Nach dem Relotius-Schock gingen Wellen der Empörung durchs Land, Wellen des Entsetzens, der Ratlosigkeit und der Scham. Von der Neuen Presse Coburg bis zur angesehenen SZ, bei der einst der berühmte Bad-Kleinen-Erfinder Hans Leyendecker hatte unterschlüpfen können, steht ein traditionelles Geschäftsmodell im Feuer: Darf, wer den Menschen noch besser erklären will, warum es gut ist, was die Regierung beschlossen hat, seine Argumente völlig frei erfinden? Und wenn ja: Immer? Oder nur manchmal? Und muss das dann kenntlich gemacht werden?
Bis ins politische Berlin, das eigentlich schon dabei ist, DPA-Reportern wie jedes Jahr ihre ganz normal bescheidenen Weihnachtspläne in die kritisch-optimistischen Blöcke zu diktieren, reichen die Erschütterungen der neuen Spiegel-Affäre.
PPQ-Reporter Carl Gustaf hat sich in der Republik des Tages danach umgehört und viel Enttäuschung getroffen, viel Verzweiflung auch und natürlich - gerade bei Medienarbeitern - auch Scham, die, wie einer sagt, "nun auf uns alle zurückfallen wird wie ein viel zu großer Bösendorfer-Flügel, den wir eine Treppe hinauftragen wollten".
Zwischen der Sorge, dass Rechtspopulisten und erklärte Feinde freier Erfindungen in den Medien den bedauerlichen Einzelfall nutzen könnten, um Stimmung gegen die Pressefreiheit zu machen, und der Angst, dass die Politik sich gezwungen sehen könnte, eine europaweit geplante Anmeldepflicht für Bots und russische Trolle auf ein komplettes Verbot von Fake-Geschichten erweitern könnte, prägt die Diskussion.
Einige wichtige Reaktionen auf den Vorfall von Hamburg hat PPQ hier gesammelt:
Angela Merkel (CDU, Bundeskanzlerin): Mir doch egal, ob die Geschichten von Claas Relotius wahr oder falsch sind. Jetzt sind sie im Spiegel drin.
Heiko Maas (Außenminister): Claas Relotius hat sich gegen unsere demokratischen, toleranten, solidarischen und weltoffenen Werte und Grundprinzipien gestellt. Das gehört verurteilt.
Julian Reichelt, Bild-Zeitung: Ausgerechnet der Spiegel, ausgerechnet Weihnachten! Die ganze Geschichte über die Rhesus-Affäre, das Schweigen aus dem Kanzleramt und die fragwürdige Herkunft dieses angeblichen Berufskollegen – morgen in
Frank Walter Steinmeier (Bundespräsident): Claas Relotius hat sich gegen unsere demokratischen, toleranten, solidarischen und weltoffenen Werte und Grundprinzipien gestellt. Das gehört strengstens verurteilt.
Ralf Stegner (SPD): Stories erfinden und fälschen gehören nicht zur Sozialdemokratie. Claas Relotius ist kein Sozialdemokrat.
Anja Reschke, Journalistin: Es muss nicht immer alles stimmen, aber die Haltung!
Gregor Gysi, (Linke): Um glücklich zu sein, müssen wir uns ab und an von gewissen Menschen distanzieren. Wir müssen lernen, zu leben und zerstörerische Kampagnen, wie sie der "Spiegel" jahrelang gegen mich fuhr, durchzustehen. Es stimmt ja immer alles nicht.
Katarina Barlay (Justizministerin, Spitzenkandidatin zur EU-Wahl): Sowas passiert nur Männern. Bei einer Frau wäre das nicht passiert.
Pepsi-Cola, Pressesprecher: Wir distanzieren uns ausdrücklich vom Versuch, über die Platzierung von Anzeigen eine parteipolitische Vereinnahmung unserer Marke zu erreichen und prüfen rechtliche Schritte gegen die Verursacher.
Alexander Gauland (AfD): Die Geschichten von Claas Relotius sind ein Fliegenschiss in der deutschen Geschichte.
Dunja Hayali, Relotius-Kollegin: Was ist Wahrheit? Das Interview, das ich geführt habe? Die Anmoderation? Mein neues Buch? Die Sachsen, mit denen ich gesprochen habe? Die Politiker, denen ich helfe, ihre Politik noch besser zu erklären? Alles das hat einen festen Platz in meinem Herzen und daraus fügen sich wie Puzzleteile viele, viele Wahrheiten zu einem Stück zusammen.
Annalena Baerbock (Grüne): Journalismus gründet auf Vertrauen, Vertrauen ist die Basis unserer Rechtsordnung. Wer unsere Rechtsordnung nicht akzeptiere, bei dem sollte die Abschiebung vorgezogen werden.
Friedrich Merz (CDU): Der Wahrheitsgehalt der Stories von Claas Relotius passt auf einen Bierdeckel.
Donald Trump, US-Präsident: I told you so. You are fake news!
Alan Posener, Die Welt: Hut ab vor diesem Kollegen! Diese Fantasie, die poetische Kraft. Nicht alle Lieder gefallen mir, aber es ist herrlich, wie Leute, die überall Lügenpresse schreien, plötzlich jammern, wenn sie selbst auf eine stoßen.
Kai Gniffke (ARD): Schon im Juli wurde der bei der ARD der Text eines Pakts verabschiedet, der offiziell ausschließen wird, dass ähnliche Fälle bei uns geschehen. Nach ersten Recherchen hat Rhetorius nicht als Faktenfinder für die Tagesschau gearbeitet.
Hans Georg Maaßen (Verfassungsschützer im Ruhestand): Den Diensten lagen keine Erkenntnisse über die Wahrheitsgehalt der Geschichten von Claas Relotius vor.
Rudolf Augstein (aus dem Himmel): Die Unwahrheit muss gesagt werden.
zu Frau Reschke wäre noch dieser Nachtrag erhellend, für die, die Erleuchtung suchen
AntwortenLöschenVorwort von Rhetorikus
Die Dunya eine Schwester von dem Relativius?
Wenn man etwas von Hayali und Reschke liest oder hört, dann wird einem Karl-Eduard von Schnitzler gleich irgendwie sympathsich.
AntwortenLöschenCordt Schnibben (Vater wegen Beihilfe zum Todschlag verurteilter Nazi, Sohn DKP, dann „Spiegel“): Der Betrug von Relotius ist perfekt und schmerzlich, aber „das hätte uns auffallen müssen“. ------------------
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Bartels nun wieder. Blühte, Hähme und Todschlag.
Da lieber noch Ali Wallraff - kleiner Scherz.
@Anonym "Bartels nun wieder..."
AntwortenLöschenStehen da wirklich diese Fehler, oder machen Sie Spaß? Kann da nicht Sepp in seiner Eigenschaft als Schriftleiter ein Machtwort sprechen?