Sonntag, 30. Juni 2019

Zitate zur Zeit: Die Kleinstaaten deutscher Mobilität


Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation (ab 1648) sah mit seinen 300 Fürstentümern und Tausenden Zollstationen geordneter aus als die heutige Landschaft deutscher Verkehrsverbünde.

André Vatter beschreibt die Kleinstaaten deutscher Mobilität

Der Anbräuner: Die kalte Rache des Neo Rauch

Siebeneinhalb Jahrzehnte nach Hitlers Tod gehört es zum politischen Alltagsgeschäft, politische Konkurrenten oder Vertreter abweichender Ansichten möglichst umgehend zu "Nazis" zu erklären und sie aufzufordern, zu bereuen und sich zu entschuldigen. Wer sich weigert, verfällt der medialen Feme wie der Maler Axel Krause, der Schriftsteller Uwe Tellkamp , der Humorist Uwe Steimle oder der Musiker Morrisey. Normalerweise verliert der Getroffene damit sofort auch das Recht, sich gegen Unterstellungen zu verteidigen: Wer beschuldigt worden ist, sich in Nazinähe zu bewegen, ist raus aus dem Dialog der Demokraten. Er kann vielleicht weitersingen. Aber kein anständiger Mensch wird ihm mehr zuhören, seine Bilder anschauen, über seine Witze lachen oder seine Bücher lesen.

Der Leipziger Maler Neo Rauch hat den Tugendwächtern der politischen Moral der Merkel-Republik nun schon vor längerer Zeit Grund zum Verdacht gegeben, er könne in Gedanken einer sein, den gelegentlich Zweifel daran befallen, ob hierzulande noch alles Maß und Mitte hat, was alternativlos ist und geschafft werden wird.

"Wir haben 1989 die Bagage der Blockwarte, Gesinnungsschnüffler und der Politkommissare zum Teufel gejagt und uns gesagt ,So etwas lassen wir uns nie wieder bieten. Wir lassen uns nie wieder auf Linie bringen‘", hat der Begründer der Leipziger Schule etwa gesagt, "und jetzt sind die Blockwarte wieder da in Gestalt ihrer Enkelkinder." Von "Verhaltensmustern" sprach er, "die uns Ostgeborenen so urvertraut sind" und meinte damit die Devotheit der Westdemokraten allem gegenüber, was ihnen von oben zu kommen scheint. Der gelernte Ostler weiß, diese Typen wären hervorragende FDJ-Sekretäre geworden, überzeugt von ihrer Überzeugung, nie von einem Zweifel angegangen.

Aus solchem Material waren SED-Funktionäre gemacht, das war genau die Art Kämpfer, die die Unmenschlichkeit der vermassten Gesellschaft des Sozialismus als wissenschaftliche Notwendigkeit verteidigten. Wie sie es bis heute tun.

Ohne es zu bemerken freilich, wie das Beispiel des aus München stammenden Kunstkritikers Wolfgang Ullrich zeigt. Der hatte Rauch Anfang des Jahres in seinem raunenden Essay "Auf dunkler Scholle" derselben rechten politischen und weltanschaulichen Einstellungen überführt, die auch Tellkamp vorgeworfen wurden. Ulrich beschuldigte Rauch, ein "rechts gesinnter Künstler" zu sein, er rückte ihn in eine Reihe mit Pegida-Aktivisten und AfD-Sympathisanten. Rauch sei quasi ein malender Nazi, eigentlich, der gegen "political Correctness" wettere und gegen eine "Bagage der Blockwarte, der Gesinnungsschnüffler und Politkommissare" polemisiere. Was aus Ullrichs Sicht offenbar verboten ist oder nicht erlaubt oder nicht gewünscht.

Ein gesellschaftliches Todesurteil, wenn es jemanden trifft, der noch von gesellschaftlichen Beurteilungen abhängig ist. Nur ist Neo Rauch das eben nicht. Selbst der Bannstrahl der altbundesdeutschen "Zeit", einem medialen Vehikel von Bionadeadel, Elektroautokirche und Andeutschemwesensolldieweltgenesen, trifft den Weltstar der Malerei nicht. Oder doch nur insoweit, dass Rauch sich jetzt den Scherz gestattete, zurückzumalen: Im Bild "Der Anbräuner“ (oben) porträtiert der gebürtige Ascherslebener seinen Ankläger, Richter und Henker als einen Mann, der auf dem Lokus sitzt und mit seinen eigenen Fäkalien Hitlerfantasien malt.

Eine Hinrichtung mit den Mitteln der Karikatur, die sich hier als Kunst verkleidet. Der Hexenjäger Ullrich sieht sich entblösst auf einem Nachttopf platziert, die Initialen „U.W.“ verweisen auch die noch auf seinen Namen, die nie von ihm und seiner Suada gegen Rauch gehört haben. Um die 40.000 Euro kostet ein gewöhnliches Gemälde des Wahlleipzigers Rauch. Dieses hier aber ist unbezahlbar schon allein deshalb, weil der Kunstblockwart der "Zeit" sich beharrlich weigert, sich selbst als Gegenstand des Gemäldes zu erkennen, obwohl ein Bildvergleich jedem Blinden zeigt, dass Neo Rauch genau das malen kann, was er malen will.

Was aber ist ein Kritiker wert, der nicht sieht, was ist, sondern beurteilt, was er meint, sehen zu müssen? Der um des wie zu dunkelsten DDR-Zeiten für nötig erachteten Schutzes eines eingebildeten Meinungskorridors wegen anbräunt, anklagt, aburteilt und am vollstrecken eigentlich nur gehindert ist, weil große Teile der Gesellschaft des beständigen Nachstellens, Anklagens und Hinrichtens eingebildeter Nazis längst müde geworden sind?

Wolfgang Ullrich hat in Reaktion auf sein "Anbräuner"-Porträt selbst die Antwort gegeben, indem er mit den kurzen Beinen, die professionelle Lügner sprichwörtlich ebsitzen, versucht hat, gegen seinen Kritiker nachzutreten. „Ich habe Rauch rechte Motive unterstellt, aber ihn keineswegs zum Nazi gemacht – das macht er schon selber.“

Samstag, 29. Juni 2019

Frauenfussballspielerinnen-WM: Die Europameisterschaft


Der ARD-Fußballkommentator Bernd Schmelzer war es, der vor Jahren beim Spiel der deutschen MannFrauschaft gegen Kanada das ganze Ausmaß an Unterschiedlichkeit verbal markierte, das das Treiben bei einer Fußball-WM der Frauen von Tun und Lassen beim Männerfußballspiel unterscheidet. "Frauenfußballspielerinnen" seien da unterwegs, sagte Schmelzer im Bemühen, deutlich zu markieren, dass dort eben nicht Fußball gespielt werde, nur eben von Frauen. Sondern Frauenfußball, eine offenbar ganz andere Sportart, die nicht Fußball ist, der von Frauen gespielt wird. Sondern Frauenfußball, den eigens ausgebildete "Frauenfußballspielerinnen" (FAZ) betreiben.

Nur das Ergebnis des Turniers ist auch auch Jahre später dasselbe. Obwohl bei einer Frauenfussball-WM nicht ein einziger weißer Mann mitspielt, und schon gar kein alter, gleicht eine Momentaufnahme der Viertelfinalbegegnungen dem Selbstbildnis des Fußball-Abendlandes in familiärer Runde: Norwegen, England, Frankreich, USA, Italien, Niederland, Deutschland und Schweden heißen die Begegnungen, in denen die vier Halbfinalmannfrauschaften ausgespielt werden. Alles, was aus Asien, Afrika, Südamerika und Ozeanien nach Frankreich gereist war, um mitzukicken bei der Weltmeisterschaft der Frauenfußballerinnen, ist schon wieder nach Hause gefahren.


Der Zwischenstand beim Gipfeltreffen des Frauenfußballs entspricht damit in etwa dem, den der Männerfußball bei der WM im vergangenen Jahr in der Halbfinalphase erreicht hatte. Eine Europameisterschaft, bei den Damen noch verziert von den "US-Girls" (Deutsche Welle, DPA, Spiegel). Die Welt zu Gast zu Hause, der Rest divers wie ein Beutel Milch. Die durchschnittliche Frauenfußballspielerin, die in der Viertelfinalphase noch am Weltmeisterschaftsturnier teilnehmen darf, stammt zu 100 Prozent aus einem westlichen Industrieland und zu 87,5 Prozent lebt sie in einem Umkreis von 700 Kilometern rund um Berlin.

So ist es bei allen Olympischen Winterspielen, so ist es bei der Bob-WM, beim Skifliegen, bei Schießwettbewerben, der Tour de France, im Eishockey, bei der Formel 1, im Tennis, im Golf, beim Rudern, Schwimmen, Fechten, Gehen, in der Rhythmischen Sportgymnastik, beim Handball, Reiten, Kanuslalom, Motoball und Rodeln. Sport ist nicht Mord, Sport ist Beschäftigungstherapie für Gesellschaften, denen echte Existenzsorgen fehlen.

