Dienstag, 22. Oktober 2019

SPD-Chef Böhmermann: Die Qual der Wahl

Böhmermanns Brief, im Original mit offiziellem SPD-Briefkopf: Der Komiker trampelt höhnisch auf der Leiche herum.
Am schlimmsten ist es, wenn die Leute sich dann auch noch lustig machen. Wenn gelacht wird über Gebrechen, darüber, wie krumm einer geht oder steht oder wie komisch er spricht. Wie klein er ist, wie hässlich und dumm! Und nicht nur, dass alles falsch sein muss, was so einer tut oder lässt.

Es wird ihm auch noch grinsend unter die Nase gerieben, was er früher war. Ein stattlicher Kerl, drei Meter groß und mit einem Womanizer-Face wie George Clooney. Schlagfertig! Wohlriechend! Solche Muskeln! Witzig natürlich auch, gut im Bett und bei Bedarf doch so weiblich. Vorgedacht hat er damals beim Umweltschutz, seiner Zeit weit voraus. Er hat den Sozialstaat erfunden und aufgebaut. Und versöhnt, wo immer er konnte – Ost mit West, Kapital mit Arbeit und sich selbst mit jedermann.

Aber jetzt ist anders, jetzt ist schlimm. Ach, was schlimm. Schrecklich ist es. Seit  Monaten, die sich anfühlen wie all die langen Jahre seit dem Rücktritt von Gerhard Schröder, verhandelt die deutsche Sozialdemokratie mit sich selbst über einen neuen Vorsitzenden. Da von Anfang an feststand, dass sie diesen nicht finden können wird, sollen es zwei sein: Mann und Frau, aber nicht Andreas Nahles und Gunter Gabriel, sondern zwei irgendwie charismatischere Figuren, gern ein wenig jünger und viel verbindlicher, bekannter am besten auch und ganz, ganz gern mindestens so links wie Robert Habeck, wenn er weit rechts von Annalena Baerbocks Koboldfarm steht und einen Vortrag über besonders stromsparende Methoden der Talkshowteilnahme spricht.

Herausgekommen ist ein Kandidatenmarathon, aus dem bereits kurz nach Beginn nicht nur die Öffentlichkeit, sondern sogar die SPD-eigenen Medien ausstiegen. Zu viele Bewerber, zu ähnlich, mit lauter gleichen Ansichten und Versprechungen. Und mit Dutzenden Namen wie Schall und Rauch, jeweils im Duett angeordnet und so prominent, dass auch nach der 457. von Phoenix in den leeren Raum übertragenen Casting bei jedem einzelnen noch dazugesagt werden muss, was er im normalen Parteileben macht. Gesundheitsexperte etwa, oder Ostversteherin oder Innenminister.

Naheliegend, dass diese Kandidatenkür, für die Bezeichnung "Qual der Wahl" erfunden worden zu sein scheint, Konsequenzen haben musste. Und da sind sie nun auch schon: Jan Böhmermann, ehemals vorverurteilter Präsidentenbeleidiger und seitdem im Nebenberuf politischer Aktivist, bewirbt sich nun noch einmal und diesmal richtig ernsthaft um den Posten als SPD-Führungsduo. Jan und Böhmi, das passt, er kleine und der müde Joe, ein Aufbruchssignal, wie es die SPD gerade noch vertragen würde. Kein Stromstoß, sondern ein kopfhautkraulendes ASMR-Video* ohne Ton.

Als sei das alles noch nicht fürchterlich genug, diese sozialdemokratische Lähmung, diese Verachtung für die einfachen Leute, die Pendler, die Schichtarbeiter und Minilöhner mit ihrer Vorliebe für Bier und Gegrilltes und Urlaub auf Malle stochert der GEZ-Komiker in der Wunde. Vor 50 Jahren sei mit Willy Brandt der erste Sozialdemokrat zum Bundeskanzler gewählt und vor 141 Jahren das von Kaiser Wilhelm "Sozialistengesetz" inkraftgesetzt worden. Ein guter Tag also für den vielfachen Grimme-, Romy- und Goldene-Kamera-Preisträger, die deutsche Sozialdemokratie aufzuuwecken, "indem wir Kids aus den Blocks die SPD abholen!" (Böhmermann).

