Mit der neuen Strafsteuer für Optionsscheinanleger schreibt Finanzminister Olaf Scholz ein neues Kapitel im Kampf gegen Spekulanten und Alterrsvorsorger. |
Vorn auf der Bühne streitet die SPD noch darüber, welche neue Steuer als nächste in welcher Höhe und zu welchem ganz konkreten Erziehungszweck verhängt werden soll. Unbemerkt wegen des Trubels um "Umweltsau"-Video und Trump-Aggression gegen den friedliebenden Iran hat das Bundesfinanzministerium währenddessen Nägel mit Köpfen gemacht und das Versprechen der Groko-Parteien, es werde keine Steuererhöhungen geben, ein weiteres Mal gebrochen: Seit dem 1. Januar dürfen Bürgerinnen und Bürger, die mit Hilfe von Optionsscheinen, KO-Zertifikaten oder Futures Geld anlegen, erzielte Gewinne nicht mehr vollständig mit entstandenen Verlusten verrechnen.
Stattdessen hat Finanzminister Olaf Scholz einen Verrechnungsdeckel eingeführt. Höchstens 10.000 Euro Verlust sind auf Gewinne anrechenbar, alle Gewinne, die darüberhinaus entstehen, sind voll steuerpflichtig, selbst wenn zur selben Zeit beim selben Anleger in anderen Terminanlageprodukten Verluste entstanden sind.
Der Staat privatisiert die Verluste, behält sich aber das Recht vor, Gewinne zu sozialisieren - das ist etwa vergleichbar einer Steuergesetzgebung, die eine Firma verpflichtet, Gewinne aus dem Verkauf von Produkt A zu versteuern, selbst wenn mit Produkt B Verluste gemacht werden, die die Firma insgesamt ins Minus drücken.
Der "Spekulant" dient seinem Zweck
Doch immerhin geht es hier einmal mehr gegen einen Lieblingsgegner der deutschen Sozialdemokratie, einen Popanz, der ebenso wie der "Manager" (Franz Müntefering) stets herhalten muss, wenn die Funktionärspartei zeigen will, dass sie im Grunde jeden als Feind ansieht, der für sich selbst zu sorgen versucht: Der "Spekulant" hat jeden Tort verdient, den man ihm antun kann, er gehört "ausgemerzt", wie es Franz Müntefering nannte, als er den am Ende recht erfolgreichen Versuch startete, durch eine Kampagne gegen "Spekulanten" von der Verantwortung der oft genug sozialdemokratisch geführten deutschen Landesbanken für die Finanzkrise von 2008 abzulenken.
Der Kampf gegen Spekulanten geht immer,denn er trifft wenige und gibt vielen das gute Gefühl, die, die mehr Geld haben, dürfen es nicht einfach behalten. „Verluste aus Kapitalvermögen dürfen nur in Höhe von 10 000 Euro mit Gewinnen im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 3 und mit Einkünften im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 11 ausgeglichen werden", hat Scholz zu diesem Zweck ins Einkommenssteuergesetz schreiben lassen, ohne dass das außerhalb der Fachmedien irgendein Leitmedium in seine "Das ändert sich für Sie"-Listen aufgenommen hätte.
Unbemerkte Enteignung
Wer immer nun durchaus auch bei Otto Normalanleger populäre strukturierte Finanzprodukt mit derivativer Komponente mit Hebelwirkung wie Optionsscheine und KO-Zertifikate kauft, verliert die Möglichkeit, seine Verluste mit seinen Gewinnen zu verrechnen und nur das zu versteuern, was ihm am Ende an tatsächlichen Gewinnen übrig bleibt. Armin Hecktor rechnet vor, dass ein Anleger mit 100.000 Euro Profit und Verlusten in Höhe von 80.000 Euro nach der bisherigen Regelung Kapitalerträge in Höhe von 20.000 Euro zu versteuern hat, weil er seine Verluste voll auf seine Gewinne anrechnen kann. Fällig würden für ihn 25 Prozent Kapitalertragsteuer, also 5.000 Euro.
Ab 2021, wenn die Gesetzesänderung greift, ändert sich das grundlegend und die fällige Steuer steigt auf das Viereinhalbfache: Von den entstandenen 80.000 Euro Verlust dürfen maximal 10.000 Euro mit den 100.000 Euro Gewinn verrechnet werden. Dadurch muss der Anleger statt 20.000 Euro tatsächlichem Gewinn 90.000 Euro fiktiven Gewinn versteuern. Seine Steuerlast liegt dann bei 22.500 Euro - also 2500 Euro höher als der Gewinn, den er überhaupt erzielt hat.
Tod auf Termin
Jemand der mit 100.000 Euro ins Jahr startet und durch eine beliebige Anzahl an Termingeschäften einerseits Gewinne, andererseits aber Verluste macht, so dass er am Jahresende genau die 100.000 Euro besitzt, die er zuvor auch hatte, würde schlimmstenfalls 22.500 Euro seines gerade so erhaltenen Kapitals an den Finanzminister abtreten müssen und hätte hernach noch genau 77.500 Euro um weiterzumachen - ohne große Aussicht, jemals irgendwie wieder auf die 100.000 Euro Anfangskapital zu kommen, geschweige denn, echte Gewinne zu erzielen.
Verfassungsrechtlich schreit das laut "niemals", überall dort, wo Bürgerinnen und Bürger konditioniert wurden, dass jede Strafe für Spekulanten gerade richtig ist, dürfte der Schritt mit Genugtuung notiert werden. Dass wie bei Scholzens Altersvorsorgeanlegerstrafsteuer erneut nur Privatanleger getroffen werden und dabei auch Menschen, die ihre Altersanlagen mit Optionsscheinen gegen Verluste absichern, merken nur wenige, die aber auch erst viel später.
Gibt es eigentlich schon eine Liste der unfassbar idiotischen Dinge, die hier in den vergangenen 70 Jahren "Gesetz" geworden sind oder "Urteil" und die instantan geändert werden müssen wenn...? Und gibt es schon den Entwurf einer Hall of Blame?
AntwortenLöschendiese liste müsste in einem giftschrank eingeschlossen werden
AntwortenLöschenUnd all die Millionäre und Spekulanten ziehen sich bekanntlich die Hose mit der Kneifzange an und wundern sich, dass ihre ganze schön Kohle beim schlauen Finanzminister (SPD) im Sack landet.
AntwortenLöschenSchon im Schwarzbuch von Courtois erwähnt, waren Ommas, die selbstgestrickte Socken aus eitel Profitgier auf dem Schwarzmarkt feilboten, so Anfang der Zwanziger, "Spekulanten".
AntwortenLöschenMeiner Schamlosigkeit bewußt, möchte ich dem ehrwürdigen Blogwart nahelegen, vielleicht die Blogrolle ein wenig auszumisten - die Zecke(n) zuförderst.
Im Voraus zu sagen ist, daß ich mit dem Artikel, grimmiger Genugtuung voll, konformgehe.
AntwortenLöschenJedoch gibt es auch nicht zu knapp Besengte, die postulieren, jeder könne steinreich sein, jeder, er müsse nur geschickt genug mit Aktien schachern. Wer es nicht tut, wäre blöd und ist selber schuld.