Samstag, 6. Juni 2020

Die Zerstörung des Halleschen FC

Traurige Zeiten für den HFC, der ungebremst dem Abstieg entgegentaumelt.
Dass es hart werden würde, war Ende Februar klar. nach einer Minute und 48 Sekunden fiel das 0:1 gegen den Halleschen FC, damals noch die Mannschaft von Torsten Ziegner, dem kleinen Klopp, der die graue Maus von der Saale wachgeküsst und zum Aufstiegskandidaten umgemodelt hatte. Das Vorhaben, die lange Durststrecke seit dem Zaubertor von Terrence Boyd im Novemberspiel gegen Duisburg endlich zu beenden, war schon nach nicht einmal zwei Minuten weggerutscht. Wieder ging es ums Überleben, wieder ging es um Punkte gegen den Abstieg, auch wenn das im Verein und unter den Fans noch niemand zu sagen wagte. Es war das letzte Kapitel, das der Mann, den alle hochachtungsvoll-kumpelig "Ziege" nannten, in Halle schreiben durfte.

Aus Drama wird Tragödie


Das Drama aber verwandelte sich erst danach in eine Tragödie. Alles, was in den Monaten vorher außerhalb des Spielfeldes so wunderbar geklappt hatte, als hätten die gesamte Vereinsführung des Klubs von der Saale Boyds Zielwasser getrunken, ging auf einmal schief. Die Winterverpflichtungen, vielversprechende Namen wie Syhre und Sternberg, entpuppten sich als noch ein paar Mitläufer mehr, die das aus unbekannten Gründen ins Wanken geratene Mannschaftsgefüge nicht stärkten, sondern noch ein wenig mehr durcheinanderbrachten. Und der neue Trainer, den der HFC holte, lieferte genau das, was bei einem Blick auf seine Vita zu erwarten gewesen war: Ismael Atalan kam mit der schmalen Erfahrung einer hervorragenden Zeit beim westdeutschen Provinzklub Lotte, einem in kürzester Zeit schiefgegangenen Engagement bei Bochum und einem missglückten Versuch, Lotte vor dem Ab stieg aus Liga 3 zu bewahren.

Dass der 40-Jährige von sich selbst sagt, richtig gut könne er nur arbeiten, wenn er seine Mannschaften selbst zusammenstelle, hinderte den HFC ebenso wenig an einer Verpflichtung wie Atalans sichtlich fehlende Routine in Drucksituationen. Sein erstes Spiel in Großaspach verlor er, im zweiten gegen Ingolstadt rettete ihm der neu verpflichtete Marcel Hilßner in der letzten Sekunde mit einem Glücksschuss einen Punkt. Aber Aufbruch sieht anders aus, HFC-Sportdirektor Ralf Heskamp hatte sich offensichtlich verzockt.

Es hätte reichen müssen


Ismael Atalan hat alle Hoffnungen enttäuscht.
Doch es hätte reichen können. Fast ein Drittel der Saison war noch zu spielen, der HFC stand sechs Punkte hinter Rang elf und nur elf fehlten bis zu einem Aufstiegsplatz. Dann kam Corona und ausgerechnet  beim HFC setzten alle darauf, dass die Saison nun ohnehin ohne Wertung abgebrochen werden würde. Befeuert wohl auch von Versprechen aus der Landespolitik ging Atalans Mannschaft in eine lange Frühjahrspause. Als andere Vereine schon wieder trainierten, waren die HFC-Spieler in Kurzarbeit. Und als andere Trainer nach Möglichkeiten suchten, ihre Truppe spielfähig zu machen, versicherte die Vereinsführung öffentlich immer wieder, dass Sachsen-Anhalt das Trainieren leider verbiete. Kann man nichts machen. Die 23 Kilometer bis ins sächsische Schkeuditz zu fahren, wo Training problemlos möglich gewesen wäre, verbot die selbstgewählte Frontstellung im Kräftemessen mit dem DFB. Widerworte des neuen auf der Trainerbank gegen die Selbstblockade sind nicht öffentlich geworden.

Der HFC setzte alles auf eine Karte, die da Saisonabbruch hieß. Und die wurde in dem Moment zur Lusche, als Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff die beiden Spitzenvereine im Land mit dem Satz preisgab, man werde "so lange Widerstand leisten, wie die Kraft reicht." Sie reichte von da an noch ein paar Stunden. Dann wusste der HFC, dass er wieder ran musste.

Wie auf Schienen lief seitdem alles auf einen Zielpunkt zu, der noch vor fünf Monaten niemandem auch nur im Scherz vermittelbar gewesen wäre. Atalan coachte und seine Mannschaft verlor. Er stellte um. Und sie verlor erneut. Er machte Stürmer zu Außenverteidigern. Und sie verlor. Er verwandelte Abwehrspieler zu Mittelfeldregisseuren. Und sie verlor immer noch. Mit 2:4 ging die Corona-Premiere  beim direkten Tabellenkellernachbarn Münster verloren. Es folgte ein 0:1 daheim gegen Braunschweig. Und nun ein 1:5 gegen Zwickau, keine Übermannschaft, sondern ein direkter Konkurrent im Kampf gegen den Abstieg. Mit 4:12 Toren und einem von 12 möglichen Punkten sieht der Hallesche FC nicht mehr nur aus wie ein irrtümlich von einem bösen Schicksal unter die Abstiegsfrösche geworfener Prinz. Diese Mannschaft, mit diesem Trainer, stellt neben dem FC Carl Zeiss Jena nach allen Daten objektiv die schlechteste Elf aller 20 Vereine der 3. Liga.

