Samstag, 11. August 2018

Maas-Regeln für Amerika: Hinter den Grenzen der Meinungsfreiheit

Mauern sind gut. Mauern sind schlecht. Grenzen sind gut. Grenzen sind schlecht. Verbote sind gut. Verbote aber auch schlecht. Immer kommt es, so die allgemeinvorherrschende Logik, darauf an, wer was warum einmauert, begrenzt oder verbietet. Sind es die Richtigen, dann ist alles gut. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu kritisieren, die Til Schweigers Grundstück auf Mallorca oder Oskar Lafontaines Palast zur sozialen Gerechtigkeit vom Alltagsleben der herumwimmelnden Ameisenmenschen abschottet. Eine Mauer, gebaut von Donald Trump dagegen, die dazu dient, die USA vor schlangestehenden Einwanderern aus Südamerika zu bewahren, die ist übel, die unmenschlich.

Ebenso ist es mit Orbans Zaun an der ungarischen Grenze. Der ist nicht zu vergleichen oder doch wenigstens nicht gleichzusetzen mit dem Zaun, der Spaniens Grenzen in Afrika abschottet. Einer gut, einer schlecht, bis hin ins Metaphorische: Es muss Grenzen geben, doch diese Grenzen werden gezogen mit einem Fineliner, dessen Spitze inzwischen so dünn ist, dass sie eher unsichtbar schreibt.

Maas macht Schule


Umso schöner, dass die Idee des nunmehrigen deutschen Außenministers Heiko Maas,  die früher übliche unbewegliche und von Feinden unserer Ordnung stets leicht angreifbare staatliche Zensur durch eine Auslagerung von Grenzziehungspflichten an Privatkonzerne zu ersetzen, nun weltweit Schule macht. Am beeindruckendsten in den USA, wie Meinungsfreiheit ihr Ende bislang nicht wie in Deutschland "in den Schranken der allgemeinen Gesetze" fand, die vorschrieben, was sagbar ist und was ungesagt bleiben muss, um die Demokratie nicht zu gefährden. Nein, in den USA war alles erlaubt, was nicht Straftatbestände wie Beleidigung oder üble Nachrede erfüllte.

Vorbei. In einem Akt konzertierter Reinigung haben die großen Internet- und Hightechkonzerne Apple, Google und Facebook jetzt die Accounts des Infowars-Betreibers Alex Jones gelöscht und gesperrt. Jones sei ein "Verschwörungstheoretiker", hieß es zur Begründung, er verbreite zuzdem "Hass" und "Fake News", die gegen Nutzungsbedingungen der Plattformen verstießen. "übles Gerede im Internet", nennt das die NZZ und lässt mitschwingen, dass es da den Richtigen getroffen habe. Die Frankfurter Rundschau ist derselben Ansicht, wenn auch aus anderem Grund. "Grelle Parallelwelt der Verschwörungstheorien" seien es, aus denen Jones berichte. Das kann, ja, das muss weg.

Im Jenseits des geltenden Rechts


Es wird einem Maas`schen Verständnis von Meinungsfreiheit der Weg nun also auch in den USA geebnet. Private Firmen, die selbst keine Inhalte schaffen, können nun weltweit auch jenseits der Grenzen des geltenden Rechts Inhalte löschen, "die sie für inakzeptabel halten" (NZZ). Die Taz, eigentlich traditionell geneigt, zu applaudieren, wenn Äußerungen verboten werden, die nicht dem eigenen Weltbild entsprechen, sieht die Internetkonzerne immerhin in einem "Dilemma": Sie müssten nun Richter sein über gut und böse, richtig und falsch, erlaubt und nicht erlaubt. Ein Satz wie der des Bundesverfassungsgerichtes, das gerade "die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind" als "zum freiheitlichen Staat gehörig" bezeichnet hatte, riecht plötzlich gefährlich nach Überdruckluft aus einem Elfenbeiturm.

Die Welt unter der Gleichrichterkeule eines halben Dutzend an Internetriesen, die kollektiv handeln und aus eigener Machtvollkommenheit die Maßstäbe setzen, entlang derer die Menschheit diskutieren muss. Twitter-Chef Jack Dorsey immerhin hat dem neuen Trend vorerst noch widersprochen. Twitter verhalte sich neutral in politische Debatten, es sei eine Plattform und kein Akteur, der Meinungen danach bewerte, ob sie ihm gefallen oder nicht. "Täten wir das", so Dorsey, "würden wir ein Service werden, der nach seinem eigenen Maßstab misst und jederzeit zu einer anderen Bewertung kommen kann."

Man hat sich angefreundet


Zumindest im deutschsprachigen Raum, historisch nie ein Ort, an dessen Bewohner mit freier Rede warm wurden, hat sich mit den neuen Zuständen nicht nur abgefunden, sondern längst angefreundet. Wenn "verrückte Ideen" und "Verschwörungstheorien" verboten sind, wem fehlt denn dann was? Wenn Fake News nicht merh verbreitet werden dürfen? Die NZZ begrüßt diese neue Form von Meinungsfreiheit. Die Berliner Zeitung sieht ein, dass es ohne Vorratsdatenspeicherung nicht gehen wird. Und der "Spiegel" freut sich schon auf eine weitere Verschärfung der Sagbarkeitsgesetzte durch die EU.

1 Kommentar:

  1. Tja, sie werden halt

    "mit aller Kraft der rechtsstaatlichen Demokratie entgegenwirken".

    Schön, dass sie's mal zugeben.

    Der Verfassungsschutz sollte die Etablierten beobachten, die ständig vom BuVerfG auf ihre Verfassungsverstöße hingewiesen werden, statt Splittergruppen, die sich offiziell zur fdGo bekennen, keine Verbote anderer Parteien fordern, keine Aufhebung der freien Wahlen, keine willkürlichen Prozentklauseln usw., aber selbst verboten werden soll(t)en, sobald sie wieder etwas Bedeutung erlangen.

    AntwortenLöschen

Richtlinien für Lesermeinungen: Werte Nutzer, bitte beachten Sie bei ihren Einträgen stets die Maasregeln und die hier geltende Anettekette. Alle anderen Einträge werden nach den Vorgaben der aktuellen Meinungsfreiheitsschutzgesetze entschädigungslos gelöscht. Danke.