Mittwoch, 31. Juli 2019

Zitate zur Zeit: Comeback in der Raucherecke


Und dann sind da noch die Wohlmeinenden unter den Doofen, die Schlimmsten von allen, die einem früher erzählt haben, wie schädlich Alkohol ist und dass man doch die Finger von den Drogen lassen soll. Mann, was haben die genervt mit ihrem moralisierenden Gehabe und ihrer völligen Ahnungslosigkeit. Die waren tatsächlich überzeugt davon, dass man sich Hasch in Spritzen verabreicht.

Wenn man nicht aufpasste, wurde man als Haschischspritzer denunziert. Auch die sind wieder da. Jetzt schreien sie hysterisch „Nie wieder Auschwitz“ oder „Nie wieder Krieg“, wenn jemand vor den Folgen unkontrollierter Einwanderung warnt oder einen weiteren Souveränitätstransfer an die EU ablehnt. Rechte, EU-Kritiker, Populisten, Nazis – für die ist das alles dasselbe.

Roger Schelske schaut zurück und findet sich wieder da, wo er immer war: Nun steh ich wieder in der Raucherecke


Buillion mit Bundesbahngleisschubsbremsen

Einige wenige nur behalten einen kühlen Kopf in diesen heißen Klimasommertagen, in denen eine Reihe von Einzelfällen brutaler Gewalt Medien zwingen, von Attacken, Vorfällen und Schubstern zu schreiben oder aber von Mordanschlägen und vielfach miteinander vernetzten Rechtsterroristen. Kaum lag der kleine Achtjährige in Frankfurt im Gleis, rückte die Polizei aus, um wiedereinmal ein paar mutmaßliche rechte Mörder dingfest zu machen.

Diesmal die „Sturmbrigade“, eines Art vielleicht bewaffneter Arm der „Wolfsbrigade“, eines sechsköpfigen Kommandos in vier Bundesländern, das wie seinerzeit die Böllerbomber aus dem Dunkelwald unterwegs war, das verfassungswidrige "Wiedererstarken eines freien Vaterlandes", diesmal aber nach dem "germanischen Sittengesetz" durchzusetzen. Angst auf den Straßen vor noch mehr rechter Gewalt, vor langen, dunklen Heimwegen, auf denen Sachsen-Nazis lauern, Sturmbrigadisten und Wolfsmänner.

Constanze von Bullion aber, bei der Süddeutschen Zeitung berufen, den braunen Popanz unentwegt zu suchen und zu finden, mag nicht in die ängstlichen Chöre einstimmen, die da nun Bundesbahngleisschubsbremsen fordern, eine Ausweispflicht für Bahnsteigkarten, ein Zuzugsverbot für Schweizer und die strikteste Beachtung aller Markierungen für Sehschwache im Gleisbereich. Bullion ist hier unten, im tiefsten Tal der Ratlosigkeit, wie eine Gesellschaft wieder zu sich finden soll, wenn sie erst einmal vom Misstrauen ihrer Bürgerinnen und Bürger gegeneinander zerfressen wird, höchst optimistisch. „Zur Wahrheit gehört auch, dass bei Gewaltdelikten die Zahl nichtdeutscher Tatverdächtiger noch überproportional hoch ist“, schreibt sie und das „noch“ im Satz ist kein Zufall. Bald schon, ganz bald wird es andersherum sein.

Aber zur Wahrheit gehört eben auch, da heißt Frau von Bullion nicht Frau von Schreck, zu sagen, dass „zur Wirklichkeit gehört, dass keine Videokamera und keine noch so scharfe Überwachung überall vor Mördern oder psychisch vorbelasteten Tätern schützen kann“. Das ist eben so. Nun sind sie eben da. Nun muss man damit leben. Wenn sie einen denn lassen.

Der Rest ist Sache des Rechtsstaates. Weil „Nationalität und Hautfarbe keine Erklärungen liefern für Verbrechen oder Wohlverhalten eines Menschen“, muss an einer Stelle Schluss sein mit Aufregung, Angst und Empörung. Wer schubst und damit einen „Vorfall in Frankfurt“ (CvB) verursacht, dem heißt es strikt mit „innerer Abkühlung“ (CvB) zu begegnen. Man fühlt die Galle kommen, muss sie aber schlucken. Nützt ja nichts, hier nach harten Strafen zu rufen wie es die Nazis und Rechtspopulisten tun. So sind wir nicht, jedenfalls nicht bei diesem Delikt und nicht bei der Süddeutschen.

Doch andererseits, schreibt Bullion wenige Sätze später: „Wer rassistischen Denkmustern anhängt und zu ihrer Umsetzung ermutigt, muss die ganze Härte des Rechtsstaats spüren.“

Dienstag, 30. Juli 2019

Prantls Kampf: Wenn aus Extremisten Extremisten werden

Früher galten gewalttätige Terroristen als Extremisten, aber inzwischen haben sie alle ihre Haftstrafen verbüßt und helfen als radikale Kapitalismuskritiker bei der weiteren Verbesserung der Gesellschaft.
Die inzwischen lange vergessene Frauke Petry war noch Chefin der AfD, da fuhr der Medienaktivist Heribert Prantl das schwerste Geschütz auf, das in demokratischen System in die Schlacht um die Meinungshoheit geführt werden darf. Die Politiker von AfD und Co. als "Rechtspopulisten" zu bezeichnen sei eine, so der damals noch als einer der Chefredakteure der Süddeutschen Zeitung amtierende vielfache Journalistenpreisgewinner, "Verharmlosung". In seinem Buch "Gebrauchsanweisung für Populisten" nannte Prantl - nicht verwandt oder verschwägert mit PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl - AfD-Mitglieder schlicht und einfach "Extremisten". Ein Begriff, der dem Vorsitzenden des sogenannten Meinungsressorts der SZ passend schien und ausnehmend gut gefiel. Als die AfD ein paar Monate später in den Bundestag einzog, kramte er ihn wieder heraus.

Dass "populistische Extremisten im Parlament" säßen, hieß es nun, sei "ein historischer Rückschritt". Prantl war überzeugt, dass der früher im Sozialistischen Büro der Neuen Linken aktive Politologe Hajo Funke Recht hatte mit seiner Wertung, dass die rechtspopulistische Partei "im schnellen Tempo zu einer rechtsradikalen geworden war". Heribert Prantl nannte die AfD, die er gerade noch "rechtsextremistisch" genannt hatte, nun allerdings nur noch "rechtsradikal" - eigentlich ein schwerer historischer Rückschritt, denn schon Monate zuvor hatte der so tragisch gescheiterte Ex-Bundespräsident Christian Wulff die AfD wie Prantl verbindlich als "rechtsextremistisch" eingestuft.

Durcheinanderwirbelndes Vokabular


Da wirbelten dem politischen Fachpersonal die Begriffe wild durcheinander. Augenscheinlich ohne Kenntnis darüber, was rechtsradikal, rechtsextrem und rechtsextremistisch unterscheidet, wird immer die Vokabel gezogen, die eben zur Hand ist.

Dabei waren die drei Worte  ursprünglich Steigerungsformen von rechts: Bis Mitte der 70er Jahre galt etwa für den Verfassungsschutz, dass nicht jeder Radikale ein Extremist ist. Der Unterschied zwischen dem Radikalen und dem Extremisten definiert die Bundeszentrale für politische Bildung recht klar: "Als extremistisch werden die Bestrebungen bezeichnet, die gegen den Kernbestand unserer Verfassung gerichtet sind". Nur radikal hingegen seien Ansichten, die "grundsätzliche Zweifel an der Struktur der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung äußern und sie von Grund auf verändern wollen", dabei aber "in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz" beanspruchen dürften.

Der Extremist, ehemals einer, der seine Radikalität mit Gewalt ausübte, nur mehr aber nur noch jemand, der radikaler ist als die Radikalen, muss keine Angst haben, versichert der Verfassungsschutz. "Auch wer seine radikalen Zielvorstellungen realisieren will, muss nicht befürchten, dass er vom Verfassungsschutz beobachtet wird; jedenfalls nicht, solange er die Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung anerkennt."

Mörder von einst, Mitstreiter von heute


Aus den Radikalen der ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik waren so Mitstreiter im Kampf um eine bessere Gesellschaft geworden, "Kapitalismuskritiker" nennt sie die Bundesbehörde für politische Bildung auch. Prantls Blatt dagegen nannte die AfD so, obwohl "rechtsgerichtete Demokratiefeinde" (BPB) eigentlich "offiziell als Rechtsextremisten bezeichnet" werden sollen, wie die Bundeszentrale bereits 2008 festlegt hatte.

Eine Botschaft, die bei Heribert Prantl noch zwei Jahre brauchte, ehe sie ankam: Erst gerade eben hat der Aktivist im Gewand eines Journalisten sich selbst auf das Urteil besonnen, mit dem er vor zwei Jahren die Petry-AfD zur Extremisten-Partei erklärt hatte. Da sie seitdem und verstärkt in letzter Zeit nach rechts rückte, sei "die AfD in ihre nazistische Verwandlung eingetreten". Aus der extremistischen Partei von 2017 ist durch eine "Radikal-Salvinisierung" (Prantl) ein "völkischer Kampfverband" geworden. Mit anderen Worten: Aus Extremisten sind Extremisten geworden.

Hätte das jemand geglaubt? Oder glaubt es jetzt? Der Tag, an dem nur noch ein Verbot bleibt, der rückt für Prantl näher. Muss er auch, denn selbst er kann Extremisten höchstens einmal vorwerfen, sie hätten sich in Extremisten verwandelt. Und selbst bei dem einen Mal wirkt es von außen nur noch, als sei dem Schreibmaschinengewehr vor lauter Dauerfeuer die Munition ausgegangen.

