Geht es nach Onlineumfragen, ist derbis vor kurzen noch völlig unbekannte Keiner von Beiden Favorit auf den Chefposten der EU-Kommission. |
Der eine ist ein erfahrener Hinterbänkler, der schon seit 15 Jahren mitbaut an Europa als sozialer Alternative zum chinesischen Unterdrückungsmodell und dem abgeschotteten Trump-Amerika. Der andere arbeitet schon seit 25 Jahren auf europäischer Ebene, zuletzt als Erster Vizepräsident der EU-Kommission. Beide Männer, der eine Deutscher, der andere Niederländer, eint der feste Wille, Europa - gemeint ist die EU - ganz neu aufzubauen, weil die Wertegemeinschaft, wie sie derzeit ist, ihnen zwar als das Beste gilt, was menschliche Entwicklung in zwei Jahrtausenden als überstaatliche Organisation geschaffen hat. Sie aber andererseits der festen Überzeugung sind, dass es so auf keinen Fall weitergehen kann.
Im Dilemma
Ein Dilemma. Man hat alles mitgemacht und ist jahrelang nicht als Kritiker der Verhältnisse aufgefallen. Muss aber nun, angesichts der Lage, so tun, als sehe man Reformbedarf. Das Egon-Krenz-Paradoxon, das jeden Apparatschik ereilt, der aus der zweiten Reihe zum Überholen ansetzt, von weiter hinten im Feld aber aussieht, als fahre er schon viel zu lange an der Spitze mit.
In einem von beharrlichem Desinteresse geprägten Wahlkampf, den die selbsternannten Pro-Europäer von Links über Grün bis zur schwarz-roten Mitte mit konsequenter Vermeidung irgendwelcher inhaltlicher Absichtsbekundungen führen, fällt es den beiden farblosen Bürokraten denn auch sichtlich schwer, auch nur ansatzweise Interesse bei irgendwem zu wecken.
Weber und Timmermans, alte weiße Männer mit dem Diversitätsgehalt eines Milchbrötchens, erweisen sich bis in die "heiße Phase" (Spiegel) der europäischen Wahlkampfsimulation als pures Kassengift: Als die ARD die "Spitzenkandidaten" in die sogenannte "Wahlarena" bat, brachen die Einschaltquoten schlagartig um die Hälfte ein. Gerademal zwei Millionen Menschen schauten zu, wie sich der Sozialdemokrat und der Christsoziale kumpelig duzten und gerade noch vermeiden konnten, sich vor Einigkeit unentwegt in die Arme zu fallen. Nicht einmal sieben Prozent aller Fernsehzuschauer wollten das miterleben. Bei den jüngeren Menschen, auf die die Großparteien seit #fridaysforfuture so viele Hoffnungen setzen, waren es sogar nicht einmal fünf Prozent.
Es geht noch tiefer
Doch tatsächlich: Die ZDF-Variante derselben Show - hier "TV-Duell zur Europawahl" genannt, unterbot das noch: Nur 1,68 Millionen Zuschauer fanden sich ein, um Timmermans und Weber beim Einanderherzen und sich gegenseitig mit Regulierungsideen überbieten zuzusehen. Der Marktanteil lag bei sagenhaft unterirdischen 5,8 Prozent, bei den jungen Leuten waren es sogar nur 2,5 Prozent, etwa die Menge an Zuschauern, die der Satellitensender "Smartphone-Shop" erreicht.
Liegt es an der lähmenden Dramaturgie, die einer Auseinandersetzung entspringt, bei der die Streitenden Mühe haben, nicht fortwährend einer Meinung zu sein? Oder wurzelt das Problem tiefer? Die Gesamtschau der Einschaltquoten, die Fernsehsender kassieren, sobald die das Thema "Europa" ins Programm heben - wobei stets "EU" gemeint ist -, lässt Letzteres vermuten.