Doch immerhin sorgt das Internationale Olympische Komitee dafür, dass das nächste Olympiatunrier der "Frauenfußballspielerinnen" das falsche Ideal von der Bedeutung des sportlichen Leistungsvermögens  beiseite lässt und stattdessen Buntheit und Diversität, globalisierte Teilhabe und das reine Mitmachen um des Mitmachens willen in den Mittelpunkt stellt. Von den sieben europäischen Frauenfußballerinnenfrauschaften, die das derzeitige WM-Turnier mit ihrer Dominanz zu einer Europameisterschaft gemacht haben, dürfen im kommenden Jahr bei Olympia nur drei antreten, damit Platz wird für Frauenfußballvertreterinnen, die zwar nicht Fußball spielen können, aber auch gern mal dabei wären.

Das große Tabu: Warum sich der Weltfußball gemischten Mannschaften verweigert

Grüner Klimaplan: Um 20 Milliarden verrechnet

Mit der Auszahlung von 8,3 Milliarden Euro an die Bürgerinnen und Bürger im Land wollen die Grünen einen neuen Anlauf unternehmen, um das Weltklima zu retten und ihrer zuletzt wieder abbröckelnden Umfragewerte zurück in den Plusbereich zu helfen. Dazu legte die Parteispitze ein Sofortprogramm zum Klimaschutz vor, das unter anderem vorsieht, an jeden Deutschen 100 Euro sogenanntes "Energiegeld" auszuzahlen.

Die Grünen-Vorsitzende Annelena Baerbock, der grüne Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann erklärten, das die Milliardensumme über eine neuzuschaffende CO2-Steuer erwirtschaftet werden soll. Die werde „ökologisch sinnvoll und sozial gerecht“ sein, erklärte Annalena Baerbock, und sie werde den "klimapolitischen Stillstand in Deutschland“ beenden.

Angeblich ein Nullsummenspiel für alle, das nach den grünen Vorstellungen bereits im Sommer beginnen könnte, um die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu senken. Allerdings eines, das als mathematische Gleichung nicht aufgeht: Derzeit produziert Deutschland nach den optimistischen Prognosen des Umweltbundesamtes 866 Millionen Tonnen CO2 im Jahr, auf die nach den grünen Vorstellungen von einer CO2-Steuer in Höhe von 40 Euro pro Tonne rund 34 Milliarden Euro Steuer fällig würden. Zurückgezahlt an die Bürgerinnen und Bürger aber werden nach dem grünen Klimarettungsplan nur etwa 8,3 Milliarden.

Das ist etwa ein Viertel der Mehreinnahme und weit weg vom Versprechen der Grünen-Spitze, dass „die Einnahmen komplett zurückgegeben werden“, wie Anton Hofreiter betonte. Selbst die parallel versprochene Abschaffung der Stromsteuer würde nur 6,5 Milliarden Euro an weiteren Erleichterungen für Stromkunden bringen. Damit blieben immer noch etwa 20 Milliarden, die als zusätzliche Belastung auf Bürgerinnen und Bürger zukämen. Verglichen mit der "Kugel Eis" im Monat, die der Klimaschutz nach Angaben des grünen Spitzenpolitikers Jürgen Trittin eigentlich mal kosten sollte, eine gewaltige Preissteigerung auf nunmehr etwa 30 Kugeln Eis im Monat. Pro Tag eine.

Doch ob es so kommt, steht in den Sternen. Europarechtlich scheint äußerst fragwürdig, wie die Zahlung eines "Energiegeldes" ausschließlich an Deutsche, wie es in der nationalen Insellösung der Grünen vorgesehen ist, mit den Regeln der Gemeinschaft zu vereinbaren wäre. Mindestens dauerhaft in Deutschland lebende Bürger aus anderen EU-Staaten hätten zweifellos dasselbe Recht, eine Zahlung zu beanspruchen.


Geschäftsidee: Diese Frau lebt ganz bequem von der CO2-Steuer

Freitag, 28. Juni 2019

Doku Deutschland: Ein Traum von einem Schiff!


Gerade noch war Sven Giegold Spitzenkandidat der Grünen bei der EU-Wahl und unterwegs, die Welt nicht mehr nur mit der Finanztransaktionssteuer zu retten, von der er schon so lange träumt. Sondern auch mit einer CO2-Steuer, die den Kapitalismus, der Giegolds Studium über 36 Semester finanziert hat, endlich überwinden hilft. Ehe es soweit ist, kümmert sich der Mitbegründer des mittlerweile still verstorbenen "globalisierungskritischen Netzwerks Attac" (DPA) aber erstmal um aktuelle Probleme: Ein evangelisches Seenotrettungsschiff soll künftig auf dem Mittelmeer kreuzen, um Menschen zu retten, die sich derzeit erst gar nicht mehr in Seenot trauen, weil sie wissen, dass keine Retter vor der Küste warten.

Gemeinsam mit Beatrice von Weizsäcker aus dem großen Geschlecht derer von Weizäckers, die schon immer wussten, was für die Deutschen gut ist und deshalb unter den ersten waren, die in die NSDAP eintraten und 1939 in Polen einmarschierten, hat Sven Giegold eine Petition an den Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands und alle ihre Gliedkirchen gerichtet. Die fordert von den reformierten Christenmenschen und ihren Institutionen, "ein Schiff der Gemeinschaft, der Solidarität und Nächstenliebein das tödlichste Gewässer der Welt" zu schicken.

Gemeint ist das Mittelmeer. Ein klarer Fall von Fake News. Denn das ist keineswegs das "tödlichste Gewässer der Welt", wie von Weizsäcker und Giegold behaupten. Nach Angaben der WHO ertrinken alljährlich mehr als 370.000 Menschen weltweit, nur etwa 37.000 davon sterben in der "europäischen Region" (WHO). Von diesen wiederum werden in diesem Jahr nur knapp mehr als 1000 Opfer den Tod im Mittelmeer finden. Das damit, gemessen an der Länge der Küstenlinie und der anwohnenden Bevölkerung, eines der sichersten Gewässer der Welt ist.

Aber es geht ja um Symbole, um den "Weltflüchtlingstag" (Giegold) und den Kirchentagsgesang einer Veranstaltung mit dem Namen „Gemeinsam für offene Häfen in Europa“, bei der Mattea Weihe von der Sea-Watch die "Seele Europas" zu retten versprach. Weil keine Rettungsschiffe mehr Rettungen durchführten, "steigt die Todesrate weiter", kommentierte die engagierte Seenotretterin die seit Sommer vergangenen Jahres halbierten Opferzahlen. Wenig ist nicht genug! Deshalb brauche man "wieder Schiffe, die Sorge tragen können, dass der nächste Weltflüchtlingstag gebührend gefeiert werden kann". Gefordert seien Sea-Watch, die Zivilgesellschaft, Städte und Kommune, die Kirche und überhaupt "alle", um das immer wieder gern angerufene "Zeichen" zu setzen. "Ein Schiff von uns, von euch, von allen."

Genau Giegolds Kragenweite. Kirche dürfe dem Scheitern der europäischen Regierungen nicht zusehen. Die EKD und ihre Gliedkirchen müssten vielmehr "selbst mutig handeln: Schickt selbst ein Schiff". Die Kirchentagsveranstaltung „Kein ich ohne Wir“ nahm diesen Vorschlag "mit riesiger Mehrheit" an, unterzeichnet haben neben Sven Giegold und Beatrice von Weizsäcker weitere drei Pfarrer. Mitmachen für ein gutes Gewissen kann jetzt jeder bei Change.org, wo sie nach eigenen Angaben "an die Stimme von alltäglichen Menschen" glauben. Von 45 Millionen deutschen Christen haben bislang schon fast 27.000 unterschrieben

Lügen mit Zahlen: Rechte Höchststände im Spiegel der Historie

"Neuer Höchstand" so steht es überall. Medien prüfen heute nicht mehr, was ihnen gesagt wird.

Ernste und akute Zahlen, die der Verfassungsschutz da meldet. „Zahl der Rechtsextremisten erreicht Höchststand“ titelt die renommierte „Zeit“ und sie meint einen Höchststand „seit 1945“, als vor dem 8. Mai zuletzt mehr als 24.100 Rechtsextremisten im Land gezählt worden waren. Innenminister Horst Seehofer (CSU) rechnete bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes nun vor, dass die Zahl der Rechtsextremisten seit letztem Jahr um 100 Personen zugenommen habe.

Erschütternd, erschreckend und ein bisschen auch entlarvend. Denn es war das Jahr 2000, als der Innenminister der damals noch Otto Schily hieß, dieselbe Rede hielt. Die Zahl der Rechtsextremisten in Deutschland sei beunruhigend hoch. Der Verfassungsschutz habe aktuell 51.400 gezählt. Immerhin war das damals ein Rückgang von fast 2000 Personen, denn 1998 waren sogar noch 53.600 Rechtsextremisten gezählt worden.