Kampf gegen rechts: Der Fluch des Alarmismus

Klimasommer: Kampf dem Kobold

Handreichung für Baerbock-Fans: Unterschiede endlich verständlich.
Ganz normales Programm beim großen Auftritt von Annalena Baerbock beim ZDF-Sommergarten. Lauter übliche Drohungen, Klima hier, Klima dort, neue Zölle, Strafen für und gegen und diesmal kein einziges Wort zu grüner Physik, jenem geheimnisumwitterten Amalgam aus festem Glauben und Alchimistenchemie.

Die grüne Chefin hat dazugelernt, sie ist konkreten in ihren Forderungen und hat den neuen „Klimazöllen“ auch ein brandneues Geschoss aus der Bundesworthülsenfabrik dabei, das sich an Donald Trumps Abschottungsidealen orientiert. Rein darf nur noch, was porentief sauber ist. Sonst gibt es Strafzoll obendrauf, den die deutschen Verbraucher am Ende gern zahlen werden, weil schließlich die Existenz der Welt auf dem Spiel steht.

Gefährdet wird die aber nicht nur von Benzinverbrennern, Dieseldreckschleudern und Braunkohlepest. Sondern auch von bisher noch weitgehend unbekannten Bedrohungen. "So Fragen wie Rohstoffe, Kobold, wo kommt das eigentlich her", prangert Annalena Baerbock zielgenau ein Problem an, das schon längst in den Mittelpunkt der eigenen Aufklärungsbemühungen über vielversprechende Alltagsgefahren gerückt hat.

Der gemeine Kobold! Ein ausgewiesener Feind unserer Ordnung, wie gerade hier bei PPQ bekannt ist. Zum Glück aber, und das geht wohl an die, die Baerbock hier einen Versprecher andichten wollen, mit dem sie das in vielen Bereichen der zukunftsträchtigen Elektrospeichermärkte verwendete Schwermetall Kobalt gemeint haben könnte, betont die Chefgrüne: "Da gibt es jetzt die ersten Batterien, die auf Kobold verzichten können."

Eine friedliche, klimaneutrale Zukunft ohne Kobolde, sie liegt offen vor allen, die sie zu nehmen wissen. Augen zu und hin!

Während die Kanzlerin beim Überfliegen der Grenze Richtung wohlverdientem Urlaub noch einen tief bewegten Blick auf den Bahnhof Frankfurt geworfen haben wird, ein bisschen sicher auch froh darüber, dass bei allem Anlass zur Trauer kein Grund besteht, an der Richtigkeit der großen Grundlinien der Politik zu zweifeln, ist die übliche Twittertrauergemeinde verstummt. Heiko Maas, Ralf Stegner, Karl Lauterbach, Baerbock, Ursula von der Leyen und Martin Schulz, sie alle schweigen dröhnend.

Man hört hier eben noch auf die Leitmedien.


Montag, 29. Juli 2019

Klimakrisensommer: Schnauze, Klimaleugner!

Gutaussehend und meinungsstark, so sind sie, die Postergirls der Weltklimakrisen-Befreiungsbewegung. Die Schwedin Greta Thunberg und die deutsche Luisa Neubauer haben es binnen eines halben Jahres geschafft, einer Bundesregierung das Gefühl zu vermitteln, sie müsse "radikal" (Merkel) umsteuern, um nicht bei der nächsten Bundestagswahl von einer sich nach CO2-Steuern, Braunkohleausstieg und Fahrverboten sehnenden Bevölkerung davongejagt zu werden. Ein schöner Erfolg für eine noch junge Bewegung, zu deren Zielen es gehört, die "CO2-Schleuder Mensch" (Spiegel) klimaneutral umzuerziehen.

In den Führerinnen der Bewegung aber steigt durch die unerwartete Hebelwirkung, die ihre vor jeder persönlichen Konsequenz zurückschreckenden Ideen entfalten, die Gewissheit, absolut und definitiv richtig zu liegen mit dem festen Glauben an den nahen Weltuntergang. Darauf entspringt der Eindruck, dass sie nicht mehr nur in Sachen Klima mahnen müssen, sondern inzwischen auch berufen sind, öffentlich Ratschläge dazu zu erteilen, was eine Gesellschaft in der Klimakrise überhaupt noch diskutieren dürfen soll.

Mit dem Twittereintrag "Liebe Leserinnen und Leser, wir finden nicht, dass es die Klimakrise in der Form gibt, wie die Wissenschaft es erzählt. Weil wir aber kein Rückgrat haben das zuzugeben, drucken wir lieber Artikel von “wirtschaftsliberalen“ Stimmen, die genau das kommunizieren", mahnte die 23-jährige Geografiestudentin Luisa Neubauer jetzt die Zeitung Die Welt ab. Die hatte gewagt, in einem Gastbeitrag einer Unternehmerin den Satz „dem 1,5-Grad-Erderwärmungsziel unser gesamtes wirtschaftliches Handeln bedingungslos zu unterwerfen, halte ich für einen großen Irrweg“ zu drucken.

Ein "krasses Statement", das nach Neubauers Dafürhalten niemals hätte "unkommentiert" (Neubauer) den Weg in die Zeitung hätte finden dürfen. Besser noch wäre es gar nicht gedruckt worden: "Genauso wie es in der Freiheit der Autorin liegt zu sagen und zu schreiben was sie denkt, liegt es in der Freiheit der Redaktion Beträge zu drucken oder es sein zu lassen." Fragwürdig sei deshalb, wenn Meinungen zu wissenschaftlichen Fakten veröffentlicht würden - während Hitzewellen "durch den Klimawandel heißer werden, häufiger kommen und länger bleiben - menschengemacht", wie Neubauer unbeleckt von jeder Spur Selbstzweifel verkündet.

Wäre es angesichts dieser verzweifelten Lage nicht angebracht, klimaleugnende Ansichten tatsächlich hart oder noch besser noch härter zu bestrafen als die Leugnung des Holocaustes, wie es der in Österreich lehrende Musikprofessor Richard Parncutt schon vor Jahren vorgeschlagen hatte? "Die Todesstrafe ist angemessen für einflussreiche Leugner der Erderwärmung", hatte Parcutt 2012 auf der Webseite der Uni Graz geschrieben.

Als prinzipieller Gegner der Todesstrafe erwog er gleichzeitig Marscherleichterung für die Falschmeinenden: Zwar solle eine Jury aus Wissenschaftlern die Todesstrafe verhängen. Doch die Verurteilten sollten danach die Chance auf eine Verringerung der Strafe zu lebenslanger Haft haben, wenn sie ihre Thesen widerrufen, öffentlich Reue zeigen und sich verpflichten, aus dem Gefängnis heraus Forschung zum Beweis der globalen Erwärmung zu betreiben.

Soweit geht Luisa Neubauer nicht, sie setzt nicht auf Strafen für Täter, sondern auf die Verhütung der Tat. Wo niemand mehr an den Thesen von #fff zweifeln darf, hat jeder die Freiheit, derselben richtigen Meinung zu sein wie sie. Statt "klimakrisenverleugnende Artikel" zu verbreiten, die "wirtschaftsliberale" Positionen vertreten, kann man auch einfach sein iPhone nehmen und einen Pro-Klima-Kommentar schreiben.



Dunkeldeutschland: Hessen, ein Trauerspiel

Auch das hessische Wiesbaden, eigentlich eine westdeutsche Stadt, verbirgt hinter einer bürgerlichen Fassade fragwürdige Ansichten.

Viele Jahre galt dieses Bundesland im alten Westen als ein Musterbeispiel für die geglückte Wiedervereinigung. Hessen, wie stolz das klang! Heimat jüdischer Vermächtnisse, Zuhause einer rechtslastigen CDU. Offenbach, Frankfurt und Wiesbaden hatten zahlreiche Ostdeutsche aufgenommen, dort hatten die sich zum Teil beispielhaft integriert. Sie tranken Appelwoi und schauten wie ihre urhessischen Nachbarn mit Misstrauen auf von ferneren Gestaden zugezogene Mitbürger. Gewalt aber gab es kaum, auch rechtsnazistische Bewegungen wie Pegida konnten im gutbürgerlichen Milieu der alten Gewerkschafts- und Bankenhochburgen nicht punkten.

Doch die glänzende Fassade zerfällt: Die Justiz in Hessen versagt, die Polizei ist auf dem rechten Auge blind und von Nazis unterwandert, und die Politik schaut tatenlos zu. Neben Niedersachsen, das während der Edathy-Affäre als Schurkenstaat von sich reden machte, kippt nun ein zweites altes Bundesland aus dem Konsens der Demokraten. Eine dringend notwendige Abrechnung mit Hessen, einem Bundesland, dessen Einwohner nicht nur den Mord an Walter Lübcke geschehen ließen, ohne aus Protest auf die Straße zu gehen, sondern auch den Fall Wächtersbach und die Nazi-Chats bei der Frankfurter Polizei zu verantworten haben.


Über zwei Jahrzehnte lang galt Deutschlands zentrales westliches Bundesland als Leuchtturm, dessen glänzende Entwicklung zu beweisen schien, dass sich die Anstrengungen der Wiedervereinigung gelohnt haben: Kaum Skandale, stabile Beschäftigung, beste Wirtschaftsdaten, sinkende Schulden. Selbst die SPD kam hier noch auf Stimmanteile wie aus einer anderen Zeit.

