Nach dem wegweisenden Fleischverzichtsbeschluss der Grünen in Sachsen-Anhalt regt sich mehr und mehr Widerstand in der Ökopartei, die mit dem Fleischverbot auf künftigen Parteitagen eigentlich ein Zeichen für mehr ökologisch verträgliche Ernährung hatte setzen wollen. Doch nun steht die auf einer Erfolgswelle reitende ehemalige Alternative für Deutschland vor einer schwierigen Weichenstellung: Einerseits beklagen Parteimitglieder, dass der geplante Fleischverzicht ausdrücklich nicht nur vegane, sondern auch vegetarische Speisen auf grünen Zusammenkünften erlaubt. Andererseits kritisieren Mitglieder, dass die vegane Vorreiterpartei ihre Glaubwürdigkeit beschädige, indem sie zwar für Parteitage symbolisch Vorschriften erlasse, die das Klima schonen und dem Tierwohl zugute kommen, Mitgliederinnen und Mitgliedern aber gleichzeitig gestatte, im Privatleben weiterhin bedenkenlos und ohne Obergrenze Fleisch und Fleischprodukte zu sich nehmen.
Nur noch "glaubwürdig wie die SPD"
"Wir sind damit nicht glaubwürdiger als eine SPD, die den Sozialismus aufbauen will, gleichzeitig aber wichtige Regelinstrumente wie die Mietbremse ablehnt", beklagt Rolf Weber, der in der grünen Grundorganisation in der Altmark organisiert ist. Worte und Taten fielen aus seiner Sicht "politisch schädlich" auseinander, wenn die Partei heuchle, dass sie auf Parteitagen auf Fleisch verzichte, Delegierte aber im Umfeld der Tagungsstätte jederzeit ein Wurst oder ein Steak verspeisen könnten. "Daheim wäre es sogar möglich, dass jemand eine Atkins-Diät macht", prangert der 53-Jährige an. Weber plädiert für Transparenz und klare Regeln. "Was auf dem Parteitag gilt, muss für echte grüne auch im Alltagsleben gelten."
Rolf Weber, der seit der Ausrufung des Klimanotstands durch die EU vegan lebt, ist nicht allein mit seiner Grundsatzkritik an der grünen Beschlusslage. Auch Silke Seibicke, die im chemieverseuchten Süden Sachsen-Anhalts einen veganen Lieferservice für Oberbekleidung führt, sieht den Versuch des Parteivorstandes, ein Signal für mehr Klimagerechtigkeit auszusenden, mit zwiespältigen Gefühlen. "Es ist ein bisschen eine Doppelmoral", sagt die grüne Geschäftsfrau, "wir tun drei, vier Tage im Jahr so, als hätten wir die Botschaft verstanden, die von Fridays for future ausgesendet wurde." Beim Wähler und der Wählerin (m/w/d) werde das nicht gut ankommen. "Man wird uns vorwerfen, dass wir nur auf den Sonntagsbraten verzichten, nicht aber wirklich auf fleischliche Genüsse."
Wort und Tat als grüne Einheit
Dabei wäre es aus Sicht der grünen Kritiker leicht, wirklich wirksam zum Klimawohl beizutragen. "Beschlusslage und Handeln müssen eine Einheit bilden", fordert Rolf Weber. Dazu sei es nötig, Grundregeln aufzustellen, die grüne Basis und grüne Politiker dauerhaft auf eine umweltvertäglich Lebensweise verpflichten. "Erstmal wäre es wichtig, auch die oft klimabelastende vegetarische Ernährungsweise offen als das zu bezeichnen, was sie ist: Ein Tort für viele Tiere und eine Quelle vieler Klimaschäden." Er könne nicht einsehen, wieso das Leid von Hühnern und Milchkühen weniger wiegen solle als das von Schweinen oder Schlachthasen. "Eine US-Studie zeigt doch, dass Vegetarier dem Klima sogar mehr schaden als Fleischesser", führt er an. Hier helfe nur konsequenter Verzicht und eine stringente Haltung: "Wenn wir sagen, Tierwohl und Klima sind unsere Motivation, dann muss das immer gelten."
