich zu machen. Und dann beansprucht man für sich, wie gut es den Deutschen doch ginge ;-)

    AntwortenLöschen

Richtlinien für Lesermeinungen: Werte Nutzer, bitte beachten Sie bei ihren Einträgen stets die Maasregeln und die hier geltende Anettekette. Alle anderen Einträge werden nach den Vorgaben der aktuellen Meinungsfreiheitsschutzgesetze entschädigungslos gelöscht. Danke.