Populismus galt lange alsdemokratiefeindlich, inzwischen aber entdecken auch etablierte Parteien wie die SPD sein Potential. |
SPD-Chefin Andrea Nahles ist ganz ehrlich. "Das System flößt mir Angst ein", sagt sie über Hartz IV, das System, das ihre Partei vor Jahren selbst erfunden hatte. Nahles war damals Bundestagsabgeordnete und als stellvertretende Sprecherin der Fraktionsarbeitsgruppe Arbeit und Sozialordnung schwieg sie ausdauernd zu den unter Gerhard Schröder durchgesetzten Maßnahmen.
Jetzt aber, die Umfrageergebnisse sind mies, die Politik der SPD wird selbst in der Partei nicht mehr verstanden und Nahles, die eigentlich hatte Kanzlerin werden wollen, gilt heute schon als Opfer der EU-Wahlen im kommenden Jahr, ist Hartz IV die letzte Hoffnung der deutschen Sozialdemokratie: Gelingt es, kosmetische Reformen an der Reform durchzusetzen, glaubt Andrea Nahles, werden Wähler ihre SPD wieder lieben.
Doch wie ernst meint sie das? Und wie glaubwürdig sind Ankündigungen, den "Sozialstaat auf die Höhe der Zeit" (Nahles) bringen zu wollen? Für PPQ hat Gebärdendolmetscherin Frauke Hahnwech die Aussagen der Frau, die einst den Nahlismus erfand, aus dem Propagandistischen ins Deutsche übersetzt.
Frage: Sie wollen Hartz IV hinter sich lassen. Warum glauben Sie eigentlich, dass Sie die SPD mit diesem Thema aus der Krise führen können?
Nahles: Das glaube ich ja gar nicht. Aber angesichts unserer Umfragewerte derzeit und einer Union, die seit Jahren in unserem Beritt wildert, bleibt uns doch gar nichts anderes übrig als zu behaupten, dass es schon immer das Anliegen der SPD war, den Sozialstaat auf die Höhe der Zeit zu bringen. Es gibt immer erhebliche Veränderungen in der Arbeitswelt, es gibt immer ein altes System, das immer an vielen Stellen unpassend scheint. Wir unsere Hoffnung auf den Umstand, dass das Wort "neu" gerade deshalb immer wieder neu eine Faszination ausübt.
Frage: Aber ihre Angriffe richten sich inzwischen im Tagesrhythmus direkt gegen Hartz IV. Deutschland ist nun ausgerechnet mit diesem Reformpaket nicht so schlecht gefahren, aus dem kranken Mann Europas wurde eine Wachstumslokomotive. Wie wollen Sie es begründen, dass die nun Dampf ablässt?
Nahles: Das ist ganz einfach. Wir sind gewählt, etwas zu ändern, weil völlig klar ist, dass niemand jemanden wählt, nur damit der da ist. Unsere Ideen für die Zukunft, am liebsten für die, die ganz weit in der Zukunft liegt, sind die Basis der aktuellen Regierungsarbeit. Die leidet an der Beschränkung, dass der Koalitionsvertrag nichts über eine Abschaffung von Hartz IV enthält, wir also in den kommenden Jahren mit jeder Forderung danach auf Granit beißen werden bei der Union. Gut, sage ich. Umso lauter können wir es fordern! Das ist ein Riesenschritt genau in die Richtung, die wir wollen.
Frage: Aber ist es dann nicht unglaubwürdig, wenn Sie versprechen, das System Hartz IV überwinden zu wollen? Wenn Sie wissen, Sie können das gar nicht?
Nahles: Nein. Wir versprechen ja nicht, es zu tun, sondern es tun zu wollen! Wir leben in der Gegenwart und denken an morgen und übermorgen und überübermorgen. Das unterscheidet uns von den Konservativen, für die oft beim Jahr 2030 oder 2050 Schluss ist. Heute beginnt die Diskussion um die Zukunft des Sozialstaats, in der nächsten Wahlperiode wollen wir unsere Vorschläge umsetzen, wenn wir dann wieder den Kanzler stellen.
Frage: ist das denn wirklich realistisch?
Nahles: Die von mir skizzierte Grundsicherung ist nur ein Teil einer großen Reform, die zum Beispiel auch die Einbeziehung von Beamten in die Rentenversicherung, den Klimawandel, Dieselfahrverbote, die Überwindung der Zwei-Klassen-Medizin und neue Bildungsstrukturen samt White Boards für alle Schulen umfassen wird. Wir stecken jetzt im Umfrageloch, sage ich immer, deshalb müssen wir die Zukunftsdebatten jetzt führen, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass wir noch da sind. Meine Parole ist: Jetzt ist eine Grundsanierung fällig, die können wir aus vielerlei Gründen nicht machen, also reden wir darüber, als könnten wir. Eine Ersatzhandlung, wenn Sie so wollen.
