Ich erwachte und hatte mich plötzlich in einen Sozialdemokraten verwandelt. Mein Entsetzen war grenzenlos. |
Als ich eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand ich mich in meinem Bett wie immer, aber schon wenig später war nichts mehr wie vorher. Es war ein Mittwoch, als es mich plötzlich überkam. Dieses Gefühl, nicht mehr ich selbst zu sein. Dieses Gefühl, im falschen Geist zu stecken. Es kribbelte nicht oder schüttelte mich, nein, so war das nicht. Ich las im Grunde genommen nur Zeitung wie immer und was ich las, veränderte das Bild, das ich bis dahin von mir hatte - das eines liberalen Großstadtbürgers, global erfahren, von modernen Gesellschaftsideen durchdrungen, belesen, aber immer noch neugierig, keines Menschen Feind, keines Monsters Freund. Und dann dieser Satz. Ein "Desaster" nannte die norddeutsche SPD-Legende Ralf Stegner den Umgang der Parteispitze mit dem Fall Maaßen. Stegner. Stegner.
Vielleicht muss ich denen, die diesen Mann nicht kennen, alles etwas näher erklären. Ralf Stegner ist eine Art Parteiclown der SPD, ein bärbeißiger Wahlnorddeutscher mit herabhängenden Lefzen, der stets erst spricht und dann - vielleicht - denkt. Stellen sie sich autogenes Training mit Hassmeditation als Person vor. Dann haben Sie ihn vor Augen. Wenn dieser Mann Desaster sagt, dann hat er vorher nachgeschlagen. Aber leider hatte er diesmal auch recht! Kein Zweifel, ich gestand mir das innerhalb von Sekunden ein, diese ganze Maaßen-Geschichte war von hinten bis vorn und von oben bis unten ein Desaster.
Was aber heiß das für mich? Zwar hatte ich mich sichtlich - zur Prüfung schaute ich in den großen Badspiegel - nicht wie Gregor Samsa zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Ich lag nicht auf einem panzerartig harten Rücken und sah nicht, wenn ich den Kopf ein wenig hob, meinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch, auf dessen Höhe sich die Bettdecke, zum gänzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Ich hatte nicht mal viele, im Vergleich zu meinem sonstigen Umfang kläglich dünne Beine, die mir hilflos vor den Augen flimmerten. Und doch brach Panik in mir aus. Wenn ich denke, was Ralf Stegner denkt, bin ich dann nicht wie er? Ein Kasper? Komiker? Gruselclown? Und Sozialdemokrat?
Wütend wühlte ich zuerst durch die Zeitung, die ich immer noch gedruckt am liebsten lese, weil ich so Zwischendenzeilenlesen gelernt habe. Es wurde dann noch schlimmer. Sigmar Gabriel, früher auch ein bedeutender Sozialdemokrat, hatte Reportern den Begriff "irre" in die Blöcke diktiert, um den Wahnsinn zu beschreiben, mit dem sich seine Partei vom Verdacht hatte befreien wollen, für Angela Merkels Macht nur das zu sein, was eine Bücherstütze im Wandregal vorstellt. Kevin Kühnert, die einzige Nachwuchshoffnung der SPD, empört sich: "Ich finde es rational nicht mehr erklärbar. Wahnsinn." Und Andrea Nahles, die vielleicht skrupelloseste Parteichefin, die die deutsche Sozialdemokratie jemals auf sich selbst angesetzt hat, fand das alles "schwer erträglich".
Kein Satz, den ich nicht in den letzten Tagen auch irgendwo gesagt habe. Ich war erschrocken. Ja, entsetzt. Es überkam mich ein alles überschwemmendes Gefühl von Scham und Entfremdung von mir selbst. Was, wenn es wahr wäre? Was, wenn tief in mir, in diesem rationalen Menschen, der weder an die Befreiung der Arbeiterklasse durch den Mindestlohn noch an die Mietpreisbremse, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder die Möglichkeit glaubt, dass Adolf Hitler aufersteht, wenn nicht der Staat Milliarden in die Durchsetzung des Hitlergrußverbotes steckt, doch irgendwo ein Sozialdemokrat steckt? Ein gut getarnter Traumtänzer voller Illusionen, oberflächlich gut rasiert, aber trotz seiner lebenslang konsequent eingehaltenen Äquidistanz zu körperlicher Arbeit nie aus dem geistigen Blaumann gekommen?
Wie gesagt, ich bin eigentlich ein rationaler Typ, den Sie mit dumpfen Ängsten nicht so schnell erschüttern können. Aber ich muss sagen, das war für mich ein Horrorfilm. Wie hatten wir gelacht, als es der SPD-Spitze rund um die clowneske Schulz-Kandidatur gelungen war, ein paar tausend junge Leute zum mitreisen zu bewegen! Und wie fröhlich waren wir, als die Fake News aufflogen und wir uns bestätigt sahen: So blöd kann doch auf Dauer niemand sein!
Und nun war ich es selbst. Ein Sozialdemokrat. Es gruselte mich, kalte Schauer liefen über meinen Körper, ich begann zu schwitzen und zu frieren und alles gleichzeitig und mir wurde klar, dass auch das ein Symptom akuter Sozialdemokratieisrung ist. Nur SPD-Mitglieder können glauben, dass es Aufgabe ihrer Partei ist, die Kanzlerin der politischen Konkurrenz möglichst lange an der Macht zu halten - und gleichzeitig darüber wütend werden, dass diese Kanzlerin ihre hochfliegenden Pläne zur Verbesserung der Welt nur eher mählich umsetzt.
Ich wehrte mich gegen das Eingeständnis, so geworden zu sein. Ein Stegner, ein Gabriel, ein Nahles ohne Wohlstandsbauch! Ich! Meine Frau tröstete mich. Sie meinte, das werde auch wieder weggehen. In den Nächten seitdem aber wuchs mir der Hass, der Hass gegen die Urheber dieser Tat. Eine Welt, die mich sozialdemokratisiert, muss verändert werden, gibt es kein Paktieren, sondern nur das harte Entweder-Oder.
Ich beschloss also, Politiker zu werden. Es ist ja nun sowieso zu spät, sich selbst noch aus dem Wege zu gehen.
Vielleicht trete ich schon zur Europawahl an.
Zur sozialkritischen Reportagereihe "Doku Deutschland"
Stegner im Herzen
Vielleicht muss ich denen, die diesen Mann nicht kennen, alles etwas näher erklären. Ralf Stegner ist eine Art Parteiclown der SPD, ein bärbeißiger Wahlnorddeutscher mit herabhängenden Lefzen, der stets erst spricht und dann - vielleicht - denkt. Stellen sie sich autogenes Training mit Hassmeditation als Person vor. Dann haben Sie ihn vor Augen. Wenn dieser Mann Desaster sagt, dann hat er vorher nachgeschlagen. Aber leider hatte er diesmal auch recht! Kein Zweifel, ich gestand mir das innerhalb von Sekunden ein, diese ganze Maaßen-Geschichte war von hinten bis vorn und von oben bis unten ein Desaster.
Was aber heiß das für mich? Zwar hatte ich mich sichtlich - zur Prüfung schaute ich in den großen Badspiegel - nicht wie Gregor Samsa zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Ich lag nicht auf einem panzerartig harten Rücken und sah nicht, wenn ich den Kopf ein wenig hob, meinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch, auf dessen Höhe sich die Bettdecke, zum gänzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Ich hatte nicht mal viele, im Vergleich zu meinem sonstigen Umfang kläglich dünne Beine, die mir hilflos vor den Augen flimmerten. Und doch brach Panik in mir aus. Wenn ich denke, was Ralf Stegner denkt, bin ich dann nicht wie er? Ein Kasper? Komiker? Gruselclown? Und Sozialdemokrat?
