Samstag, 9. November 2019

HFC: Im Schlafwagen zur Ernüchterung

Die Krisenbewältigung beginnt diesmal schon auf dem Spielfeld. Kaum drei Minuten ist der Schlusspfiff im Heimspiel des Halleschen FC gegen 1860 München verklungen, da finden sich Spieler, Trainer und Betreuer des HFC auf dem Rasen zu einem Kreis zusammen, um den Stand der Dinge zu besprechen. Und der ist, nach einem weiteren Heimspiel, das so enttäuschend ausfiel wie die letzten, hundsmiserabel. Der Überraschungsklub der 3. Liga, eben noch Tabellenführer, ist nach der zweiten Pleite in Folge auf dem direkten Weg ins Tabellenniemandsland. Gegen 1860, vor knapp 30 Jahren Gegner in der Qualifikationsrunde zur 2. Bundesliga, kam diesmal als Punktelieferant an die Saale. Und fährt nach einem überlegen geführten Spiel gegen fast durchweg ängstlich, leidenschaftslos und verunsichert wirkende HFC-Spieler mit einem 1:0-Sieg und drei Punkten nach Hause, die der HFC selbst unbedingt benötigt hätte, um Wiedergutmachung nach dem verlorenen Derby gegen den Regionalkonkurrenten aus Magdeburg zu be- und die ersten Gerüchte über eine aufkommende Formkrise zu vertreiben.

Aber es ist nicht der Tag der diesmal wieder im traditionellen Rot aufgelaufenen Männer von Trainer Torsten Ziegner. Der hat 48 Stunden zuvor seinen Vertrag verlängert und dabei das Ziel bekräftigt, in dieser Saison in die 2. Bundesliga aufsteigen zu wollen. Wie seine Mannschaft aber das Spiel beginnt, in dem Tabellendritter auf Tabellen-15. trifft, spottet diesem Vorhaben Hohn. Ohne Lindenhahn und Nietfeld, dafür mit Vollert und Washausen, traben die Gastgeber eine halbe Stunde über den Platz, als warteten sie noch auf den Anpfiff von Schiedsrichter Jablonski. 1860 hält gut mit, ohne mitzuspielen, die Blau-Weißen stehen klug verteilt und schauen sich in aller Ruhe an, wie die HFC-Abwehrreihe mit Kastenhofer, Vollert und Landgraf den Ball minutenlang vor der eigenen Strafraumgrenze querpasst. Und noch mal quer. Und halb vor. Und zurück. Und wieder quer.

Der HFC hat kein Mittelfeld und der Zweiersturm mit Terrence Boyd und Pascal Sohn hat nie den Ball. Patrick Göbel bekommt ihn manchmal, doch statt sich im Eins-gegen-eins zu versuchen, passt er zurück. Torchancen gibt nicht, es gibt nicht einmal Chancen auf Torchancen. Außer für die Gäste, die zu ihrer eigenen Verblüffung in der 17. Minute zum ersten Mal von einem HFC-Spieler eingeladen werden, es doch mal offensiv zu probieren. Lex trifft aber dann doch nur den Außenpfosten.

Doch kein Ruck geht durch die HFC-Elf, kein Ärmelaufkrempeln ist zu sehen und kein Bemühen, den Schlafwagen zu verlassen, in dem das Spiel der Halbzeit entgegenschleicht. Ein Schuss von Boyd und ein Freistoß aus zentraler Position sind das einzige Nennenswerte, was die ehemale Torfabrik der Hallenser zustandebringt.

Es ist dann Jan Washausen, der in die Stammelf zurückgekehrte Kapitän, der dem sich anbahnenden Debakel zu numerischem Ausdruck auf der Anzeigetafel verhilft. Bei einem Abwehrversuch bedient er er den voluminösen Mölders, der leitet zu Lex weiter und der nutzt seinen zweiten Torabschluss zum ersten Treffer.

Zur Halbzeit wechselt Ziegner Washausen aus, dafür darf nun Drinkuth sich auf der Seite versuchen, auf der Julian Guttau zur zum auffälligsten Spieler des HFC geworden war. Wozu nicht allzuviel gehörte. Aber auch mit dem neuen Mann kippt das Spiel nicht in die von 8000 der 8500 Zuschauer für richtig gehaltene Richtung. Pomadig wie gehabt bestreiten die drei Abwehrspieler des HFC die Begegnung im Grunde genommen allein. Während der HFC darauf wartet, dass 1860 beim Verschieben irgendwo eine Lücke aufmacht, verrinnt die Zeit. Torsten Ziegner sitzt auf der Bank und schaut zu, offenbar immer noch der Ansicht, dass es sich mit der heute gewählten Taktik verhält wie mit dem Sozialismus: Prinzipiell eine wunderbare Idee, nur richtig umgesetzt werden muss sie noch.

Je knapper die Zeit wird, desto mehr löst sich aber die Ordnung. 1860 kommt nun aller paar Minuten zu vielversprechenden Offensivaktionen. In der 58. Minute schießt Lex noch mal an den Pfosten. In der 65. schießt Dressel freistehend knapp am Tor vorbei.Und in der 70. rettet Eisele auf unerklärliche Art gegen Lex, der jetzt eigentlich bei vier Toren stehen müsste.

Ziegner hat nun Nietfeld für Bahn auf dem Platz, statt des Dauerdribblers hätte er ebensogut Jopek oder Sohm aus dem Spiel nehmen können. Später kommt noch Hansch für Abwehrchef Vollert, ein Wechsel, der zumindest dahingehend optische Wirkung zeigt, dass Göbel, der die Außenverteidigerposition übernimmt, nun plötzlich Flankenläufe ansetzt und dreimal sogar eine Flanke in den Strafraum bringt.

Ohne Ergebnis allerdings. Das Tempo ist jetzt höher, die Abschlussaktionen aber sind immer noch an einer Hand abzuzählen. Es häufen sich die Ecken, die wie schon seit Wochen gern spielerisch als kurze Variante ausgeführt werden, so dass bei 1860 gleich gar niemand Angst bekommen muss. Ein Aufbäumen ist das nicht, allenfalls ein Aufbäumchen, zart und empfindlich und ganz nah am 0:2 gebaut. In der 70. schafft es Routinier Mölders, nach dem Vorbild seines Kollegen Lex einen 200-prozentige Torchance nicht zu versenken.

Der HFC bleibt am Leben, ist zugleich aber immer noch mausetot. Nichts ist übrig von der Mannschaft, die im Oktober noch so begeisternden Tempofussball spielte, die kombinierte, trickste und schoss, dass es eine Freude war, selbst vergebene Torchancen anzuschauen. Zwei Wochen hat Torsetn Ziegner nun Zeit, die Ursachen des ebenso unerwarteten wie unübersehbaren Leistungseinbruchs zu finden und sie zu beseitigen. Dann geht es nach Jena und um die Rückkehr in die Erfolgsspur.


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