Frage: Ihr Vorgänger Sigmar Gabriel warnt, die SPD dürfe nicht zur Hartz-IV-Partei werden, die gäbe es mit der Linkspartei schon. Einen Überbietungswettkampf mit ihr und mit den Grünen könne man nur verlieren.
Nahles: Gabriel, der die Partei so abgewirtschaftet hat. Der muss es wissen. Da muss sich niemand Sorgen machen, denn wir wollen etwas ganz anderes als die Linkspartei und übrigens auch die Grünen, schon aus Gründen der Unterscheidbarkeit. Im Unterschied zu denen wollen wir nicht noch mehr Leistungsempfänger, sondern einen anderen Namen für Leistungsempfänger. Das ist auch in meinem Interesse: Wenn ich im kommenden Jahr aus dem Amt scheide, möchte ich ja auch nicht zum Leistungsempfänger werden, der durch allerlei Anreize auf einen sozialen Arbeitsmarkt gedrängt wird. Ich will ein Recht auf Arbeit, aber eben keine Arbeitspflicht, sondern ein Recht auf eine Grundsicherung, die eben nicht das Recht auf bezahltes Nichtstun ist, sondern die Pflicht, staatliche Leistungen anzunehmen, wenn es anders nicht geht. Das ist die exakt entgegengesetzte Logik.
Frage: Das klingt sehr ausgeklügelt, aber auch äußert schwer verständlich. Was ist denn im Kern neu am Bürgergeld?
Nahles: Zentral anders ist das Menschenbild. Hartz IV ist mit Perspektive auf den Missbrauch konstruiert worden. Das Bürgergeld wird anders funktionieren: Wir brauchen es als Versprechen an die Menschen, auch dann ein sicheres Auskommen zu haben, wenn beruflich nichts mehr geht oder die Tatkraft so weit geschwunden ist, dass sie Unterstützung brauchen und erhalten müssen. Die bekommen sie von der SPD. Und wir hoffen darauf, dass das anerkannt wird.
Frage: Sie verschenken ohne Gegenleistung, um dann doch eine zu erhalten?
Nahles: Nein, so ist das nicht. Wer uns wählt, tut das weiterhin freiwillig, aber er hhat eben vielleicht im Kopf, dass die SPD für eine Arbeitsmarktpolitik steht, wo nicht mehr der, der sich verweigert, mit Sanktionen rechnen muss, sondern der, der einfach mal mitmacht, Prämien bekommt. Wenn schon Sanktionen, habe ich im Vorstand vorgeschlagen, dann müssen das nicht Leistungskürzungen sein. Es heißt da, kreativ werden! Warum nicht Playstationverbote oder kein runter, kein fern? Die ganze Haltung muss sein: Die SPD wird mir helfen, nicht: die SPD interessiert sich nicht für mich, sondern nur für sich selbst. Ich weiß doch, was die Leute draußen auf der Straße reden.
Jetzt aber, die Umfrageergebnisse sind mies, die Politik der SPD wird selbst in der Partei nicht mehr verstanden und Nahles, die eigentlich hatte Kanzlerin werden wollen, gilt heute schon als Opfer der EU-Wahlen im kommenden Jahr, ist Hartz IV die letzte Hoffnung der deutschen Sozialdemokratie: Gelingt es, kosmetische Reformen an der Reform durchzusetzen, glaubt Andrea Nahles, werden Wähler ihre SPD wieder lieben.
Doch wie ernst meint sie das? Und wie glaubwürdig sind Ankündigungen, den "Sozialstaat auf die Höhe der Zeit" (Nahles) bringen zu wollen? Für PPQ hat Gebärdendolmetscherin Frauke Hahnwech die Aussagen der Frau, die einst den Nahlismus erfand, aus dem Propagandistischen ins Deutsche übersetzt.
Frage: Sie wollen Hartz IV hinter sich lassen. Warum glauben Sie eigentlich, dass Sie die SPD mit diesem Thema aus der Krise führen können?
Nahles: Das glaube ich ja gar nicht. Aber angesichts unserer Umfragewerte derzeit und einer Union, die seit Jahren in unserem Beritt wildert, bleibt uns doch gar nichts anderes übrig als zu behaupten, dass es schon immer das Anliegen der SPD war, den Sozialstaat auf die Höhe der Zeit zu bringen. Es gibt immer erhebliche Veränderungen in der Arbeitswelt, es gibt immer ein altes System, das immer an vielen Stellen unpassend scheint. Wir unsere Hoffnung auf den Umstand, dass das Wort "neu" gerade deshalb immer wieder neu eine Faszination ausübt.
Frage: Aber ihre Angriffe richten sich inzwischen im Tagesrhythmus direkt gegen Hartz IV. Deutschland ist nun ausgerechnet mit diesem Reformpaket nicht so schlecht gefahren, aus dem kranken Mann Europas wurde eine Wachstumslokomotive. Wie wollen Sie es begründen, dass die nun Dampf ablässt?
