Guy Verhofstadt macht sich ernsthafte Hoffnungen, als nächster EU-Kommissar die Nachfolge von Jean-Claude Juncker antreten zu können, der vieles von dem, was Verhofstadt hat, auch besaß: Bürger eines eher kleinen, unbedeutenden EU-Landes, eine lange Funktionärskarriere und nur eine Zukunft, wenn die EU bleibt, was sie ist. Auf so einen können die Großen sich einigen, zumal wenn er jahrelangen Stallgeruch hat.
Verhofstadt macht also Wahlkampf, auf eine nicht unangenehme, da kaum wahrnehmbar leise Art. Der Belgier weiß, dass er ohnehin nur zum Zuge kommen wird, wenn der vorab als konservativer Kandidat ausgekungelte Manfred Weber aus Deutschland über seine Bühnengefechte mit Victor Orban stürzt. Und die sozialistische Seite des künftigen Parlaments auch mit Hilfe der Grünen keine eigene Kandidatin durchbringt.
Trotzdem kann es auch der seit 35 Jahren als hauptberuflicher Politiker tätige Chefunterhändler des Europäischen Parlaments für die Austrittsverhandlungen mit dem Vereinigten Königreich nicht lassen, im Kampf für das, was er unter Europa versteht, freierfundene Fakten zu bemühen. Seiner Lesart zufolge ist etwa die EU-Staatsbürgerschaft eine wichtige Ergänzung zur nationalen Staatsbürgerschaft – nur worin diese bestehen soll, kann Verhofstadt nicht sagen. Wie auch, schließlich ist die angebliche "EU-Staatsbürgerschaft" eine reine Schimäre, völkerrechtlich ein Mythos und zivilrechtlich nur insofern existent, dass jeder sie automatisch besitzt, der die Staatsbürgerschaft eines EU-Staates besitzt. Ohne dass ihm aus diesem Sahnehäubchen aus Luft irgendein Vorteil erwächst.
Die „EU-Staatsbürgerschaft“, von der Verhofstadt schwärmt, ist allein aus sich nicht lebensfähig., denn seit sie 1992 durch den Vertrag von Maastricht, Art. 17 EGV, eingeführt wurde, war sie nie mehr als ein Anhängsel ohne Zweck und Nutzen.Verliert ein Brite die EU-Staatsbürgerschaft, die quasi das Trägermedium der EU-Staatsbürgerschaft ist, verliert er die EU-Staatsbürgerschaft gleich mit. Scheidet sein Land aus der Union aus, ist die "EU-Staatsbürgerschaft", die keine ist, schlagartig perdu. Ebenso kann niemand eine EU-Staatsbürgerschaft erwerben, der nicht die Staatsbürgerschaft eines EU-Staates erwirbt.
Man hat also immer beides, nie aber nur eines davon, und das ist auch gut so, denn die EU ist (noch) kein Staat, auch wenn die Verzweiflung manchen Gescheiterten zwingt, laut nach ihm zu rufen, und hat also so etwas wie eine Bürgerschaft folglich nicht zu vergeben.Verhofstadt weiß das natürlich genau, denn dass die Unionsbürgerschaft die nationale Staatsbürgerschaft nicht ersetzt, sondern nur symbolisch ergänzt, ist selbst in Brüssel und Straßburg bekannt. Deshalb ruft er ja gerade so laut danach, dass es einer "Reform" samt "Erweiterung der Rechte" bedürfe, die die Staatsbürgerschaft ohne Staat ihren Bürgerinnen und Bürgern verspricht: Das zum Beispiel, dass jeder, der sie künftig einmal habe, sie für immer behalten können müsse, selbst wenn sein Heimatland aus der Union ausscheide.
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