Wer fleißig ist und ranklotzt, kann im Notfall auch Nachbarn retten, denen es nicht so gut geht. |
Es glühten die Telefonleitungen zwischen Berlin und Paris in den vergangenen Tagen. Der Ernstfall war eingetreten, das höchste deutsche Gericht hatte der Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank nach einem langen Jahrzehnte der schrankenlosen Geldschöpfung einen Riegel vorgeschoben.Und das ausgerechnet in "Corona-Zeiten" (MDR), wo Geld an allen Ecken und Enden benötigt wird, um den Zusammenbruch der südeuropäischen Volkswirtschaften wenigstens dem Zeitlupentempo zu halten, in dem sie sich seit der großen Finanzkrise zu Boden begeben. Zwar hatten die EU-Kommission und die EZB dem europafeindlichen Urteil der deutschen Verfassungsrichter sofort widersprochen und die Bundespolitik hatte schon langfristig Maßnahmen getroffen, dass sich ein solcher Eklat nicht wiederholen kann.
Im Kosmos der zehnstelligen Zahlen
Vorerst aber wird die deutsche Bundesbank eben doch gehindert sein, weiter mitzutun beim Schöpfen von Geld aus dem Nichts, das zuletzt den traditionellen neunstelligen Bereich der knauserigen Milliarden verlassen hatte, um künftig im zehnstelligen Kosmos der Billionen wohlstandsschaffend und klimanützlich zugleich tätig zu werden. Ohne die Bundesbank aber fehlt Deutschland beim Retten. Und ohne Deutschland gleicht die Rettungslage damit der im wahren Leben, wenn die Notrufzentrale keinen Krankenwagen ohne Sanitäter und Notarzt schickt. Soll Italien nun Griechenland retten? Oder Spanien Italien? Sollen Rumänien, Bulgarien und Malta für Frankreichs Schulden geradestehen? Oder umgekehrt? Oder können Finnland, Schweden und die Niederlande die zehn Billionen, die sich die EU-Staaten geliehen haben, tatsächlich komplett auf ihre Bücher nehmen?
Das wären pro Kopf der Bürger in den drei bürgenden Staaten knapp über 300.000 Euro. Womöglich zu viel, als dass in Helsinki, Stockholm und Amsterdam die Einsicht mehrheitsfähig wird, dass es nun mal sein muss, weil starke Schultern mehr tragen können als schwache und weil der, der immer fleißig (Grafik oben) ranklotzt und seine Tage bis zum Schluss für fröhliche Wertschaffung nutzt, in der Stunde der Not eben auch Nachbarn retten kann, denen es nicht so gut geht.
Mutiger Plan für neuen Schattenhaushalt
Emmanuel Macron und Angela Merkel haben angesichts der prekären Lage der europäischen Rettungssituation gewagt, was vor acht Wochen noch vollkommen unvorstellbar schien.
Ohne dass mit den anderen EU-Staaten abzusprechen, legten die beiden FührerInnen der größten EU-Staaten einen überraschenden Plan zur Schaffung eines neuen Schattenhaushaltes in Verantwortung der EU vor: Mit sogenannten Corona-Bonds, die allerdings nicht so heißen sollen, wird ein sogenannter Wiederaufbaufonds im Volumen von 500 Milliarden Euro gefüttert, indem alle EU-Staaten gemäß ihrer Wirtschaftskraft zusätzliche neue Schulden machen, die nicht auf ihre vertragsgemäß eigentlich einzuhaltenden Verschuldungsgrenzen angerechnet werden, da sie sofort in die Bücher des neuen Fonds kommen.
Der nutzt das Geld, das "sehr langfristig" (Merkel) von den Staaten zurückgezahlt werden soll, als Sicherheit, um seinerseits weitere 500 Milliarden Euro Schulden zu machen. Und die satte Billion, die so wie von Zauberhand entstand, ohne dass sie irgendwo fehlt, irgendwem schlaflose Nächte bereitet oder von irgendjemandem, der heute schon lebt, zurückgezahlt werden muss, fließt dann dorthin, "wo Hilfe am nötigsten gebraucht wird" (Macron). Deutschlands Steuerzahler spendieren auf diese Weise 138 Milliarden, aber der Bund hat gut gewirtschaftet, das Geld wird niemandem weggenommen und es war eben schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben.
Ausbaustufe für den Hades-Plan
"Deutschland geht es nur gut, wenn es Europa gut geht", hat Angela Merkel ihren entschiedenen Schwenk hin zu einer neuen Ausbaustufe des Hades-Planes von 1991 begründet. Wer möchte, dass ihm andere folgen, der muss seiner Gemeinde immer wieder etwas bieten. Nun also gemeinsame Anleihen, die das Verbot der Vergemeinschaftung von Schulden umgehen, indem die EU-Kommission mit Erlaubnis der Mitgliedstaaten Schulden macht, die nicht als "gemeinsam" bezeichnet werden. Sie sollen auch nicht von den Begünstigten zurückgezahlt werden müssen, sondern von den Bürgen - Merkel und Macron nannten keine Namen, doch dass die finanzschwachen Staaten, die der Hilfe bedürfen, Hilfsgelder jemals zurückzahlen, hat sich schon im Falle Griechenlands als Illusion herausgestellt, an die außer einigen mutigen Journalisten des Gemeinsinnfunks nie jemand geglaubt hat.
Die deutschen Medien feiern den kühnen Abschied der Kanzlerin von der Nichtbeistandsklausel der Grundlagenverträge der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion entsprechend begeistert als "mutige Politik" (Tina Hassel). Der neue Schattenhaushalt außerhalb der Rechnung der Einzelstaaten und der europäischen Verträge gebe eine "schnelle, solidarische Antwort in dieser Ausnahmesituation" und ein "echter Paradigmenwechsel". Kein No-Bailout mehr, sondern ein Schritt zur Staatwerdung durch Gemeinschaftshaftung! Super!
Geburtsstunde eines neuen Europa
Traurig daran aber ist für jeden echten Europafreund, wie Merkel und Macron in dieser großen Stunde der Geburt eines über eine weitere Variante gemeinsamer Haftung noch enger verzahnten EU-Europa ausgerechnet die EU als symbolischen Träger des neuen Schuldeninstruments lächelnd ausmanövrierten. Statt ihren hochfliegenden Plan, der jeden deutschen Steuerzahler etwa 3.000 bis 9.000 Euro kosten wird, gemeinsam mit der EU-Kommission in würdigen Rahmen einer feierlichen Zeremonie vorzustellen, traten die Deutsche und der Franzose einmal mehr allein vor die Kameras. Als sei die EU ihre Privatsache und die große Gemeinschaft der 27 ihr Vorgarten. Eine Stilfrage nur, an der Paris und Berlin noch arbeiten müssen, damit die frohe Botschaft von der neuen Stufe gemeinsamer Gemeinsamkeit von "antieuropäischen Kräften" (Hassel) nicht zerredet werden kann.
Wozu soll man auch alle 27 Vortänzer der EU einladen? Es geht bei dem Treffen schließlich nur darum, wie viel Deutschland auszahlt. Dazu reichen Merkel und Macron vollkommen. Nicht zu vergessen, wird so auch jede Menge CO² klimafreundlich eingespart. Das anschließende Handaufhalten der anderen 25 Staaten ist ja dann auch keine so große Entscheidung mehr. Das geht auch per Telefonkonferenz.
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