Samstag, 9. November 2019

Wie die BRD gerettet wurde: Die Mauerblüher

Wenn die Mauer noch stände, wäre auch die alte BRD immer noch da.
Karl Marx hatte vorhergesagt, dass "eine Revolution" eines Tages "zur völligen Umwälzung der Besitzverhältnisse führen" werde. Der Tag kam vor 30 Jahren, als in Berlin die Mauer und das angebliche Volkseigentum der DDR nachfolgend zu 85 Prozent an Westdeutsche, zu zehn Prozent an internationale Investoren und zu immerhin beinahe Prozent an gebürtige Ostdeutsche fiel.

Der Westen, Sieger im Kampf der Systeme, blieb, wie er war. Der Osten wandelte sich äußerlich und blieb im Inneren doch immer "Dunkeldeutschland", eine Gegend mit abstoßenden Dialekten und bräsiger Bevölkerung. Zusammen sehen beide heute dennoch aus, als habe es die Vergangenheit gar nicht gegeben: Nicht das ganz normale Leben in der DDR, von der nur Stasi, Honi und Trabi geblieben sind., Und nicht die Krisen der alten Bundesrepublik, die Streiks, Attentate, die pöbelnden Politiker, den Hass, die Startbahn West und die Grabenkämpfe von Gorleben.

Was wäre wohl aus dieser "BRD" geworden, wenn die Mauer nie gefallen wäre?

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Am 9. November 1989 fiel keine Mauer. Keine DDR brach unter der Sehnsucht der Menschen nach Freiheit und der eigenen desolaten Wirtschaftslage zusammen. Kein Glücksmoment der deutschen Geschichte, kein Ende der Wirtschaftskrise, in der die gute alte BRD, wie sie damals alle nannten, steckte. Statt einen blitzblanken neuen Markt im Osten zu versorgen und sich dabei zu sanieren, blieb alles wie es war in Köln, Hamburg und Düsseldorf. Hunderttausende streiten für ihre Arbeitnehmerrechte. Die SPD goß  "unterschiedliche Konzeptionen in unverträgliche Kompromisse", "der kann es nicht", sagte Heiner Geißler über Bundeskanzler Helmut Kohl.

Ein Land in Ruinen


Ein Land in Ruinen, stöhnend unter Staatsverschuldung und leidend unter einem Gesundheitssystem, das nur reformierbar schien, indem den Bürgern erheblich höhere Kosten für Arzneien und ärztliche Versorgung zugemutet würde. Europa auf der anderen Seite stagnierte, konkrete Schritte zu einer engeren Bindung gibt es schon seit Jahren nicht mehr. Eien Gemeinschaftswährung wie der Euro? Undenkbar. Die Abschaltung der Kernkraftwerke? Niemals.

Wäre die DDR nicht zusammengebrochen, wäre es dabei geblieben. Wolfgang Schäuble (71) wäre Bundeskanzler und und Parteivorsitzender geworden, denn ohne die Übernahme der ostdeutschen Leuna-Werke durch die Treuhand und den Weiterverkauf nach Frankreich hätte es keinen Bestechungskandal gegeben, zumindest wäre er nie bekannt geworden. Keine Aktentasche, keinen Zwist mit Kohl, kein Merkel-Aufstand. Die CDU finanzierte sich bis heute aus imaginären jüdischen Großspenden und verschwundenen Geldkoffern.

Schäuble, noch von Vorgänger Kohl ernannter planmäßiger Thronfolger, hätte kleinere Reformen eingeleitet, aber am Machtanspruch seiner Partei nicht gerüttelt. Ebenso das Schicksal der SPD: Geführt vom greisen Oskar Lafontaine, der eine Krebserkrankung überstanden hat, ohne dass Nahles, Gabriel oder Kühnert den Mut aufgebracht hätten, gegen den größten aller Saarländer seit Honecker zu rebellieren. Lafontaine lebt nach wie vor mit seiner Frau in der Villa zur sozialen Gerechtigkeit in Saarbrücken, denn Sahra Wagenknecht hält sich weiterhin in der DDR auf.

