Die Brust so breit, trotz allem, was da in den letzten Tagen abseits des Rasens beim Halleschen Fußballklub an Intrigiennetzen gesponnen und an alten Rechnungen beglichen wurde. Im Spiel gegen Karlsruhe, in den vergangenen Jahren beileibe kein Lieblingsgegner des HFC, starten die ganz in Weiß auflaufenden Rot-Weißen, als wären sie im Spitzenspiel zwischen 2. und 4. der Favorit und nicht die Gäste aus der Partnerstadt, von der die Stadt im Osten längst weniger wissen will als die Stadt im Westen. 19 Minuten lang zaubert und presst der HFC, bei dem für den verletzten Kapitäns Jan Washausen der zuletzt Starke Björn Jopeck auflaufen darf.
Karlsruhe sieht eine Viertelstunde keinen Stich, die Blauen laufen den Weißen fast schon hilflos hinterher. Ersatzkapitän Sebastian Mai könnte Punkt eins auf dem Matchplan schon in der 3. Minute abhaken und die Führung köpfen, doch er trifft nur die Latte. Moritz Heyer versucht es gleich nochmal, der Ball landet aber bei Torwart Uphoff. Mathias Fetsch ist fünf Minuten später dran, aber auch nicht glücklicher, er schießt drüber. Sturmpartner Pascal Sohm köpft nach einer Vertelstunde knapp vorbei. Der KSA hat in der gesamten Zeit einen Vorstoß über die Mittellinie. Den Schuss klärt Eisele.
Nur eine Zeitfrage, so scheint es, bis der vom halleschen Oberbürgermeister in einer Art Mutwilligkeitsanfall mitten der größten Hochphase der letzten sieben Jahre in eine Krise gestürzt worden ist, deren ganzes Ausmaß im Moment noch gar nicht abzusehen ist. Die Fans im ehemaligen Wabbel-Stadion lassen keinen Zweifel daran, wer hier den Schwarzen Peter hat: "Wiegand raus", steht auf einem Plakat, derselbe Spruch schallt auch imemr wieder aus der Kurve. Vor Spielbeginn hatte der Stadionsprecher den 7500 Hallensern auf den Rängen in einer persönlichen Erklärung aus dem Herzen gesprochen: Die Zeiten der Diktatur, in denen SED-Bezirkschefs und DDR-Bürgermeister den HFC wie ihgr persönliches Spielzeug behandelten, sind vorüber. "In einem Verein bestimmen die Mitglieder", ruft Markus Hein, "das ist Demokratie".
Dass Mehrheiten dabei genausowenig gerecht nach allen Maßstäben entscheiden wie Fußballspiele nach Ballbesitz, schönen Spielzügen oder dem numerischen Übergewicht der Chancen entschieden werden, wird ab der 20. Minute vorgeführt. HFC-Abwehrchef Moritz Heyer, gerade zu einem der besten Abwehrspieler der Liga gewählt, kommt nach einem langen Ball in die Mitte der HFC-Abwehr um einen Bruchteil einer Sekunde zu spät. Er läuft zwar nur quer vor Karlsruhes Choi. Der aber fällt und Schiedrichter Jonas Weickenmeier, bis dahin eigentlich unauffällig, entscheidet nach kurzem Zögern auf Elfmeter.
Anton Fink, der ewige Torschützenkönig der 3. Liga, der auch einmal hatte nach Halle wechseln sollen, lässt Kai Eisele keine Chance und stellt den Spielverlauf mit dem 0:1 auf den Kopf.
Es wirkt dann, als wäre den Weißen der Stecker gezogen worden. Minutenlang wird nur noch SDicherheitsfußball geboten, die Verunsicherung, nun, wo der Matchplan mit der schnellen Führung und dem Versuch, danach zu kontern, gescheitert ist, scheinen die Köpfe der Spieler leer wie die Sitze im Stadion, auf denen sonst der Oberbürgermeister Platz nimmt. Erst als schon fast Halbzeit ist, fängt sich der HFC wieder und versucht, im trüben Dämmerlicht des frühen Winterabends den Spielfaden wiederzufinden. Bis auf eine hundertprozentige Chance, als Fetsch Sohm bedient, der mit der Hacke zurücklegt und der Inspirator der Aktion frei vor Uphoff direkt und ohne Druck auf dem Ball direkt in die Arme des KSC-Keepers schießt, passiert aber nicht viel.
Doch noch ist nichts verloren, noch wäre ein Sieg verdient und ein Remis das Wenigste, was die emsigere, fleißigere und spielerisch veranlagtere Mannschaft des Gastgebers heute erwarten könnte. Aber es bleibt auch nach der Pause dabei, dass Halle zwar flüssig kombiniert, ab Mitte KSC-Hälfte allerdings in der zweiten der zwei Viererketten der Blauen hängenbleibt. Nur Marvin Ajani, der in der ersten Hälfte durchweg viel zu früh in die Mitte gezogen war, bleibt nun außen und bringt Flanken nach innen. Aber die Abnehmer sind nicht da. Oder sie schaufeln das Leder neben und übers Tor.
Auffällig aber ist, wie die zweitjüngste Mannschaft der Liga mit der Vergeblichkeit all ihrer Bemühungen umgeht. Statt wie noch vor kurzem umzufallen, sehen Lindenhahn, Jopeck, Landgraf und Co aus, als wollten sie dem Gegenwind aus Karlsruhe und aus dem eigenen Rathaus nun erst recht widerstehen. Manu läuft mal um mal an, um mal um mal an zwei Gegenspielern hängenzubleiben. Fetsch müht sich, Mai fordert mehr Lautstärke von der Kurve.
An einem jeder Tage, an denen du machen kannst, was du willst, und doch kommt nichts so, wie du möchtest, läuft der Film aber wie nach Drehbuch. In der Druckphase der Hallenser sucht Marvin Ajani den Tunnel auf Rechtsaußen. Er verpasst ihn um Zentimeter und statt eines HFC-Angriffes gibt es Einwurf für Blau. Schnell ausgeführt, Fink hat den Ball und der bis hierhin sichere Landgraf sieht sich plötzlich abgehängt. Mehr braucht Fink nicht, um zum 0:2 zu treffen.
Auch wenn HFC-Trainer Thorsten Ziegner nach Guttau für Manu nun noch Tuma und Pacliuca bringt und damit alles, was nach vorn laufen kann, auf dem Platz hat, ist das Spiel danach natürlich durch. Die KSC-Fnas, versammelt hinter einem Plakat mit der Aufschrift "Hass, Hass, Hass", das zeigt, wie viel Arbeit es noch machen wird, das Badener Land zu demokratisieren, feiern. Die Hallenser aber auch, obwohl die bedingungslose Attacke, die ihre Spieler reiten, die bisher noch nie richtig untergegangene Ziegner-Elf mit Pouriés 0:3 in der 87. Minute quasi ins offene Messer stürzen lässt. Aber egal, denn die wichtigen Siege müssen in den nächsten Wochen und Monaten vermutlich sowieso woanders eingefahren werden: Im Oktober kommenden Jahres ist Oberbürgermeisterwahl an der Saale. Dann bestimmt die Demokratie, ob der Rathauschef das behalten darf, was er für sein Spielzeug hält.
Hroald, der Treue, in Fesseln, schaut auf den König voll HASS: Eh' ich mich taufen lasse, gib mich den Wölfen zum Fraß ...
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