"We" wie wir und BER wie der Berliner Pannenflughafen - Manfred Weber hat
mit einem fulminanten Auftritt zum Abschluss der heißen Ph
rase des EU-Wahlkampfes noch einmal mit einer klaren Dampfansage an Populisten, Nationalisten und Nazisten für Furore gesorgt. Beim EU-Wahlkampffinale des als "EVP" in Belgien eingetragenen Parteivereins in München waren sich demonstrativ "plötzlich alle ganz einig" (Die Zeit): WeBER ist der richtige Mann zur richtigen Zeit, ein "Bayer für Europa" (Weber) der den Kontinent nach der "Schicksalswahl" (Steinmeier) neu gründen und 500 Millionen Europäer - unter Zurücklassung der übrigen 250 Millionen - in eine lichte Zukunft führen wird.
Vielversprechend wirkt schon dieses "The Power of WE", das mit biologisch abbaubaren Stiften an die Stirnseite des Saales genagelt wurde. "WE" für Weber und das "We", das die ausscheidenden Briten für "Wir" benutzen, dazu der Code BER, eine unverhohlene Anspielung auf Weber große Pläne, deren Umsetzung aber erwartbarerweise noch einige Zeit dauern wird.
Im Moment krankt die EU noch ein bisschen daran, dass sie sich weder auf eine gemeinsame Lösung zur Sommerzeit noch einen gemeinsamen Wahltag, weder auf eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise noch auf gleiche Regeln zur Besteuerung fremdländischer Internetkonzerne oder auch nur
anderer Firmen einigen kann. Weber aber wird das ändern, um ihn herum tanzen Kinder in silbernen Kunststoffanzügen, eine Inszenierung wie bei Michael Jackson, zu der der Spitzenkandidat rhythmisch mit dem Kopf nickt.
Zuerst tritt der aus Russland stammende, aber in Hamburg lebende Helene Fischer, eine imposante Erscheinung immer noch, obwohl nur 1,50 groß. Fischer gilt als eine der größten Sängerinnen der Neuzeit, als Erotikikone und Beispielwunder für Integration. Sie trägt Europa in den Genen, ist noch nicht Mutter, aber Besitzerin von mehreren Dutzen tiefausgeschnittenen Kleidern, die sie heute der Reihe nach trägt. Fischer bringt einen Moment der Stille mit, der Saal wird dunkel, Trommelwirbel mit der Lichtorgel, leise Rockmusik, auf der Leinwand laufen Videoclips über die emotionalen Höhepunkte des Wahlkampf.
Strache, Kurz, Rezo, Iran, Irak, Afghanistan. Jeder Sinn wird überreizt, die Halle klatscht im Takt. Helene Fischer, noch sichtlich von einem schweren Kampf mit einer leichten Grippe gezeichnet, wird von mehreren im erotischen
Stil gekleideten Jungfrauen hereingeführt. Moderatorin Susanne Vontorra begrüßt die Gäste des Festaktes, darunter Prominente aus "Dschungelcamp, "Schlag den Raab" und "Big Brother"
mit einem Originalzitat: „Alle lieben und loben Mose, das Gesetz und den
Jesus Sirach, aber nur so lange, wie sie ihn lesen. Wenn's aber ans Tun
kommt, so werden sie ihnen Feind.“
Auch die Wirtschaft gibt sich die Ehre, die dem Hinterbänkler so viel zu
verdanken hat. Erstmals kooperieren bei der Großveranstaltung mehr als
60 Konzerne und Unternehmen um die lukrativen Sponsorenslots, gut 50
prominente Spitzenredner stehen auf dem Podium, mehr als 500 Teilnehmer
werden auf den Gipfelveranstaltungen erwartet. Höhepunkt des Treffens
der Entscheider ist aber natürlich die Verleihung des renommierten
„Freiheitspreis der Medien“ an Juncker. Bei der Premiere hatte der
frühere sowjetische Staats- und Parteichef Michael Gorbatschow die
Trophäe noch eingeheimst, danach siegten Kardinal Marx und FDP-Chef
Lindner, der sich den Titel mit Bundesbanker Jens Weidmann teilen
musste. Jetzt kehrt sie in den Westen zurück, ein formschön gestaltetes
Stück verleiten Stahls, gestaltet von den größten Künstlern des
Kontinents und handgaviert mit der Widmung: Unserem Besten.