Silke Seibicke sieht das ähnlich und sie fordert deshalb eine Abkehr vom Ausnahmedenken des grünen Fleischverzichtsbeschlusses. "Warum nicht alle Parteimitglieder mitnehmen auf einem Weg, der alternativlos ist und heißt: Vegan oder gar nicht?" Möglich und notwendig sei aus ihrer Sicht ein grünes Gebot, immer und überall vegan zu leben. "Dass das möglich ist, beweisen uns Millionen Mitmenschen jeden Tag." So könnte die Gesamtpartei eine ausschließlich vegane Ernährung als Essential für grüne Mitglieder*innen beschließen. "Worte und taten müssen gerade in der heutigen Situation permanenter Bedrohung der Glaubwürdigkeit der großen demokratischen Parteien eine Einheit bilden", sagt sie.
Unangekündigte Kühlschrankkontrollen
Transparente Kontrollregeln wären Bestandteil des grünen Paktes für vegane Klimagerechtigkeit, denn, da herrscht bei Seibicke und Weber Einigkeit, "ohne ein enges Coaching eventuell knieweicher und verführbarer Mitglieder*Innen wird es zumindest anfangs nicht gehen". Eine grünes Vegangericht müsse deshalb die Möglichkeit bekommen, unangekündigte Küchen- und Kühlschrankkontrollen bei Mitglieder*Innen durchzuführen und Verstöße gegen den parteiweiten Verzichtsbeschluss, der dann auch Eier, Milch und Lederschuhe umfassen würde, mit empfindlichen Strafen zu ahnden.
"Es wäre natürlich kein Verbot, aber ein Prinzip, das auf die Einsicht setzt, dass man nicht grün sein kann und gleichzeitig ein Klimaschädling." Als Strafen für Verstöße sieht ein Konzept, das Seibicke und Weber gemeinsam mit Gleichgesinnten vom Arbeitskreis "Grün aber vegan" (Gav) noch vor Weihnachten beim Parteivorstand einreichen wollen, die zeitweise Suspendierung von Parteirechten etwa bei Delegiertenwahlen oder die Verpflichtung zu schadenshöheangepassten Ablasszahlungen an Atmosfair vor. "Wir denken", formuliert Rolf Weber, "dass das schnell zu einem Umdenken führen würde, dass dann auch Handeln ändert und grüne Glaubwürdigkeit wiederherstellt."
Ist doch schön, wenn die WählerinnenX für ihre Stimmen ein ordentliches Kaspertheater um solche Schicksalsfragen geboten kriegen.
AntwortenLöschenDie Freude am Fliegen bei den Grünen steht selbstverständlich nicht zur Debatte.
Als ehemals drittklasiger Kraftsportler und viertklassiger Kampfkünstler empfehle ich zum Thema Fleischverzehr: "Krafttrainig für Kung Fu und Karate" von Eberhard Schneider, Wushu-Verlag - daraus den ausgiebigen Teil zur Endlösung der Ernährungsfrage. Er nennt einen Ernährungswissenschaftler Dr. William Kelley (nicht mit Först Ljutännent W.Calley zu verwechseln), der als Vegetarier zuerst der Ansicht war, solches sollte allgemein werden. Aber nach jahrzehntelanger Forschung und praktischer Erfahrung mit seiner Privatklinik diese Ansicht revidiert (Bäh, ein Revisionist!) hat: Fleisch ist essentiell wie Vitamine, kein Luxus. Einem recht kleinen Teil der Mönschheit bekommt tatsächlich vegetarisch besser, vegan war damals noch nicht erfunden. (Heute wieder eine muttersprachlich teutsche Viet-Schnepfe in der Praxis, unspezifische Beschwerden bis zum Abwinken, Blutdruck und Hämoglobin im Keller, aber ne, Fleisch ist bebäh.)
AntwortenLöschenHalbgott in Weiß