Von wegen langsam, behäbig und Neuem prinzipiell abhold! Mitten in der Diskussion um die Gefahren durch die erfolgreiche chinesische App TikTok hat die ARD regiert: Die renommierte „Tagesschau“ gibt es ab sofort auch in der Karaoke-App, die bei Jugendlichen so beliebt ist. Amerikanische Sicherheitsbedenken gegen die staatlich überwachte Video-Plattform aus China konnte die ARD ausräumen, indem ein entsprechender eigener anklagender Bericht als Geste guten Willens aus der Mediathek entfernt wurde.
Im Kampf um höhere TV-Gebühren kommt TikTok gerade richtig. Zwar kritisieren Hongkongs unbelehrbare Demokratie-Aktivisten, dass dem chinesischen Regime mit jeder einzelnen TikTok-Nutzung gratis Daten geliefert würden. Doch um höhere Gebühren zu rechtfertigen, brauchen die öffentlich-rechtlichen Sender allmählich auch wieder ein paar jüngere Zuschauer.
Im Moment leben sie noch von theoretischen Einschaltquotenberechnungen, von denen spätestens seit dem Aufkommen von Netflix und Co. jedermann weiß, dass sie weitgehend erfunden sind. Obwohl heute rund ein Drittel der Deutschen angibt, regelmäßig Streamingplattformen einzuschalten, beharrt die ARD zum Beispiel darauf, dass heute im Durchschnitt noch exakt so viele Menschen die Hauptausgabe der „Tagesschau“ um 20 Uhr ansehen wie vor einem Vierteljahrhundert. Ein Trick, der selbst bei bestem Framing nicht ewig funktionieren kann.
Dann spätestens wird TikTok gebraucht, ein Teil der Grundversorgung für Jüngere, inklusive Zensur, Tabuthemen und lustiger Grimassen der Nachrichtensprecher. Die Redaktion der „Tagesschau“ steigt mit ihrem eigenen Kanal bei der App gleichzeitig in die Grundversorgung von 500 Millionen angemeldeten TikTok-Nutzern in mehr als 150 Ländern ein, die meisten davon jung genug, eines Tages vielleicht sogar in Deutschland zu leben. Theoretisch erreicht die Nachrichtensendung damit sogar mehr Nutzer als mit ihrem Angebot auf Snapchat, dem Portal mit den fröhlichen Katzennasen.
Laut Schätzungen soll sich bereits jeder zweite Teenager in Deutschland die TikTok-App heruntergeladen haben, bei der Beiträge zu Themen wie Homosexualität, Alkohol und Nacktheit nach chinesischem Hausrecht zensiert werden. Bei der ARD hofft man, dass der Rest folgt, sobald die „Tagesschau“ live ist. Vorbild ist der erfolgreiche Youtube-Kanal, den die ARD mit ihrem Jugendsender
Deutsch-chinesisches Verhältnis: Von Deutschland lernen
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