Frankfurt entwickelte sich dank kluger Lobbyarbeit zum finanziellen Herzen Europas, das karolingische Kloster Lorsch mit seiner berühmten Torhalle, das Obere Mittelrheintal von Rüdesheim/Bingen bis Koblenz und die verfallenen Reste des obergermanisch-raetischer Limes waren ebenso wie der Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel Touristenmagnete mit Weltniveau. All das und noch viel mehr ließen das am 9. September 1945 unter dem Namen Groß-Hessen gegründete Land der Chatten den alten Glanz der Konradiner und der Ludowinger Grafen Heinrich Raspe I., Heinrich Raspe II., Heinrich Raspe III. und Konrad Raspe, dem späteren Hochmeister des Deutschen Ordens, zurück.

Doch nun hat Deutschland Grund zur Sorge sich um das kleine Bundesland am äußersten rechten Rand der alten Republik. Denn das Postkarten-Image des selbsternannten Weinlandes ist nicht mehr so makellos wie ein Fläschle Berbach Grauburgunder trocken. Es erweist sich als angekratzt, schadhaft, zerbrechlich. "Die Ereignisse der letzten Wochen haben das Bild Hessens schon beschädigt", sagt Hans Achtelbuscher, der am An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung lehrt, ursprünglich aber aus dem kleinen Dietzhölztal im Lahn-Dill-Kreis stammt. Auch die Bitterfelder Gebärdendolmetscherin Frauke Hahnwech, die ihre ersten Gehversuche als Gestenentschlüsselerin im hessischen Ginsheim-Gustavsburg machte, urteilt harsch: "Es gibt gewisse Dinge, von denen man glaubt, dass sie in Hessen nicht geschehen."

Die "gewissen Dinge" waren zuletzt aber so zahlreich, da vergisst man leicht das eine oder andere. Hier die Höhepunkte eines einzigen Monats: Ein Mann in Hessen erschießt einen Politiker. Ein anderer Mann schießt auf einen Mitbürger. In Hessen ist der Hass zuhause, hilflos schaue n selbst renommierte Medien zu, wie wiedereinmal nichts bemerkt wurde. Ein SEK-Einsatz deutet auf ganze rechte Netzwerke.


Noch nie hat ein Bundesland die Republik mit so einer Serie beunruhigender und skandalöser Vorfälle in Atem gehalten. Dabei galt bisher das landschaftlich ehe unauffällige kleine Sachsen, das mit fünf Prozent der Bevölkerung rund acht Prozent der Gewalt gegen Flüchtlingsheime produzierte,  medial immer wieder als Zentrum des Bösen. Die Sachse des Bösen, sie wurde von der FAZ geschmiert, von der taz beklagt und von "Spiegel", Stern und dem restlichen Meute beklatscht, als hätten nicht dieselben Edelfedern einst zumindest im Geiste in Mittweida gestanden und der armen, armen Rebecca K. die Ärmchen verbunden. Sachsen galt als beispielhaftes Problemland, Heim eines "ängstlichen Mobs minderbemittelter Dörfler" (Turi 2) wie aus dem Bilderbuch des braunen Unmenschen, ein Schandfleck (Morgenpost) auf Deutschlands weißer Hilfeweste.

Obwohl auch das benachbarte Thüringen – rot-rot regiert - mit 71 Straftaten auf 2,1 Millionen Menschen eine mehr als doppelt so hohe Quote bringt und das noch zwergenhaftere Saarland es mit nur einem Prozent der Einwohner Deutschlands im Jahr 2015 auf knapp 4,5 Prozent aller Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte brachte, konzentrierte sich vieles auf die Sachsen, einen deutschen Volksstamm und mitteldeutschen Menschenschlag, der "goofen" statt kaufen, "Gobb" statt Kopf sagt und einst dennoch "90 Prozent aller Partei- und Staatsfunktionäre der DDR" (alle Zitate "Spiegel") stellte.

Unter der "konsonantenschwachen Mundart" der ostzonalen Führer litten Millionen, aber es litt damals auch die innere Einheit. Denn die Diskreditierung alles Sächsischen in Westdeutschland war, so attestierte der "Spiegel", schon "so weit fortgeschritten, dass die Befürchtung, dies könne "zu einer Verfemung und Verketzerung des obersächsischen Stammes unseres deutschen Volkes führen", selbst in Hamburg nicht mehr von der Hand zu weisen war.

Erst jetzt eilt Hessen helfend herbei und die dortige Wohnbevölkerung macht deutlich, dass es nicht nur bei Pegida an der Elbe besorgte Bürger gibt, sondern auch in Wiesbaden und Darmstadt, Fulda und Rodgau, jenen Traumidyllen der alten Bundesrepublik, über die die vergessene Band Rodgau Monotones einst sang "Erbarmen, die Hessen kommen".

Nun sind sie da, ein Gespenst aus den Anschlussgebieten, hinter deren üblem Treiben selbst die Nachbarn aus dem Schurkenstaat Niedersachsen hilflos zurückbleiben wie an der Bahnsteigkante zurückgelassene Kinder.  Hessen gilt nun als der Hort des Bösen schlechthin, ein unterschätzter, über die Maßen von Äppelwoi und Babbelsprache weggetarnter Landstrich, der sich plötzlich als Ausgeburt des Fürchterlichen entpuppt.

Vor 20 Jahren wurde Roland Koch zum "König" des stets im Schatten des benachbarten Freistaats Bayern stehenden kleinen Landes gewählt. Bis 2010 regierte die CDU ohne Unterbrechung. Nur die SPD und die Nassauer waren in Wiesbaden länger an der Macht. Die CDU hat das Land geprägt und zweifelsohne zu beachtlichen Erfolgen geführt. "Die Kehrseite davon ist: Was nicht zu dieser Erfolgsgeschichte passt, wird verdrängt", sagt Hans Achtelbuscher. Als Koch am 30. August 2010 in einer Feier mit militärischer Serenade aus dem Amt schied, weil seine extremen Positionen in der zusehends nach links rückenden Partei nicht mehr vermittelbar waren, übernahm mit Volker Bouffier ein nur drei Jahre jüngerer Haudegen, der schon bei Walter Wallmann in den 80er Jahren Staatssekretär gewesen war.

Die Ereignisse in Wächtershausen, die Verquickungen mit dem NSU, die Polizei-Chats und brennende Flüchtlingsheime haben ein Muster offengelegt, das in der hessischen Politik schon seit vielen Jahren eifrig praktiziert wird: leugnen, verdrängen, aber auf gar keinen Fall Konsequenzen ziehen. Bislang galt der "Sachsensumpf" als schillerndstes Beispiel dafür, doch schon die Ermittlungen im Fall der als angebliches Erbe deutscher Juden getarnten illegalen Parteispenden  zeigten, dass Hessen brutalstmöglich auf Augenhöhe agierte. Verträge wurden rückdatiert, Wahlkämpfe mit Schwarzgeld finanziert und Millionen unterschlagen. Der Rechtstaat war suspendiert, Journalisten liefen gegen Mauern, die Opfer ins Leere und Urteile gab es nicht.

Das Vertrauen in die Polizei und die Justiz Hessens wurde nicht erst durch das Versagen in diesem Fall schwer beschädigt. Auch beim NSU-Komplex verliefen die Ermittlungen der hessischen Behörden seltsam schleppend. Böse Zungen sagen, weil der Verfassungsschutz des Landes einen V-Mann direkt an der Untergrundgruppe platziert hatte. 

Dass es nun Jahre später zu einem Wiederaufleben des rechten Terrors in Hessen kommt, verwundert kaum. Die weitverbreitete These, dass Ostdeutsche für Rechtsextremismus und Mneschenfeindlichkeit anfällig, Westdeutsche hingegen immun seien, ist hinfällig. Heute widerspricht auch Frauke Hahnwech, die als externe Beobachterin stets neugierig nach Hessen schaut: "Das Rechtsextremismusproblem in Hessen ist größer als in anderen Ländern." Schlafende Hunde und einsame Wölfe hielten sich nicht die CDU an die ausgegebenen Parole, dass Offensichtliche konsequent zu leugnen. Ein brauner Faden durchwirkt die hessische Landespolitik. Frankfurt, Darmstadt, Butzbach und Gießen, Wetzlar und Kassel-Nord-Holland. Auf jeden Anschlag folgt die Beteuerung: Mit Hessen hat das nichts zu tun. Anschlag-Leugnen-Anschlag-Leugnen. Der hessische Refrain.

Das Ende vom Lied: Bezogen auf die Bevölkerung werden in Hessen mehr Hassstraftaten registriert als im Saarland. Alltag im Heimatland des Hasses, wo Nazi-Netzwerke "extrem verborgen" agieren, wie der "Spiegel" enthüllt. Aber auch öffentlich: Erst kürzlich marschierte die Kleinstpartei die Rechte durch Kassel, mitten in der Stadt versammeln sie sich. Es ist Samstag, 15 Uhr. Die Neonazis haben den prominentesten Platz der Stadt für sich reserviert. Bei der Besetzung des öffentlichen Raumes genießen rechtsextreme Gruppen in Hessen Gewohnheitsrecht.

Die Hessen übersehen und überhören ihre demonstrierenden Landsleute routiniert. Gerademal 10.000 der mehr als 200.000 Kasseler sind in Kassel gekommen, der Stadt, in der der Neonazi-Führer Michael Kühnen geboren wurde, um gegen den Rechtsrutsch der Stadt zu protestieren. Gewöhnungseffekt. Touristen laufen achtlos vorbei, neugierige Ausländer, Einkaufslustige. Dass keine hundert Meter weiter Neonazis demonstrieren, ignorieren sie.

