Ist es für die Öffentlichkeit wichtig zu erfahren, welchen Pass ein Opfer von Naturkatastrophen oder Straftaten hat? Ist die Nationalität in jedem Fall relevant – und sollten Polizei und Behörden sie von sich aus nennen? Oder besser nicht? Dürfen Medien sie dann weitergeben? Oder sollen sie gehalten sein, notfalls einzugreifen, um offizielle Behördenangaben unkenntlich zu machen?
Die Innenminister der Länder beantworten diese Frage nicht einheitlich. Die Praxis hier ist so, dort ist sie anders, eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, so weit weg von einem einheitlichen Vorgehen wie die EU von einer europäischen Lösung. Weiterhin bleibt Deutschland ein gespaltenes Land. Manchmal werden Staatsangehörigkeiten genannt, ein andersmal nicht, ehe dann später nachreguliert wird.
Was aber wäre Deutschland ohne den nationalistischen Medienklassiker "Auch Deutsche unter den Opfern", der ein aus Bremen oder Brandenburg stammmendes Opfer eines Busunglücks in Bangladesh oder Terroranschlages in Kuwait traditionell um ein Mehrfaches höher bewertet als beim gleichen "Vorfall" (SZ) umgekommene Einheimische. Opfer sei Opfer, jedes eines zu viel, argumentieren die einen. Von Interesse für das Publikum sei aber eben nicht der namenlose Tote aus dem fernen Ausland, sagen die anderen. Entsprechende Meldungen würden kaum gelesen.
Auch die Länder-Innenminister sind uneins in der Frage, ob Behörden in Pressemitteilungen immer die Nationalität von Opfern nennen soll, damit Medien die Chance haben sie vorsorglich aus ihren verarbeiteten Meldungen zu entfernen, um aus den kostenlosen Zulieferungen echten Premiumcontent mit hohen Verkaufswert herzustellen. „Der Polizei wird vorgehalten, sie wolle bestimmte Meldungen verschleiern oder nicht bekanntgeben“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU). „Deshalb glaube ich, wenn wir Transparenz verlangen, gehört das dazu.“ Voraussetzung sei aber, dass alle Länder sich auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen.
Derzeit nennt die Polizei zum Beispiel in Hamburg immer die Herkunft Verdächtiger. Nordrhein-Westfalen plant so einen Schritt. Auch Sachsen zieht mit. Sachsen-Anhalt dagegen verschweigt Herkunft und Staatsangehörigkeit generell, so lange es nicht unbedingt notwendig ist, sie zu nennen. Zu oft hatten rechte Hetzpopulisten bestimmte Vorgänge ausgenutzt, um schmutziges braunes Wasser auf ihre Nazi-Mühlen zu leiten.
Ausgerechnet diese kluge Strategie gegen das Ausnutzen deutscher Opfer schlug zuletzt auch wieder auf die Behörden zurück. „Wir haben das Problem, dass mit der Nichtangabe der Nationalitäten wir denen Vorschub leisten, die Gerüchte organisieren“, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU). „Die ganze rechte Mischpoke, die unterwegs ist, schürt ja damit das Misstrauen der Menschen in die Polizei, in den Staat. Und ich finde, das ist die Sache nicht wert.“ Gibt es Deutsche unter den Opfern, sollten Behörden das Recht haben, das auch zu sagen, wie es gesund national orientierte Blätter wie "Die Zeit" und die FAZ, aber auch der "Spiegel" und die Taz tun.
Doch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hält von der Idee hingegen wenig. „Die Nationalität zu nennen oder nicht zu nennen, ist genauso wichtig oder unwichtig wie die Haarfarbe, Größe oder die Augenfarbe“, sagt er. In kleinen Orten sei ein Verdächtiger zudem über die Angabe der Nationalität identifizierbar. „Man sollte da wirklich die Kirche im Dorf lassen und hier nicht die Agenda der AfD abarbeiten.“ Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) dagegen plädierte trotz dieser Gefahr der Aufwallung nationalistischer Gefühle für eine Abwägung im Einzelfall. „Es wird nichts verschwiegen, aber wir müssen auch nicht bei jedem Verkehrsdelikt die Nationalität sagen.“ Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) erklärte, sein Land habe einen anderen Ansatz: „Die Nationalität wird immer dann genannt, wenn sie im Zusammenhang mit der Tat steht und den Hergang der Tat oder Teile der Tat erklärt.“
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