Nun klingt "abholen" für alte Sozialdemokraten nicht nach einer Einladung, aber Böhmermann, geboren im Friedensjahr 81 im westdeutsch-idyllischen Bremen, meint es nicht so. Er weiß es nur nicht besser. Wenn er die älteste deutsche Partei mit einer "müffelnden, randvollen Wertstofftonne" vergleicht und ankündigt, "gemeinsam containern" zu wollen, dann ist das bester Staatshumor, nicht eben keimfrei und auch nicht besonders witzig. Aber aus Gebührengeldern bezahlt und deshalb entsprechend wertvoll.

Der guten Sache dient es außerdem, denn Böhmermann möchte auf dem SPD-Parteitag Anfang Dezember von 50 Delegierten als Kandidat ("zum Kandidaten", heißt es im Original) für den SPD-Vorsitz ("SPD Vorsitz") aufgestellt "und gewählt" werden. Da 50 Stimmen nicht reichen werden, ist das entweder unglücklich formuliert oder ein weiterer Tritt in die Weichteile einer Partei, beim der selbst das alle NSU-Opfer verhöhnende Böhmermannsche Versprechen, er sei der "Sozialdemokratischer Untergrund", nicht einmal mehr einen Abwehrreflex hervorruft: Die Leiche lacht nicht. nicht einmal, wenn sie eine Drahbürste kitzelt.

*„Autonomous sensory meridian response“

5 Kommentare:

  1. Das debile Gesinnungskasperle bringt es nicht mal fertig ein paar Absätze in einem öffentlichen Brief ohne Fehler zu fabrizieren.... "sozialdemokartisch" schon im ersten Satz des zweiten Absatzes.

    Schon ironisch, das ausgerechnet die allerunfähigsten Vollspacken konsequent meinen, ausgerechnet sie und nur sie, seien dazu berufen dem Rest zu erzählen, wie er zu leben hat.

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  2. Es steht zu befürchten, daß dieses (Selbstzensur) uns noch länger erhalten bleiben wird, als uns lieb ist. Sehet, die David-Frankfurter-Rundschau ward auch schon zweimal für pleite erklärt. Oder die Lauwarmen (die der HErr ausspeien wird aus seinem Munde): Wurden bei der letzten Bimbestagswahl wieder erfolgreich reaktiviert.
    Die Doofen werden nich' alle.

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  3. @anonym

    Selbstzensur mit Klarsichtfolie hat noch nie funktioniert. Da steht deutlich zu lesen das, was bei der Antifa nach Deutschland kommt.

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  4. Mein Kandidat der Herzen bleibt trotzdem Ralle Stegner. Dem kann Böhmermann in Sachen Selbstdemontage nicht das Wasser reichen. Seine unter das Volk gestreuten Einsichten in Gedichtform sind eine Erbauung für Jedermann. Auf steten Nachschub müssen wir gerade in Zeiten der Krise vertrauen können. Die SPD verdient diesen verdienten Genossen. Sein Gesicht spiegelt den Zustand dieser Partei besser als tausend Worte dies könnten. Stegner wird die SPD wie ein Kapitän zu Grabe tragen und nicht wie Böhmerman als Leichtmatrose.
    Wenn ich denn mitwählen dürfte, meine Stimme wäre dem Prinz des versteckten Lächelns absolut sicher.
    P.S. Wenn die SPD dann nach dem Ralf als APO fungiert, können sich der Jan und der Kevin um die Reste balgen. Dafür haben beide das passende Format.

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  5. Schon ironisch, das "ausgerechnet die allerunfähigsten Vollspacken konsequent meinen, ausgerechnet sie und nur sie, seien dazu berufen" dem Rest zu erzählen, wie er zu leben hat.

    Abschnitt in Anführungszeichen ist doch lupenreinste Definition des "Dunning-Kruger-Effekts".

    Fast ausschließlich aus dessen Vertretern rekrutiert sich unsere Politikerkaste.

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