Google-Trends, der gnadenlose Gradmesser von Aufstieg und Fall medialer Bedeutung, zeigt es schon seit Wochen: Fridays for Future, die Jugendbewegung, die Deutschland zuerst vollkommen durcheinander und dann als erstes Land weltweit auf einen klimafreundlichen Zukunftspfad brachte, befindet sich aktuell in einer akuten Existenzkrise.
Wie jede neue Bewegung, die unverhofft aufsteigt, alsbald aber durch kluges Regierungshandeln eingehegt und weggepflegt wird, war der Höhepunkt der Jugendproteste erreicht, als CDU, CSU und SPD nach Monaten des Leugnens des Aufstandes aus den Klassenzimmern beschlossen, den Gegnern ihrer Klimapolitik wie ein alter Boxer durch Mitgehen die Wirkung zu nehmen. Erst regnete Kanzlerinnenlob hernieder auf Greta Thunberg und Luisa Neubauer. Dann gebar die kollektive Klugheit der beiden maladen Regierungsparteien das historische Klimapäckchen, eine Mischung aus Ideen zur Erhöhung von Steuern, Versprechen auf Zeichen und Signale und viel positivem Zuspruch der Medien.
Als die Schule wieder anfing, war das Gröbste überstanden. Einmal noch blies die junge Bewegung zum großen Protesthalali, weltweit marschierten mehrere Promille der jungen Generation, gut beleuchtet und vielzitiert. Greta Thunberg sprach vor der Uno, wie das 16-Jährige immer mal tun. Keine Kampagne war das, von niemandem inszeniert! Bösartige Klimaleugner alle, die anderes behaupten.
Alss Luisa Neubauer nach einem habeckhaften Talkshowmarathon auch noch ein Buch vorlegte, in dem sie auf den langen Fahrradfahrten von einem Fernsehstudio zum anderen "Eine Geschichte unserer Zukunft" (Untertitel) unter dem Titel "Vom Ende der Klimakrise" aufgeschrieben hatte, war es soweit. Die Klimakrise war tatsächlich beendet. Die renitenten Klimakrieger von "Extinction Rebellion" liefern noch ein paar Nachhutgefechte. Aber eigentlich ist alles vorbei.
Nur haben es noch nicht alle bemerkt, die nicht mehr zur Schule gehen. Bilder aus München vom vergangenen Freitagsprotest zeigen auf erschütternde Weise, wie schnell der jugendliche Protest gealtert ist: Kaum sieben Monate, nachdem 12-jährige Schülerinnen die ersten Schlagzeilen machten, weil sie im Diskant "wir sind jung, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut" krietschten, statt im Chemieunterricht lästige Leerformeln zu büffeln, die sich alte weiße Männer vor Jahren ausgedacht hatten, stellen vollbärtige Greise, engagierte Omas und gutsituierte Berufstätige auf Neugierexkursion das Gros der Klimastreikenden.
Die neuen Aktivisten von Fridays from the past tragen tiefe Sorgenfurchen auf der Stirn und kleine, süße, handgemalte Plakate mit "Klima spielt die 1. Geige" in der Hand, sie halten Banner mit "for our future" vor den Wohlstandsbauch und bezeichnen sich selbst als "Senioren for future", als könnte irgendjemand sie irrtümlich für Grundschüler halten. Die aber sind schon längst nicht mehr da, denn jede Rebellion stirbt im selben Moment, in dem die, gegen die rebelliert werden soll, sich zu einem Teil des Aufstandes erklären.
Nun - der Hauptzweck all dieser medienträchtigen und folglich kommerziell fruchtbaren Mühewaltungen ist erreicht, auch die greisen, einsamen Nachklapper dürfen noch etwas Honig saugen: Sie dürfen sich selbst als Teil eines mächtigen Schwarms fühlen, der für das Heil (Heil! Heil!) des Klimas und also der Menschheit hinter Transparenten versammelt, wochenlang auf allen Kanälen und in allen Schwatzbuden Thema Nr. 1 war.
AntwortenLöschenAlexander Grau hat ein gut lesbares Buch dazu geschrieben: Politischer Kitsch - eine deutsche Spezialität
Wer sich näher mit der Geschichte Japans im II. Weltkrieg befasst (oder mit Maos Kulturrevolution), dem wird die Bereitschaft deutscher "Volksmassen", kollektiven Wahnvorstellungen bis in den Untergang zu folgen, nicht mehr singulär erscheinen. Er wird auch kaum glauben, dass Kitsch jemals aussterben könnte.
@ppq:
AntwortenLöschenDanke für diesen Beitrag.
dass ich das noch erleben darf.
AntwortenLöschenAnscheinend lässt sich in Deutschland absolut jedes nur erdenkbare Problem mit einer gezielten Steuererhöhung lösen. Faszinierend. Das sollte mal genauer untersucht werden.
AntwortenLöschenAber was machen wir nur mit all den Problemen wenn wir endlich bei 100 % Steuer angekommen sein werden?
"dem wird die Bereitschaft deutscher "Volksmassen", kollektiven Wahnvorstellungen bis in den Untergang zu folgen"
AntwortenLöschenImmer das gleiche Geschwalle: "Wahnvorstellungen" und "in den Untergang gefolgt".
Es gab etwas, daß man II. Weltkrieg nannte. Der "Untergang" war das Verlieren des Krieges.
Dann sind allerdings auch zuvor Frankreich, Belgien, Norwegen oder Dänemark "untergegangen".
De Soldaten sind -in der Mehrheit- nicht in den Krieg gezogen wegen ihrer "Wahnvorstellungen" oder einem "Folgen", sondern weil "es" halt so war. In der Familie meines Vaters hat man sich weitestgehend der Einberufung in die Wehrmacht entzogen ... dafür braucht man aber Eier aus Stahl.
Lars Jaeger gestern auf Telepolis. Da keimt Hoffnung auf.
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https://www.heise.de/tp/features/Neues-von-der-Kernfusion-4561381.html
Die "Fridays for Future"-Demonstrationen erreichen immer neue Höhepunkte
Alexander Grau hat ein gut lesbares Buch dazu geschrieben: Politischer Kitsch - eine deutsche Spezialität ---
AntwortenLöschenDa verzichte ich dankend. "Politischen Kitsch" können z.B. die Amis viel besser.
Dieses Suhlen in unseren, angeblich von keinem Volk der Welt übertroffenen, kollektiven Unzulänglichkeiten hängt mir zum Halse heraus.