Nahles: Das ist ganz einfach. Wir sind gewählt, etwas zu ändern, weil völlig klar ist, dass niemand jemanden wählt, nur damit der da ist. Unsere Ideen für die Zukunft, am liebsten für die, die ganz weit in der Zukunft liegt, sind die Basis der aktuellen Regierungsarbeit. Die leidet an der Beschränkung, dass der Koalitionsvertrag nichts über eine Abschaffung von Hartz IV enthält, wir also in den kommenden Jahren mit jeder Forderung danach auf Granit beißen werden bei der Union. Gut, sage ich. Umso lauter können wir es fordern! Das ist ein Riesenschritt genau in die Richtung, die wir wollen.
Frage: Aber ist es dann nicht unglaubwürdig, wenn Sie versprechen, das System Hartz IV überwinden zu wollen? Wenn Sie wissen, Sie können das gar nicht?
Nahles: Nein. Wir versprechen ja nicht, es zu tun, sondern es tun zu wollen! Wir leben in der Gegenwart und denken an morgen und übermorgen und überübermorgen. Das unterscheidet uns von den Konservativen, für die oft beim Jahr 2030 oder 2050 Schluss ist. Heute beginnt die Diskussion um die Zukunft des Sozialstaats, in der nächsten Wahlperiode wollen wir unsere Vorschläge umsetzen, wenn wir dann wieder den Kanzler stellen.
Frage: ist das denn wirklich realistisch?
Nahles: Die von mir skizzierte Grundsicherung ist nur ein Teil einer großen Reform, die zum Beispiel auch die Einbeziehung von Beamten in die Rentenversicherung, den Klimawandel, Dieselfahrverbote, die Überwindung der Zwei-Klassen-Medizin und neue Bildungsstrukturen samt White Boards für alle Schulen umfassen wird. Wir stecken jetzt im Umfrageloch, sage ich immer, deshalb müssen wir die Zukunftsdebatten jetzt führen, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass wir noch da sind. Meine Parole ist: Jetzt ist eine Grundsanierung fällig, die können wir aus vielerlei Gründen nicht machen, also reden wir darüber, als könnten wir. Eine Ersatzhandlung, wenn Sie so wollen.
Frage: Ihr Vorgänger Sigmar Gabriel warnt, die SPD dürfe nicht zur Hartz-IV-Partei werden, die gäbe es mit der Linkspartei schon. Einen Überbietungswettkampf mit ihr und mit den Grünen könne man nur verlieren.
Nahles: Gabriel, der die Partei so abgewirtschaftet hat. Der muss es wissen. Da muss sich niemand Sorgen machen, denn wir wollen etwas ganz anderes als die Linkspartei und übrigens auch die Grünen, schon aus Gründen der Unterscheidbarkeit. Im Unterschied zu denen wollen wir nicht noch mehr Leistungsempfänger, sondern einen anderen Namen für Leistungsempfänger. Das ist auch in meinem Interesse: Wenn ich im kommenden Jahr aus dem Amt scheide, möchte ich ja auch nicht zum Leistungsempfänger werden, der durch allerlei Anreize auf einen sozialen Arbeitsmarkt gedrängt wird. Ich will ein Recht auf Arbeit, aber eben keine Arbeitspflicht, sondern ein Recht auf eine Grundsicherung, die eben nicht das Recht auf bezahltes Nichtstun ist, sondern die Pflicht, staatliche Leistungen anzunehmen, wenn es anders nicht geht. Das ist die exakt entgegengesetzte Logik.
Frage: Das klingt sehr ausgeklügelt, aber auch äußert schwer verständlich. Was ist denn im Kern neu am Bürgergeld?
Nahles: Zentral anders ist das Menschenbild. Hartz IV ist mit Perspektive auf den Missbrauch konstruiert worden. Das Bürgergeld wird anders funktionieren: Wir brauchen es als Versprechen an die Menschen, auch dann ein sicheres Auskommen zu haben, wenn beruflich nichts mehr geht oder die Tatkraft so weit geschwunden ist, dass sie Unterstützung brauchen und erhalten müssen. Die bekommen sie von der SPD. Und wir hoffen darauf, dass das anerkannt wird.
Frage: Sie verschenken ohne Gegenleistung, um dann doch eine zu erhalten?
Nahles: Nein, so ist das nicht. Wer uns wählt, tut das weiterhin freiwillig, aber er hhat eben vielleicht im Kopf, dass die SPD für eine Arbeitsmarktpolitik steht, wo nicht mehr der, der sich verweigert, mit Sanktionen rechnen muss, sondern der, der einfach mal mitmacht, Prämien bekommt. Wenn schon Sanktionen, habe ich im Vorstand vorgeschlagen, dann müssen das nicht Leistungskürzungen sein. Es heißt da, kreativ werden! Warum nicht Playstationverbote oder kein runter, kein fern? Die ganze Haltung muss sein: Die SPD wird mir helfen, nicht: die SPD interessiert sich nicht für mich, sondern nur für sich selbst. Ich weiß doch, was die Leute draußen auf der Straße reden.
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