Montag, 20. April 2020

Am Allermeisten: Das Lieblingswort zum Untergang

Klare Sache: Die allermeisten SPD-Vorsitzenden waren die letzte Hoffnung der ältesten deutschen Partei.
Stephan Weil sagt es und die Medien schreiben es. Peter Altmeier führt es im Mund, die Kanzlerin und die Kommentatoren. Die "Allermeisten" sind auf einmal überall, sie halten sich an Ausgangssperren, sie sind vernünftig und hamstern nicht, sie würden auch Masken tragen, würde man sie fragen. Und die allermeisten finden gut, wie die Bundesregierung allermeistens die Krise managed: Ruhig und unauffällig, mit Geld genug und einen klaren Plan, künftig Schutzausrüstung wieder im Inland herzustellen, jedenfalls die allermeisten Teile davon.

Die Allermeisten wird am allermeisten gebraucht, seit Corona in Deutschland angekommen ist. Der Superlativ zum Mehrheitsbegriff, am Abend des 17. März offiziell von der Bundesworthülsenfabrik zum Gebrauch im politischen Beruhigungsgeschäft freigegeben, beschreibt inzwischen zutreffen, dass "die allermeisten begriffen" haben, die allermeisten sich an Kontaktverbote halten, auch wenn das für die allermeisten Einschränkungen sind, die sie noch nie erlebt haben. Die allermeisten steigen jetzt zwar aufs eigene Auto um, aber wenn den meisten das auch nicht gefällt, die allermeisten sind doch vernünftig.

Allermeistens muss ja sein, was sein muss. Und in den allermeisten Fällen wird zumindest das Bafög weitergezahlt. Selbst wo jetzt die allermeisten Tage sonnig und schön sind, sind die allermeisten Sonnenhungrigen bereit, ihr Teil beizutragen. Selbst die allermeisten Gläubigen reihen sich willig, ein obwohl die allermeisten von ihnen nicht recht verstehen wollen, wie Gott das wollen kann:  Kein Gottesdienst, nicht nur an den allermeisten Ostertagen, sondern an allen. Neudeutsch: allenallen.

Im Gegensatz zu den allermeisten, die aufs Auto umgestiegen sind, ließen es die allermeisten dann doch stehen. Trost spendet der Umstand, dass die allermeisten  das Virus überleben und sogar die EU die allermeisten Regierungsentscheidungen, die im Verlauf der Krise getroffen werden mussten, nach geraumer Zeit richtig gut fand. Besser lässt sich die Situation derzeit eben nicht beschreiben: "Allermeist" ist eine Steigerungsform von "meist", die laut Duden zwingend den Hirntod verlangt, in der politischen und medialen Praxis aber als Indefinitpronomen und unbestimmtes Zahlwort unersetzlich ist. "Die Allermeisten" bedeutet in der regulären Anwendung gleich dreierlei: es sind nicht alle, es sind nicht einmal die meisten, sondern die allermeisten, was durchaus bedeuten kann, dass ihre Zahl irgendwo zwischen Mehrheit und Weißichnicht liegt.

Deutsche Sprache, schwere Sprache. Steigerungen können hier Bedeutungen vermindert, Eindeutigkeiten können jede Bedeutungsebene ausradieren. "Jetzt" beispielsweise meint im gewöhnlichen Sprachgebrauch den Moment zwischen eben gerade noch und gleich, im medialen Gebrauch jedoch wird das Adverb zu einer zeitlichen Wolke. "Jetzt" kann heute sein, gestern, diese Woche oder in einem Zeitraum, der irgendwann nach Mittelalter und Zweitem Weltkrieg liegt. In den allermeisten Fällen ist es bei allermeisten ebenso, die durch die Hinzufügung von "aller" vermeintlich verstärkte Mehrheit, die von "meisten" ohnehin ausgerückt wird, verdünnt den Sinngehalt bis zu einem Grad, den die allermeisten verstehen können.

Krisensprache kulminiert in der Kollektivierung verbaler Gedankenlosigkeit. In den allermeistesten Fällen bleibt das von den allermeisten unbemerkt. 

6 Kommentare:

  1. Hallo hier nochmal korrectiv team

    danke für den hinweis auf die fakenews auf https://www.korrekturen.de/wortliste/allermeisten.shtml

    dort wird als beispiel für allermeiste angeführt:
    die allermeisten / Allermeisten misstrauen der Politik;
    entsprechend: das allermeiste / Allermeiste bekommt das Finanzamt


    Wir werden eine den wahrheiten entsprechende korrektur dort veranlassen


    P.S. Es gab mal ein Urteil, das bestätigte, dass 'öfter' weniger häufig als 'oft' bedeutet. Vielleicht findet man da irgendwas online aber wir haben lieber eine woche scheisserei als eine minute zu recherchieren

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  2. Das Ende ist nahe.
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    Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Berliner Charité, hat den „Sonderpreis für herausragende Kommunikation der Wissenschaft in der Covid19-Pandemie“ erhalten, wie die Klinik am Montag mitteilte.

    Der Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Stifterverbandes ist demnach mit 50 000 Euro dotiert.
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    Gestern noch verreißt Mailab die Kommunikationsbemühungen des Drosten und ich fall auch noch drauf rein, daß der auf dem Gebiet 'ne Lusche ist. und schon gewinnt der einen Preis.

    https://www.youtube.com/watch?v=u439pm8uYSk

    Da kann sich der Reaktionär Sepp mal anschauen und anhören, was eine ordentliche Mikro ist und wie man ordentlich auf der Mattscheibe rüberkommt. Der Videoschnitt Mist. man muß ja nicht die ganze Zeit hinschauen.

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  3. Der lachende MannApril 20, 2020

    "Es gab mal ein Urteil, das bestätigte, dass 'öfter' weniger häufig als 'oft' bedeutet."

    Im Ernst - ein Urteil? Das ist für einen deutschen Muttersprachler doch banal. Ich erinnere an den älteren Mann, der bekanntlich jünger ist als der alte.

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  4. „Öffnungsdiskussionsorgien“
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    Ich komme mit dem Vokabeln pauken gar nicht mehr hinterher. Kann der Schawidow nicht mal auch was mit Virus kriegen, damit sein output gegen Null geht?

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  5. Shutdowndiskussion von der sägenden Gitarrensaite

    https://www.azlyrics.com/lyrics/neilyoung/shutitdown.html

    https://www.youtube.com/watch?v=NeLdjvH57z4

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  6. schawidow ist chef eines kollektivs! fällt einer, stehen die anderen für drei!

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