Vor einem Jahr schien die Lage verzweifelt. Rechtspopulisten marschierten, Messermänner prägten die Medienlandschaft, Bürger waren besorgt mit und ohne Hut, Pegida und die AfD lagen im "ARD-Deutschlandtrend" (ARD) uneinholbar an der Spitze der der Besorgnishitparade der Menschen. Im Berliner Kanzleramt herrschte Ratlosigkeit, denn eigene Antworten auf die Fragen der Bevölkerung jenseits von "wir schaffen das" und der Hoffnung auf eine europäische Lösung, die jeweils in 14 Tagen stehen sollte, aber nie stand, waren rar.
Anschwellender Bocksgesang
Bis Greta Thunberg kam, weniger Jeanne de Arc als Arthur der Engel, ein Mädchen, das endlich einen Anlass lieferte, das Programm umzuschalten, das das öffentliche Gespräch seit der Silvesternacht von Köln ohne Rücksicht auf die Absichten und Probleme des politischen Berlin geprägt hatte. Wie ein anschwellender Bocksgesang machte sich die große Klimafrage Platz, es kam zu Notstandserklärungen, einer grünen Welle, die die Ökosozialisten bei Meinungsumfragen in ungeahnte Höhen spülte, und die traurige Verwaltungsregierung aus CDU, CSU und SPD verwandelte sich binnen weniger Monate gemeinsam mit Linken und Grünen in eine Ganz Große Klimarettungskoalition, der es gelang, den Deutschen ohne jeden Ansatz einer Ankündigung oder Abstimmung die größte Steuererhöhung seit der Erfindung des Solidaritätszuschlages überzuhelfen. Und im Amt zu bleiben.
Ein Mal, vielleicht ein allerletztes Mal, so schien es, hatten staatsnahe Medien und privatwirtschaftliche Zeitungskonzerne bewiesen, dass sie allen Unkenrufen zum Trotz noch immer in der Lage sind, mit veröffentlichter Meinung die öffentliche Meinung zu drehen. Klimaschutz überholte die Zuwanderung bei der Berichterstattung nicht nur, nein, Texte, Analysen, Forderungen und Kommentare zur Klimafrage pulverisierten das bis dahin dominierende Thema Migration förmlich. Im Bundeskabinett wurde aufgeatmet: Die AfD hat zum Klima eigentlich keine Meinung. Kann also nicht mitreden. Verliert folglich ihre Gefährlichkeit.
Gesellschaftliche Debatte gedreht
Zumindest theoretisch galt das bislang als Nachweis dafür, dass es möglich ist, gesellschaftliche Debatten zu drehen, indem die eine durch die andere ersetzt wird. Nach dem ersten Gesetz der Mediendynamik passt die Welt in keinen Schuhkarton, unweigerlich aber immer in 15 Minuten "Tagesschau", so dass nach der klassischen Physik auch hier gilt: Wo ein Körper ist, kann kein zweiter sein. Klimaschutz hatte Einwanderung erfolgreich verdrängt, so zumindest glaubten viele.
Bis ausgerechnet der ARD-Deutschlandtrend jetzt verdeutlichte, dass zwölf Monate Klimatrommelfeuer immer noch nicht gereicht haben, den Klimaschutz in allen Hirnen als ausschließliches Hauptproblem der Nation zu verankern.
Auf die Frage, welches Problem in Deutschland vordringlich gelöst werden, antwortete noch immer knapp ein Drittel der Bürger mit einem Hinweis auf vermeintliche Probleme in der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik und bei der Integration, erst danach folgen mit 27 Prozent Sorgen um Umweltschutz und Klimawandel. In den vergangenen zwei Jahren sei es nach diesen Zahlen zwar gelungen, "die Wahrnehmung der Bürger deutlich zu verändern", wie sich die "Tagesschau" selbst nennt. Aus ehemals 47 Prozent der Menschen, die Zuwanderungsfragen als vordringliches Problem nannten, wurden 31 Prozent, aus neun Prozent Klimabesorgten 27 Prozent.
"Wahrnehmung der Bürger verändern "
Doch angesichts des immensen politischen und medialen Aufwandes, der dazu betrieben werden musste, sind diese Werte ernüchternd. Die Ruder der Medien reichen nicht mehr bis ins Wasser, die Notappelle der Politik verhallen bei knapp drei Vierteln der Wählerinnen und Wähler, als wären sie nie ausgerufen worden. Zudem scheint es so, als stärke die stete Beschwörung einer Gefahr von rechts, die die Grundlagen des friedlichen Zusammenlebens in einem demokratischen System bedrohe, nicht einmal das Vertrauen in die Regierungsparteien, die in einer tatsächlichen Notlage automatisch als Fluchtburg der Stabilität fungieren müssten.
Nicht nur beim Thema Flüchtlings- und Einwanderungspolitik, das zu bearbeiten die Große Koalition im Grunde mit dem Scheitern der von Kanzlerin Angela Merkel versprochenen "europäischen Lösung" aufgegeben hatte, traut nur noch jeder vierte Bürger (24 Prozent) der Union eine Lösungskompetenz zu. Vor der Bundestagswahl 2017 waren es noch 38 Prozent. Der SPD billigt auf diesem Feld sogar nur jeder achte Bürger zu, zu einer Lösung beitragen zu können, ohne dass die beiden frischernannten Klimaparteien in ihrem neuen Kerngebiet davon profitieren können: Beim Thema Umwelt- und Klimapolitik setzen aktuell auch nur 14 Prozent (-4) auf die Union und geradezu jammervolle fünf Prozent (-5) auf die SPD.
Alles in allem ist gerademal noch jeder fünfte Bürger der Ansicht, dass die Große Koalition die Herausforderungen in einem Bereich bewältigen wird, den sie selbst sich zum Ersatzschlachtfeld im Krieg gegen den Rechtspopulismus auserkoren hat.
Die Eigner der Zentralorgane wollen es sich noch weniger als zuvor mit der Regierung verscherzen, seit Merkel versprach, die schwindenden Renditen mit Steuerkohle zu stützen.
AntwortenLöschenAuch wenn es nie dazu kommen sollte, es genügt, diese Möhre vorm Maul des Esels herumzuschwenken.
MEFISTOFELES (till Faust).
AntwortenLöschenDe hedersmännen vädra aldrig hin,
om än han hölle dem i kragen.
-------------------------------------
Den Jitzak spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte ...