Mai-Unruhen in Berlin (1. Mai 1929) |
Von PPQ-Kolummnistin Svenja Prantl
Ich bleibe heute, wie schon oft, wieder am Prenzlauer Berg stehen. Mein Blick fällt auf helle Ziegelsteine, mit denen nach jenen furchtbaren Bombennächten des Hitlerkrieges auch zerstörte Friedhofsmauern ausgebessert wurden. Nicht zum ersten Mal muss ich denken, wenn Steine sprechen könnten! Doch sie schweigen.
Vielleicht sollte ich das Erlebnis, das meine Großmutter als Zwanzigjährige hatte, den Zwanzigjährigen unserer Tage erzählen? Leuchtende grüne Blätter der Birken künden doch wieder den 1. Mai an. Liebt nicht jeder junge Mensch den Frühling mit seiner zarten Schönheit, der immer wieder wundervolle Pläne für das Leben, für die Zukunft reifen lässt?
Auch meine Oma hatte in ihrer Jugend Träume, wie sie junge Leute heute etwa vom Klima und einer friedlichen, weltweit gerechten Gesellschaft träumen.
Aber eine brutale Wirklichkeit verhinderte auch damals ihre Erfüllung! Der Kampf um die Existenz war hart in den Krisenjahren der Weimarer Republik, die heute oft als beispielhaftes Beispiel für eine deutsche Demokratie bemüht wird. Ha! Minderbezahlte Arbeit und Arbeitslosigkeit, das war das Los unzähliger junger Menschen, die damals schon ausgebeutet wurden wie heute Paketboten und Mitarbeiter von Bundes- und Landtagsabgeordneten.
Meine Oma aber war glücklich, dass sie in jener Zeit ihren Platz in den Reihen der organisierten Arbeiterklasse gefunden hatte. Denn dort lernten ihre Genossen und sie die Zusammengehörigkeit, die Solidarität kennen, und das bedeutete ihnen viel, erzählte sie später immer wieder.
Es war im Jahre 1929, das mit dem furchtbaren Blutmai in die Geschichte der deutschen Arbeiterklasse eingegangen ist. Der berüchtigte sozialdemokratische Polizeipräsident Zörgiebel, viele Fernsehfans kennen ihn aus "Babylon Berlin", hatte ein Demonstrationsverbot angesprochen, wie es bis heute Tradition hat in Berlin. Doch an diesem 1. Mai wollten die Arbeiter dennoch auf der Straße in geschlossenen Kundgebungen für ihre Forderungen eintreten.
Der traditionelle 1. Mai war weder aus den Kalendern, noch aus den Köpfen, noch aus den Herzen zu verbannen. Die Arbeiterklasse konnte und wollte sich das Recht auf den 1. Mai nicht nehmen lassen. Deshalb sollte an diesem Tage, damals gab es noch keinen entsprechenden Feiertag, in den Betrieben gestreikt werden. Die Kommunistische Partei Deutschlands, unterstützt von den linken Kräften, die es seinerzeit auch in der Sozialdemokratischen Partei noch gab, rief zum Protest gegen die ungeheuerliche Zörgiebelsche Maßnahme auf.
In der Firma Marbuch, in der meine Großmutter arbeitete, waren alle gut organisiert. Auf einer Versammlung wurde schließlich mit überwiegender Mehrheit die Arbeitsniederlegung am 1. Mai beschlossen Aber die jungen Leute wollten an diesem Tage auch für die Forderungen ihrer Klasse demonstrieren. Ein Verbindungsmann der Partei hatte allen einen genauen und geheimen Treff- und Zeitpunkt angegeben, denn schlagartig sollte in allen Stadtteilen Berlins mit der Mai-Demonstration begonnen werden.
Die Gruppe meiner Oma sammelte sich in den umliegenden Häusern hinter der Volksbühne und auf dem Friedhof in der Prenzlauer Allee. Noch boten die Straßen das gewohnte Bild, als plötzlich auf einen kurzen Pfiff hin viele, viele Arbeiter sich auf der Prenzlauer Straße in Richtung . Alexanderplatz in Bewegung setzten. Unter den Rufen "Es lebe der 1. Mai" und „Nieder mit dem Verbot" entrollten die revolutionären Massen ihre roten Fahnen und begannen, die "Internationale“ zu singen. Alle fassten sich fest an den Händen und fühlten sich wie ein großer revolutionärer Volkskörper.