"Nazis raus!", ruft ein junger Mann. "Nazis raus!", antwortet eine junge Frau am anderen Ende des Platzes. Es sind Einzelstimmen hier in Hessen. In der 273.000-Einwohner-Stadt Wiesbaden kommen zu einer Protestdemo gegen Rassismus nach dem Anschlag auf einen Eritreer ganze 200 Menschen.

Sonntag, 28. Juli 2019

Akute Gefährdungslage für Fußballer: Konsequentes Kunstrasenverbot

Zurück zum guten alten Schlackeplatz, auf dem Horst Eckel, Toni Turek und Rahn Müssteschießen einst ihr Fußwerk lernten.
Einmal mehr macht die EU-Kommission Nägel mit Köpfen und Europa zukunftsfest. Nachdem Studien ergeben haben, dass die bei vielen Vereinen so beliebten Kunstrasenplätze die wunderschöne Natur des Kontinents mit zehntausenden von Tonnen Mikroplastik jährlich verseuchen, plant die oberste Lebensaufsicht in Brüssel spätestens für das Jahr 2022 ein Verbot entsprechender Plastik-Plätze. Zu groß scheint die Gefahr für Sportler, die die unsichtbar kleinen Teile aus Reifenabrieb einatmen, zu groß auch die für das Grundwasser, für Vögel und die gesamte umliegende Fauna, in die das hochgiftige Lungenmaterial vom Wind getrieben wird.

Verbot tut not


Nach den Untersuchungsergebnissen der Europäischen Chemikalienagentur, der es zuletzt bereits gelungen war, krebserregende Stoffe in Ferngläsern und bei der Bonbonzutat Titandioxid zu entdecken, riskieren Fußballer beim ungeschützten Umgang mit dem gesundheitsschädliches Mikroplastik in der Union schwere Gesundheitsschäden.

Die unsichtbaren Plastikteilchen sind meist zwischen einigen Millimetern und 0,001 Millimeter groß, bisher weiß niemand, ob sie wirklich gesundheitsschädlich sind , doch wer besonders viel verunreinigtes Mikroplastik zu sich nimmt, nimmt eben auch viele Schadstoffe zu sich, so dass Gesundheitsschäden erwartbar wären. Experten haben zudem die Theorie entwickelt, dass Mikroplastik, weil es so klein ist, die verschiedenen Zellbarrieren im Körper überwinden könnte und so Entzündungen auslöst. Eingeatmetes Mikroplastik würde dann das Lungengewebe schädigen, geschluckte Kunststoffteilchen könnten sich womöglich in Lymphknoten des Darms sammeln (Environmental Science and Technology: Wright &Kelly, 2017).

Krude Thesen wie die des Bundesamtes für Risikobewertung und das Umweltministerium, das Mikroplastik als "keine große Gefahr" bezeichnet, können nicht über die akute Gefährdungslage für Fußballer hinwegtäuschen: Im Land des Fußballweltmeisters spielen etwa 1,2 Millionen Fußballerinnen und Fußballer aller Altersklassen mehrfach wöchentlich, ohne um die mörderischen Wirkungen des Kunststoffgranulats zu wissen, das von skrupellosen Herstellern benutzt wird, um die Plätze bespielbar zu machen, ohne dass sich die KickerInnen bei jedem Spurt, Stopp oder Hackentrick die Bänder reißen.

Der Schaden ist überschaubar


Gerademal 750 Millionen Euro stehen in Deutschland im Feuer, wenn die derzeit vorhandenen 6000 Kunstrasenplätze wegen des auch vom Fraunhofer-Institut nachgewiesenen massiven Eintrages von tödlichen Microteilen, wie sie auch in Duschgels und Zahnpasta verwendet werden, zurückgebaut werden müssen. Ein kleiner Preis, um Leben und Gesundheit von Mensch und Tier und die Umwelt zu schützen. 750 Millionen - das sind für das "reichste Land der Welt" (ZDF)  umgerechnet gerademal fünf Bundestagsbesucherzentren.

Dennoch ist das Geschrei groß. Und auffallend ist, dass es vor allem alte weiße Männer sind, die selbst längst keinen Ball mehr am Fuß führen, die versuchen, mit antieuropäischen Parolen für einen angeblich "vernünftigen Ausgleich zwischen Umweltschutz und den berechtigten Interessen des Sports" zu werben. Als hätte die Gesundheit der Bürger und Fußballer einen Preis, schreckt auch die Bundesumweltministerin vor den notwendigen Schritten zum Schutz der Bevölkerung zurück. Man habe ein "großes Interesse daran, dass Sportvereine ihren Spiel- und Trainingsbetrieb, insbesondere im Breiten- und Jugendsport, ohne Einschränkungen durchführen können", verteidigte Svenja Schulze ihre jahrelange Untätigkeit in Sachen Kunstrasengefahr.

Demagogisch wird nun auf die EU gezeigt, die von den EU-Hassern einmal mehr verantwortlich gemacht wird für ein Verbot, das schon längst hätte erlassen werden müssen, weil über die systemische Verteilung kleinerer Partikel im Körper bislang so wenig bekannt ist, dass möglicherweise an die Miniteilchen aus dem Kunstrasenplatz gebundene Schadstoffe in den menschlichen Zellen wieder freigesetzt werden können.

Ein Zuwarten, wie es Horst Seehofer, Svenja Schulze, der amtierende Notvorstand des DFB und der Deutsche Sportbund fordern, wälzt alle Risiken auf unverantwortliche Weise auf die Millionen von - oft noch ganz, ganz jungen - Freizeitfußballer im Lande ab. Ein hoher, ein sehr hoher Preis, um sich im Vorfeld der anstehenden Landtagswahlen als vermeintlich wackere Kämpfer gegen Zumutungen einer EU zu inszenieren, deren Bemühungen doch nur dem Ziel gelten, das Beste für alle Mneschen zu erreichen.

Netzfund: Gericht erlaubt Neubau von gefährlichem Kunstrasenplatz

Samstag, 27. Juli 2019

HFC: Erlösung in Unterzahl

Erstmal geht wieder alles schief. Die Einlassituation am Erdgas-Sportpark, wie das Kurt-Wabbel-Stadion seit dem Umbau heißt, ist immer noch allenfalls kreisligawürdig. bei der Mannschaftsaufstellung zeigt die große LED-Wand immerzu Torwart Kai Eisele, der aussieht, als würde er gerade nach Hause gehen wollen. Und als Schiedsrichter Arne Aarnink leicht verspätet anpfeift, weil der neue rote Teppich für den Mannschaftseinmarsch sich nicht so schnell wie geplant einrollen lässt, zündeln die Ewiggestrigen in der Fangerade erstmal mit Rauchbomben und Begalos - nicht nur am Kopf vermummt, sondern auch am Fuß. Um nicht anhand ihrer Turnschuhe erkannt zu werden, tragen alle Feuerwerker auf dem Stadionzaun Füßlinge aus blauer Plastikfolie.

Ein unglücklicher Auftakt, aber dann wird es besser. Vor 9.400 Zuschauern dreht der HFC auf, als wolle er wirklich genau dort weitermachen, wo er die vergangene Wundersaison beendet hatte. Hansa, vor fünf Jahren Gegner in einem der denkwürdigsten Spiele, die die HFC-Fans jemals erlebt haben, sieht in der ersten Viertelstunde keinen Stich. Obwohl Trainer Torsten Ziegner nur drei der in der Sommerpause verpflichteten Neuzugänge in die Startformation beordert hat - Dennis Mast, Patrick Göbel und Jonas Nietfeld - drücken die neuerdings ganz in Rot auflaufenden Gastgeber die Kicker von der Küste gnadenlos in deren eigene Hälfte. Dennis Mast flankt mehrfach gefährlich von der linken Seite, findet aber in der Mitte keinen Abnehmer. Jonas Nietfeld knallt einen von Sebastian Mai herausgeholten Freistoß ins Toreck, dass Hansa-Keeper Kolke alles geben muss, um den Ball noch abzulenken. Guttau schießt zu schwach, Göbel einen Gegenspieler an.

Von den Gästen kommt wenig, aber das reicht. Denn nach 20 Minuten ebbt die Angriffslust der Hallenser spürbar ab. Jetzt neutralisieren sich beide Mannschaften und Kolke beginnt schonmal, sich bei Abstößen viel, viel Zeit zu lassen, um das 0:0 zu sichern. Nach vorn ist Ahlschwede ein einziges Mal durch. Seine Eingabe erreicht niemanden in der Mitte, denn dort ist keiner mitgelaufen. Dann ist Halbzeit.


Und danach scheint alles wegzukippen. Für Julian Guttau, der in der Spielzeitpause von der Nachwuchshoffnung zum Startelfstürmer befördert worden war, ist jetzt Felix Drinkuth im Spiel, der erst drei Tage zuvor aus Paderborn geholt wurde. Der 24-Jährige hätte auch gleich zum Helden werden können, wenn seine Eingabe von links - sein erster Ballkontakt - Sebastian Mai am langen Pfosten gefunden hätte. Doch Mai ist nicht Guttau, der Ball zu schnell, der Koloss eine Spur zu langsam. Mai kann den Ball nur noch am Tor vorbeischießen.