Seitdem hat sich deren Anzahl glatt halbiert. Mehr als jeder zweite Naziextremist von vor 20 Jahren ist heute nach den Berechnungen des Verfassungsschutzes keiner mehr. Was aber meinen „Die Zeit“ und „Tagesschau“ dann, wenn sie die Schlagzeile vom neuen Höchststand benutzen? Ein Höchststand seit letzter Woche? Letztem Monat? Letzten Jahr? In diesem Jahrzehnt?  Oder seit den 80er Jahren, als es laut Verfassungsschutz und "Spiegel" noch gar keine Rechtsextremisten in Deutschland gegeben hatte?

Höchststände waren früher viel höher als heute.

Noch sind die Faktencheck-Brigaden wohl unterwegs, noch arbeiten sie an einer Erklärung, wieso 24.100 mehr sein kann als 53.600 und weshalb  die „besorgniserregend hohe Waffenaffinität von Rechtsextremen und Reichsbürgern“ (Seehofer) erst 37 Jahre nach drei rechtsterroristischen Mordversuchen an US-Soldaten in Hessen auffällt. Bis zur Lösung des  großen deutschen Extremistenrätsels bleibt nur die Theorie: Es gibt in der deutschen Sprache das Verb "lügen" für die Tätigkeit des Nichtdiewahrheitsagens. Ein Verb für das Gegenteil aber gibt es nicht.

Donnerstag, 27. Juni 2019

Zitate zur Zeit: Kein Hahn



Es wird kein Hahn danach krähen, was wir hier machen.

Arnold Vaatz ketzert gegen den Glauben an die Vorbildwirkung deutschen Wesens und Willens

Pöbelhölle Internet: Sondergerichte gegen den Hass

Nach einer Studie kommt es nach Offline-Hasspostings stets zu mehr Onlinegewalt.

Längst ist der Medienaktivist Heribert Prantl im Ruhestand, ruhig aber ist der journalistische Urvater von Pinkelpreis und Wasserpest deshalb keineswegs. Prantl, gelernter Staatsanwalt und ein Leben lang mehr weltverbesserndes Schnellgericht als einfacher Berichterstatter, ist noch immer unterwegs dorthin, wo es wehtut. Galt sein Interesse früher dem Kampf gegen ihm unliebe Parteien und der gehässigen Europakritik, findet der jüngst verrentete Alphajournalist seine Feinde jetzt im virtuellen Raum. "Gift, Galle, Hass beherrschen nach wie vor das Netz", hat Heribert Prantl in nächtelangen Patrouillen durch die düsteren Abgründe dessen festgestellt, was den meisten normalen Nutzern als Ort zum Bestellen von Waren, dem Teilen von Katzenbildern und der Unterhaltung über Hobbies, Heimatstadt und Lieblingsverein gilt.

Prantls Fantasienetz aus purem Hass


Prantl hat ein anderes Netz. Nachdem der fleißige Rentner die 16 Millionen deutschen Domains analysiert, geprüft und ausgewertet hatte, stand sein Urteil fest: Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das eigentlich dafür sorgen sollte, dass das Internet "keine Pöbelhölle" (Prantl) mehr ist, habe versagt. Gift, Galle, Hass und Hetze nämlich finden dort nicht nur immer noch ihre digitalen Spiel- und Vernichtungswiese. Nein, sie "beherrschen nach wie vor das Netz".

Nach der Definition des Duden bedeutet das nichts anderes als dass die Hassredner und Hetzer, die verbalen Mörder und Übernachreder das Internet, jene erdumspannende Datenwelt mit 349 Millionen Domains und 90 Millionen Facebook-Seiten, mit 131,89 Milliarden Subdomains und 500 Millionen Twittertweets täglich, mit 95 Millionen Instagram-Posts und 4,2 Milliarden Likes pro Tag, "in der Gewalt, unter Kontrolle, im Griff" (Duden) haben, dort also wenigstens knapp mehr als die Hälfte aller Inhalte prägen. Oder wie Prantl in seiner totalitären Fantasie schreibt: "Die Beleidigung, die Bedrohung, die Verleumdung, die üble Nachrede, die Volksverhetzung, die Gewaltverherrlichung und die Ankündigung von Straftaten" breite sich im Netz "völlig ungehindert und ungestraft aus".

Kein Platz für Amazon 


Hat sie es schon ganz, nur halb oder beinahe fast? Der um keinen Fakt und keine Zahl bekümmerte Spesenritter der nationalen Großkrisen, die außerhalb der Redaktionsstuben so intensiv verfolgt werden wie der Speiseplan der SZ-Kantine, erfindet sich eine Wirklichkeit aus reiner, purer Imagination. Beim alten weißen Mann Prantl ist das Internet so voller Hass, dass theoretisch gar kein Platz mehr bleibt für Amazon, Twitch, Pornoseiten, Parship oder Onlinekochkurse und den ganzen restlichen Kram. "Es ist Zeit für spezielle Internet-Gerichte", dröhnt es dann auf der ausgedachten Basis der völlig irrigen Vision eines bis zum Rand mit Hass gefüllten Netzes aus München, nach mehr als 80 Jahren wieder Hauptstadt einer Bewegung gegen Demokratie, Meinungsfreiheit und Rechtsstaat.

Das Internet soll kein vom Recht geschützter Raum mehr sein, sondern ein Ort, an dem sich vorsehen muss, wer seine Meinung sagen will. Prantls reisende Schnellgerichte werden, gibt es sie erst, alles im Auge haben, was missverständlich ausgedrückt oder  unzureichend klar regierungsfreundlich formuliert ist. Geht es nach Prantl, soll geltendes Recht dann Nutzer nicht mehr schützen, sollen Onlinekonzerne künftig ohne Richtervorbehalt und Rechtshilfeersuchen alle Daten mit Strafverfolgern teilen, weil eine allgemeine Auskunftspflicht zu den Bestandsdaten es so vorschreibt.

Allgemeine Verunsicherung


Auf der Grundlage der damit zweifellos einsetzenden allgemeinen Verunsicherung darüber, was noch sagbar und was unter Verdacht geraten könnte, wünscht sich der Kolumnist, der der "Süddeutschen" im Alleingang den Ehrennnamen "Prantl-Prawda" verdiente, dann "abschreckende Urteile". Dass die allerdings vom Schuldprinzip als Ausdruck der Menschenwürde verboten sind, weil Täter nicht mit  schuldunangemessenen Strafen belegt werden können, nur um besonders schöne Abschreckungseffekte bei der Bevölkerung zu erzielen, stört Heribert Prantl nicht.

Seine schöne neue saubere Welt ist die in der schon das Ermittlungsverfahren generalpräventiv Abschreckungswirkung entfaltet und Strafverfolgung auch dem - am Ende Unschuldigen - eine Mahnung ist, besser aufzupassen, was und wo er es sagt. Meinungsfreiheit besteht am Ende allein noch in ihrem Schutz. Auch diejenigen, die sich im nicht strafbaren Graubereich bewegen, wie es einer der ersten deutschen Sonderstrafverfolger für Hassmails und Hetzkommentare nennt, sollen "ganz klar das Signal" empfangen: "Ihr lauft Gefahr, euch einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt zu sehen".

Mittwoch, 26. Juni 2019

Kreuzzug ins Glück: Handreichung gegen Hitler

Seit Jahren schon steht die katholische Kirche in der vordersten Front derer, die mit Nächstenliebe, Toleranz und dem Ausschluss von Falschglaubenden gegen das Böse, die Bräuche des Heidentums, den Unglauben an die gottgegebene Alternativlosigkeit und die dämonische Kraft der von falschen Ideen Besessenen streiten. Vergebens - je länger die Schlacht, desto weniger Christen kämpfen noch mit. Der Kampf gegen rechts scheint nicht den Naziparteien zu schaden, sondern denen, die mutig gegen sie antreten.

Die katholische Kirche hat jetzt jedoch neu aufmunitioniert: Eine frische Handreichung gibt Tipps zum richtigen Umgang mit den Erben Hitlers - gerade noch rechtzeitig zum anstehenden 86. Jahrestag des
Reichskonkordat, mit dem der Papst und der Führer des Deutschen Reiches ihre Zusammenarbeit regelten. In der Broschüre mit dem Namen "Dem Populismus widerstehen", mit 70 Seiten voller Sprachregelungen, vorgefertigter Werturteile und Patentrezepten gegen den narzisstische und nationalistische Sichten enthält, finden verunsicherte und verstörte Gemeinden Zuflucht vor rechtspopulistischen Tendenzen.

"Eine feste Burg ist unser Gott", übersetzt Gebärdendolmetscherin Frauke Hahnwech das erste Kapitel summarisch, was die Kirche selbst eine "grafisch gestaltete Arbeitshilfe als Expertentext" nennt. Vorgegeben werden Antworten auf Provokationen wie die Aussage, dass das christliche Abendland durch andere Kulturen bedroht werde, dass die Wirtschaft vor dem Abschwung stehe, die Armut wachse und die EU sich nicht einmal mehr auf die Besetzung ihrer lukrativen Chefposten einigen kann.