Bürgerinnen und Bürger haben den Eindruck, Europa steht Kopf, von Anfang an. Nur eine kleine Gruppe von Menschen, eine ganz kleine Clique, habe hier wirklich etwas zu sagen, bestimme, wo es langgeht und in welcher Geschwindigkeit. Europa ist eine Staaten- und Völkergemeinschaft, deren Praxis es zu sein scheint, auf die Völker nicht zu hören. Das sehen die Menschen auch jetzt im Wahlkampf, wenn wieder und wieder wiederholt wird, die EU habe "70 Jahre Frieden" geschaffen, Martin Schulz habe in Brüssel und Straßburg einen außerordentlich wichtigen Posten inne und die Gründung einer "EU-Armee" stehe unmittelbar bevor.
Wenn dann von der "heißen Phase" einer "Europawahl" gesprochen wird, dann ist es wieder soweit: Die Zeit der heißen Phrasen ist gekommen, Wochen, in denen mehr noch als üblich gar nichts mehr stimmt von dem, was meistenteils vollkommen unbekannte "Spitzenkandidaten" und zuverlässig einmal aller fünf Jahre in ihren Wahlkreisen auftauchende "Europa-Parlamentarier" von sich geben. Schon die Selbstbezeichnung der Mitglieder des einzigen Parlaments weltweit, das nicht einmal Budgetrecht hat, ist frei erfunden: Die EU umfasst nur 27 (oder 28) Staaten Europas mit nur (je nach Betrachtung) der Hälfte der europäischen Bevölkerung. Maßt sich aber an, das ganze Europa zu sein.
Traditionell aus dem Hinterzimmer
Die "Spitzenkandidaten" für die Wahl zu diesem Gremium werden traditionell irgendwo in einem dunklen Hinterzimmer ausgewürfelt. Gibst du mir, gebe ich dir. Auch Manfred Weber, ein Niederbayer, der seit 15 Jahren im EU-Parlament sitzt, ohne in dieser Zeit irgendjemandem groß aufgefallen zu sein, ist so zur Ehre gekommen, jetzt große Pläne zu haben. Der CSU-Mann, im Krieg der Schwesterparteien um die Korrektur der Flüchtlingspolitik nach einer Kaupelei zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer zum "Spitzenkandidaten" der in der "Europäischen Volkspartei" gekürt, den die europäischen Partnerparteien dann abnickten, weil Merkel im Gegenzug zugestand, dass ein Franzose und nicht der Deutsche Jens Weidmann nächster Chef der Europäischen Zentralbank werden darf, startete seinen Wahlkampf mit einem jener Punkte-Pläne, die in der großen Politik stets zur Hand sind, wenn es gilt, Visionen für eine Welt zu beschreiben, die es nicht gibt.
Fast auf den Tag genau zwei Jahrzehnte nach der Verabschiedung der Lissabon-Strategie, mit der die EU darauf gezielt hatte, "die EU innerhalb von zehn Jahren, also bis 2010, zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt zu machen", und zehn Jahre nach dem Start der "Strategie Europa 2020", die überall in der Gemeinschaft „intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ ermöglichen sollte, gibt Manfred Weber ("The Power of WE") Ausblick auf seine Strategie 2030, eine Art logische Fortsetzung des unendlichen Märchens von der Wohlstandsmaschine EU, die nur leider, leider von so vielen üblen Hassern nicht richtig verstanden wird.
Stimmt alles nicht
Jeder, der sich dahingehend äußert, dass er nicht einverstanden ist, wie Europa läuft und welche Ziele es hat, wird plattgemacht, außerhalb der zulässigen Diskussion gestellt und als Rechtspopulist beschimpft. Das scheint den Institutionen die letzte Chance, den Leuten das Gefühl zu geben, sie hätten die Sache im Griff. Ziel es ist, sich durch Kooperation gegenseitig zu stärken in einem weltweiten Wettbewerb, in dem sich einzelne Staaten nicht mehr behaupten können wie man ja am Beispiel der Schweiz, von Norwegen, Kanada oder auch Japan sehen. Denen geht es schlecht, die gehen unter.
