Die Hoffnung stürbet nie. Dass Donald Trump auf fast zwei Jahre nach seiner aus deutscher Journalistensicht nahezu widerrechtlichen Wahl zum US-Präsidenten noch immer im Amt ist, lässt der unter Auflagenschwund und Glaubwürdigkeitsverlust leidenden Branche keine Ruhe.
Als würde alles gut, wenn nur die eigene Vorhersage, dass Trump A) die Welt in den Untergang führen oder wenigstens B) sein Amt vorzeitig verlieren werden, alles richten zwischen Berichterstattern und Abo-Abbestellern, wird jeder Hauch eines Anzeichens dafür, dass dass auf der anderen Seite des Atlantik jemand auch der Meinung ist, Trump habe nun aber mal wirklich ein Problem, mit Verve gefeiert. Ob es neue Hinweise auf russische Verstrickungen oder Verbindungen zu Pornodamen sind, falsche Gesetze oder lustige Tweets - Trump steht aus deutscher Sicht jeden Tag unmittelbar für der Amtsenthebung. Nur ein kleiner Schubser, ein letzter Schubs, so suggerieren die meist männlichen, meist weißen und meist westdeutschen Aktivisten hinter den Schreibmaschinengewehren in den Geschützstellungen der Großraumbüros, dann fällt er.
Professoren auf den Barrikaden
Diesmal ist es nun ganz ernst. "Hunderte Juraprofessoren in den USA gehen auf die Barrikaden", reportiert die Frankfurter Rundschau, die mit ihrer wuchtigen Gesamtauflage von noch fast 50.000 Exemplaren traditionell in der ersten Reihe steht, wenn es gegen den verhassten Präsidenten geht. Die Attacke zielt nicht direkt auf Trump, sondern auf dessen Kandidaten für das Oberste Gericht, Brett Kavanaugh. Der von mehreren Frauen pünktlich zur Nominierung mit Missbrauchsvorwürfen überzogenen Mann dürfe keinesfalls ans Oberste US-Gericht berufen werden, so die Unterzeichner eines in einem in der „New York Times“ veröffentlichten Briefes. Kavanaugh besitze nicht die erforderliche Objektivität und Unparteilichkeit, um im höchsten Gericht des Landes zu sitzen, das habe seine Anhörung vor dem Justizausschuss des Senats vergangene Woche gezeigt.
650 Professoren haben das Schreiben unterzeichnet, 650! Wie die FR ist auch der Rest der deutschen Presse schwer von der großen Zahl beeindruckt. 650 Professoren, viel mehr Fachwissen, Seriosität und Unparteilichkeit lässt sich kaum denken in einem Land, das nicht mal über 70 juristische Fakultäten verfügt.. Hier steht ja quasi ein ganzes Heer an juristischer Kompetenz auf gegen einen Mann, der droht, Amerika für immer zu verändern. Und dass, obwohl seine Kollegen an ihm, der seit 13 Jahren am Bundesberufungsgericht in Washington urteilt, einen „Mangel von richterlichen Temperament“ ausmachen, die ihn "für jedwedes Gericht disqualifiziert".
Bedeutsame Gruppe mit großer Relevanz
Die Frage ist nicht, wie Kavanaugh das so lange verbergen konnte. Sondern wieso "650 Professoren" (Spiegel) es plötzlich entdecken und was für eine Bedeutung die Entdeckung einer offenbar so großen und bedeutsamen Gruppe gesellschaftlichen Gruppe von so hohem gesellschaftlichen Rang hat.
So groß? Im Unterschied zu Deutschland ist die Bezeichnung "Professor" in den USA durchaus viel weiter gefasst. Professor ist in Trump-Land nicht nur jemand mit einer Professur. Sondern auch der, der teilzeit lehrt, an einer privaten Bildungseinrichtung oder als Assistent tätig ist. Nach Zahlen vom Herbst 2015 gab es in den USA seinerzeit 1,6 Millionen Professoren aller Fachrichtungen.
Natürlich lehrt nur eine Minderheit von ihnen Jura, doch es ist eine recht große Minderheit, die viele deutsche Zeitungsleser vermutlich überraschen würde, teilten sie die Verbreiter der Nachricht vom Aufstand der Jura-Professoren gegen Trump wenigstens in einem Halbsatz mit, um den Aufschrei der 650 einzuordnen: Nach einer statistischen Untersuchung von 2013 lehrten damals mehr als 7000 echte Professoren in den USA Recht an einer Universität. Die Professoren der 17.000 privaten "Law Schools" sind hier nicht mitgerechnet. Wenigstens zwei oder drei dürfte jede haben. Nicht berücksichtigt sind auch die "Professoren", die nach deutschem Recht keine wären, also Assistenten, Teilzeitkräfte und sonstiges Lehrpersonal, dessen Umfang etwa mit dem Faktor zehn berechnet werden muss.
Das Gesamtgewicht der "650 Professoren" (Welt) lässt sich anhand dieser konservativ gerechneten Zahlen nun zumindest grob einschätzen: Da hat nicht einmal ein halbes Prozent aller in den USA mit der Ausbildung neuer Juristen beschäftigten Personen einen Brief geschrieben. Numerisch gleichgezogen hätten die deutschen Zeitungen, wenn anderthalb der derzeit 323 Blätter über den Brief berichtet hätten.
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