Donnerstag, 19. Dezember 2019

diesmalwaehleich.eu: Europas Daten für Amerika

Trumps Wahlhelfer wurden vom EU-Parlament für die Kampagne diesmalwaehleich.eu verpflichtet.
Vor den Europawahlen im Frühjahr war von Begeisterung für die EU nirgendwo ein Hauch zu spüren. Keine Straßenfeste, die die Gemeinschaft feiern, keine Jubelarien auf den deutschen Autobahnen und kaum Wahlkampf auf den Straßen des Weltfriedenskontinents. Nicht einmal "Pulse of Europe", eine mittlerweile still verstorbene Volksbewegung, ließ von sich hören.

Angesicht der großen Not griff das EU-Parlament zum großen Hammer: Um den Wahlkampf in Fahrt zu bringen, verpflichtete das EU-Parlament das trump- und brexit-erfahrene US-Unternehmen NationBuilder, das über die Internetplattform "diesmalwaehlich.eu" mal so richtig kräftig Stimmung für die EU, die Wahl, beider Wichtigkeit und die gigantische Bedeutung der landauf, landab völlig unbekannten Spitzenkandidaten machen sollte.

Wie bei solchen Marketingaktionen üblich, kaufte das Unternehmen Youtube-Klicks und Facebook-Likes, man verbreitete jubilierende Erfolsmeldungen und warf mit Geld nur so umsich. Allein die Herstellung eines Youtube-Videos ließ sich EU-Europa 2,5 Millionen Euro kosten. Dagegen waren die paar zehntausend Euro, die es kostete, Zuschauer zu simulieren, Kleingeld.

Zumal die Datensammelfunktion der diesmalwaehlich-Seite und deren resolute Ignoranz allen europäischen Datenschutzvorschriften gegenüber nach einem Hinweis von PPQ und mehreren Erinnerungen auch dem Europäischen Datenschutzbeauftragten auffiel. Jetzt hat der Mann oder die Frau - der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) existiert offenbar nicht wirklich, er ist eine reine Behördenstruktur - ein Fazit seiner "Untersuchungs- und Durchsetzungsmaßnahmen wegen Aktivitäten des Europäischen Parlaments im Zusammenhang mit der Europawahl 2019" veröffentlicht.

Die fällt ganz europäisch aus, kommt also einerseits um Monate zu spät, bleibt andererseits aber auch vollkommen folgenlos. Immerhin aber merkt Vize-EDSB Wojciech Wiewiórowski an, dass das Europäische Parlament selbst im März 2019 eine Entschließung angenommen habe, "um die Europawahlen vor Datenmissbrauch zu schützen". Dennoch habe das Parlament über thistimeimvoting.eu und diesmalwaehleich.eu personenbezogene Daten von mehr als 329 000 Personen erhoben, die sich für Aktivitäten im Zusammenhang mit der Wahl interessiert hätten. Und diese Daten seien an das US-Unternehmen NationBuilder weitergegeben worden, das zuvor auch von Donald Trump  verpflichtet worden war, seinen Wahlerfolg sicherzustellen.

Wegen der Beauftragung von NationBuilder durch das Europäische Parlament habe der EDSB erstmals eine Verwarnung gegen ein Organ der Union ausgesprochen, denn die "Auswahl und Genehmigung der von NationBuilder genutzten Unterauftragsverarbeiter" habe "gegen Artikel 29 der Verordnung (EU) 2018/1725 verstoßen".

Eine zweite Verwarnung gab es, "weil das Parlament es versäumte, innerhalb der vom EDSB gesetzten Frist Datenschutzgrundsätze auf der Website thistimeimvoting.eu zu veröffentlichen". Nachdem das Europäische Parlament den Nutzern, die sich auf "diesmalwaehleich.eu" registrieren lassen hatten, um über aktuelle Nachrichten zur EU-Wahl informiert zu werden, inzwischen mitgeteilt hat, "dass es nunmehr die Absicht hat, ihre Daten bis 2024 zu speichern", will der EDSB "die Datenschutzprozesse des Parlaments weiter überprüfen". Eine Untersuchung zur Frage, ob die Nutzung der Website durch das Europäische Parlament und die damit verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten den für die Organe der Union geltenden Vorschriften genügen, läuft sowieso noch.

Man wird nie wieder davon hören.

3 Kommentare:

  1. Man wird nie wieder davon hören.

    Hah, die Wette halte ich. Ich bin mir sicher, dass wir am 01.05.2028 einen weiteren Zwischenbericht über den Fortgang erhalten werden und das am 24.12.2035 mit einem absolut schonungslosen Schlussbericht über den Vorgang fest gerechnet werden kann.
    Das das Ganze bei der nächsten Wahl wieder so ablaufen wird, ist davon selbstverständlich nicht betroffen.

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  2. @Jodel Wichtig ist, dass Zwischenbericht und Abschlussbericht in alle Sprachen der dann noch verbliebenen Mitgliedstaaten der EU übersetzt werden, bevor sie in die Tonne gekloppt werden.

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  3. Man sollte nicht zuviele Bürgerinnen und Bürger auf solche Wahlen aufmerksam machen, weil sich bekanntlich erwiesen hat, dass man zunehmend die falschen zur Wahl lockt.

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