Der gescheiterte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz ist da und SPD-General
Lars Klingbeil, der Ex-Boxer Henry Maske und der Ex-Moderator Cherno
Jobatey, Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der Bergsteiger Thomas
Huber, die im Kampf um den CSU-Vorsitz unterlegene Ilse Aigner, der
schon vor Jahren nach Brüssel entsorgte Günther Oettinger und Christian
Lindner, ehemals fast Vizekanzler.
Applaus brandet auf und auch die herbeigeeilten Parteifreunde von We erheben sich nun
schwerfällig, aber winkend von ihren Stühlen. Sie verbindet viel mit dem
Hoffnungsträger, denn auch sie haben viel reformiert: Das deutsche Verständnis
von Europa, das Zusammenwachsen, den Euro, den Arbeitsmarkt und das Israelbild der SPD.
Vontorra würdigt Weber nun für sein unerschrockenes Auftreten gegen
Rechtsextremismus, Gleichschaltung, Umweltverschmutzung, Antisemitismus
und Zionismus. Das sei „beispielhaftes Verhalten in der Gesellschaft“,
in der Zivilcourage leider immer noch zu selten sei. Danach spielt ein
Cello-Trio ungeachtet der Trillerpfeifen von etwa zwei Dutzend
Demonstranten, die überwiegend aus der Bundeshauptstadt angereist sind,
um den Festakt zu stören, Stücke von Schostakowitsch und Wagner, ehe
Cornelia Hakkisch vom Netzwerk für Demokratie und Toleranz und
nachhaltige Wirtschaft die Lobrede auf den Wahlsieger
hält.
Die junge, zutiefst engagierte Frau betont in ihrer Laudatio, „den Mut
von Manfred Weber, die Umtriebe der Feinde der Demokratie zu
recherchieren und eine konsequente Bekämpfung von Kriegstreiberei und
Gewalt und Nazismus anzumahnen.“ Keine Handbreit!, ruft sie unter
donnerndem Applaus. Für die Welt ist es ein
historischer Moment: Der Mann vorn, der die Welt führen wird, mit Amtssitz auf dem ersten Kontinent, der als Friedens-Erdteil ausgezeichnet wurde, bekommt Beifall, der länger ist als die 7.41 Minuten, die
Angela Merkel bei ihrer Wahl zur Kanzlerkandidatin erhalten hatte. Und er konnte auch die elf Minuten toppen, die Peer Steinbrück
von seinen Genossen bejubelt worden war.
Noch einmal erklingen die Celli, diesmal mit einer Komposition von
Erich Weinert, und Manfred Weber begibt sich, begleitet von sieben
hübschen Weber-Maiden, festen Schrittes nach vorn, um den
neugeschaffenen "Mutmacher-Orden"
entgegenzunehmen. Er wolle nicht viele Worte machen,
sagt der Dichter der versammelten Prominenz, zu der auch Veronica
Ferres und der Fußballer Holger Kraus gehören. Dann nutzt Manfred Weber die
Gelegenheit, um noch einmal seine geplante Antrittsrede für das Europaparlament auszuprobieren, ein aufrüttelndes Großwerk, das an die besten Momente deutscher Literaturgeschichte erinnert, ohne aufdringlich zu werden.
In einer bewegenden Rede erinnerte Manfred Weber, dessen Heimatland das Kernland der Eu geworden ist, an den Fall der Berliner Mauer, die Auflösung des Ostblocks, die
Kriege auf dem Balkan, den Tod des Eisbären Knut und den Klimawandel.