Die schlechte HFC-Mannschaft seit 25 Jahren


Das Experiment Atalan ist gescheitert. Der Neue, der die alten Stärken der Mannschaft wieder zutage fördern sollte, die kurz vor Weihnachten noch Tabellenführer gewesen war, hat verglichen mit den letzten paar Spieltagen der großen Krisenzeit seines Vorgängers einen mageren und überaus glücklichen Punkt mehr geholt. Das - von Spieltag zu Spieltag wild durchgewechselte - Aufgebot seines Vertrauens ist minimale vier Gegentore besser. Atalans Elf ist die schlechteste HFC-Mannschaft seit einem Vierteljahrhundert. Sie liegt auf Augenhöhe mit den Helden von 1994/1995, als der 40-jährige Dieter Strozniak ein letztes Aufgebot aus A-Junioren durch eine Oberliga-Saison führte, an deren Ende die tapfer kämpfenden Kinder und ihr Papa einen magere drei Punkte geholt hatten und in die 5. Liga abstiegen.

Damals ging nicht mehr. Heute aber liefert die teuerste Mannschaft, die der Klub je hatte, nicht einmal das. Denn das eigentlich Erschreckende aber ist die Art und Weise, wie der HFC verliert: War bei Ziegner zu sehen, dass der bis Ende November so wundervoll funktionierende Plan vom Hurra-Fußball nicht mehr aufgeht, spielt Ismael Atalan ohne Konzept Vabanque. Irgendwer spielt da irgendwo, der Mann draußen wechselt irgendwas, bei einem 4:1-Rückstand auch gern mal einen Stürmer aus und einen Abwehrspieler ein oder bei einem 0:1-Rückstand zu einer Aufstellung mit fünf Stürmern. Während andere Vereine wie Zwickau seit Monaten verinnerlicht haben, dass sie gegen den Abstieg spielen, wähnt sich der HFC noch immer im falschen Film. Eines Tages, so glauben Spieler und Trainer offenbar, macht es Klick und man ist wieder obendran, dort, wo man hingehört.

Desaster oder Katastrophe


Es ein Desaster, eine Katastrophe? was genau? Oder beides? Nein, es ist die Zerstörung des HFC. Ungebremst und ohne Fallschirm rast der Traditionsklub inzwischen in den Untergang. Die Vorstellung des Mannes, der seine Trainerkarriere als Coach beim SC Roland in Beckum begann, dass das - immerhin für einen Aufstieg in die 2. Liga zusammengestellte - Spielermaterial in Halle wohl schon gut genug sein werde, um mit ein paar einfachen Umstellungen und ein bisschen Psychomassage an die Zeiten unter dem Traumzauberbaum des ersten Saisondrittels anzuknüpfen, hat sich als Illusion herausgestellt. Wie seine Spieler auf dem Platz wirkt Atalan an der Seitenlinie ratlos und verloren, ein Funktionsträger, der nach der Zwickau-Pleite nicht einmal mehr Durchhalteparolen zu verbreiten wusste. Die Vereinsführung schweigt, alles Pulver ist verschossen. Und die Fans und Mitglieder sind einfach zu entsetzt, um sich zu Wort zu melden.

Es sind jetzt noch acht Spiele im Plan. von denen wenigstens vier gewonnen werden müssen.

So, wie der HFC derzeit auftritt, wird er allerdings nicht einmal einen einzigen Punkt holen.


9 Kommentare:

  1. Den Jahrgang 1994/95 nicht noch schlechter machen, die haben 3 Punkte geholt ;-)

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  2. Ich habe immer gedacht, es wäre am schlimmsten 60er- oder Jahn Regensburg-Fan zu sein. Aber der HFC toppt alles.

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    1. Andreas AdamJuni 07, 2020

      Als Sympahtisant des HFC freu ich mich auf jede Menge Heimspiele in der neuen Saison. Dann hoffentlich mit einer runderneuerten Mannschaft und einem fähigen Manager-Trainer Team. Ein großer Frankfurter Fussballphilisoph sagte mal, Lebbe geht immer weiter !!!
      Recht hatte der Mann.
      Gr. aus Berlin

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  3. Noch nicht einmal: Dieser Kommentar wurde usw. entfernt? Systemling!

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  4. Nummer 3, Florian Schorrenberg, soll es jetzt richten.

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  5. Und Rezo musste sich nicht einmal dazu äußern. Manche bringen ihre Zerstörung komplett selbst aufs Gleis. Leider gehört Halle wohl auch dazu.

    Als treuer Leser dieses Etablissements freue ich mich inzwischen über alle kleinen Hochs und leide bei allen Tiefs mit dem Verein mit. Bevor ich diese Seite entdeckt hatte, dachte ich das Halle ein Fake, ähnlich Bielefeld, sein müsste. Aber nein, mittlerweile schlägt mein Herz für diese gebeutelte Region an der Straße der Gewalt. Ich denke PPQ führt dem Verein und auch der Stadt mit seiner fortlaufenden Dokusoap mehr Fans zu, als diese selbst zu generieren vermögen. Das sollte auch mal honoriert werden.

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  6. Carl GustafJuni 12, 2020

    "Es sind jetzt noch acht Spiele im Plan. von denen wenigstens vier gewonnen werden müssen."

    Jetzt sind es nur noch 2 aus 6. Der HFC ist wieder da!

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