Entschieden rechnet die katholische Kirche in ihrem Framing Manual, das Hahnwech für PPQ aus dem Pastoralen ins Deutsche übersetzt hat, mit solchen und anderen rechten und populistischen Tendenzen ab. "Die Grundbotschaft ist, dass nationalistisches Gedankengut im Konflikt mit der katholischen Kirche stehe", beschreibt die Expertin für subkutane Botschaften, wie die sich selbst für eine globale Nation haltende Kirche ihren alles überstrahlenden Egoismus hinter der frohen Botschaft versteckt, dass die Kirche für alle da sei, insbesondere für Menschen in Not.

Nicht populistisch natürlich, sondern konkret, Wobei die Kirche täglich darauf achten muss, ihr Gesamtvermögen von  mehr als 500 Milliarden Euro allein in Deutschland nicht an Arme, Kranke, Alte, Hungernde und vernachlässigte Kinder zu verschwenden, weil sie sonst morgen schon nicht mehr wirksam helfen könnte. Wo der Populismus tagtäglich "sein bedrohliches Gesicht" zeige, weil er "zu Schwarz-Weiß-Malerei und neuer Kleingeistigkeit verführt" (Arbeitshilfe), gebe die Kirche keine einfachen Antworten, sondern Hilfe im Umgang mit Populismus und Fremdenfeindlichkeit.

In der Broschüre wird etwa auf der festen Basis historischer Fakten anzweifelt, ob es das christliche Abendland, auf das sich Rechtspopulisten oft beziehen, je in der von Hetzern, Hasser und Pegida-Sachsen behaupteten Homogenität gegeben hat. Vielmehr sei Fakt, dass Christen in Spanien viel mehr Hexen verbannt hätten als ihre Glaubenskollegen in Nordeuropa. Gleichzeitig hätten sich immer wieder Adelshäuser auf christliche Werte berufen, um andere Christen anzugreifen, zu bekämpfen, zu besiegen und zu unterdrücken.

Dass es der kriegerische, aggressive Katholizismus war, der das Morgenland gegen das in solcher Homogenität gar nicht existierende Europa auf brachten, zeige eine katholische Tradition von Werten, die Andersgläubigen auftrumpfend oder ablehnend begegne, heißt es in der Broschüre. Eine Entschuldigung für die Überfälle von mit höchstem christlichen Auftrag ausgesandten Kreuzfahrern auf friedliche Städte in Nordafrika und Asien steht bis heute aus.

Stattdessen sprach Werner Münch,  der christdemokratische ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, bei einem Kongress des konservativen "Forums Deutscher Katholiken" in Ingolstadt kürzlich vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk als "zwangsfinanziertem Staatsfunk", der einer "Gleichschaltung von Meinungen" diene, die auf eine "Machtergreifung" und die "Ausschaltung der Meinungsfreiheit" ziele.

Klassische populistische Rhetorik, die die Kirche nun auch mit Hilfe der neuen Sprachregelungen ausmerzen will. Eifriges Studium der Papiere vorausgesetzt, könne es den vielen engagierten Christinnen und Christen draußen im Lande gelingen, den Populismus mit Fakten und Argumenten zu bekämpfen und Deutschland wieder zu jenem besseren Ort zu machen, der es war, ehe der Rechtspopulismus erfunden wurde.

Für Russland im Europarat: Ganz große Koalition

Gegen die Nachbarn in der EU, gemeinsam mit den Diktaturen für Wladimir Putin: Im Europarat hat eine ganz große große Koalition der deutschen Abgeordneten für ein Ende der Sanktionen gegen Wladimir Putin gestimmt.
Gerade noch hagelte es Unvereinbarkeitsbefehle überall. Die scheidende CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrrenbauer änderte den Rechtskurs der Union und verbot die Zusammenarbeit mit der Partei, die "die Verrohung in der Gesellschaft will, die Gesellschaft auseinandertreibt, die Hass will, die Hetze will und die auch zu Morden aufruft.“ Bei SPD, der Linken und den übrigen Vertretungen des demokratischen Blocks war die Sache sowieso klar: Der Feind steht rechts, dorthin muss geschossen werden, gegen diese Leute gibt es keine Gnade, kein Nachgeben, keine Suche nach Kompromiss und gemeinsamer Lösung.

Ein Prinzip, an dem nicht gerüttelt wird. Außer im mecklenburgischen Penzlin. Und außer, das Rütteln findet unterhalb der Wahrnehmungsschwelle der Öffentlichkeit statt.

Als jetzt der Europarat beschloss, die seit Jahren geltenden Sanktionen gegen sein Mitglied Russland aufzuheben, trat aber genau dieser Fall ein: Der Stimmrechtsentzug in der ältesten gemeinsamen europäischen Institution, einst wegen des Ukraine-Konfliktes im Furor moralischer Aufwallung verhängt und weder mit Ausstiegsszenario noch mit Zielvorgabe versehen, wurde von einer ganz großen Koalition deutscher Vertreter (Abstimmungsergebnis oben) aufgehoben. Neben der AfD stimmten auch die Abgeordneten von CDU, SPD, Grünen und Linken für ein Ende des Versuches, Russland durch den Entzug von Kommunikationsmöglichkeiten zu disziplinieren. Nur die beiden Vertreter der FDP entschieden sich anders und votierten gegen eine Rückkehr der Russen in den Europarat.

Der hat - entgegen dem Anschein, den Vertreter der EU beharrlich zu erwecken versuchen - nichts zu tun mit dem EU-Rat, in dem nur die Staatschef der derzeit noch 28 EU-Mitgliedsstaaten sitzen. Obschon die beständig behaupten, ihre organisationsinternen Wahlen seien "Europa-Wahlen" (Juncker), umfasst Europa insgesamt 47 Staaten, die nicht nur 500 Millionen Einwohner zählen, sondern rund 750 Millionen.

Sie alle sind im Europarat vertreten und ihre Vertreter dort bildeten nun im Falle Russland, das nach seiner Suspendierung beschlossen hatte, keine Beiträge mehr zu zahlen und deshalb demnächst aus der Europa-Rat hätte ausgeschlossen werden müssen, abenteuerliche Koalitionen. So stimmten die deutschen Abgeordneten von CDU, CSU, SPD, Linker und Grünen mit den Abgesandten der diktatorischen Regimes in der Türkei und Aserbaidschan, aber gegen die EU-Nachbarn Polen, Estland, Litauen und Lettland, die von der "russischen Besatzungspolitik" (Angela Merkel) direkt bedroht sind und nur durch die Präsenz von Nato-Soldaten als Geiseln in vorderster Front von einem Einmarsch abgehalten werden können.

Ein Verrat an den europäischen Werten, der nur mühsam dadurch bemäntelt wird, dass Deutschlands Leitmedien es durchweg vermeiden, das Abstimmungsverhalten der deutschen Abgeordneten bei der Entscheidung zu erwähnen, die bei zehn Enthaltungen mit 118 zu 62 Stimmen für Wladimir Putin ausging.

Dienstag, 25. Juni 2019

Zitate zur Zeit: Mordio!


„Die AfD ist der parlamentarische Arm derjenigen, die die Verrohung in der Gesellschaft wollen, die Gesellschaft auseinandertreiben wollen, die Hass wollen, die Hetze wollen und die auch zu solchen Morden aufrufen.“

Annegret Kramp-Karrenbauer beklagt bei Anne Will eine neuerdings zu spürende Verrohung der Sitten durch Mordaufrufe der politischen Konkurrenz

Neue SPD-Spitze: Losen? Casting? Gruppenratswahl?

Kandidaten gibt es keine, aber an Ideen zum Wahlverfahren für den oder die nächsten SPD-Chefs herrscht kein Mangel in der deutschen Sozialdemokratie. Soll gelost werden? Blind, wegen der Chancengleichheit? Oder ein Casting, mit Vorsingen, Ausscheidungstanzen, mehreren Auswahlrunden, Rose für den, eine Foto für dich? Aber vielleicht doch besser eine Gruppenratswahl, bei der alle zugleich siegen. Abstimmung im Block, weißer Rauch, Spitzenquoten. SPD olé!

Keiner will es machen, aber alle machen mit, noch mehr sogar, wenn es nach Thomas Oppermann geht, einem der letzten verbliebenen Schattenminister des nie gewählten Kanzlers Walter Steinmeier. Oppermann, ein paar Jahre zu spät geboren, um die großen Tage von Rot-Grün auf der Bundesbühne erleben zu dürfen, hatte jetzt die Idee, alle Bundesbürger gegen eine Gebühr von fünf Euro beim Aussuchen des neuen Parteichefs mitsuchen zu lassen. Europarecht ließe das nicht zu, denn wenn alle, dann auch die Griechen, Franzosen und Slowenen. Aber es geht hier auch nicht um das, was man wirklich tun will. Sondern um das, was man möchte, dass es die Leute hören.

