Mehr als 42.000 zumeist jüngere und sehenswerte Menschen haben sich in den vergangenen vier Jahren allein in Deutschland eine Existenz als Influencer oder Influencerin aufbauen können. Auf ihren Accounts dort empfehlen die jungen Leute Nahrungsergänzungsmittel, modische Kleidung und Aufenthalte in bestimmten Hotels - ähnlich wie das früher die heute traditionellen Medien taten.
Doch jetzt ist das Geschäftsmodell der Herstellung eines attraktiven redaktionellen Angebotes als Umfeld für schnelldrehende Verkäufe in Misskredit geraten. Schuld sind wie so oft Verschwörungstheoretiker, die zuerst in Großbritannien und den USA eine Verbindung herstellten zwischen den Begriffen "Influencer" und "Influenza" - das eine meint im Englischen den Beeinflusser, das andere die Virusgrippe.
Nun steckt das Internet seit Jahrzehnten voll skurriler Verschwörungstheorien, die sich stets unabhängig vom Grad ihrer Glaubwürdigkeit verbreitet haben. Doch dass eine verbale Parallele zwischen zwei Fachbegriffen zur Aburteilung eines ganzen Berufsstandes und Internetgewerbes führt, ist einmalig. Und trotzdem wahr: Allein in der vergangenen Woche verloren Influencer bei Instagram, TikTok, Twitter und Facebook rund drei Prozent ihrer sogenannten Follower, weil Anhänger der Verschwörungstheorie, die Influencer für die Influenza Corona verantwortlich machen.
Seit dem Beginn der Corona-Pandemie überbieten sich die Freunde von Verschwörungen regelrecht mit ihren Theorien. So wurde bereits behaupten, dass die Corona-Erkrankung Covid-19 gar nicht schlimm sei, dass Deutschland gut vorbereitet wäre, dass Europa nicht fest genug zusammenstehe und dass Masken gar nicht schützten. Zuletzt schürten Verschwörungstheoretiker den Verdacht, dass das Virus aus einem Labor im chinesischen Wuhan entkommen sei oder sogar absichtlich freigesetzt wurde, um ältere Menschen zu töten, damit die Rentensysteme der Staaten des Abendlandes entlastet werden.
Noch wesentlich skurriler ist die Verknüpfung von Corona und dem Verkauf von Werbung über Instagram, die seit einigen Wochen die Runde macht, ohne dass es belastbare Belege für die Behauptungen gibt. Der Ursprung der kruden These liegt offenbar in Mecklenburg, wo ein Gesundheitsblogger ohne große Breitenwirkung am 16. April auf den Zusammenhang zwischen der Corona-Verbreitung in Deutschland und den Heimatorten der meisten Influencer hinwies.
Die Parallele ist tatsächlich auffällig: Wo, wie in Mecklenburg oder im - ebenfalls weitgehend entvölkerten ostdeutschen - Sachsen-Anhalt, kaum Influencer leben, gibt es auch kaum Fälle von Covid-19-Erkrankungen. In Regionen dagegen, von denen aus viele Influencer ihren werbewirksamen Einfluss ("Influence") auszuüben versuchen, zeigen Karten eine hohe Erkrankungsquoten.
Die 22-jährige Instagram-Influencerin Marie Justin Weber kämpft gegen Vorwürfe, mit Schuld an der Corona-Pandemie zu sein. |
Keine dieser Behauptungen ist wissenschaftlich haltbar, stattdessen wurden sie bereits nachprüfbar widerlegt. Auch haben führende Influencer sich reihenweise vom Vorwurf distanziert und darauf verwiesen, dass Corona sich selbst in Ländern ausbreitet, in denen Influencing noch gar kein bedeutsamer Wirtschaftszweig ist. Aber dennoch häufen sich weit über Großbritannien, die Niederlande, Irland oder Deutschland die Fälle, in denen Influencer beim Einkaufen erkannt werden oder sogenannte Hater auf ihren Accounts mit üble Kommentare hinterlassen.
Dass es sich dabei um Zufall handelt, halten die Behörden für unwahrscheinlich: Sie gehen davon aus, dass die Vorkommnisse mit den kursierenden Verschwörungstheorien zusammenhängen. Das hat mittlerweile ganz konkrete Folgen für die Menschen hinter den Werbeauftritten: Die in "Corona-Zeiten" (MDR) ohnehin schwieriger gewordene Akquise von zahlenden Werbekundenwird noch schwerer, teilweise sind Influencer bereits vollkommen von Werbekampagnen etwa der Bundesregierung zur Maskenpflicht abgeschnitten, so dass sie kaum noch Umsätze und Einnahmen generieren, obwohl die Plattformwirtschaft im Internet eigentlich unberührt ist von allen allen Quarantänemaßnahmen.
Hier zeigt sich deutlich, welch gefährliche Folgen Verschwörungstheorien haben können: Ein blühender Wirtschaftszweig, der alljährlich Millionen Euro mit Schminktipps, Gossip und Modeberatung generiert, steckt in seiner ersten großen Krise und muss vielleicht vom Staat gerettet werden.
Bitte unterstützen Sie die Bundesregierung im Kampf gegen Fake News und teilen Sie diese Warnung!
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