DDR-Staatsbürgerschaft anerkannt


DDR-Bürger dürften in den Westen reisen, doch der teure Umtauschkurs Ost-Mark zu Euro (50:1) macht dies zum Luxus. Ausreiseanträge werden kaum noch gestellt, seit die Bundesregierung 1994 die DDR-Staatsbürgerschaft anerkannt und das Begrüßungsgeld abgeschafft hat, weil der Zustrom der dadurch angelockten oft schlecht ausgebildeten Ostdeutschen nicht mehr zu bewältigen war. Ohne die Wiedervereinigung war die Bundesrepublik allerdings in eine tiefe Rezession gestürzt, viele Betriebe mussten dicht machen, die Arbeitslosenzahlen stiegen beständig, die Zinsen ebenso. Gut für Vermögensbesitzer, schlecht für Verschuldete.

Um die immer noch vorhandene deutsche Exportstärke abzuwehren und ihre schwächelnden Industrien zu stärken, hatten Frankreich, Spanien und England Ende der 90er Jahre neue Zollschranken hochgezogen. Auch Griechenland und Italien setzten auf geschlossene Grenzen für deutsche Industrieprodukte. Die Märkte in Osteuropa sind nach wie vor dicht, mit Hilfe von Krediten, für die CSU-Chef Seehofer bei der bayrischen Landesbank bürgt, gelang es allerdings, 100.000 BMW-Kleinwagen in die DDR zu exportieren.

Leere Geschäfte sind 2019 auch in der BRD normal. Die Preise sind gestiegen, Importe sind wegen der deutschen Zollschranken, mit denen die Bundesregierung auf die Zölle der Nachbarn reagiert hat, teuer. Siemens ist im Wettrennen der Handyhersteller dennoch ins Hintertreffen geraten – das Siemens Touch gilt Kennern als billige Kopie des aus Korea stammenden Samsung Galaxy. Die Herstellung des Touch in Bochum gilt jedoch als hochprofitabel, da nur wenige Reiche sich die wegen des hohen Dollarkurses als unbezahlbar geltenden US-Originale leisten können.

Da Schäuble sich scheut, die Staatskassen mehr als nötig mit Schulden zu belasten, lobt die OECD Deutschland wegen seines soliden Haushalts. Gleichzeitig kritisiert die Weltbank allerdings, dass es an Mut zu Investitionen fehle. Helmut Kohl hat die Spendernamen nie genannt, im Sommer kommt allerdings heraus, dass die US-NSA sie die ganze Zeit kannte. Schäuble nennt den Vorwurf im Bundestag ein „Stasi-Märchen“. Joschka Fischer, nach wie vor der große starke Mann der Grünen, nennt ihn daraufhin ein Arschloch.

Deutschlandnetz gegen Ostspione


Verglichen mit der DDR ist die BRD auch im Internet eine Macht. Mit SAP gibt es eine bedeutende Softwarefirma, mit dem sogenannten Deutschlandnetz ein probates Mittel gegen Ostspione. Wegen der Gefahr, dass die ostdeutsche Stasi und der sowjetische KGB alle Leitungen abhören, laufen alle Verbindungen ins sogenannte Deutschlandnetz über einen großen Zentralrechner des Cybercrime-Zentrums des Innenministeriums. Hier werden auch gezielt Seiten wegen kommunistischer Propaganda, Kinderpornografie und Rechtsextremismus gesperrt.

Im Fernsehen moderiert immer noch Thomas Gottschalk „Wetten, dass…“, weil der Italiener Markus Lanz seit dem Zollkrieg mit Rom keine Arbeitserlaubnis mehr bekommt. Der Auftritt der Toten Hosen ist jedes Jahr der Höhepunkt der Weihnachtsshow in der ARD.


Ihre Klimaziele verfehlt die Bundesrepublik weiterhin deutlich und nachhaltig. Da die marode DDR-Industrie im Osten weiterläuft, konnte deren Abschaltung der Bundesrepublik nicht als eigene Reduktion gutgeschrieben werden. Seit 1990 erreichten die alten Länder aus eigener Kraft so nur eine Reduzierung von neun Prozent. Das macht knapp 0,7 Prozent pro Jahr und bis zum neuen Klimaziel, das Schäuble im September aufgrund der #fridaysforfuture-Streiks verkündet hat, würde es bei diesem Tempo noch mehr als 17 Jahre dauern. Die alte Bundesrepublik würde ihre Versprechen an die Weltgemeinschaft nicht 2020 einlösen, sondern erst im Jahr 2037.

