Das Patriarchat schlägt zurück: Für CDU-Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur bewerben sich ausschließlich Männer. |
Die Zukunft, in einer noch gar nicht so weit zurückliegenden Vergangenheit war sie weiblich.
An der Spitze der ältesten Partei des Landes mit Andrea Nahles eine Frau. An der Spitze des Landes mit Angela Merkel sowieso eine. Die Verteidigungsministerin weiblich, Mecklenburg und Rheinland-Pfalz von Frauen regiert, die Kanzlerin ausschließlich von Frauen beraten. Deutschland war hundert Jahre nach der Erringung des Frauenwahlrechts eine matriarchalische Republik, in der "Mutti", wie die Menschen draußen im Lande ihre Regierungschefin liebevoll nannten, Entscheidungen spät traf, dann aber verbindlich für alle.
Die Zukunft war feminin
Mit Engagement und Beharrlichkeit bewies sie so, dass Frauen etwas zu sagen haben und dabei sogar viel Macht erlangen können, auch wenn sie keine Show liefern, von durchschnittlicher Erscheinung sind und an den Nägeln knabbern. Mit mütterlichem Charme verbreitete Angela Merkel den Töchtern ihres Landes die Botschaft: „Schaut mich an und ihr schafft das auch!“ Keine Partei ohne weibliche Chefin, die es noch wagte, nicht sich wenigstens eine Doppelspitze zu geben, in der eine Frau die Machtgier ihres männlichen Pendants im Zaume hielt.
So schnell aber die Zukunft feminin geworden zu sein schien, so eilig schlug das Patriarchat zurück. Als hätte die alte, krude Welt der alten weißen Männer nur auf eine Chance gewartet, ihren sexistischen, femihoben Vorstellungen vom gesellschaftlichen Leben erneut zur Vorherrschaft zu verhelfen, erstand mit der Bedeutungskrise der früheren Volksparteien ein Gespenst aus der Grube, das unschwer als Mann zu erkennen ist: Zuerst musste Andrea Nahles, die erste SPD-Parteichefin, unter dem Druck monatelangen Mobbings ihrer männlichen Genossen die Segel streichen. Dann folgte ihr nach einem geschickten kollusiven Zusammenwirken der Männer verschiedener Parteien in Thüringen die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. Und beim Blick auf die Kandidatenliste für CDU-Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur fällt auf: Ausschließlich Männer, alle weiß, alle alt, alle aus Nordrhein-Westfalen.
Die Zeit, als das Saarland die wichtigsten Bundespolitiker lieferte, ist vorbei. Vorbei ist aber auch die Zeit, in der Frauen das Schicksal der Nation, der EU und der gesamten Welt mit ihren von Nächstenliebe und Empathie geprägten Entscheidungen bestimmten. Gerademal als Ko-Vorsitzende dürfen Frauen bei der SPD, aber auch bei Grünen, Linken und Rechten dienen. Und bei allen vier Parteien sind sie es, die das kürzere Streichholz halten.
Zurück zur Männerherrschaft
In der Mitte, da wo Frauen zuletzt eine ganze Ära prägten, glänzen sie absehbar nur noch als Fehlstelle. Die CSU wird bereits von einem Mann geführt, die CDU wird von einem Mann geführt werden. Selbst Ursula von der Leyen, die als neuen Chefin der EU-Kommission ein Zeichen gegen den Trend zurück zur Männerherrschaft hatte setzen wollen, gelang es nicht: Statt Frauen und Männer gleichberechtigt als Kommissare einzusetzen, haben die weiblichen Mitglieder vom ersten Tag an ein geringeres Gewicht.
Sieben der zehn beliebtesten Politiker der Deutschen sind heute schon Männer, ohne die vor dem Abschied stehende Angela Merkel und die bereits aufs Altenteil gewechselte Sahra Wagenknecht wären es sogar neun von zehn. Auch auf den hinteren Plätzen wächst keine Hoffnung auf eine Trendwende - bis Platz 22 finden sich gerademal vier weitere Frauen, davon ist eine in der AfD und eine hat gerade ihren Abschied eingereicht.
Katastrophe für die Gleichberechtigung
Für die Gleichberechtigung ist das eine Katastrophe. Wo eben noch ein "Truimpf" (André Poggenburg) der Frauenbewegung gefeiert wurde, werden nun bald wieder Tränen fließen. Girls day? Nimmermehr. Die starken Frauen verabschieden sich aus der Politik, der alte weiße Mann, er ist zurück im Spiel und angetreten, ein großes Rollback in die Wege zu leiten. Der Aufschwung, den Feminismus und Genderforschung in den vergangenen beiden Jahrzehnten genommen haben, steht vor einem abrupten Ende. Der Bedeutungszuwachs, den Männerfragen im Schatten der von Frauen bestimmten Politik zu verzeichnen hatten, dürfte sich hingegen beschleunigen und verstärken, wenn nicht aus den femininen Weichteilen der Union noch eine Überraschungskandidatin auftaucht, die dem abgekarteten Spiel der Herren aus dem Hinterzimmer einen dicken Strich durch die Rechnung macht.
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