Ich, der rote Gruselclown
Wütend wühlte ich zuerst durch die Zeitung, die ich immer noch gedruckt am liebsten lese, weil ich so Zwischendenzeilenlesen gelernt habe. Es wurde dann noch schlimmer. Sigmar Gabriel, früher auch ein bedeutender Sozialdemokrat, hatte Reportern den Begriff "irre" in die Blöcke diktiert, um den Wahnsinn zu beschreiben, mit dem sich seine Partei vom Verdacht hatte befreien wollen, für Angela Merkels Macht nur das zu sein, was eine Bücherstütze im Wandregal vorstellt. Kevin Kühnert, die einzige Nachwuchshoffnung der SPD, empört sich: "Ich finde es rational nicht mehr erklärbar. Wahnsinn." Und Andrea Nahles, die vielleicht skrupelloseste Parteichefin, die die deutsche Sozialdemokratie jemals auf sich selbst angesetzt hat, fand das alles "schwer erträglich".
Kein Satz, den ich nicht in den letzten Tagen auch irgendwo gesagt habe. Ich war erschrocken. Ja, entsetzt. Es überkam mich ein alles überschwemmendes Gefühl von Scham und Entfremdung von mir selbst. Was, wenn es wahr wäre? Was, wenn tief in mir, in diesem rationalen Menschen, der weder an die Befreiung der Arbeiterklasse durch den Mindestlohn noch an die Mietpreisbremse, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder die Möglichkeit glaubt, dass Adolf Hitler aufersteht, wenn nicht der Staat Milliarden in die Durchsetzung des Hitlergrußverbotes steckt, doch irgendwo ein Sozialdemokrat steckt? Ein gut getarnter Traumtänzer voller Illusionen, oberflächlich gut rasiert, aber trotz seiner lebenslang konsequent eingehaltenen Äquidistanz zu körperlicher Arbeit nie aus dem geistigen Blaumann gekommen?
Wie in einem Horrorfilm
Wie gesagt, ich bin eigentlich ein rationaler Typ, den Sie mit dumpfen Ängsten nicht so schnell erschüttern können. Aber ich muss sagen, das war für mich ein Horrorfilm. Wie hatten wir gelacht, als es der SPD-Spitze rund um die clowneske Schulz-Kandidatur gelungen war, ein paar tausend junge Leute zum mitreisen zu bewegen! Und wie fröhlich waren wir, als die Fake News aufflogen und wir uns bestätigt sahen: So blöd kann doch auf Dauer niemand sein!
Und nun war ich es selbst. Ein Sozialdemokrat. Es gruselte mich, kalte Schauer liefen über meinen Körper, ich begann zu schwitzen und zu frieren und alles gleichzeitig und mir wurde klar, dass auch das ein Symptom akuter Sozialdemokratieisrung ist. Nur SPD-Mitglieder können glauben, dass es Aufgabe ihrer Partei ist, die Kanzlerin der politischen Konkurrenz möglichst lange an der Macht zu halten - und gleichzeitig darüber wütend werden, dass diese Kanzlerin ihre hochfliegenden Pläne zur Verbesserung der Welt nur eher mählich umsetzt.
Ich wehrte mich gegen das Eingeständnis, so geworden zu sein. Ein Stegner, ein Gabriel, ein Nahles ohne Wohlstandsbauch! Ich! Meine Frau tröstete mich. Sie meinte, das werde auch wieder weggehen. In den Nächten seitdem aber wuchs mir der Hass, der Hass gegen die Urheber dieser Tat. Eine Welt, die mich sozialdemokratisiert, muss verändert werden, gibt es kein Paktieren, sondern nur das harte Entweder-Oder.
Ich beschloss also, Politiker zu werden. Es ist ja nun sowieso zu spät, sich selbst noch aus dem Wege zu gehen.
Vielleicht trete ich schon zur Europawahl an.
Zur sozialkritischen Reportagereihe "Doku Deutschland"
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