Hört sich selbst gespannt zu und gern reden: Walter Steinmeier bei einer früheren Rede in einem Tagesschau-Bericht*. |
Es war einer der wichtigsten Momente deutscher Geschichte, einer jener Augenblicke, zu denen spätere Generationen in Bewunderung und Ehrfurcht zurückblicken werden wie auf den 13. Mai 1940, als Winston Churchill seine berühmte "Blut, Schweiß und Tränen"-Rede hielt oder an den 31. August 2015, als die damalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Bundespressekonferenz zum ersten Mal voller Zuversicht und Freude den großen Satz aussprach: „Wir schaffen das!“.
Als Walter Steinmeier, der als junger Mann und Kanzlerkandidat der damaligen Volkspartei SPD noch darüber nachgedacht hatte, sich marktgängig nur noch "Frank" zu nennen, gestern Abend vor die Kameras trat, um Millionen und Abermillionen deutscher Wohnzimmer zu besuchen, hatte das eine ähnliche Dimension. Denn als Staatsoberhaupt hält der vor vier Jahren aufgrund einer informellen Absprache inthronisierte frühere Verfassungsbrecher zwar Reden, er empfängt Staatsgäste, er besichtigt auch Firmen, soziale Einrichtungen oder Bildungsstätten und stellt sich sogar Diskussionen, etwa "an Kaffeetafeln mit Bürgerinnen und Bürgern", wie die die Süddeutsche Zeitung herausgefunden hat. Doch außer der Reihe Fernsehansprachen zu halten, das gehört nicht zur Arbeitsplatzbeschreibung des ersten Mannes im Staat.
Doch nun war er da, plötzlich, aber trotz der großen zeitlichen Entfernung zum Pflichtansprachetermin in der Weihnachtszeit nicht ganz unverhofft, denn das Bundespräsidialamt hatte schon Tage zuvor für Steinmeiers ungewöhnlichen Auftritt getrommelt. Seitdem war die Spannung beständig gestiegen, fast bis ins Unerträgliche.
Was würde er sagen? Welche wertvollen Tipps geben? Wen wozu mahnen? Käme Europa vor? Trump gar, der alte Feind, den Steinmeier seinerzeit noch in einer anderen Nebenrolle, als "Hassprediger" angeprangert hatte? Wie weit würde der Bundespräsident gehen, um die schnellstmöglich Aufhebung der Aufhebung einer ganzen Latte von Grundrechten aufgrund von Beschlüssen exekutiver Zirkel ohne parlamentarische Begleitung zu fordern? Würde er in Richtung Brüssel darauf hinweisen, dass die angeschlossenen Nationalstaaten seit Wochen übergeordnetes europäisches Recht missachten und es keinerlei Handhabe in den heiligen europäischen Verträgen gibt, die Charta der Grundrechte der Europäischen Union aufzuheben, und sei es nur zeitweise?
Nun, Walter Steinmeier, ein kritischer Geist Zeit seiner langen Karriere als "Mutmacher" (Die Zeit), und Teil des SPD-Triumvirats, dass einst den wackeren Kurt Beck aus dem Amt putschte, enttäuschte nicht, als er, präsidial wie immer in weißem Haar und seiner dunkelumrandeten Sorgenbrille, vor die bundespräsidialen Kameras trat, um zur aktuellen Situation in der Corona-Pandemie zu sprechen. Eine Ansprache wie Donnerhall, die wie immer den Bogen schlug von der Vergangenheit als Teil deutscher Geschichte und Identität zu den Geboten der Mitmenschlichkeit, dem ehrenden Gedenken in Formelhaftigkeit und der Vernunft, die "einschneidendes Handeln" eben manchmal einfach erfordere.
Steinmeier, der den kernigen Schröder-Slang aus niedersächsischem Hochdeutsch und Bedeutungsbingo immer noch beherrscht wie kein Zweiter, sprach wie stets von "außergewöhnlichen Zeiten", in denen "viele von uns verunsichert" seien. Auch er mache sich Sorgen wie sich so viele "Sorgen um unsere Liebsten, um den Job, um die Zukunft" machten. Verständlich: Steinmeier ist zwar noch bis 2022 gewählt, doch time flies wie der Weltdiplomat es im Gespräch mit seinem Außenministernachfolger Heiko Maas vielleicht selbst ausdrücken würde. Und 2022 wäre der gebürtige Detmolder eben erst 66 Jahre alt und müsste mit einer kleinen Präsidentenpension leben.