Drei Übergangsvorsitzende, die sich ihre Reichsverweserzeit gerade bis knapp vor Weihnachten verlängert haben. Drei Dutzend Verfahren, wie man vielleicht doch noch irgendwo eine passable Figur finden könnte, die die Niederlagen bei den Wahlen 2020 und 2021 heldisch wegschleppt, ohne gleich wieder schlapp zu machen. Zwei Führungspersönlichkeiten müssen es mindestens sein, denn zwei haben auch die Grünen und bei denen klappt das super. Außerdem lässt sich der einzige bereits feststehende Kandidat Kevin Kühnert nur abgepolstert mit einer gendergerecht diversen Vertreterin des  alten intellektuellen Arbeiteradels bei den verbliebenen BMW-Arbeitern durchsetzen, die aus Angst um ihre Villen im Tessin zuletzt massenhaft Grün und Blau gewählt hatten.

Wer wurde da verraten? Sozialdemokraten! Da lacht Erebos, der griechische Gott der Politik, der das bisher nur andersherum kannte. Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel, die Verwaltungsdirektoren auf der Arbeitertitanic, haben eine zweimonatige Bewerbungsfrist für Zweierteams und Einzelbewerber ausgerufen, die ab September dann als rote Vorstandskarawane durchs Land ziehen werden, um sich der verbliebenen Basis in Regionalkonferenzen vorzustellen. Fünf Wochen lang soll der Tross durchs Land reisen, bis es niemand mehr wird hören können oder sehen wollen. Dann dürfen 440.000 SPD-Mitglieder den Nachfolger der kalt aus dem Amt entfernten Martin Schulz und Andrea Nahles bestimmen.

Am 26. Oktober, in der deutschen Geschichte der Tag, an dem der spätere SPD-Chef Kurt Beck vor 25 Jahren als Nachfolger des glanz- und glücklosen Rudolf Scharping zum Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz gewählt wurde, wird dann öffentlich in einem ARD-Brennpunkt aus dem Lichthof des Willy-Brandt_Hauses das Ergebnis der finalen Ziehung bekanntgegeben und durch Kevin Kühnert die Auflösung der Großen Koalition verkündet.

Sollte kein Kandidat beziehungsweise kein Doppelteam über 50 Prozent der Stimmen erhalten, bleibt es bis zu einer Stichwahl nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg beim jetzigen Regierungsbündnis.

Montag, 24. Juni 2019

Medienboykott gegen Uno-Organisation für Migration: Zu wenig Tote im Mittelmeer



"Moment mal, warum zieht ein Fischtrawler ein leeres Holzboot über das Mittelmeer", fragt die EU-Grenzschutzbehörde Frontex in einem Twittereintrag, den ein sehenswertes Video Video krönt. Die Drohnenaufnahme zeigt ein größeres Schiff, das tatsächlich ein kleines hinter sich herschleppt. Dann stoppt es, es kommt Bewegung in die Szene auf den beiden Gefährten. Männer klettern vom großen Boot in das kleine, immer mehr, bis sie enggedrängt in der Holzschale sitzen. "80 Menschen werden auf das Boot gequetscht", schreibt Frontex dazu, "dann verschwindet das größere Schiff eilig."

Und im selben Moment ist das kleine Boot ein Fall für die Seenotrettung. Die 80 Flüchtlinge an Bord müssen nun nur noch warten, gleich wird eine Seenotrettungschiff kommen, das die vom Tod auf dem Meer bedrohten Bootinsassen nach Italien, Malte, Frankreich oder Spanien bringen wird, raus aus der Gefahr. Hinüber ins sichere Europa.

Ein Geschäftsmodell, das seit Jahren tausende Todesopfer gefordert hat. So lange das Business auf Hochtouren lief, arbeitsteilig zwischen Menschenschmugglern, die Europareisende aufs offene Meer brachten, und Seenotrettern, die sie dort aufnahmen, um sie nach Europa zu schaffen, zählten internationale Organisationen und deutsche Medien die Toten penibel mit. Dann änderte Italien seine Politik, Rettungsschiffe durften nicht mehr landen, Malta machte ienem deutschen Kapitän den Prozess...

Die Methode nahm Schaden, mit bemerkenswerten Folgen. Nicht nur die Meldungen über die vielen Todesopfer fehlten plötzlich, die nach Auffassung von Rettungsorganisationen wie Sea Watch durch zu wenige Retter auf dem Mittelmeer verursachte worden waren. Sondern auch die Mehrzahl der Toten: Ganz entgegen der Theorien von Sea Watch, Tagesschau, Süddeutscher Zeitung und Monitor werden 2019 aller Voraussicht nach nicht mehr 5000 Menschen wie 2016, nicht mehr 3000 wie 2017 und auch nicht mehr 2000 wie 2018 sterben.

Sondern weniger als 1100, ein Fünftel der Todesopfer, die noch vor drei Jahren zu beklagen waren. Schlagzeilen aber macht nicht diese positive Entwicklung. Sondern ein "über 200 Seiten umfassendes Dokument mit möglichen Beweisen" für die Verantwortung der europäischen Staaten für die sterbenden Menschen, mit dem Flüchtlingsaktivisten bei Internationalen Strafgerichtshof Anzeige gegen die EU und ihre Mitgliedsstaaten erstattet haben. Deren abschreckende Migrations-Politik nehme bewusst den Tod von Migranten in Kauf" nehmen, heißt es in dem von den Juristen verfassten Dossier, das in einer "rücksichtslosen europäischen  Abschottungspolitik" die Haupttodesursache für Tausende sehen.

Dass die "Abschottungspolitik" und das von den Anzeigeerstattern beklagte "Fehlen ziviler Rettungsschiffe im zentralen Mittelmeer" allen vorliegenden Zahlen zufolge dazu führt, dass weniger Menschen die gefährliche und zunehmend aussichtlose Flucht über die See wagen, so dassauch weniger auf Reise ertrinken, wird nicht erwähnt. Die dazu nach wie vor monatlich vorliegenden Zahlen der Internationalen Organisation für Migration, noch vor einem Jahr Monat für Monat Anlass für eine erschütternde Meldung mit neuen, schlimmen Nachrichten, finden konsequent nirgendwo mehr Beachtung.

Wirklich nirgendwo.  Immerhin aber ist die Uno-Organisation für Migration nicht allein mit ihren Schwierigkeiten, Zugang zu wenigstens dem einen oder anderen deutschen medienhaus zu finden. Auch Frontex hatte mit seiner Meldung über das Flüchtlingsmutterschiff und die Aussetzaktion auf offener See keine Chance.

Enteignungssteuer: Selber schuld, wer jetzt noch spart


Lange ist es her, fast ein ganzes halbes Jahr schon, dass der deutsche Finanzminister seinen Steuerbürgern mit einer neuen Idee zusätzlich in die Tasche griff. Mit dem Abzug einer sogenannter Vorabpauschale auf Fonds, die sich Menschen angeschafft hatten, um für ihre späteren Lebensjahre vorzusorgen, ging der Sozialdemokrat Olaf Scholz dorthin, wo es niemandem wehtat: Die Vorabpauschale, das sagt der Name schon, verschwindet, ehe es der Zahler mitbekommt.

Hat ein Fonds nichts an seine Anleger ausgeschüttet, denkt sich das Finanzamt eine hypothetische Ausschüttung aus und anhand dieser Fantasiepauschale wird eine um eine Art fiktive Mindestertrag besteuert. Zack, ist das Geld weg, aber weil es verschwindet, ehe es der Anleger überhaupt bekommt, sind die Schmerzen erträglich. Statt eines Gewinns von sieben Prozent weißt der Fonds eben nur noch fünf oder sechs aus. Klagen sind keine bekannt.


Aber Scholz, als guter Sozialdemokrat stets bestrebt, den Staat auszubauen, dabei aber bemüht, das nach außen hin aussehen zu lassen wie eine Kette an Gnadenakten aus purer sozialer Gerechtigkeit, hat aus dem kalten Enteignungstrick gelernt, der Millionen Menschen Abermillionen Euro kosten wird, die eigentlich für deren Zeit des Ruhestandes gedacht waren. Nicht einmal sechs Monate nach der Erfindung der hypothetischen Vorabpauschale auf theoretische Gewinne steht Scholz nun vor dem nächsten Einbruch in die Depots der immer noch etwa zehn Millionen Deutschen, die trotz der Wuchergeschäfte des Bundes mit den Aktien der Deutschen Telekom noch immer dem Irrglauben anhängen, auf die Reste ihres verdienten Geldes selbst am besten aufpassen zu können.

Scholz, der famose Vermögensbilder der Großen Koalition, kommt nun mit der Finanztransaktionssteuer, um ihnen das Gegenteil zu beweisen: Nach dem Prinzip der Doppelhubpumpe, das Ende des Jahres auch bei der neuen CO2-Steuer zur Anwendung kommen wird, besteuert Scholz in Zukunft sowohl den Kauf, als auch den Verkauf von Aktien. Wer das, was ihm nach Abzug aller Steuern bleibt, anlegt, um zu sparen, zahlt einmal beim anlegen. Und einmal,  wenn er seine Anlagen wieder zu Bargeld macht.