Die EU sei stets treibende Kraft gewesen und habe geholfen, "die
Bruderschaft und den Frieden zwischen den Nationen" zu fördern, so der
kernige Franke. Sein Amt werde es sein, diese Erfolge auszubauen und das sei "nicht nur
gerechtfertigt, sondern auch notwendig", weil die Gemeinschaft ohne ihn schweren Zeiten entgegengehen könnte.
Stille danach im Saal, die Botschaft muss sich erst setzen. Dann tritt
Fischer wieder vor, die Dankesworte spricht und Grußworte der deutschen Schlagerbranche verliest,
die selbst nicht kommen konnte. Alle stünden hinter Manfred Weber, Manfred, unser Mann, habe der große Roland Kaiser gereimt. „Einen solchen
Kandidaten zu haben, ist für unser Metier ein Geschenk, denn
wer hätte unerschrockener wider den Stachel gelöckt als Marfred Weber in
seiner Zeit?“, heißt es in der Grußadresse, die Helene Fischer mit einem deutlich ermunternden Augenzwinkern Richtung Weber verliest, der ein wenig rot zu werden scheint, als er die Einladung mit sichtlicher
Rührung zur Kenntnis nimmt. Der große Mann der fränkischen Christsozialen weiß, er ist am rechten Platz, das ist seine Zeit, seine Stunde. Umso mehr will er heute tun, was er
nicht lassen kann.
Dann setzt Ali Pavel Müller-Smith an, mit der sonoren Stimme, die viele vor allem weibliche Fans so lieben, seine neue Ode an Manfred Weber vorzutragen. Müller-Smith ist ganz Profi, ganz bei sich, er spricht frei und er liest mit Betonung vor, was er
Das Weberlied nennt.
Das Finale dahoam, wie es der Moderator aus Österreich genannt hat, es findet seien emotionalen Höhepunkt in diesen Momenten der lauten Stille. Die scheidende Generation der europäischen Konservativen um Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder, die alten Kämpen Horst Seehofer, Theo Waigl und Edmund Stoiber, sie absolvieren hier ihren einzigen gemeinsamen Wahlkampfauftritt. "Europa versöhnt", sagt sein Chef Söder an die Kanzlerin gerichtet, der nachgesagt wird, dass sie Webers Traum, Präsident der EU-Kommission zu werden, als Verhandlungsmasse in das nach dem Wahltag anstehende Postengeschacher einbringen will, um sich selbst am Ende den Chefposten im Europäischen Rat zu sichern.
Kein Thema in Müller-Smiths bewegenden und auch kritischen Zeilen, denen neben CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt auch Gesundheitsminister Jens Spahn, der Friedensnobelpreisträger und ehemalige polnische Präsident Lech Wałęsa und die
Regierungschefs aus Kroatien und Bulgarien lauschen, deren Namen durch die Reporter der "Zeit" nicht zu ermitteln waren.
PPQ dokumentiert das bislang unveröffentlichte WeBER-Gedicht, bereits heute ein Klassiker modernen Influencertums.
Im düstern Auge keine Träne,
Sie sitzen im Plenarsaal, es blitzen die Zähne:
Populismus, wir webern dein Leichentuch,
Wir webern hinein ein dreifaches Hoch -
Manfred Weber, Manfred Weber!
Ein Dank dem Gotte, von dem wir gebeten
in den Kampf den grausamen Klimanöten;
Wir haben zu lange gehofft und geharrt,
Er bringt und uns nun Zukunft bei Tag und bei Nacht -
Wir webern, wir webern!
Sein Fluch dem Juncker,
dem Helfer der Reichen,
Den unser Flehen nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpresst
Und
unsere Hunde bald erschießen lässt -
Wir webern, wir webern!
Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Nationalismus lässt gedeihen nur Schande,
Hat noch jede
Blume früh geknickt,
und Frieden und Freundschaft immer erstickt -
Wir webern, wir webern!
Europa lebt, Begeisterung erwacht,
Wir wählen seit Tagen Tag und Nacht -
Nationalismus, wir webern dein Leichentuch -
wir webern hinein ein dreifaches Hoch -
Manfred Weber, Manfred Weber!