Es ist wie ein Signal für Hansa. Zwischen Kolkes Zeitspiel und irritierenden Schwimmeinlagen der HFC-Abwehr, die sich Mal um Mal uneins zu sein scheint, wer denn nun dafür verantwortlich ist, die Spieleröffnung nach dem Abstoß zu übernehmen, gewinnt die Kogge, die der HFC hatte versenken wollen, tiefes Fahrwasser. Zwingende Aktionen bringen die Gastgeber nicht mehr zustande, alles ist hoch und weit und bei jeder dritten Ballberühung wechselt der Ballbesitz. Hansa scheint damit zufrieden, denn Markus Kolke hat keine Eile. Minutenlang bereitet er seine Abstöße vor, ungemahnt von Aarnink. Mais Kopf wird immer roter, der HFC-Sturmtank hat Puls im Aderplatzbereich. Zigner nimmt Dennis Mast vom Platz, der auf links weitaus mehr Betrieb gemacht hat als Göbel auf rechts. Niklas Kastenhofer muss auch runter, für die beiden kommen Toni Lindenhahn, der Hammermann von 2014. Und Jannes Vollert, der eigentlich sowieso als neuer Abwehrchef geholt worden war.

Liegt es daran? Auf einmal ist der HFC wieder da. Hansa flattert, der HFC steht wie beim Handball um den Kreis und sucht die Lücke. In der 62. Minute ist es soweit: Sebastian Mai köpft eine Flanke aufs Tor, Kolke wehrt ab und Nietfeld muss aus zwei Metern nur noch vollenden. Aber Kolke ist wieder da. Gleich danach nochmal: Wieder Gewühl, wieder ein Abschluss aus nächster Distanz, den Kolke irgendwie noch beiseite lenkt. Und schließlich noch der Auftritt von Toni Lindenhahn, der aus 20 Metern einfach mal schießt. An den Pfosten. Aber so, dass der Ball vom Tor wegspringt.

Überall in den Köpfe kommen jetzt Erinnerungen an die Auftaktpleite in Uerdingen hoch, erst recht, als der bis dahin souveräne Niklas Landgraf in der 80. Minute zu spät kommt, um einen Fehler seiner Vorderleute noch schadlos bereinige zu können. Mit Anlauf fliegt der Linksverteidiger in Hansas Mines Pepic. Arne Aarnink ergänzt die Gelbe Karte, die er Landgraf schon zuvor gezeigt hatte, und packt diesmal noch eine Rote dazu.

In Unterzahl hat es auch Kai Eisele nun nicht mehreilig, Sebastian Mai aber, der 70 Meter weiter vorn übers Feld pflügende HFC-Kapitän, mahnt bei den Mitspielern und beim Schiedsricher weiter Tempo an. Der Hüne ist damit ganz allein auf dem Feld, alle anderen hier wären nun wohl mit einem Remis zufrieden. Zumindest bis zur 88. Minute, als sich der HFC noch einmal bis vor den Hansa-Kasten gearbeitet hat. Einwurf, Drinkuth flankt, Abwehrversuch, Ball bei Björn Jopek, dem Sechser, der bis dahin nahezu alle seine Kopfballduelle gewonnen hatte. Jetzt zieht er ab, nach Lage der Dinge an diesem Tag der vergebenen Hundertprozentigen ohne jede Erfolgsaussicht.

Und trifft.

1:0. Die Fans singen nun "Seht ihr, Hansa, so wird das gemacht". Auf dem Rasen fallen die Roten sich in die Arme, die Blauen schauen konsterniert. Fünf Minuten später ist es vorbei. "Sieg", brüllt die Tribüne. Und was für einer.

Teenage Rampage: The Great Greta Thunberg Swindle



Greta Thunberg hat natürlich keinen Song mit der britischen Indierock-Band 1975 aufgenommen, wie es der staatliche Deutschlandfunk behauptet, und sie "singt" auch nicht "für den Klimaschutz", wie derselbe Sender mitteilt. Vielmehr hat die Band, bisher ausschließlich im abtrünnigen Albion erfolgreich, zur Mehrung von Marktchancen auf dem Kontinent die Tonaufzeichnung einer der fundamentalen Klimareden der Schwedin genommen, Musik daruntergelegt und als Single - eigentlich ein ausgestorbenes Format - veröffentlicht.

Es gibt diese Single nicht wirklich, sie ist reine virtuelle Imagination. Aber wer unentdeckt zu lügen vorhat, der bleibt am besten möglichst nahe bei der Wahrheit: Also ja, Thunberg hat nie mit The 1975 "kollaboriert" (Musikexpress) oder gar für die Briten "gesungen", wie der "Musiksender" BigFM behauptet. Aber "zu hören" (Spiegel) ist sie auf dem nach dem gleichnamigen Debütalbum von The 1975 einfallsreich "the 1975" betitelten Nummer aus Schwebenoten und Klaviergebimmel zweifellos und es gibt sogar Fotos, die Thunberg und Bandmitglieder gemeinsam zeigen.

Marketingtechnisch kann das nur super laufen, für einen guten Zweck, denn alle Einnahmen gehen an die sanften Ökoterroristen von "Extinction Rebellion", einer Art Seasheperd-Truppe für Onshore-Einsätze, die die Angst antreibt, dass die Welt nächste Woche oder vielleicht sogar schon nächstes Jahr untergehen könnte.

Thunbergs Rede - bestehend aus Teilen der Ansprache Thunbergs beim Weltwirtschaftsforum im Januar 2019 in Davos - schlägt in dieselbe Kerbe. "Wir müssen anerkennen, dass die älteren Generationen gescheitert sind. Alle politischen Bewegungen in ihrer jetzigen Form sind gescheitert", sagt die Spitzenkandidatin für den diesjährigen Friedensnobelpreis, "aber noch haben wir Zeit, das Ruder herumzureißen”. Das sei „überzeugender als der Papst“, freut sich der Deutschlandfunk, was allein die Welt aber noch nicht rettet.

Dazu müssten nun aber "alle da draußen" zivilen Ungehorsam zeigen und "rebellieren" (Thunberg), "now", wie es einst bei The Sweet hieß, die mit "Teenage Rampage" vor 46 Jahren eine schmissige Nummer im Programm hatten, die zumindest rhythmisch nach Revolte klang. "All over the land the kids are finally startin' to get the upper hand, they're out in the streets they turn on the heat and soon they could be completely in command - imagine the sensation of teenage occupation", hatten die beiden Mitzwanziger Nicky Chinn und Mike Chapmann dem gleichaltrigen Brian Connolly ins Textbuch geschrieben. "At thirteen they were fooling, but at sixteen they'll be rulin' and there's something in the air of which we all will be aware".

Hat ein wenig gedauert und kam dann doch ganz anders, denn nun trägt die Rockrebellion den berüchtigten "Sound of Café del Mar", rebellisch wie ein Starbucks-Frühstück. Statt "come join the revolution, get yourself the constitution, come join the revolution now" trägt Greta Thunberg mit Kühlschrankstimme ihre Ansicht vor, dass jetzt die Zeit gekommen sei, "dass wir klar und deutlich sprechen". Tut sie vorbildlich. Eine "wichtige Botschaft" (Focus), die "ein Hit" (Focus) geworden sein wird, noch ehe The 1975 ihr viertes Werk „Notes On A Conditional Form“ im Februar kommenden Jahres veröffentlicht haben werden.




Passenger Name Record: Überwachung für alle

Bisher höchst ungerecht geregelt: Flugpassagiere werden in der EU hautnah überwacht, Schiffspassagiere dagegen nicht. Das soll sich bald ändern - die EU-Kommission arbeitet an einer gerechteren Lösung.

Ungerecht, diskriminierend und für viele auch unverständlich, so gestalteten die EU-Staaten bisher ihre Bemühungen zur Überwachung der Bürgerinnen und Bürger. Die war dadurch weder lückenlos noch gerecht, vielmehr kam es immer wieder zu Diskussionen um die Notwendigkeit weiterer Überwachungsmaßnahmen. Insgesamt ohne großen Erfolg: Während US-Behörden EU-Bürger abhören durften, ist das EU-Behörden immer noch nur mit Einschränkungen erlaubt. Selbst eine bereits vor Jahren beschlossene Speicherung aller elektronischen Lebensäußerungen der 500 Millionen EU-Bürger ist zur Zeit wegen der Bedenken einer Handvoll Richter ausgesetzt.

Die neue EU-Kommission aber nimmt sich nun wenigstens ein anderes Detail der Überwachungsarchitektur vor, das bisher bei Experten als in höchstem Maße ungerecht geregelt galt. Während Flugpassagiere in der Wertegemeinschaft bisher bereits durch die sogenannte Fluggastdatenspeicherung eng überwacht werden, reisten Passagiere von Zug, Bus und Schiff nahezu ohne dass staatliche Behörden jederzeit Zugriff auf ihre Namen, Reiseziele und jeweiligen Aufenthaltsorte hatten. Kritiker bemängelten das schon lange, denn ein Grundbedürfnis jeder überstaatlichen Institution sei es, Daten anzuhäufen und Wissen zu sammeln. Eine ungerechte Regelung, die es nur erlaube, die Daten von Flugpassagieren zu speichern und mit außereuropäischen Geheimdiensten zu teilen, beschränke die Möglichkeiten des Rechtsstaates, die im Grundgesetz und in den europäischen Verträgen vorgeschriebene Gleichbehandlung der Bürger auch wirklich durchzusetzen.

