Sie hetzten, sie erhoben sich trotzig über andere, marschierten seit Jahren immer montags mitten durch die Innenstadt und störten sich nicht einmal daran, dass Behörden und Kirchen anfangs konsequent alle Lichter löschten, um zu mehr Menschlichkeit zu mahnen. Sachsen, so schlimm das klingt, haben in den vergangenen Jahren mehrfach bewiesen, dass sie unbelehrbar sind, zu keiner Einsicht bereit und eher gewillt, Nazis zu wählen als einzusehen, dass es für jeden einzelnen Hutbürger im Freistaat noch ein weiter Weg sein wird bis zum Entwicklungstand eines ganz gewöhnlichen Bürgers von Ulm, Offenbach oder Wiesbaden.
Lange dachten die Menschen in Dresden. Leipzig und Chemnitz dennoch, sie kämen ungestraft und ohne Konsequenzen durch mit ihrer Demokratieverweigerung und dem Versuch, den Brüdern und Schwestern in den alten Bundesländern die verdiente Dankbarkeit für die Errettung aus dem Jammertal der DDR-Diktatur nicht zu zollen.
Aktivisten greifen an
Jetzt aber haben unbekannte Aktivisten die Sachsen dort angegriffen, wo sie besonders empfindlich sind: Bei ihrer vielbeschworenen und angeblich so besonderen Identität, die viele Ewiggestrige in der ostdeutschen Provinz bis heute an längst vergangenen Zeiten festmachen. So dass die nach ersten Angaben der Polizei womöglich aus Berlin angereisten Täter leichtes Spiel hatten, einen echten Wirkungstreffer zu landen: Am Montagmorgen stiegen sie durch ein Fenster ins weit über die Dresdner Stadtgrenzen hinaus bekannte Grüne Gewölbe ein, schlugen das Sicherheitsglas einer Vitrine kaputt, das vor allem gegen eventuell durchs Dach eindringendes Regenwasser schützen sollte, und stahlen drei Garnituren mit Blutdiamanten, die den Sachsen als „Staatsschatz des 18. Jahrhunderts“ gelten.
Eine spektakuläre Aktion mit großem politischen Potenzial, deren kühle und überlegte Handschrift auf professionelle Urheber deutet. Denn der gemeine gemeine Sachse hält sich zugute, selbst mitverantwortlich für die Entstehung aller „Kunstwerke von unschätzbaren Wert“ (Die Welt) zu sein, die im Grünen Gewölbe ausgestellt sind. Auch die jetzt demonstrativ entwendete Diamantengarnitur mit 20 Teilen sowie eine Blutbrillantengarnitur und eine weitere Diamantengarnitur mit jeweils 37 Teilen gelten den nach Jahren der Abwanderung verbliebenen Bewohnern der Region als Anlass für Stolz und Dünkel anderen Völkern gegenüber, die nicht dieselbe Hingabe für teuren Edelsteinschmuck entwickeln konnten, weil die Kolonialmächte frühzeitig begannen, entsprechende Sehnsüchte mit Feuer und Schwert zu bekämpfen.
Die Schadenshöhe ist nicht genau zu beziffern, denn die Räume des Museums sind eigentlich streng gesichert. Aber es gibt Videoaufnahmen der Täter, die sich zurzeit auf der Flucht befinden, zuvor aber "gezielt auf eine Vitrine zugegangen" und diese "zerschlagen" hätten, wie die inzwischen auf den Namen „Epaulette“ getaufte Sonderkommission berichtet. Bedingt durch einen Stromausfall war es zum Tatzeitpunkt in Dresden sehr dunkel, auch die Straßenlaternen in der Landeshauptstadt waren ausgefallen. Dennoch fanden die Täter einen Weg, den streng gesicherten Raum nach der Tat wieder zu verlassen.
Das Juwelenzimmer gilt als der prachtvollste Raum des Grünen Gewölbes. Hier sind die pompösen Kunstgewerbearbeiten zu sehen, die sich die sächsischen Könige von ihrem Volk finanzieren ließen. Täfelungen, Spiegel, Türbekrönungen mit Kurhut und Königskrone, Pilaster und Marmorfußboden zeigen, dass auch Monarchien zu grenzenloser Verschwendung fähig sind. Kombiniert mit den allgegenwärtigen Brillanten, Diamanten, Smaragden, Rubinen und Saphiren, die hier zumeist nach Farben sortiert angeordnet sind, wird daraus ein Ensemble, das Kritiker als "überladen wirkendes Sammelsurium von Glitzerzeug" bezeichnen. Besonders pompös: Die sogenannten „Juwelen der Königin“, die drei Meter Diamanten und Brillanten auf tiefdunkelblauer indischer Rohseide präsentieren.