Das ZDF fand mit der aufwendig gemachten Reportage "Wir Deutschen und Europa" nur 1,54 Millionen Zuschauer, eine warnende Dokumentation mit dem Namen „Laut, forsch, national“ über Salvini, Orbán und Co. kam gar nur auf 1,39 Millionen Zuseher und von den 14- bis 49-Jährigen schalteten hier nur 2,7 Prozent ein - eine Quote auf Einkaufssenderniveau. Der "Schlagabtausch" genannte "TV-Vierkampf" (ZDF) von FDP, Linken, Grünen, AfD, mit dem das Zweite Deutsche Fernsehen die virtuelle Spitzenkandidatenschaft von Weber und Timmermans zu unterfüttern suchte, fand das Interesse von 1,69 Millionen Zuschauern. Eine Reichweite, die unter der eines Boxkampfes von Youtubern liegt.
Gekaufte Popularität
Bei denen holen sich die Wahlkämpfer denn auch immer öfter kostspielige Hilfe, um die zu erreichen, die sich nicht erreichen lassen wollen. Vergebliche Liebesmüh`, wie das von der EU-kommissionsnahen Bürgerbewegung "Friends of Europe" mit finanzieller Unterstützung durch die EU betriebene Wahlwerbungsportal debatingeurope.eu. 500 Millionen Europäer bringen es hier auf vier Fragen an den "sozialdemokratischen Spitzenkandidaten" (debatingeurope.eu), sie alle kommen zudem von ausgewiesenen Berufseuropäern, die seit Jahren in eigenem oder fremdem Auftrag allerlei Europa-Themen kommentieren. Die "grüne Spitzenkandidatin" (debatingeurope.eu), die eigentlich nur die Spitzenkandidatin der deutschen Grünen ist, kommt erstaunlicherweise ebenso auf vier Fragen, gestellt von denselben vier Nutzern.
Die Bemühungen der Kandidaten selbst, sich ins Gespräch zu bringen, um sich einen Namen zu machen, scheitern ebenso kläglich. "Wenn wir nicht ändern, wie wir Plastik produzieren und nutzen, wird es 2050 mehr Plastik als Fisch in unseren Ozeanen geben", warnte Timmermans letztes Jahr bei der Vorstellung der neuen EU-Strategie zum Kampf gegen eben jenen Plastikmüll. Der ist dringend, denn die Vermüllung der Meere schreitet voran. Zuletzt wurden an entlegensten Mittelmeerstränden sogar schon Plastikkugelschreiber gefunden (oben), die laut Aufdruck direkt aus der Brüsseler EU-Werbemaschine stammten.
Dennoch stimmt Timmermanns rechnung hinten und vorn nicht. Angesichts von 1,4 Milliarden Tonnen Fisch in Meeren und Seen und gerademal 100 bis 150 Millionen Tonnen Kunststoffabfall, der sich dort nach Angaben des Umweltbundesamt im Jahr 2013 befand, müssten nämlich ab sofort jährlich etwa 40 Millionen Tonnen Plastikabfall neu in die Ozeane gelangen, um Timmermanns Horrorfantasie wahr werden zu lassen. Selbst nach Zahlen der UN-Umweltorganisation UNE beträgt die "Gesamtmenge der in die Ozeane entsorgten Kunststoff-Frachten" (FR) derzeit nur fünf bis 13 Millionen Tonnen jährlich - gute zwei Drittel zu wenig, um Timmermanns apokalyptische Voraussage wahr werden zu lassen.
Bis 2050 mehr 1,4 Milliarden Tonnen Plastik in die Meere zu bringen, ist zwar prinzipiell machbar, scheint aber angesichts einer erst im Oktober 2017 veröffentlichten Schätzung deutscher Hydrologen, nach der derzeit pro Jahr nur zwischen 400.000 und vier Millionen Tonnen Plastik neu in die Weltmeere gelangt, relativ unrealistisch. Nicht nur, weil sich die im Meer zu verklappende Plastikmenge damit schlagartig etwa verzehnfachen müsste, sondern auch, weil es dazu erforderlich wäre, ab sofort etwa ein Viertel der jährlichen Plastik-Produktionsmenge direkt der Verwendung als Kunststoffabfall für das Meer zuzuführen.
