Figuren wie aus der SED-Propagandaschmiede: In Zeiten der Krise herrscht bei den Leitmedien Heldenkonjunktur. |
Er kann nicht anders. Er kann nur so. Er ist von vorgestern, ein dem Kollektiven widerstrebender Eigenbrödler, über den Josef Huggenberger dichtete, sein Tag sei der, "an dem die Herzen zum Opfer geh’n und sich erneuern alle Schmerzen in Tränenweh’n", wenn sich Gräber öffneten "mit heißem Fleh’n und die deutschen Helden aufersteh’n". Von Heldinnen war nie die Rede, aber auch die Heldenkonjunktur ließ nach, je mehr Frieden unter den großen Schlachtnationen wurde.
Heldenkonjunktur in Corona-Zeiten. |
Corona hat eine Sonderkonjunktur für Helden gebracht, inmitten einer Ära, in der Firmen sich "Lieferheld" nennen, weil auch das Bringen von Pizza und Nudeln zu Hungernden eine Heldentat sein kann. Heinrich Freimuth, geboren am 5. November 1836 in Remscheid und später gelernter Kaufmann, ahnte es "Nicht Held nur, wer im Feld gestritten, wer, schwer getroffen, blutend sank; ein Held, wer immer nur gelitten und seinen Reich mit Stärke trank", reimte er leicht verworren, aber passgenau für eine Zeit, in der das Heldentum boomt wie zuletzt vor 75 Jahren.
Heute ist jeder einer, der im Zuge der Volksermutigunganstrengungen von Politik und Medien dazu erklärt wird. Wer daheim bleibt, ist ein Held. Wer im Krankenhaus arbeitet, sowieso. Der Ordnungsamtsmitarbeiter und der Seniorenheimpfleger, die Erzieherin und der Verkäufer - es ist "Zeit für Helden", wie die Süddeutsche Zeitung nicht allzu exklusiv berichtet.
Es ist die Rückkehr der DDR in Gestalt ihrer Arbeiterhelden, die heute "Alltagshelden" heißen, aber mit derselben Attitüde verehrt werden. Der Koch, der kocht, ist ein Held. Der Müllmann, der wie immer den Müll abholt, ist ein Held. Der Arzt, der behandelt. Die Rentnerin, die Masken näht, die nach dringenden Ermahnungen der Politik zwar nicht schützen, aber. Der Polizist, der seit Monaten oder Jahren den gleichen stumpfsinnigen Wachdienst vor einem sicherheitsrelevanten Gebäude schiebt, in dem sich kein Mensch aufhält. Er ist ein Held, denn selbst der Senior, der seit sieben Wochen nicht mehr auf der Straße war, ist ja einer: Er schützt sich und damit alle und alle schützen ihn und alle sind ein Held.
Vielleicht nie zuvor in der Geschichte der Menschheit, soweit es den Teil betrifft, der den Raum bewohnt, der heute als "Deutschland" Teil der Europäischen Union ist, gab es außerhalb von Kriegszeiten so viele Helden auf so engem Raum wie heute. Wer nicht gerade stiehlt oder Corona-Opfer überfällt, staatliche Hilfsleistungen abzweigt oder Toilettenpapier hamstert, gehört zum Millionenheer der Heldenhaften, die sich der Krise nicht ergeben, sondern die "größte Bewährungsprobe seit dem Zweiten Weltkrieg" (Merkel) nutzen, um der Welt eine Lehrvorführung dazu gibt, wie Volk und Regierung Haltung bewahren, während im Gemeinsinnfunk das Schauorchester zur Ermutigung aufspielt.
Die Adolf Henneckes und Günther Priens von heute sind Superhelden der anderen Art, doch gezeichnet werden in Blättern wie der "Süddeutschen Zeitung" (Abb. oben) sie mit demselben Strich wie im Propagandakampf der beiden deutschen Dikturen. Heldische Gesichter, gern lächelnd, aber fest entschlossen. Kein Aufgeben, kein Zurückweichen! Die Lippen sind zusammengepresst, der Mund ist zu einem Ruf geöffnet, es geht um dienstliche Belange, um den Schutz der Allgemeinheit. Der Virologe trägt Brille, denn er ist ein Intellektueller, schlau und die Hoffnung der gesamten Menschheit. Bis er soweit ist, muss der Rettungssanitäter, eine eher zupackendere Figur mit offenem Kragen, die letzte Linie halten. Vorn im Bild wie stets der FDJler, die Heldenfigur schlechthin. Ein kerniger Typ, der auch Hollywood bespielen könnte. Aber so ist er eben nicht, der Held.
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