Pegida und das Grüne Gewölbe
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ordnete den Einbruch umgehend als Tat ein, die kein normaler Diebstahl sei. Bestohlen worden seien "wir Sachsen!“, sagte der schockierte CDU-Ministerpräsident. Die Werte, die im Grünen Gewölbe und im Residenzschloss zu finden seien, seien von den "Menschen im Freistaat Sachsen über viele Jahrhunderte hart erarbeitet worden", betonte er und verwies auf die Unmöglichkeit, Phänomene wie die Kohl-Begeisterung des Dezember 1989 oder später das Entstehen der Pegida-Marschbewegung zu "verstehen, ohne das Grüne Gewölbe und die Staatlichen Kunstsammlungen Sachsens“ zu kennen.
Der feige „Anschlag auf die kulturelle Identität aller Sachsen“, wie es Sachsens aus Duisburg stammender Innenminister Roland Wöller (CDU) nennt,schlägt Wellen bis Berlin. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Monika Grütters verurteilte den Einbruch in das Grüne Gewölbe als erschütternd und schockierend und verwies darauf, dass die entwendeten Stücke, "unsere Identität als Kulturnation ausmachen". Angesichts generalstabsmäßig organisierter hochkrimineller Täter sei der "noch stärkere Schutz unserer Museen und Kultureinrichtungen eine Aufgabe von höchster Priorität“, sagte die umgangssprachlich auch als "Kulturstaatsministerin" bezeichnete CDU-Politikerin. Für denkbar halten Beobachter, dass die Bundesregierung sich in Bälde entschließen könnte, mit einem "Sichere Museen"-Gesetz bindende Standards für doppelt verglaste Diamantencolliervitrinen vorzuschreiben.
Die Wächter sehen dem Einbruch per Video zu, dürfen aber auf Grund einer Vorschrift nicht eingreifen. Das kann man sich nicht ausdenken. Zum Glück haben sich alle an die Vorgaben gehalten. Nicht auszudenken, was hätte alles verhindert werden können.
AntwortenLöschenUnd so fügt sich damit wieder ein passgenau geschliffenes kleines Mosaiksteinchen in das grandiose Gemälde über den Zerfall unseres der Ausplünderung von allen Seiten freigegebenen Staates. Wenn es erst einmal fertiggestellt sein sollte, wird uns die Welt um die Schönheit unseres Niedergangs beneiden.
Nur um das Häuflein ewig Gestriger, die der Verlegung des Mosaiks fassungslos zusehen, kann es einem Leid tun. Aber nur ein bisschen. Deren Tränen verleihen diesem Mosaik erst den letzten, perfekten Glanz.
Wer braucht diesen überteuerten Dreck, der doch nur gepressten Kohlenstoff ist??
AntwortenLöschenDie Wertigkeit dieser aus der Erde geholten Klumpen haben doch nur "Menschen"
festgelegt. Ich brauche Das nicht! Und muß es mir nicht ansehen!
Und was ist mit den bedruckten Baumwolllappen in ihrem Geldbeutel oder dem gelben Zeugs Namens Gold, das die Menschen seit tausenden Jahren mühevoll aus dem Dreck graben. Falls Sie dem auch überdrüssig sind, würde ich ihnen diesen menschlichen Tand ohne eigene Wertigkeit gerne abnehmen. Den Wert den ein Ding oder eine Sache für Menschen hat, können immer auch nur Menschen bestimmen. Wer auch sonst? Ein Mistkäfer hat sicher einen ganz anderen Blick auf Werthaltigkeiten.
AntwortenLöschenMal ab davon, dass der Wert von etwas dann immer im Auge des Betrachters liegt. Was unterscheidet uns denn im wesentlichen vom restlichen Nutzvieh um uns herum. Außer Gewehren natürlich. Wir haben ein inhärentes Bedürfnis schönes und kulturelles zu schaffen. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Wenn wir damit aufhören und uns nur noch auf das absolut nötige beschränken, sind wir wieder auf dem Stand von Schimpansen oder Ameisen. Dann können wir auch das Licht ausknipsen und zurück in die Höhlen ziehen.
Für vieles gäbe es eine Lösung. Man muß nur wollen.
AntwortenLöschenhttps://www.youtube.com/watch?v=xLV2Nd77lmY
re Wolfgang Fubel : ist es so ?
AntwortenLöschenso einfach .
alles so einfach im Wolfgang Gehirn
@ Wolfgang (~ kämpft wie ein Wolf): Der Fuchs und die Trauben ...
AntwortenLöschen(Wilhelm Busch: Enthaltsamkeit ist das Vergnügen / an Sachen, welche wir nicht kriegen ...)
Anonym
AntwortenLöschenSicherlich ist es nicht einfach und ich unterliege ja auch
gewissen Zwängen, die in dieser Gesellschaft aufgebaut wurden.
Aber nur bis zu einen gewissen Grad! Ich muß nicht alles was
als eine "Wertigkeit" bezeichnet wird anerkennen. Das gild jedenfalls
für mich. Auch beanspruche ich nicht meine Meinung, als die Einzig
Richtige zu bezeichnen! Ich muß, wie viele Andere auch mit Dingen
leben, die ich eigendlich verachte, das zwingt mir die Gesellschaft
auf, in der ich lebe und es ist ja nicht alles schlecht!
wollte nur sagen, das es Dinge giebt, für mich, die in Ihrer Wertigkeit
völlig überzogen sind!