SPD-Reisen für Linientreue


Die SPD betreibt inzwischen ein eigenes Reisebüro, das Ferien in befreundeten Ländern wie Kuba, der DDR, Rumänien und Libyen anbietet, doch nur Linientreue bekommen einen der begehrten Plätze. Die beiden Doppelweltmeister Bastian Schweinsteiger und Phillip Lahm sind die Stars beim FC Bayern, der von einem als ehrbar und ehrliche geltenden Uli Hoeneß zu inzwischen sieben Champions League-Titeln geführt wurde. Real Madrid, Barcelona, aber auch Chelsea und Manchester sind bereits seit Jahren keine Konkurrenz mehr für die Bayern, denn den einen fehlt das Geld der sowjetischen Oligarchen, die es ja nicht gibt. Die anderen haben wegen der hohen Zinsen und der maroden spanischen Wirtschaft Schwierigkeiten, die Gehälter spanischer Mittelklassespieler aufzutreiben.

Trotzdem herrscht gerade im Mittelbau des Bürgertums schlechte Laune. Die erste Nachkriegsgeneration der in den 50er geborenen Politiker, Beamten und leitenden Angestellten besetzt störrisch die besten Posten, die Kinder der 70er und 80er Jahre müssen sich mit subalternen Stellen begnügen, weil ohne die Befreiung der DDR zehntausende Aufstiegsmöglichkeiten in der Politik, in der Wissenschaft, in Behörden und Institutionen fehlen. Es gärt im Kessel, dessen Ränder längst heißgelaufen sind. Kanzler Schäuble, 77 inzwischen und nur noch gelegentlich öffentlich zu sehen, hat bereits angekündigt, dass er zur nächsten Wahl nicht mehr antreten wird. Durchschnittlich müssen BRD-Bürger ihr klein Häuschen 25 Jahre absparen - eine Belastung, die nicht mehr jeder auf sich nehmen will. In der DDR haben es die Menschen leichter, sie wohnen zur Miete und sind glücklich.  Die meisten beginnen deshalb auch nicht gleich bei der Geburt ihres Kindes mit dem Bau eines Hauses, das pünktlich abgezahlt ist, wenn die Kinder ausziehen. Das von der dominanten Klasse der Reichen geprägte Wertesystem des Westens wird immer öfter infragestellt, ebenso die Behauptung, dass eine Ansammlung von Reichtum auf die Möglichkeit des sozialen und materiellen Aufstiegs hinweist und Armut nur ein Mangel von persönlichen Fähigkeiten ist.

Zahl der kommunistischen Parteien sinkt

Da es in der BRD rund fünfzehnmal mehr kommunistische Parteien gab als in der konkurrierenden DDR, sank diese Zahl durch die ausgefallene Einheit deutlich, weil die DDR keine Hilfszahlungen mehr leisten konnte. Mit dem Radikalenerlass - poetisch "Grundsätze zur Frage der verfassungsfeindlichen Kräfte im öffentlichen Dienst" genannt - war zwar der Versuch unternommen worden, die Deutsche Kommunistische Partei zu verbieten, die nach Ansicht der staatstragenden Parteien im Begriff war, die Macht zu übernehmen. Aber auch danach waren Kommunisten nicht selten, sondern an der Tagesordnung. In den 80er-Jahren konnten sie in ländlichen Regionen nur selten, in städtischen Biotopen aber überall angetroffen werden. Kommunisten in der BRD hatten eine eigene Zeitung, sie betrieben Kindergärten und Ferienlager und in Lehrgängen propagierten zahlreiche Universitätsprofessoren die Politik von Mao und den Roten Khmer. Erst die Ereignisse der 90er Jahre lösten die ideologischen Fesseln, so dass eine Annäherung durch Entfremdung entstand.


Wie seine Nachfolger all die Krisen bewältigen wollen - die weiter bestehende Block-Konfrontation mit der Sowjetunion etwa, die für die Bewahrung des Friedens immer mehr Fördermittel fordert - wird sich erst noch zeigen müssen.

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