Ein Meisterstück demagogischer Klugheit, denn die Große Koalition, unter Angela Merkel mit dem Ruf angetreten, es werde keine Steuererhöhungen geben, begründet die neue Abgabe damit, dass die fürchterliche Geißel der Spekulation bekämpft werden müsse, die zur letzten Finanzkrise geführt hatte. Dass es seinerzeit nicht etwa kleine Fondsparer, sondern öffentlich-rechtliche Banken waren, die im Fall der inzwischen notprivatisierten HSH Nordbank unter personeller Engführung ausgerechnet von Olaf Scholz und seinen Hamburger Genossen Milliardenverluste produzierten, die das Geldsystem an den Rand des Zusammenbruchs brachten, dazu schweigt Scholz ebenso wie die gesamte Staatspresse.

Fakt ist, die neue Steuererhöhung (Merkel 2017: "Keine Steuererhöhungen nach der Wahl“), beschlossen und verkündet im Schatten derAufregung um Maut und Lübcke, soll schon 2021, also noch vor der nächsten regulären Bundestagswahl, eingeführt werden. Es eilt dem Finanzminister, den Deutschen den privaten Vermögensaufbau per Aktiensteuer weiter zu erschweren.

Je ärmer die Untertanen, desto abhängiger sind sie von der Gnade der Mächtigen.

Sonntag, 23. Juni 2019

Heizhunde: Verschwiegene Gefahr für das Weltklima

Klimakiller Hund: Auch das Abdecken mit einer dicken Decke mindert den CO2-Ausstoß von Hunden kaum.
Die Zahlen sind zu entsetzlich, als dass die Spitzenpolitik der EU bereit sein könnte, sie öffentlich zu erörtern. Zu radikal und schmerzhaft wäre jeder Versuch, an dieser verschwiegenen Flanke des Klimawandels ansetzen zu wollen, das weiß das politische Berlin, das wissen die Meinungsführer in den Leitredaktionen und die Beamten in Brüssel. Auch die engagierten AktivstInnen von #fridayforfuture schweigen beharrlich - aus Eigennutz und Furcht, an Popularität zu verlieren.

Dass die schreckliche Gefahr, die Haustiere wie Hunde und Katzen für das Weltklima heraufbeschwören, überhaupt zum Thema wurde, verdankt die Welt dem Mut eines einzelnen Mannes. Der Migrationssoziologe und Klimabewegungsforscher Heiko Hassknecht, Professor für Ökonomie und Kulturgeschichte an der Hochschule Vividrina, wagte es, an das Tabu zu rühren, das den Klimawandelbeitrag von Hunden und Katzen umgibt: Etwa eine Milliarde Tonnen des Klimagiftes CO2 produzieren die kleinen Klimakiller jährlich weltweit.

Die Anbaufläche, die zur Produktion der Futtermenge benötigt wird, die ein einziger Hund im Mittelformat braucht, beträgt nach einer Studie im Fachmagazin Plos 0,84 Hektar und ist damit doppelt so groß wie die, die benötigt wird, um genug Biomasse anzubauen, damit ein Toyota Land Cruiser 10.000 Kilometer fahren kann. Hassknechts Rechnung ist einfach: Hielten die Deutschen sich keine Hunde, würde die Signalmacht für die weltweite Klimabewegung seine Ziele aus dem Paris-Abkommen bereits morgen erreichen. Bei PPQ belegte der angesehene Wissenschaftler das mit einer einfachen Dreisatzrechnung: "In Deutschland gibt es um die acht Millionen Hunde, die genau die 30 Millionen Tonnen CO2 erzeugen, die noch gesenkt werden müssten, damit Deutschland seine Klimaziele für 2020 erreicht."

Ein Aufschrei, der ungehört blieb. Zu sehr sind Medien, die auf Werbeeinnahmen angewiesen sind, Medienmitarbeiter, die selbst Hunde halten, und Politiker, die es sich mit den mächtigen Lobbygruppen der Züchter und Halter nicht verderben möchten, abhängig vom Wohlwollen der Millionen Hunde- und Katzenfans im Land. Deren regressive Vorliebe zerstört zwar das Weltklima und vernichtet den Lebensraum für kommende Generationen. Doch lieber als hier konsequent unzusetzen und mit klaren und schnell wirksamen Verboten raumgreifend Einfluss auf die kommende Klimakatastrophe zu nehmen, ist es einfacher, Symbolhandlungen vorzunehmen, die der Erderwärmung gar nichts bringen.

Doch langsam scheint sich etwas zu drehen, langsam schafft sich die Wahrheit, so schmerzhaft sie ist, Platz. So hat der durchaus angesehene Staatssender Deutschlandfunk die PPQ-Recherche jetzt aufgegriffen und das Tabuthema des hundegemachten Klimawandels in die Öffentlichkeit gebracht.

Dem Kulturwissenschaftler und Bio-Philosophen Thomas Machno zufolge, den der Deutschlandfunk zitiert, sind "Haustiere ökologisch ähnlich problematisch wie Massentierhaltung" - eine äußerst vorsichtige Formulierung, wie Heizhunde-Experte Heiko Hassknecht kommentiert, der selbst vom DLF wurde nicht angefragt worden war. Machos Kritik an der Haltung von Hunden, Katzen und anderen Heimtieren, so Hassknecht, sei "lau" und nicht zielführend. "Der Kollege, den ich sehr schätze, versucht, mit dem Verweis auf die von vielen Menschen bereits abgelehnte Massentierhaltung eine moralische Argumentation", sagt Hassknecht, "wir müssen aber gerade von dieser wegkommen und klimaethisch debattieren."

Richtig sei Machos Diagnose, dass die ökologischen Fußabdrücke der Heimtierhaltung langfristig global vernichtend seien. Die Produktion von Hunden, Hundefutter und Hundeartikeln bis zur Hundemedizin sein ein Milliardengeschäft auf Kosten des Weltklimas, "in das der Hund als solcher im Unterschied zu Schwein und Rind nicht einmal einen Ernährungsbeitrag einbringt", wie Heiko Hassknecht kritisiert. Hunde würden allein um sich selbst wegen gehalten, mit steigender Tendenz, wie Macho bestätigt, der als Leiter des Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften an der Kunstuniversität Linz in Wien seit Jahren zum Verhältnis Mensch-Hund-Klima forscht: "Die Zahl der Hunde hat in letzten 200 Jahren enorm zugenommen, weltweit rechne ich damit, dass es heute ungefähr eine halbe Milliarde Haushunde gibt."

Das seien Zahlen, die eine Wohlstandverwahrlosung zeigten, argumentiert Hassknecht. "Die wiederum zahlen unsere Enkel und Enkelenkel, für die keine Welt mehr übrig sein wird, in der es sich zu leben lohnt.

Das Wulffsche Gesetz: Vollendete Umvolkung


Als Christian Wullf wegen der Nachwirkungen seiner Geldprobleme sein Amt aufgeben musste, sang er wehmütig von seiner Einsamkeit.
 
Es ist soweit. Christian Wulff, ein Mann, der sich nie scheute, Wahrheiten auszusprechen, hat es gesagt. Ein "Volk von 500 Millionen Europäern" sieht der Altbundespräsident anstelle der "Völker", von denen bislang im "Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union" die rückwärtsgewandte Rede war. Dort wird das Ziel verkündet, „die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker zu schaffen“ - ein Ziel, das nach Maßgabe der Formulierung von Christian Wulff nun offenbar endlich erreicht ist.

Bisher galt das geplante Zusammenwachsen der Europäer zu einem einzigen Volk als ähnlich visionäre Vorgabe wie ehemals der angestrebte Aufbau des Kommunismus in den Ländern des sozialistischen Weltsystems. Obwohl als Aufgabe und Ziel in den EU-Vertrag aufgenommen, blieb der Zeitrahmen der vollendeten Finalität einer Europäischen Union mit einer homogen, in erster Linie nicht nationalen, sondern europäischen Gesellschaft völlig offen.

Betont worden war von den Führerinnen und Führern des Kontinent ausschließlich der zu beschreitende Weg einer immer weiterführenden Integration, nicht aber der Zustand, der am Ende stehen sollte. Auch ob er, der im Detail unbeschriebene, in 30, 100 oder 500 Jahren erreicht werden würde, blieb außerhalb jeder praktischen Diskussion.

In Ermangelung einer gemeinsamen Sprache, die in der Politikwissenschaft als Voraussetzung eines gemeinsamen Gesprächs über gemeinsame Dinge in einer gemeinsamen Öffentlichkeit gilt, hatten sich Beobachter einzig darauf geeinigt, nicht weiter nachzufragen. Und sich nicht an schädlichen Spekulationen darüber zu beteiligen, dass sich in der Weltgeschichte kein Beispiel eines Großreiches finden lässt, das überlebte, ohne eine einheitliche Verwaltungssprache für seine Bürger durchzusetzen.

