Montag, 19. August 2019

HFC: Verrat in der Kurve

Der Jubel zum Ausgleich durch Terrence Boyd. Abschaffen!
 Geht es dem Esel zu gut, begibt er sich bekanntlich zum Tanzen aufs Eis. Beim HFC-Ultra ist ähnlich: Kaum träumt die Kurve, die dem Verein über Jahre und Jahrzehnte hinweg immer wieder so unfassbar viel Probleme bereitet hat, nach den großartigen Leistungen der bisherigen Saison leise vom Aufstieg in Liga 2, ruft das Eis und einmal mehr ist nicht der Verein wichtig, die Spieler, das Spiel und der Sieg. Sondern ein imaginärer Kampf mit dem Deutschen Fußballbund, den die selbsternannten Wächter des Fußball-Reinheitsgebotes mit talibanischem Willen zur Selbstbeschädigung führen.

Das Ergebnis ist kein erstes Punktspiel des Halleschen FC gegen den FC Bayern München, das dem historischen Ereignis - auch wenn es nur gegen die Reserve des Dauermeisters geht - angemessen wäre. Stattdessen gibt es vor erstaunlichen 10056 Zuschauern eine blamable Vorstellung der Fankurve. Die nach 95. Minuten, in denen die aus Mücheln, Zörbig und Wiedemar angereisten 500 Bayern-Fans akustisch dominieren, fast folgerichtig in eine Niederlage mündet. Verrat in der Kurve, wo einmal mehr kindische Kleinkriege wichtiger sind als das, was die Ultras in der Regel als Religion begreifen. Wenn dann noch ein Schiedsrichter wie der sein erstes Drittligaspiel pfeifende Patrick Schwengers hinzukommt, ein Pech im Abschluss, das an vergangene Zeiten erinnert, und ein Torwart, der wie schon gegen Wolfsburg bei Standards keine glückliche Figur macht, nützt auch der Kampf bis zur letzten Sekunde nichts. Halle 1, Bayern 2 heißt es zum Schluss.

Absehbar eigentlich schon in Minute 5, als die kleinen Bayern mit ihrem Millionenkader nach einer Ecke in Führung gehen. Eisele kommt nicht heraus, die diesmal mit Jannes Vollert für Niklas Kastenhofer auf Rechtsaußen besetzte Abwehr bekommt den Ball nicht weg. Das von vielen erwartete Fußballfest gegen den bisher nur einmal erfolgreichen Gast droht früh seinen Partycharakter zu verlieren.

Aber der HFC stemmt sich gegen den Rückstand. Während Bayern-Keeper Früchtl aufreizend früh beginnt, auf Zeit zu spielen, versuchen die Roten die Party in den Griff zu bekommen. Nach zehn Minuten und einer Gelben Karte, die sich Terrence Boyd mit Ansage holt, als er den letzten Mann der Bayern bei einem seiner endlosen Abstoßmanöver handfest von den Füßen holt, läuft das Spiel der Ziegner-Elf langsam an. Boyd hat eine große Chance, danach verpasst Drinkuth freistehend in der Mitte. Es könnte schon 1:1 stehen, wäre im Stadion vielleicht mehr los. Doch die Badkurve scheitert wie die HFC-Stürmer mit allen Versuchen, den sinnfreien Selbstbefriedigungsboykott der trotzigen Kinder hinter dem Bayern-Tor einfach wegzusingen.

Von wegen "Nur zusammen"! Dabei könnten Lindenhahn, Bahn, Göbel und die anderen jede Hilfe brauchen. Bei den Gästen ist deutlich zu sehen, warum diese Spieler beim FC Bayern spielen und nicht bei Chemnitz, Rostock oder Viktoria Köln. Wie der zentrale Mann Joshua Zirkzee sind die Münchner nicht nur beinahe alle riesig groß, sondern auch unglaublich schnell und wendig. Wieso sie gegen Köln fünf Tore kassiert und gegen Hansa verloren haben, ein Rätsel.

Zu dem Terrence Boyd in der 24. Minute den Schlüssel zu finden scheint. Wie als gerechte Strafe für sein unsportliches Spiel bis dahin verpasst Früchtl eine Flanke, die immer länger wird. Halles Königstransfer bedankt sich und schiebt problemlos zum 1:1 ein.