Eine Ausweitung der Fluggastdatenspeicherung auf den Bus-, Bahn- und Schiffsverkehr ist damit alternativlos. Gedeckt vom Getöse um die Neubesetzung des EU-Kommissionspräsidenten hat der EU-Rat der EU-Regierungschefs bereits Anfang Juli 2019 eine Ausweitung des sogenannten "Passenger Name Record" (PNR) auf Reisende mit Schiff, Bus und Zug besprochen. In der zuständigen Arbeitsgruppe Informationsaustausch, so berichtet die Süddeutsche Zeitung, hätten die meisten Mitgliedstaaten die Idee einer lückenlosen Überwachung der Mobilitätsbemühungen des europäischen Souveräns unterstützt. Plattformunabhängig sollten künftig auch die Daten von Zugreisenden, von Flixbus-Passagieren, Mietautofahrern und Reisenden an Bord von Schiffen erfasst zentral gespeichert werden.

Die einzigen Hürde auf dem Weg zum Aufbau einer Ordnung mit umfassenden Bewegungsmeldungspflicht sind die bisher noch nicht einheitlich gestalteten Datenformaten bei der Ticketbuchung der unterschiedlichen Verkehrsträger, zudem sind Bahntickets in Deutschland noch nicht zwangsweise personengebunden. Als unüberwindlich gelten diese Hindernisse aber nicht, weil  massive Eingriffe in die Privatsphäre aller Menschen zwar von der Öffentlichkeit stets Argwohn erregen, bei passender Gelegenheit aber dann doch konsequent umgesetzt werden.

So kassierte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg vor zwei Jahren zwar ein Abkommen zum Austausch von Fluggastdaten zwischen der EU und Kanada, weil es gegen die europäischen Grundrechte. Eine gleichartige Regelung mit den USA, deren Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden die EU 19 Detailinformationen pro Passagier liefert, darunter Namen, Geburts- und Flugdaten, Kreditkarteninformationen, besondere Verpflegungswünsche, Buchungsdaten für Hotels und Mietwagen sowie E-Mail-Adressen und Telefonnummern, blieb bestehen.

Freitag, 26. Juli 2019

Klimasommer 1957: Hitzealarm aus dem Archiv


"Weiterhin Tro­pen­hitze in ganz Mit­tel­eu­ropa", hieß es im Juli vor 62 Jahren in der Berliner Zeitung, damals noch Organ der SED der DDR und im frühen Klimakampf deutlich weniger einsatzfreudig als als die Journalistenenkel heutzutage. In Prag war es seinerzeit "heißer als am Äquator" und die DDR-Nachrichtenagentur ADN hatte zudem Aussichten ausgemacht, die in der Gegenwart mindestens einen Live-Blog zur Hitze, wenn nicht gar einen Hitzeticker verlangen würden. "Nach vorübergehender, nur geringer Abkühlung wird die über Mitteleuropa lastende Tropenhitze auch in den nächsten Tagen noch anhalten."

Nicht Lingen oder ein Stück rotgeglühte Autobahn bei Gallargues-le-Montueux in Frankreich schaffte damals den "absoluten Hitzerekord" (ADN), sondern Prag, "wo das Thermometer Freitagnachmittag auf 41 Grad kletterte". In Banjul in der damals noch von den französischen EU-Friedenspartnern mit Waffengewalt gehaltenen Kolonie Französisch- Äquatorialafrika wurden gleichzeitig nur 30 Grad gemessen. Sechs Jahre später musste Frankreich seinen zentralafrikanischen Vorposten aufgeben und der Gründung der vier Staaten Kongo, Gabun, Zentralafrikanische Republik und Tschad zustimmen.

Dort sind derzeit um die 30 Grad, es ist in 60 Jahren taggleich kaum wärmer im Klimasommer 2019 geworden. Auch in Mitteleuropa reichte es rechnerisch nur zu einer Hitzerekordsteigerung von drei bis vier Grad, für sechs Jahrzehnte eine vergleichsweise magere Ausbeute.

Allerdings ist die Reaktion auf die Hitze grundlegend anders. "Wie die Hauptverwaltung Wasserstraßen im Ministerium für Verkehrswesen mitteilt, ist die Erholung der Werktätigen auf den Fahrgastschiffen der "Weißen Flotte" Dresden-Sächsische Schweiz weiterhin gesichert", hieß es damals beruhigend. "Auf einem Zeltplatz bei einem niederländischen Bauernhof ist 20 Kindern durch die Hitze so übel geworden, dass sie behandelt werden mussten", schreibt die FAZ heute. Pilgerte ganz Leipzig seinerzeit bei 38 Grad - dem "heißesten Tag seit 10 Jahren" - in die Sommerbäder, tauchen heute überall Hitzeexperten auf, die dazu raten, sich im Schatten aufzuhalten und viel zu trinken.

Zur klammheimlichen Freude der DDR-Presse hatten sich solche Geheimrezepte im Sommer 1952 zumindest im Westen noch nicht herumgesprochen. Die Quittung der menschenverachtenden Verweigerung notwendiger Hilfe für Hitzeratsuchende: "In Westdeutschland hat das heiße Wetter zahlreiche Menschenopfer gefordert", zählte ADN, "nachdem in Nordrhein-Westfalen bereits am vergangenen Wochenende 20 Menschen ums Leben gekommen waren, ertranken innerhalb der letzten fünf Tage wiederum 20 Personen." In Baden-Württemberg habe es sogar "die ersten beiden Todesopfer durch Hitzschlag" gegeben.

Damals schon war die kapitalistische Marktwirtschaft der Hitze, die aus ihrer klimaschädlichen Gewinnsucht resultierte, nicht gewachsen. Neben der Sperrung zahlreicher Asphaltstraßen, auf denen der Asphalt unter der Hitzeeinwirkung flüssig geworden war, kam es auch im Schienenverkehr zu Störungen seitdem eine schöne Tradition. In Stuttgart musste die Zahnradbahn stillgelegt werden, weil sich die Zungen der Weichen verbogen hatten, eine Straßenbrücke bei Rendsburg, die über den Nord-Ostsee-Kanal führt, verklemmte sich und konnte zeitweilig nicht ausgeschwenkt werden. Unter der sengenden Hitze streikten selbst öffentliche Uhren, etwa in Wanne-Eickel, wo beim Versuch einer Reparatur der Bahnhofsuhr im Uhrgehäuse 56 Grad Celsius gemessen wurden.

Ein Hitzerekord, immer noch.

Renaissance der Revolution: Die Ruinen sollen auferstehen

Wenn der mörderische Kommunismus wiederkommt, wird er laut rufen "Ich bin's,  der moderne Sozialismus!"

Es ist immer besser, wenn sich die Leute um die Dinge kümmern, die wirklich etwas von ihnen verstehen. Dass die Linke eine spezielle Expertise für die Lösung der Wohnungsfrage als soziales Problem besitzt, steht seit dem großen Wohnungsbauprogramm Erich Honeckers außer Frage: Nie zuvor ist Deutschland von einem Staat so viel bezahlbarer Wohnraum in entmenschlichten Großplattenbauwerken geschaffen worden wie in den letzten 15 Jahren der DDR. Gleichzeitig zerfiel zu Friedenszeiten niemals mehr bestehender Wohnraum in solcher Geschwindigkeit und mit so malerischen Ergebnissen.

Wenn sich als die SED, inzwischen in Die Linke umbenannt, sich um die Wohnungsfrage zu kümmern verspricht, ist „schöner Wohnen“ (Luxemburg-Stiftung) greifbar nahe. Denn die Linke sieht, wo der Mietschuh drückt: „Dass es problematische Folgen hat, Wohnraum marktförmig
 zu organisieren, ist eine alte linke Erkenntnis“, heißt es in marxistischen Theoriegazette „Luxemburg“. Explodierende Mieten bürgen „sozialen Sprengstoff“, sie vertieften Abstiegsängste und setzte „insbesondere die, die wenig haben, in verschärfte Konkurrenz“.

Wo zu DDR-Zeiten daran gearbeitet wurde, das Versprechen der DDR-Nationalhymne „auferstanden aus Ruinen“ als „Alltagsleben in Ruinen“ zu verstetigen, müsse eine linke Wohnungspolitik heute ökologisch sein, gemeinwohlorientiert und sozial, sie müsse zugleich inklusiv und zugänglich für alle und aus Strukturen entspringen, „die politische Macht und Entscheidungskompetenzen umverteilen“.

Wohnen müsse „dem Markt entrissen“ werden, damit Wohnen für hundert Mark in der Leninallee wieder möglich wird. Dass noch kein sozialistisches Wohnexperiment von der DDR über die Sowjetunion bis nach Kuba jemals Erfolg gehabt hat, irritiert die schon seit einigen Jahren in der Bedeutungskrise steckende Linke überhaupt nicht. Der künftige SPD-Abwickler Kevin Kühnert hatte die ungebrochene Mobilisierungskraft von Reichenhass und Enteignungsfantasien als Erster erkannt, in Sachsen eifern ihm die Genossen der Linken nun mit dem Versprechen nach, einen "modernen Sozialismus" ohne Lager, Gesinnungshaft und überlange Wartezeiten bei der Lieferung neuer E-Mobile einrichten zu wollen.

Modern und demokratisch wird er diesmal sein, der Sozialismus, der nach Jahrzehnten des Wartens im Blut von Millionen aus dem Schützengraben der Systemauseinandersetzung steigt, als sei er ganz neu zur Truppe gestoßen. Es müsse doch noch etwas anderes als Kapitalismus geben, sagte der sächsische Spitzenkandidat Rico Gebhardt bei der Vorstellung der Kampagne zur Landtagswahl am 1. September, bei der seine Partei gute Chancen hat, noch einmal ein Viertel der Wähler zu verlieren, die vor zehn Jahren noch ihr Kreuz bei Partei gemacht hatten, die jetzt "verändern und vorwärtskommen, dabei aber auch aufpassen" wollen, "dass niemand zurückbleibt".