Sockenpuppen, Onlinetrolls, Brüsseler Bleistiftspitzen und gekaufte Klicks, damit simuliert die EU sich demokratische Teilhabe, wo keine ist. Die Seite selbst, durchaus aufwendig gestaltet und von einer regelrechten Redaktion betreut, bringt es weitweit auf Platz 229.000 in der Rangliste der meistbesuchten Internetseiten. Und liegt damit 157.000 Plätze hinter sciencefiles.org, einem Blog, das von den den Wissenschaftkritikern Heike Diefenbach und Michael Klein im Alleingang und ohne öffentliche Förderung betrieben wird.
brillant. ich klatsche einsam aber laut.
AntwortenLöschendanke. es muss noch schlimmer werden, ehe es besser wird, fürchte ich
AntwortenLöschena pessimist is someone who finds that things couldnt get any worse--to which the optimist replies: oh yes, they could. je schlechter es aussieht desto unterhaltsamer und erhellender liest sich ppq. also komm schon, im erika, haeng noch ne ehrenrunde dran, und an die adresse der spd sage ich: mit chultz an der chpitze lief es besser.
AntwortenLöschen"Untergangspropheten, , die vom Pessimismus leben - und gar nicht schlecht - empfinden jede Art von Zuversicht zwangsläufig als Existenzbedrohung."
AntwortenLöschenBob Hope
Da die Endzeitler – Klima, Überbevölkerung, Plastik, Atomkraft, Kohle, Öl, „in 18 Stunden bekommt Trump die Atomcodes“ (Der Eulenspiegel), Putin, Feinstaub, Stickstoffdioxid usw. usw. – gerade Hochkonjunktur haben, erkennt man im Zitat von Bob Hope „den Kampf gegen Rechts“. Auch als kanonisierte Fassung „Ihr Kampf“ zu haben.
Wer dem undemokratischen Konstrukt (keine Wahlgleichheit, keine Kontrollfunktion über die Kommission, eingeschränkte Gesetzgebungskompetenz, ausgehebeltes Initiativrecht) namens EU-Parlament seine Stimme gibt, entzieht sie gleichzeitig dem demokratischen nationalen Parlament. Das Konstrukt ist ausschließlich dafür da, um die nationalen Parlamente auszuhebeln – Motto, die EU war es; wir MÜSSEN EU-Recht umsetzen. So haben deutsche Fundamentalisten Gurken gerade und Lampen teurer gemacht. Ein aktuelles Beispiel ist der Dunkelgrüne Jan-Philipp Albrech, der das Konstrukt DSGVO entwickelt hat, von den EU-Parlamentsdarstellern abnicken lies und zur Belohnung dafür einen nationalen Landesministerposten einheimste. Das DSGVO muss natürlich, ohne Parlamentsdebatten in den Ländern, umgesetzt werden – die EU war es ja, was soll man da machen. Andere Länder profitieren aber auch vom deutschen Fundamentalismus. Während hier Fahrverbote für Dieselfahrzeuge erlassen werden –40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft bedeutet ja für ein lungenkrankes Neugeborenes, wenn es 24 Stunden diesen Werten ausgesetzt wäre, ein Risiko – freuen sich andere Länder über hochwertige Dieselfahrzeuge, die man spottbillig jetzt in Deutschland kaufen kann. Gelobt sei die EU, so der deutsche Fundamentalist und der ausländische Dieselautofan. Ein Adventskranz reißt den Grenzwert zwar um das 200-fache, aber – so die Dunkelgrünen – Kinder sind definitiv länger Verkehrsinseln als Adventskränzen ausgesetzt, ein Vergleich wäre menschenverachtendes Relativieren.
Williamson hatte wissen lassen, dass er nicht nur glaube, der Mensch sei aus Lehm gemacht und die Frau als minderes Wesen gehören an den Kochtopf, wo die Mehrheit der strenggläubigen deutschen Katholiken noch mitgegangen wären. Sondern auch, dass der *Räusper* habe nicht stattgefunden habe. ++++++++++++++++++++++++++++++
AntwortenLöschenSchon zehn Sonnen ist das her! Wie die Zeit vergeht... Da hatte auch Germar Rudolf seins abgesessen ...
Nordlandfahrer
P.S. Audiatur et altera pars: Eines Mannes Rede, ist halbe Rede. Du sollst sie anhören bede.