Jetzt könnte es losgehen mit dem Fußballfest, die unten jedenfalls sind sichtlich willig. Oben aber bleibt es dabei: Wo die Bayern-Fans mit ein paar Plakaten gegen die ungeliebten Montagspartien protestieren und dazu "Bayern Amateueererere" singen, bestraft der hallesche Anhang sich selbst und seine um die bis dahin fast makellose Saisonbilanz ringende Mannschaft mit tiefem Schweigen. Schiedsrichter Schwengers hilft mit seinen Mitteln nach Kräften mit, das Bemühen der Hallenser zu erschweren: Nahezu jeden Freistoß und Einwurf gibt er für Weiß, selbst Torsten Ziegner bekommt früh eine erste Ermahnung. Bayern darf Freistöße schnell ausführen. Halle erst nachdem ein eine tödliche Verletzung simulierender Bayernspieler vom medizinischen Personal hinausbegleitet und mit einem Schluck Wasser geheilt worden ist.

Nach der Halbzeit ist der HFC dennoch am Drücker. Bayern scheint mit einem 1:1 immer noch zufrieden, Halle nicht. Fetsch kommt für Göbel, Sohm für Nietfeld. Halle versucht, nicht hektisch zu werden, alle Angriffe aber versanden vor dem letzten Pass. Gefährlich wird es nur, wenn Boyd den Ball behaupten kann und es schafft, sich zu drehen. Vorerst aber gehen alle Schüsse vorbei.

Nicht so auf der anderen Seite, wo Schwengers einen Freistoß auf halber Strafraumhöhe gibt, ausnahmsweise mal zurecht. Parallele zum 0:1: Eisele kann den Ball nicht festhalten. Lukas Mai staubt aus Nahdistanz ab.

Spätestens jetzt müsste von draußen etwas kommen. Doch dort, wo eine egoistische Fankultur sich selbst für viel wichtiger hält als das, worum sich das ganze Fantum dreht, herrscht weiter Totenstille. Der FC Bayern dominiert, nicht auf dem Rasen, aber auf den Rängen. Eine Vorstellung für das Gruselbuch der Klubgeschichte, nur noch übertroffen von den Glanzleistungen Einzelner, die bei Bayern-Ecken Bierbecher und Feuerzeuge auf den Rasen werfen und dem auf solche Gelegenheiten nur wartenden Früchtl damit die Chance geben, ein ums andere Mal eine Minute von der Uhr zu nehmen.

Die restlichen Minuten werden mehr und mehr zu einer wirklich sonderbaren Angelegenheit. Es spielt nur noch der HFC, Bayern lauert auf Konter, beschränkt sich aber darauf, nur drei, vier Spieler dabei einzusetzen. Der Rest sichert in zwei ehernen Riegeln ab und die wackeln trotzdem mehrfach. Aber wer auch antritt, um abzuschließen, zum fehlenden Glück kommt nun auch noch Pech, so dass weder Bahn, noch Lindenhahn noch Fetsch und Drinkuth einen Treffer landen können. Nach Torchancen steht es zehn Minuten vor Schluss 7:3, nach Toren 1:2. Kai Eisele hat zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch nichts halten müssen. Besser: Können.

Zum Finale ändert sich das. Bravourös rettet der Mann in Signalgelb gegen den eingewechselten Dajaku, später noch einmal gegen Sing. Weil aber Boyd vorn links vorbeischießt und ein Münchner in ähnlich aussichtsreicher Position auch nicht genauer aufs eigene Tor zielt, nützt es auch nichts, dass die Ultras in der Kurve irgendwann jenseits der 80. Minute beschließen, nicht als bockige DFB-Gegner anwesend zu sein, deren verletzte Gefühle in Frankfurt sowieso nicht einmal den Pförtner interessieren. Sondern als Fans, die ihre Mannschaft unterstützen wollen.

Da geht aber nichts mehr an diesem Tag, der ein trauriger ist. Erste Heimniederlage der Saison, erstmal rausgerutscht aus der Spitzengruppe der Liga, erstmals eine Chance nicht genutzt, bei den zwei-, dreitausend Gelegenheitszuschauern Werbung für ein Wiederkommen zu machen. In der Tabelle sind es jetzt schon vier Punkte auf Platz 1, genauso groß ist der Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz. Das Wort mit A ist erstmal aus dem HFC-Wortschatz gestrichen.