Doch obwohl es dem europäischen demos ("Volk") damit an der Möglichkeit fehlt, sich auf der agora ("Marktplatz") der gemeinsamen Demokratie zu gemeinsamen Problemen zu äußern und bis heute keine gemeinsam genutzten Medien eine kontinentale Diskussion erlauben, hat Europa nach den Erkenntnissen von Christian Wulff nun das Wunder geschafft, zu einem "Volk" zu werden - laut Duden eine "durch gemeinsame Kultur und Geschichte und Sprache verbundene große Gemeinschaft von Menschen".

Dergleichen findet sich in den USA und Russland, in Brasilien, Kanada, Japan und China, bisher aber auch in Frankreich, Polen oder Deutschland. Gemeinsame Sprache schafft gemeinsame Kultur und umgekehrt, Gemeinsamkeit schafft Nähe, die über die von Wahlkampfbeteuerungen wie "Europa ist die Antwort" hinausgeht. Nach Wulff aber hat Europa nun das Wunder einer Umvolkung geschafft, die aus verschiedenen Völkern ein einziges europäisches machte, ohne dass es die Beteiligten Individuen überhaupt mitbekamen.

„Ein Volk von 500 Millionen Europäern", nannte der Alt-Bundespräsident die Wohnbevölkerung der EU bei einer Festveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung aus Anlass seines 60. Geburtstages. Wobei er das demnächst abfallende Volk der Briten mitzählte, die 250 Millionen Europäer in den Nicht-EU-Ländern Norwegen, Weißrussland, Ukraine, Russland, Andorra und Montenegro jedoch konsequenterweise nich, denn sie können nicht Teil eines Volkes sein, das sich zuvörderst in EU-Gremien wie der Brüsseler Kommission verkörpert findet.

Hier verschwimmen nun keine Grenzen mehr zwischen Patriotismus und Nationalismus, denn beides kann nur noch Europa gelten. Wulff und sein Volk der Europäer sind da weiter als die Staatenlenker, die sich immer noch in die nationale Egoismen verstricken, die "Deutschland immer ins Unglück geführt haben" (Wulff). Sie glauben, dass das Beste für Europa nur erreicht werden kann, wenn ihre eigenen Staatsangehörigen das Sagen haben. Und ignorieren das Wulffsche Gesetz: Notwendig sei „ein Mindestmaß an Empathie“, damit das Zusammenleben gelingen könne. Es gehe darum, die Gefühle und Beweggründe des jeweils anderen zu verstehen, der auch nur einer wie man selbst ist.
Europäer ohne Hintertür in einen Kleinstaat aus der Vergangenheit.

Samstag, 22. Juni 2019

Zitate zur Zeit: Aus Hass auf Holz


Weil wenn ich Holz draufmache, dann schaut niemand hin.

Der Schweizer Sägewerksbesitzer Rodolfo Rüdisühli, von der süddeutschen Sexismusdetektivin Tanja Rest beinahe zum Geständnis genötigt, dass er ein abgrundtief schlechter Mensch ist

Die Nationalisten: Alle Macht dem Hinterzimmer

Marktplatz der Nationalisten: Beim Postenpoker in der EU wollen alle ihre eigenen Leute auf die besten Plätze schachern.

Einmal mehr muss im Hinterzimmer gekungelt werden, es gilt, aufzurechnen, zu geben und zu nehmen, zu schachern und zu pokern, bis die fragile europäische Demokratie wieder für fünf fantastische Jahre zum Beispiel für die ganze Welt wird. Die Situation aber ist vor dem erneuten Endspiel um die Führersitze im Europa-Zug noch unübersichtlicher als beim letzten Mal. Stand vor fünf Jahren nur die Frage zu lösen, was die SPD dafür bekommt, wenn sie einen EU-Kommissionspräsidenten aus den Reihen  der sogenannten Europäischen Volkspartei akzeptiert, dreht das Postenkarusell diesmal frei.

Alles ist möglich, nichts ist undenkbar, die vor der EU-Wahl wie eine Monstranz vorgezeigte "europäische Demokratie" hat vorerst Pause, das vermeintlich so bedeutsame EU-Parlament darf behutsam schweigen. Denn nun verhandeln doch wieder die Staats- und Regierungschef über eine Verteilung der Brüsseler Spitzenposten, bei der es jedem einzelnen Mitgliedsstaat darum geht, sich möglich viel direkten Einfluss auf die EU-Politik zu sichern.

Gefechtslage ungewiss wie nie


Die schönen Zeiten, als der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel der europäischen Rechten im Namen der europäischen Linken einfach anbieten konnte, deren Kandidaten zum EU-Chef zu machen, wenn sein Kandidat Martin Schulz zum Dank Präsident des Europaparlaments werden dürfe, sind vorüber. Mittlerweile hat die SPD keinen Mann mehr Rennen, auch keine Frau, und einen Parteivorsitzenden hat sie auch nicht mehr.

Tragische Spielfigur im EU-Postenpoker: Wahlsieger Weber.
Diesmal ist die Gefechtslage ungewisser denn je: Allen Wahlversprechungen zufolge müsste der deutsche christsoziale "Spitzenkandidat" Manfred Weber Nachfolger des scheidenden EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker werden. Doch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron möchte dort keinen Deutschen, so wenig wie Bundeskanzlerin Angela Merkel dort einen Franzosen möchte. Die Nordstaaten sähen auf dem parallel zu besetzenden Posten des EZB-Chefs zudem gern einen strengen Sparfuchs aus ihren Reihen. Während die Schuldenmächte des Südens jemanden wie den derzeitigen Helikoptergeldbomber Mario Draghi bevorzugen würde.

Seit einem Monat gibt es deshalb immer wieder Gipfelerklärungen mit Versprechen, dass es demnächst beim EU-Gipfel „Entscheidungen über Nominierungen“ geben werde. Nur Entscheidungen über Nominierungen oder gar die Besetzung von Führungsstellen gibt es nicht.

Es gibt auch nach vier Wochen und unzähligen Pokerrunden hinter den Kulissen keine Mehrheiten für irgendwen. Manfred Weber wird es nicht, dafür aber kann es der Sozialdemokrat Frans Timmermans auch nicht werden. Die liberale Margrethe Vestager, außerhalb der Konkurrenz gestartet und demokratisch durch die Wähler der EU noch weniger legitimiert als ihre beiden Konkurrenten, findet allerdings auch keine ausreichende Zustimmung im Kreis der 28 Regierungschefs. Und fände sie sie, wäre da immer noch das EU-Parlament, das sich, um den Schein zu wahren, auf den traurigen Wahlsieger Weber festgelegt hat, diesen aber nicht gegen die Regierungschefs durchsetzen kann.

Pokerrunden im Dunklen


Die EU entpuppt sich wieder einmal als Trutzburg von Intransparenz und Illegitimität. So laut der Ruf vor jeder Wahl ertönt,  dass nun Zeit sei, den bürokratischen Machtmechanismus durchzudemokratisieren, so schnell ist das Vorhaben vergessen, geht es nach dem Urnengang daran, die Machtbalance zwischen den EU-Staaten, den Parteien, den Interessengruppen und Kulturen neu auszubalancieren. Der Chefposten bei der EU-Kommission kann nur deutsch werden, wenn Emmanuel Macron Zugriff auf den Präsidentensessel der Europäischen Zentralbank bekommt. Das aber werden die anderen 26 Mitgliedstaaten nur mitmachen, wenn die beiden Führungsnationen ausreichend vielen von ihnen ausreichend lukrative Nebenposten anbieten.

Ein Postenschacher, der alle Beteiligten als Erz-Nationalisten zeigt, die in einem europäischen Mäntelchen herumspazieren, im Moment der Entscheidung aber einzig und allein das Ziel verfolgen, die eigenen Farben auf die besten Plätze zu schieben: Unvorstellbar für Macron, dass ein Deutscher gut für Europa sein könnte, denn gut für Europa kann aus seiner Sicht nur sein, was gut für Frankreich ist. Nicht akzeptierbar für Angela Merkel, daheim erklären zu müssen, dass der "Spitzenkandidat", für den man geworben hat, nur als Verhandlungsmasse taugte, um den im Kanzleramt ungeliebten Jens Weidmann wenigstens als Trostpreis an die Spitze der EZB zu bekommen.

Am Ende wird dennoch eine Lösung gefunden worden sein, in höchster Not und letzter Sekunde, anders als in anderen Fällen. Doch es wird eine Lösung sein, die die EU einmal mehr als Königreich der Hinterzimmer zeigt, in dem Wählerinnen und Wähler allenfalls ein Vorschlagsrecht über den Ausgang von Wahlen haben.