Eine Avantgarde, die zu allem entschlossen ist. Rico Gebhardt, ehemals FDJ-Sekretär, Fischhändler und gescheiterter Vorsitzender des sächsischen Landesverbandes der umbenannten SED, hat deswegen 30 Jahre nach dem Mauerfall "eine klare Position" (Gebhardt) entwickelt: "Wir müssen die Dinge endlich wieder selbst in die Hand nehmen", drohte er den in Sachsen verbliebenen früheren DDR-Bürgerinnen und -Bürgern. Der Kapitalismus habe "auf unserem Planeten und auch in Sachsen mindestens versagt, teilweise sogar regelrecht randaliert". Deshalb müssten nun wieder die übernehmen, die zu DDR-Zeiten gezeigt hätten, wie sich mit Hilfe von Mauern, Gefängnissen und strengen Denkverboten Millionen Menschen fast widerspruchslos in einer Mangelwirtschaft halten lassen, die nur einer ganz kleinen Clique von systemtreuen Funktionären Zugriff auf Ressourcen und Privilegien gestattet.

In Sachsen sind immerhin noch 7800 Parteimitglieder davon überzeugt, dass eine Rückkehr zu dieser sozialistischen Massenhaft unter Aufsicht von Gebhardt, Kipping und Co. dringend geboten ist. Im  Wahlkampf wird die Linkspartei rund 700 000 Euro des verbliebenen Parteivermögens ausgeben, um für das neue Sozialismus-Experiment zu trommeln. Neben einem Großplakat, das an 300 Standorten einen "demokratischen Sozialismus" bewerben wird, machen zehn weitere Plakatmotive mit Propagandabegriffen wie "Solidarität", "Gleichheit", "Sicherheit", "Tradition" und "Fortschritt" Reklame für eine Gesellschaftsalternative, wie sie die DDR 40 Jahre lang verkörperte: Arm, aber hässlich, unfrei, aber gemütlich, gesundheitsschädlich, aber mit einem kostenlosen Gesundheitssystem.

Wann wir schreiten Seit' an Seit': Team Ramelow/Team Höcke




Donnerstag, 25. Juli 2019

Verdummung: Verkleidete Verteidiger des Guten

Die Bewunderung der Deutschen gilt denen, die Gutes verkörpern. Ist das dumm?

Höflich sein, auch im Moment höchster Wut, sich gewählt ausdrücken, auch bei Gelegenheiten, in denen Abscheu und Verachtung mitgeteilt werden müssen – was früher zum Handwerkszeug jedes Publizisten gehörte, ist in den Tagen von Pegida, Höcke-Hetze und Trump-Bashing kaum mehr gefragt. Selbst ehemals seriöse Blätter beschäftigen Wortwerker, denen Begriffe wie „Volksverdummung“ leicht aus der Feder fließen. Kein Wunder, denn ihr Publikum halten die Westentaschenkinskis für „bescheuert“, „einfältig“ und leichtgläubig“.

Aber ob sie sich da mal nicht irren??

Bei der Frankfurter Rundschau, einem früher linksliberalen, nach der vierten Pleite aber nur noch flachen ehemaligen Leitmedium, verzehrt der Theatermacher Michael Herl seit Jahren die Dividende der Zeit, in der er sich einen Namen als unerschrockener Theatermacher machte. Das geschieht unter völligem Ausschluss der Öffentlichkeit, denn die FR wird von so wenigen Menschen gelesen, dass sie schon seit Jahren keine entsprechenden Zahlen mehr veröffentlicht. Normalerweise kommt es darauf auch nicht an, Ideologen schauen nie darauf, wie viele Empfänger sie erreichen, sondern ausschließlich darauf, dass ihre Botschaft stimmt.

Verkleidet als Verteidiger des Guten


Herl aber, lange Zeit vom Hessischen Rundfunk ausgehalten, stößt in seiner Kolumne immer wieder in Grenzbereiche einer Wahrheit vor, die er gar nicht mitteilen will: Verkleidet als Verteidiger des Guten, Wahren und Wichtigen rutschen dem einst von Günter Wallraff in die Psychiatrie eingewiesenen Künstler Dinge heraus, die vom Blick einer selbsternannten Elite auf Menschen erzählen, die aus ihrer Sicht „ganz unten“ (Wallraff) leben, dort, wohin die Sonne der Künstlerkultur und der Kulturkunst nicht strahlt, dort, wo Radioprogramme „durchhörbar“ sein und Buchhalter, Automonteure und Kassiererinnen nicht durch Wortbeiträge über Goethe, Wagners Antisemitismus und die führende Rolle der Pappe bei der Einhüllung von Christos Werk gestört werden wollen.

Da stellt sich Herl die ewige Frage: „Sind Sender wie der HR schuld an der Volksverdummung, oder waren die Leute schon vorher bescheuert?“ Muss so sein, denn obwohl da ja gerade „rechte Terroristen“ einen Politiker ermordet hätten, und „die Fahndungsmaßnahmen, gemessen an denen nach Anschlägen der RAF, mehr als überschaubar“ gewesen seien – fehlt es an Großdemonstrationen. Und trotz Klimawandel zähle der Frankfurter Flughafen immer mehr Fluggäste. Während die FR, siehe oben, trotz Klimawandel immer weniger Leser findet, obwohl sie auf teurem Papier gedruckt wird, für das Jahr für Jahr gewaltige Wälder sterben müssen, die im Kampf gegen den Klimawandel noch gute Dienste hätten leisten können.

Bezahlt mit toten Wäldern


Diese „Klimaproblematik“, schreibt Herl im zusammenhanglosen Stil einer anderen berühmten Krisenkolumnistin, „müsste mittlerweile auch dem letzten Dussel klar geworden sein“. Die Zahl der Neuzulassungen dreckschleudernder Geländewagen steige ständig, doch der „Bioanteil an Fleisch und Wurstwaren“ (Herl) liege trotzdem bei nur einem Prozent. Der Rest: Maschinell hergestellte Steaks, Algenbuletten aus der Kunststoffpresse und Entrecôte unnatürlichen Ursprungs.

„Sind die Menschen dumm?“, muss sich Herl, der SUV unter den Feuilletonisten, da fragen. Und eingestehen: „Schlimmer noch. Sie sind einfältig und leichtgläubig – vor allem aber überfordert.“ Angesichts der immer zahlreicher werdenden Informationsmöglichkeiten beschränkten sie sich „auf ein Mindestmaß“, also gar nicht wie er, der sich als „sorgfältig recherchierenden Journalisten“ sieht.

Ein Influencer für Gemüsesaftverächter


Er macht sich nicht wie „irgendwelche Influencer“ (Herl) „lustig über alte Frauen, die wöchentlich stapelweise Regenbogenblätter kaufen, wohl wissend, dort nur Lügen aufgetischt zu bekommen“. Er äußert stattdessen Abscheu über die, sich "das Geld von Großkonzernen aus der Tasche ziehen lassen, indem sie Kaffeekapseln kaufen oder minderwertigen Nahrungsdreck, von dem sie dann die Hälfte wegwerfen“. Und die, die „ein Gläschen frisch gepressten Gemüsesaft mit einem Tropfen Öl (Wareneinsatz 18 Cent, Verkaufspreis 5 Euro)“ genießen, „und sich nicht mal wundern, wie die Menschheit Jahrmillionen ohne Gemüsesaft mit einem Tropfen Öl überleben konnte“.

Es ist im Kleinen wie im Großen. Die Menschen suchen eine einfache Lösung, da ihnen das Weltgeschehen immer komplexer erscheint. Von daher ist die Kolumne von Michael Herl wahrscheinlich eine passende Zeiterscheinung.

Im PPQ-Archiv: Dummheit - das letzte Tabu 


Lob des Saarlandes: Und jetzt alle!

Mit acht Monaten Verspätung hat auch der professionelle Journalismus den sagenhaften Aufstieg der Saarländer entdeckt.
Es war der 7. Dezember 2018, als die Sache erstmals auffiel. Mit der gerade zur Nachfolgerin von Angela Merkel gewählten Annegret Kramp-Karrenbauer hatte die Bundesrepublik unangekündigt und unverhofft einen Westrutsch erlebt, der historisch einmal ist. "Mit Peter Altmaier und Heiko Maaß stellen die knapp eine Million Saarländer jetzt drei führende Vertreter in der Bundespolitik und zwei Verfassungsrichter", hieß es seinerzeit hier bei PPQ, und: "Zum Vergleich die Quote für die 15 Millionen Ostdeutschen: 1."

Die alte Bundesrepublik, im kleinen Saarland mit seinen maladen Autobahnen, seinen hässlichen 70er-Jahre-Hochhäusern und der Machtverteilung zwischen etatistischer CDU und phantomrevolutionärer Linker wie in einer Pipette aufbewahrt, strikes back. Da war es wieder, das Land, in dem der Gewerkschaftsbund wie eine staatliche Institution funktioniert, in dem es Berufe gibt wie den des Generalsekretärs der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und in dem die Tochter eines Sonderschullehrers und einer Hausfrau schneller Verteidigungsministerin wird, als sie "in der CDU ist genug zu tun" sagen kann.

Aus dem kleinsten Bundesland, traditionell Kaderschmiede für die deutsche Spitzenpolitiker wie Erich Honecker, Oskar Lafontaine, Ottmar Schreiner, kommen mit Annegret Kramp-Karrenbauer, Heiko Maas und Peter Altmaier auch heute Führungspersönlichkeiten, die zu beweisen verstehen, dass auch der Staat nur eine Beute ist, die sich nicht wehren kann, wenn der Jäger ihr entschlossen nachstellt. Im Saarland galt stets, was auch im politischen Berlin Grundregel ist: Man tut sich Gefallen, aber nicht weh, man weiß voneinander genug, um sich jederzeit gegenseitig in der Hand zu haben, wie PPQ im Dezember 2018 schrieb.