Wegweiser Steinmeier! In seiner mutigen Rede würdigt der Bundespräsident die Bevölkerung dafür, wie sie mit den harten Einschränkungen lebt, die ihr von kleinen, demokratisch zuweilen kaum legitimierten Zirkeln auf unbestimmte Zeit auferlegt worden sind. Obwohl Deutschland so gut vorbereitet war, habe das sein müssen, so Steinmeier. Wie es jetzt weitergeht, wann und wie die Einschränkungen von wem und warum gelockert werden könnten, darüber würden nicht nicht allein Politiker und Experten entscheiden, sagt er. „Sondern wir alle haben das in der Hand, durch unsere Geduld und unsere Disziplin – gerade jetzt, wenn es uns am schwersten fällt.“ Nur wer Einsicht in die Notwendigkeit zeige, auf gewohnte Freiheiten auch mal zu verzichten, der sei wahrhaft frei.
"Deshalb das Wichtigste zuerst", so Steinmeier, "wir werden das Virus besiegen." Mutig würdigte er dann den Einsatz von Krankenschwestern und Ärzten, von Polizisten, Feuerwehrmännern und Verkäuferinnen, ohne die die Krise kaum zu meistern wäre. Deutsche seien es, die dies täten, aber auch Menschen, die zu uns gekommen seien.
Was für ein Comeback! War Walter Steinmeier in all seiner gedankenschweren Nachdenklichkeit seit Ausbruch der Krise nur über seine öffentlich kaum beachtete Internetseite und ein Interview mit einem zum Teil staatliche kontrollierten Nachrichtenportal in Erscheinung getreten, so dass sich in der Bevölkerung fast schön nervöse Unruhe breitmachte. US-Präsident Trump oder die europäischen Partnerstaatsoberhäupter Macron und Conte agierten deutlich sichtbarer. Steinmeier dagegen schien abgetaucht.
Nun aber zeigte der oberste Mahner der Nation, dass er sein Handwerk immer noch versteht. Es gehe um die Menschen, aber auch um die Wirtschaft, sagte Steinmeier, man müsse an die Alten denken, dürfe aber die Jungen keinesfalls vergessen. Solidarität sei wichtig, ebenso wie Abstandhalten. Regeln zu befolgen, sei den Deutschen jedoch stets leichtgefallen, so dass es hier gelte, auf alte Sekundärtugenden zurückzugreifen, "damit wir so viele Leben retten wie irgend möglich". Dann komme es darauf an, die Gesellschaft wieder anzufahren, kontrolliert und unter allmächlich zunehmendem Schub bis hin zu dem Tag, an dem auch die grundgesetzliche verbrieften Grundrechte und die Europäische Grundrechtscharta wieder gelten könnten, so dass derzeit notwendige Sondergesetze zur Isolierung von schädlichen Elementen nicht mehr nötig seien.
Aufrüttelnd klang das, ein Appell an alle, "einander das Beste in uns zu zeigen". Fast noch wichtiger als diese fürwahr wegweisenden Worte ist sein Appell für die Zeit danach. Klar sei, dass Viren keine Staatsangehörigkeit hätten, aber temporäre Schließungen einzelner Grenzen sinnvoll und notwendig seien. Wer jetzt nur an sich denke und die Ursachen der Epidemie bei anderen suche, gehe einen hochgefährlichen Weg, "der ebenso unwirksam wie schädlich ist". In diesem Sinne bitte er "uns alle: Seien wir vernünftig! Seien wir solidarisch!" Gute Freunde könne niemand trennen, auch ein perfide Virus nicht. Gerade in Notzeiten wie diesen gelte das Gebot europäischer Solidarität. "Wenn uns das gelingt, dann schöpfen wir vielleicht sogar neue Kraft aus der Erfahrung, dass uns Zusammenhalt stark macht – im eigenen Land ebenso wie in Europa."
So oder so, die Welt wird wiedermal nicht mehr dieselbe sein wie zuvor. Sagt Walter Steinmeier. Wie sie anders sein wird, verrät er später. Wie sie derzeit ist, kann jeder sehen.
*ungeschnitten
Bundespräsident Steinmeier hält eine außerordentliche Oster-Ansprache - und sagt dabei nichts.
AntwortenLöschenIn Deutschland melden die Länder mittlerweile 121.324 Fälle. Die Johns Hopkins Universität meldet 130.727 Fälle, davon 67.229 „aktiv“, 53.193 gesundet, 2.736 verstorben.
Maximilian Tichy
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/corona-update-zum-12-april-die-gier-der-vermoegenden/
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Weiß jemand, was mit den 82.889.000 Millionen nichtinfizierten Bürgern ist, warum sich niemand für deren Belange interessiert?
Ist Steinmeier der Wegweiser in einen Irrgarten?
Steinmeier ist ein leuchtendes Vorbild in dieser steinigen Zeit. Das moralische Recht, Reden zur Bevölkerung zu halten, hat er sich redlich erworben, gerade auch dadurch, dass er selbst redlich die Ausgangs- und Bankenbenutzungsverbote einhält. Einzelheiten dazu erfährt man im Kommentarbereich von
AntwortenLöschenhttps://www.publicomag.com/2020/04/buergerrechte-in-quarantaene-ein-staat-schnappt-ueber/