Ein erhebendes Gefühl, sagte meine Oma, die Kraft der Arbeiterfaust zu spüren und dem Verbot zu trotzen. Hunderte von Menschen waren zusammengetroffen, und das nicht nur in ihrem Prenzlauer Kiez. "Wir wussten, dass gleichzeitig mit uns Abertausende Arbeiter in Berlin demonstrierten", erinnerte sich Oma, die Elli hieß und so gern strickte.
Doch die Zörgiebel-Polizei, ein Werkzeug der Herrschenden, ließ sie nicht, nicht an diesem Tag. Die Büttel des Kapitals legen in Bereitschaft und trieben die Demonstranten brutal in Richtung Prenzlauer Allee zurück. Mit heruntergelassenen Sturmriemen sprangen sie von ihren offenen Wagen und schlugen auf meine Oma ein. So wurden die Protestierenden an der roten Friedhofsmauer entlang bis zum Prenzlauer Berg zurückgedrängt. Da peitschten die ersten Schüsse, und schon lagen Demonstranten verletzt auf der Straße.
Ein Massaker, heute längst vergessen, damals aber ein Ereignis, das die Republik erschütterte. Niemand wusste mehr, wohin, Hand in Hand mit einer jungen Genossin aus ihrem Betrieb flüchtete Oma Richtung Prenzlauer Berg. Aber auch da kamen den beiden jungen Mädchen Polizisten entgegen, die entmenscht auf sie einschlugen. "Es gab kein Entweichen", berichtete Oma später, "ich stürzte, versuchte wieder aufzustehen, und blieb dann doch an der roten Friedhofsmauer liegen."
Es eine Stelle, die heute mit hellen Ziegelsteinen ausgebessert ist, sie hat sie mir gezeigt. Mehr Spuren sind nicht geblieben. Zörgiebel hatte über 30 Tote und Hunderte Verletzte auf dem Gewissen. Seine Auftraggeber waren mit ihm zufrieden. Aber der Kampfesmut und der Kampfeswille der Arbeiter waren längst nicht gebrochen. Der Polizeiterror hat das Klassenbewusstsein der Arbeiter nur weiter gestählt und den Hass gegen die Arbeiterfeinde noch mehr vertieft.
Fünf Jahre später wurde der 1. Mai durch eine Gesetzesnovelle zum „Nationalen Feiertag des deutschen Volkes“ erklärt. Er blieb es bis heute, entweder wie in der DDR und weiteren sozialistischen Ländern als „Internationaler Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus“, oder wie in Nordrhein-Westfalen als "Tag des Friedens und der Völkerversöhnung" oder auch "Tag des Bekenntnisses zu Freiheit und Frieden, sozialer Gerechtigkeit, Völkerversöhnung und Menschenwürde".
Oma wäre stolz.
Danke, dem ehemaligen Kunstmaler aus Österreich für diesen gesetzlichen Feiertag.
AntwortenLöschenKomme gerade von "Kläge" 8 3/4 Stunden am Stück - und für die vielen Polizisten in B und HH beginnt soeben die "Nachtschicht".
Erbsensuppe mit fettem Schweinefleisch 1. Mai 2019 at 16:04
AntwortenLöschenDozent an einem mecklenburgischem Bildungszentrum behauptete vor einer Schulklasse, die AFD wäre Hitler und wolle die Juden verbrennen
Im Klassenzimmer: Hetze gegen die AfD! 14-Jährige berichtet -------------
Das ist es, was ich an der AfD so liebe: Steilvorlagen en gros versemmeln.
Ja, ist OT.
der 1.Mai ist ein Feiertag weil der Führer es befohlen hat .
AntwortenLöschen"Heraus zum 1. Mai,
AntwortenLöschensammelt mit Euren Körpern Blei!
Den Kapitalisten getrotzt,
gegen die SPD gemotzt.
So wird das nichts, Genossen,
Ihr werdet nur erschossen."
der alois
reichsarbeitstagwart