Acht Monate später ist die Nachricht nun auch beim Nachrichtenmagazin der Bonner Republik angekommen. Versteckt zwischen den neuesten Hassbotschaften an Donald Trump und dem nationalistischen Quiz "33 Einbürgerungsfragen: Sind Sie reif, ein Deutscher zu sein?" findet sich ein Beitrag über "Die Saarlandisierung der Republik" - eine direkte Übersetzung von "the Saarlandization of German Politics", wie der britische "Economist" das Phänomen genannt hat, das bei PPQ noch schlicht der "Sieg des Saarlandes" über die Realität genannt worden war.

Mit dem "Spiegel" - "Das Saarland ist das kleinste Bundesland der Republik - und wird bundespolitisch immer prominenter vertreten. Was ist da los?" - staunt nun gleich die gesamte auf Kellerniveau eingeebnete Medienlandschaft. "Der Heiko, der Peter und nun es Annegret - Deutschlands zweitkleinstes Bundesland stellt nun gleich drei wichtige Minister im Berliner Kabinett", duzt sich die Süddeutsche Zeitung an das Ende der Berliner Republik heran. "Warum Saarländer die Republik rocken" versucht die Frankfurter Neue Presse zu ergründen, ohne zu erklären, welche frühkindliche Verbildung bei jemandem eine Assoziation von Kramp-Karrenbauer, Maas, Altmaier oder dem Verfassungsrichter Peter Müller mit Rockmusik auslösen kann.

Es war jener Peter Müller, bruchlos aus dem Politikerjob in die Aufgabe als Verfassungsrichter gewechselt, wo er seitdem Politikerhandeln kritisch prüft, der den Begriff Saarlandisierung erfand, nachdem er bei PPQ von der Versammlung der Saarländer an den Schalthebeln der Bundespolitik gelesen hatte. Der "Spiegel" verschweigt Müllers Beitrag ebenso wie den, den PPQ geleistet hat. Auch die SZ gibt die mit mehr als einem halben Jahr Verspätung entdeckte "Saarlandisierung" als eigene Übersetzung der angeblichen Economist-Erfindung aus. Allzu peinlich wäre es wohl, zugeben zu müssen, dass die Vokabel direkt aus dem Mund eines Politikers stammt, der sich als aktueller Bundesverfassungsrichter auf einer Parteiveranstaltung der CDU ausdrücklich "politisch" äußerte. Und dabei wie zufällig den von der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin erst wenige Stunden zuvor aus der Hülsenpresse gezogenen Begriff verwendete.

Mittwoch, 24. Juli 2019

Notruf-Reform: Triage unter neuer Nummer

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat nach seinem Scheitern beim geplanten Umstieg an die Spitze des Verteidigungsministeriums einen Plan zu einer Reform der Notfallversorgung in Deutschland vorgelegt. Dabei soll die bisherige Notrufnummer 112 durch die neue Nummer 116 117 118 3312 98756546 ersetzt werden. Dadurch erhofft sich der Minister einen Rückgang von Patientenanrufen, da die neue Kontaktnummer "zumindest am Anfang lange nicht so bekannt" sein werden, wie es im politischen Berlin hieß.

Damit nimmt die von Spahn (CDU) seit langem geplante grundsätzliche Reform der Notfallversorgung erstmals konkret Gestalt an. Nachdem Spahn bereits Mitte Dezember 2018 Grundzüge vorgestellt hatte, nach denen es Ziel der Reform ist, die bestmögliche Versorgung von Menschen in medizinischen Notfällen abzusichern, liegt nun ein Gesetzentwurf vor. "Derzeit sind die Notaufnahmen der Krankenhäuser zu häufig überlaufen, weil unter den Patienten auch solche sind, denen andernorts besser geholfen werden könnte", begründete Spahn die Notwendigkeit der Reform. Weil die 112 aber landesweit bekannt sei, riefen dort auch Menschen an, die eigentlich in den Warteraum eines Hausarztes gehörten, wo vielen schon während der langen Wartezeit bis zum Aufruf gesunden.

Patienten, die wirklich auf die Hilfe in der Notfallambulanz angewiesen seien, kämen deshalb kaum durch, eine ordentliche Triage zur Entscheidung, wo sich eine Behandlung lohnt, sei so kaum möglich. Es handele sich um eine "Reform, die an der Wurzel ansetzt", sagte der CDU-Politiker, deshalb erfordere der Wechsel der Notrufnummer möglicherweise sogar eine Änderung des Grundgesetzes, das bisher aufgrund von Artikel 1 eine Behandlungspriorisierung nur eingeschränkt erlaubt.

Dem Gesetzentwurf zufolge sollen Patienten, die nach der Reform noch über die neue Nummer 116 117 118 3312 98756546 durchkommen, von eigens mit medizinischer Fachliteratur ausgestatteten Callcenterangestellten eine erste Einschätzung bekommen, ob ihnen eine Klinikbehandlung zusteht oder ob sie sich bei ambulanten Arzt in die Warteschlange einreihen müssen. Der Gesetzentwurf spreche von der "zentralen Lotsenfunktion" der Callcenter, die Gewinner der Telefonlotterie direkt in neue bundesweite "Integrierte Notfallzentren" (INZ) überweisen können, die dem Gesetzentwurf zufolge "jederzeit zugänglich" und "räumlich derart in ein Krankenhaus eingebunden" sein, dass sie von den zugangsberechtigten Patienten "als erste Anlaufstelle im Notfall wahrgenommen werden".

Unklar sind noch die Gesamtkosten des Umbaus des deutschen Gesundheitswesens, bei dem unter anderem mehrere hundert Kilometer Telefonkabel neu verlegt werden müssen.Wegen der Freischaltung der neuen Geheimnummer ist das Bundesgesundheitsministerium aber bereits im Gespäch mit der Deutschen Telekom. Kein Wunder: Immerhin gilt die neue Nummer als wichtigstes Asset der geplanten Reform.

Kniefall vor Washington: Wie Altmaier Trump zum Einlenken zwingt


Ursula von der Leyen wird erst noch Chefin der EU-Kommission, Deutschlands Wirtschaftsminister Peter Altmaier aber spricht schon heute nicht nur für Deutschland, sondern für den ganzen Kontinent mit seinen 750 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Ganz genau so, wie es der legendäre Hades-Plan aus dem Jahre 1992 stets vorsah.

Gerade eben erst hat der CDU-Politiker den USA im Namen ganz Europas - offenbar gleich inklusive Russland, Norwegen, Weißrussland und der Ukraine - das Angebot gemacht, vor den Forderungen von Donald Trump auf die Knie zu fallen und die deutschen Strafsteuern etwa für amerikanische Autoimporte "nach Europa" (DPA) komplett zu streichen. Ob Altmaier, der daheim unter Druck steht, weil die deutsche Wirtschaft immer öfter Schwächezeichen zeigt und die Bundesregierung sich nicht in der Lage sieht, im Ansiedlungswettbewerb mit anderen Staaten irgendeine Art von Reform etwa bei den rekordhohen deutschen Steuern oder den auf Weltrekordniveau liegenden Stromkosten wenigstens anzukündigen,zuvor oder wenigstens danach mit irgendeinem anderen Europäer über sein Angebot gesprochen hat, wurde nicht mitgeteilt. Der Mann aus dem Saarland spricht für Europa. fertig.

Eine überraschende Wendung, weil Altmaier bisher keinerlei Mandat zu haben schien, im Namen ganz Europas oder auch nur der EU zu sprechen. Zudem hatte die noch im Amt befindliche EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker eigentlich angekündigt, den Forderungen der USA nach einer Abschaffung aller Zölle im Handel zwischen den USA und der EU keinesfalls nachgeben zu wollen. Stattdessen werde die EU Gegenmaßnahmen beschließen, so Juncker. Ursula von der Leyen hatte sich in ihrer großen Antrittsrede mit keinem Wort zum Handelsstreit geäußert, sondern stattdessen nur eine selbstausgedachte "europäische soziale Marktwirtschaft" gelobt, die "den Markt mit dem Sozialen in Einklang" bringe.

Die scharfen EU-Sanktionen sollten diese deutsche Art zu wirtschaften schützen und die US-Administration in die Knie zwingen. Deutsche Medien feierten sie auch bereits als Erfolg, peinlichst darauf bedacht, feine Unterschiede zu machen: EU-Zölle gegen China sind notwendige "Strafzölle", um den Chinesen fairen Handel beizubringen. US-Zölle gegen deutsche Waren dagegen Willkür, der sich die EU niemals beugen wird.

Nun beschreibt die Vokabel "niemals" in der Politik, zumal in der der EU, einen Zeitraum der häufig recht kurz ausfällt. So schnell, wie sich bittere Entschlossenheit einstellt, so schnell verschwindet sie auch wieder, wenn es nützlich scheint.  Altmaier, von dem das schon rein physisch niemand für möglich gehalten hatte, "knickt vor Trump ein" (FAZ) und verspielt damit den nahen Sieg im Zollweltkrieg. Altmaier wolle im Zollwettstreit mit den USA "aufgeben", heißt es bei Decotietien, dem bisher einzigen französischen Medium, das überhaupt Notiz vom mutigen Handtuchwurf des Saarländers genommen hat.

PPQ-Archiv: Wie Trump die EU vorführt