Was soll man auch dort oben, wenn doch die Montagsspiele in der 2. Liga erst ab 2021 abgeschafft werden.

11 Kommentare:

  1. Mal ein kleiner Hinweis:

    Die Aussage, dass die Bayern-Fans nur aus der Region angereist wären, finde ich etwas daneben. Im Gegensatz zu anderen Teams in dieser Liga kam da trotz Montag und eigentlich erwartbarer Niederlage ein Bus direkt aus München zusammen. Dazu noch viele Einzelanreisende.

    Klar: die Bayern haben überall Fans, aber eben auch eine kleine, aber sehr treue Fanbasis in der eigenen Heimat.

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  2. Wie blöd muß mann sein seine Mannschaft nicht zu unterstützen.... Bei über 10000 Fans im KWS.... Als ob der DFB nach Halle guckt.... Das guckt die keinen Meter... Da liefern wir ein super Spiel im DFB Pokal ab... Und es kommen 3000-4000 Leute mehr ins Stadion! Und so ein paar Ochsen denken Sie würden mit der Aktion Bäume umreißen... Eins habt ihr damit geschafft... Der Mannschaft keine Unterstützung zukommen lassen... Und Einnahmen die der HFC brauch zu nichte gemacht... Oh mann traurig....

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  3. KurvenreichAugust 20, 2019

    Jaja, so herrscht er, der König, nein, sogar Kaiser Fußball ... oder war's Kopfballaballa? Egal, beim Kicken kann der Schrumpfgermane jedenfalls alle archaischen Stammesrituale durch zelebrieren und gegen die Gegnerhorden anbrüllen - falls es bei nur verbalen Attacken bleibt. Auf dem Bolzplatz regiert das Reviertier Mensch, das jeden ohne den eigenen Stallgeruch bzw. -gestank wie tollwütig anknurrt und wegbeißt. Besonders für junge Männer verlockend, die man früher zum abarbeiten ihres Testosteronüberschusses in echte Kriege geschickt hat. Heute laufen diese Berserker im Endsiegrausch daheim Amok.

    Und sowas soll eine zivilisierte Hochkultur sein? Naja, für minderbegabte Dichter und Denker vermutlich schon.

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  4. Bedenklich war die Organisation an den Tageskassen! Da standen noch bei Boyds Ausgleichstreffer Leute nach Karten an, die sich weit vor Spielbeginn eingereiht hatten. Das war leider so gar keine Werbung für einen spontanen Besuch beim HFC.

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  5. Wenn übet 10000 Leute im Stadion waren wieso schaffen es dann nicht die restlichen 9000 Superfans (SF und Gäste abgezogen) über 90 min Stimmung zu machen? Rumheulen und meckern kann jeder, es besser machen anscheinend nicht!!! Aber mal sehen wie viele von den Superfans am Sonntag nach Hachingen fahren denn der Club brauch die Unterstützung nicht nur da Heime aber da wird man sicher nur wieder die üblichen Gesichter sehen und die Ausredenpalette der Nichtfahrer ist wieder riesengroß. Anderen vereinsschädigendes Verhalten vorwerfen und selbst nichts für den Verein tun, genau mein Humor!!! Macht selber was und verlasst euch nicht immer auf andere!!!

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  6. das schreiben wir hier seit jahren. aber die verantwortlichen gehen eben durch andere tore, die bekommen das doch überhaupt nicht mit

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  7. @unknown ich muss nicht kochen können, um zu wissen, ob es schmeckt.und nicht ich brüste mich damit, die mannschaft unter allen bedingungen zu unterstützen. da muss sich schon jeder an seinem maßstab messen lassen

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  8. Fakt ist,das man sich ein schönes Eigentor geschossen hat, statt ein Fußballfest zu feiern und sich dauerhaft in der oberen Tabellenregion festzusetzen konnte man den emotionalen Schub aus dem Pokalspiel nicht nutzen und hat sich so einiges kaputt gemacht, dies warein Wegweisendes Spiel und die Mannschaft hätte diese Stimmung gebraucht das hatan gespürt. So ist man im Mittelfeld der Liga und ob die 3000 extra Zahler das nächste mal kommen darf bezweifelt werden.

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  9. War das bei Wischmeyer? Zwanzig junge Männer mit dicken Waden, die einer Schweinsblase hinterherrennen. - Sich in den Künsten des Mars zu üben, ist ergiebiger in jeder Hinsicht.

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