Freitag, 21. Juni 2019

Kampf gegen rechts: Die Tagesschau klärt über Anschlagrisiko auf


Unsere Angst vor rechtem Terror wächst – zu Recht? Bereits nach der Gewalttat eines rechten Amokläufers in München vor drei Jahren hat die "Tagesschau" dieses Video auf Facebook geteilt, um mit gefährlichen Mythen über die angebliche Bedrohung aufzuräumen. Ein Clip, der nicht bewertet, sondern die Fakten zum allgegenwärtigen Nazi-Terror in Europa ins richtige Licht rückt und den vielen haupt- und ehrenamtlichen Funktionären und Kommunalpolitikern wenigstens ein wenig erklärt, wo bei der derzeitigen Zahl der Mordopfer rechter Terrorgruppen das bedrohliche Gefühl herkommt, jeden Moment könne es jeden treffen.

Die Statistik spricht eine klare Sprache, so die Faktenchecker der "Tagesschau": Beim Essen zu ersticken ist deutlich wahrscheinlicher, als bei einem rechten Terror-Anschlag zu sterben. Entgegen anderslautenden Darstellungen ist Nazi-Terror in Deutschland ja nicht einmal ein neues Phänomen. Bereits in der alten Bundesrepublik, die heute oft als Insel der seligen Antifaschisten gilt, sorgten Bombenanschläge und Nazi-Fememorde immer wieder für Aufsehen und Entsetzen. Vor der Gründung der BRD soll es sogar noch schlimmer gewesen sein, berichten ältere Zeitzeugen.

Doch spätere Generationen haben das vergessen und verdrängt – ebenso wie den Umstand, dass die Mehrzahl der Rechtsradikalen in Deutschland ihrer menschenverachtenden Ideologie friedlich anhängt. Dass sich auch immer wieder brutale Nazischläger und rechtsextremistische Mörder auf den Nationalsozialismus berufen und damit das Empfin­den vieler friedlicher Rechtsradikaler mit Füßen treten, ist eigentlich schon schlimm genug. Wenn aber dann auch führende Politiker und Qualitätsmedien Millio­nen friedfertiger Rechter in Deutschland in einen Topf mit Nazis werfen, die tatsächlich Verbrechen begangen haben, dann ist das un­verantwortliche politische Brandstiftung.

Gut, dass die angesehene "Tagesschau"-Redaktion diesem unseligen Trend zum flotten Pauschalurteil mit einem aufklärenden und einordnenden Video (oben) entgegentritt und den Angstmachern damit in den Arm fällt. Richtig ist, dass Essen in den zurückliegenden Jahren etwa 400 mal häufiger zum Tod eines Menschen führte als rechte Gewalt. Mit Ertrinken verhielt es sich ähnlich.

Dem Urteil der "Tagesschau", dass ein globale Verdammung, die sich gegen eine ganze Gruppe von irregleiteten und hasserfüllten Menschen richte, die niemandem ein Leid angetan haben, die Gesellschaft nur noch tiefer spalte, wird kein nachdenklicher Beobachter widersprechen.

Angst ist kein guter Ratgeber, auch nicht im Kampf gegen rechts.

Unser Lied für Afrika: Der große Plan von Annegret

Klein, aber wirkungsmächtig: Deutschland schickt sich an, die Welt zu retten.

Diese Frau ist beseelt, erfüllt von einem „Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung“, den sie, so sagt es Annegret Kramp-Karrenbauer, nun, auf den letzten Metern ihrer kurzen Karriere als kommende Frau der CDU, „mit neuer Kraft und festem politischem Willen angehen“will. Entschlossenheit, die aus der frischen Erkenntnis rührt, dass gegen Fridays for Future, die Bewegung, die nach einem ersten Dafürhalten von Kramp-Karrenbauers Vorgängerin Angela Merkel noch als von Moskau gesteuerte Kinderkolonne zur Destabilisierung des Westens gelten konnte, kein Regieren mehr möglich sein wird, zumindest nicht in Deutschland.

Hier, wo der Klimawandel als Erderhitzung besonders hart und heiß zuschlägt, befindet sich nach Ansicht von Kramp-Karrenbauer der Schalter, der umgelegt werden muss, um die Welt zu retten. Deutschland könne den Beweis antreten, „dass Innovationskraft und Veränderungsbereitschaft unsere Gesellschaft leiten und so den notwendigen Schub zur Rettung der natürlichen Lebensgrundlagen schaffen können“, so glaubt Kramp-Karrenbauer, die darin ein leuchtendes Beispiel für Europas Nachbarkontinent Afrika sieht. Hier werden nach neuen Zahlen der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung  die derzeit in Afrika lebenden Frauen bis 2050 durchschnittlich 4,4 Kinder bekommen, deren weibliche Nachkommen, so die Projektion, haben dann bei leicht sinkender Fertilitätsrate noch einmal fast so viele Kinder pro Kopf.

Afrika wächst um  36 Deutschlands


Ehe die Fruchtbarkeitsrate auch in Afrika bis 2100 auf 2,1 Kinder pro Frau sinkt, wird die Zahl der Menschen dort von heute knapp 1,3 Milliarden sich damit noch auf rund 4,3 Milliarden Menschen nahezu vervierfachen, ehe der Geburtendruck nachlässt. Afrika wächst um 36 Deutschlands.

Eine Entwicklung, aus der große europäische Verantwortung erwächst: Um viermal mehr Menschen einen Lebensstandard wenigstens auf dem derzeitigen Niveau zu sichern, müsste das Wirtschaftswachstum in Afrika über die nächsten 90 Jahre stabil bei mindestens 2,5 Prozent liegen und über das Jahrhundert kumuliert annähernd 400 Prozent erreichen.

Soll ein Wohlstandswachstum für den Einzelnen spürbar werden, was die Geburtenentwicklung positiv beeinflussen könnte, bräuchte es sogar Zuwachsraten von dauerhaft über drei oder sogar vier Prozent. Zahlen, die Afrika noch nie erreicht hat.


Wenn Annegret Kramp-Karrenbauer also davon spricht, dass sie glaube, den „Auftrag politische Glaubwürdigkeit erneuern für die Bewältigung der immensen Herausforderungen, die vor uns liegen“ zu haben, von wem auch immer, dann hat sie eine Lösung gefunden, wie 82 Millionen Deutsche „Maßnahmen im Umwelt- und Klimaschutz“ (AKK) treffen können, die sich „an marktwirtschaftlichen Prinzipien orientieren“ (nicht: die marktwirtschaftlichen Prinzipien folgen!): Und trotz des bemerkenswerten Größenunterschieds (Abbildung oben) sicherstellen, dass in Deutschland mehr „konkret umweltschonende Lenkungswirkung“ entfaltet wird als gleichzeitig in Afrika durch den schieren Zuwachs an Bevölkerung konkret umweltschädlicher Schaden angerichtet wird.

Nicht zwei Fliegen, sondern 20 mit einer Klappe


Dass diese „Maßnahmen Rahmen des Klimaschutzgesetzes“ (AKK) dann auch noch „wirtschaftlich und innovationsanreizend“ und „sozial ausgewogen“ sein werden, sieht die Frau, deren höchstes Regierungsamt bisher der Bürgermeisterposten im Saarland war, als „große Chance für unsere Wirtschaft“. Nun endlich könne man „Wachstum wollen, das durch Innovationen Probleme lösen kann“, was dem Wortlaut zufolge bisher offenbar verboten war. „Deshalb ist es richtig, wenn Deutschland sich zu einer klimaneutralen EU bis 2050 verpflichtet“, klingt dann schon so irrwitzig wie eine Beteuerung der SPD, ein Versprechen der Bundesregierung richtig zu finden


Den Rest des Textes, mit dem die allem Anschein nach völlig ratlose CDU-Chefin tatsächlich in der „Zeit“ landete, hat ein überforderter Praktikant in einem streng abgedunkelten Raum aus einem Bingo-Stapel „Stichworte für grüne Parteitagsreden“ zusammengefühlt. „Denn nur ein zukunftsorientierter Industrie- und Technologiestandort Deutschland kann mit starken Unternehmen und Erfindergeist bei Innovationen im Umwelt- und Klimabereich an der Weltspitze bleiben“, steht da.

Geheimnisvoller Auftraggeber


Ein Satz, der kein zweites Lesen übersteht, ohne sich als völlig sinnfrei zu entpuppen. Daneben der scharfe Konkurrent: „Strategisch können wir mit unseren europäischen Partnern als starke Gemeinschaft, mit Forschungsverbünden und europäischen Marktführern im internationalen Wettbewerb beste Lösungen anbieten“. Und gleich noch einer: „Dringlich ist in dieser Hinsicht auch eine bessere Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent, der mit einer rasch wachsenden Milliardenbevölkerung nach Sicherheit, Wachstum und Versorgung strebt.“

Deutschland, geführt von Annegret Kramp-Karrenbauer, wird der Menschheit geben was sie ersehnt, beste Lösungen, innovativ, zukunftsorientiert, Weltspitze, Wachstum, pipapo, sozial ausgewogen, selbstverständlich. Europa macht nun nicht mit. Aber wer braucht andere, wenn er sich selbst hat?
Und seine "ethische Verpflichtung gegenüber unseren Mitgeschöpfen ebenso wie gegenüber den kommenden Generationen und der Schöpfung als Ganzem" (AKK).